- Geschichte des Libanon
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Geschichte des Libanon in der Antike
Siehe Phönizien.
636–1517: Herrschaft der Araber und der Kreuzfahrer
Der Libanon wurde nach der Schlacht am Jarmuk im August 636, in der muslimische Araber die Byzantiner besiegten, an das Kalifat angeschlossen und teilte bis ins 19. Jahrhundert das Schicksal Syriens. So wurde er nacheinander bis ins 11. Jahrhundert von den Kalifen der Umayyaden, Abbasiden und Fatimiden regiert. Unter den Fatimiden entstand in Kairo im Jahr 1010 die Religionsgemeinschaft der Drusen unter al-Labbad, die den Fatimidenkalifen al-Hakim (995–1021) als Inkarnation Gottes ansahen. Nach der Ermordung al-Hakims wurden die Drusen in Ägypten und Syrien verfolgt, konnten sich aber im Libanongebirge behaupten. Unter der muslimischen Herrschaft konnten sich die christlichen und jüdischen Bevölkerungsteile Syriens weitgehend behaupten. Die aramäisch-syrischen Christen (im Gegensatz zu den damals griechisch sprechenden orthodoxen Christen) und die Juden übernahmen relativ schnell das ihren liturgischen Sprachen verwandte Arabisch als Umgangs- und Bildungssprache. Jahrhunderte später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren es im Wesentlichen syrische Christen und Juden, die die kulturelle Erneuerung der arabischen Sprache (al-nahda) betreiben sollten.
Zwar vertrieben die Seldschuken nach 1071 die Fatimiden aus Syrien und dem Libanon, doch konnten sie keine stabile Herrschaft errichten, so dass die Kreuzfahrer nach dem 1. Kreuzzug nach der Eroberung von Tripolis (1109) die Grafschaft Tripolis errichten konnten. Erst unter dem mameluckischen Sultan Chalil konnten die Kreuzfahrer um 1291 vertrieben werden. 1517 kam der Libanon mit Syrien nach dem Untergang des Mameluckenreichs unter die Herrschaft der Osmanen.
1517–1860: Osmanische Herrschaft
Unter den Osmanen errangen noch im 16. Jahrhundert die Emire der Drusen unter dem Man-Clan großen Einfluss und konnten den Libanon weitgehend unabhängig regieren (siehe auch: Emirat der Drusen). Gegen 1800 gewannen die Maroniten zunehmend an wirtschaftlichem Einfluss, da sie von ihren Handelskontakten stark profitieren konnten. Die wirtschaftliche Entwicklung der damals sogenannten Levante weckte aber auch das Interesse der europäischen Großmächte, vor allem von Frankreich und England. Während Frankreich traditionell die christlich-katholische Bevölkerung der Levante unterstützte (vor allen Dingen die Maroniten), interessierte sich England für die Minderheit der Drusen, die vor allem in den südlicheren Gebieten die Notabeln stellten. Nicht zuletzt auf Grund der Intrigen der Franzosen und der Briten, die um größeren Einfluss rangen, und auf Grund der relativen Besserstellung der Maroniten besonders in den letzten Jahren des Emirates kam es ab 1820 zu ersten Zusammenstößen mit konfessionellem Charakter. Durch die ägyptische Invasion unter Ibrahim Pascha, Sohn von Muhammad Ali Pascha, wurden diese Spannungen nur intensiviert, denn seine Reformen hatten einen weiteren Aufschwung gerade der maronitischen Bauern zur Folge. Vor allem durch die Unterstützung der Europäischen Mächte (bis auf Frankreich) war es dem Osmanischen Reich möglich, die Herrschaft über die syrischen Provinzen wieder zu erlangen. Bei konfessionellen Unruhen nach dieser Rückeroberung wurde die Stadt Dair al-Qamar von Drusen erobert. Der letzte Emir, Bashir III., wurde daraufhin von der Hohen Pforte abgesetzt und ins Exil gesandt.
Nach dem Ende des Emirates wurde das Libanongebirge in zwei Distrikte unter der Oberherrschaft des Wali von Sidon aufgeteilt. Der nördliche Distrikt bekam einen maronitischen und der südliche Teil einen drusischen Gouverneur. Im Zuge einer Reform dieses Systems im Jahr 1845 durch Shakib Efendi, wurden Räte gebildet, die den Gouverneuren unterstellt waren. Die Mitglieder dieser Räte repräsentierten die jeweiligen Religionsgemeinschaften des Libanongebirges. Diese Räte sind insofern bedeutend, als sie die konfessionelle Aufteilung der politischen Ämter, die bis heute fortbesteht, einläutete.
Dieses System brachte einen unruhigen Frieden mit sich. Besonders in der nördlichen Provinz, die von einem maronitischen Gouverneur verwaltet wurde, nahmen die Spannungen zwischen Bauern und Feudalherren drastisch zu. Im Jahr 1858 schließlich führten die Bauern in dem Distrikt Kisrawan einen Aufstand durch und vertrieben die Feudalfamilie Khazin und ihre Verbündeten. Damit waren die letzten bedeutende Feudalherren vertrieben, und die maronitische Kirche gewann an Einfluss über die Bauern.
Auch im südlichen Distrikt eskalierte zwei Jahre später der Konflikt zwischen drusischen Feudalherren und den in der Regel maronitischen Bauern. Vor allem unter dem Einfluss des maronitischen Bischofs in Beirut wurde die Unzufriedenheit der Bauern auf alle Drusen gerichtet. Den drusischen Notabeln gelang es im Gegenzug, ihre Glaubensgenossen (und auch andere Muslime, sowie einige Griechisch-Orthodoxe) gegen die Maroniten aufzuhetzen, indem sie die Ängste vor einer Errichtung eines maronitischen Emirats schürten. Zusätzlich sorgte die Parteinahme von Briten und Franzosen für eine Verschärfung der Ressentiments. Seit den 1840er Jahren kam es zu schweren bewaffneten Zusammenstößen der beiden Gruppen, wobei die osmanische Armee einseitig Partei für die Drusen ergriff. Bei einem drusischen Angriff wurde die von Maroniten bewohnte Stadt Dair al-Qamar in Brand gesteckt und die Zivilbevölkerung massakriert.
Im Jahr 1860 eskalierte der Konflikt endgültig: Es kam zu schweren Massakern an der maronitisch-christlichen Bevölkerung durch deren drusische Nachbarn.[1] Die osmanischen Truppen unternahmen nichts, um die Massaker zu verhindern, und leisteten den angreifenden Drusen sogar indirekte Unterstützung. Nach Ansicht der modernen Geschichtsforschung war die Zahl der dabei ermordeten maronitischen Christen sehr hoch. Die Schätzungen über die Anzahl maronitischer Opfer schwanken zwischen 7.000 und 20.000 Toten; Zehntausende weitere Christen wurden obdachlos. Das Blutvergießen endete erst mit der Intervention Frankreichs, der Schutzmacht der Maroniten, das zudem die Autonomie des betroffenen Sandschak unter einem christlichen Gouverneur durchsetzte.
1860–1915: Selbstständige osmanische Provinz
Nach den Pogromen von 1860 wurde der Libanon selbständig unter einem osmanischen Gouverneur verwaltet. Der Gouverneur des Libanon musste dabei immer ein katholischer (mit Rom unierter) Christ sein, der nicht aus dem Libanon kam. Die Einsetzung bedurfte der Zustimmung der europäischen Mächte. Die Autonomie des Libanon wurde von einer internationalen Kommission überwacht. Dennoch wurde der Sturz des despotischen Sultans Abdülhamid II. im Jahre 1908 auch im Libanon begeistert gefeiert. In das neugeschaffene Parlament in Konstantinopel wurden auch aus dem Libanon Abgeordnete entsandt. Der letzte osmanische Zivilgouverneur, Johannes Kouyoumdjian Pascha, ein aus Istanbul stammender Armenier und ehemaliger osmanischer Vize-Außenminister, der allerdings katholisch war und eine maronitische Mutter hatte, trat 1913 sein Amt an, das er bis zur Abschaffung der Zivilverwaltung 1915 ausübte.
Wirtschaftlich und kulturell blühte der Libanon in dieser Zeit auf, Beirut mit seiner französisch geprägten Kultur wurde ein Schmuckstück des Osmanischen Reiches und begründete seinen Ruf als „Paris des Nahen Ostens“. Dichter und Intellektuelle wie Khalil Gibran erlangten Weltruf. Die Spezialisierung der libanesischen Landwirtschaft auf Luxusprodukte wie Weinbau und Seidenraupenzucht sollte den Libanesen allerdings im Ersten Weltkrieg zum Verhängnis werden.
1915–1919: Türkisch-deutsche Militärverwaltung, Hungerkatastrophe
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die selbständige Verwaltung abgeschafft und der Libanon Ende 1915 unter osmanische (türkische) Militärverwaltung gestellt. Der osmanische Zivilgouverneur wurde nach Konstantinopel abberufen. Neben Kairo und Damaskus war Beirut eines der Zentren dieser Nationalbewegung, die während des Ersten Weltkrieges von den Osmanen blutig unterdrückt wurde. Unter anderem wurden auf dem Place des Canons in Beirut 1916 zahlreiche Menschen hingerichtet, der seitdem Place des Martyrs heißt und heute noch an dieses Ereignis erinnert.
Die alliierte Seeblockade und Lebensmittelrequirierungen der im Libanon operierenden deutschen und türkischen Heeresverbände führten zu Hungersnöten und Seuchen, in deren Folge circa 100.000 der damals im Libanon lebenden 450.000 Menschen, vor allem Christen, umkamen (siehe Hungersnot im Libanon 1916–1918). Während die deutschen Stellen dem Schicksal der Libanesen weitgehend tatenlos zusahen (die orientalisch aussehenden, aber überwiegend französisch sprechenden und katholischen „Levantiner“ waren der protestantisch-preußisch dominierten deutschen Elite suspekt), kam es vor allem in den USA zu gewaltigen Protestaktionen, die u.a. von libanesischen Emigranten wie Khalil Gibran organisiert wurden und sicherlich mit zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg beigetragen haben. Viele Libanesen wanderten in dieser Zeit aus, vor allem in die USA, Kanada, Lateinamerika, Australien und nach Südafrika. Heute gibt es weltweit allein circa sechs Millionen aus dem Libanon stammende Maroniten. Gleichzeitig nahm der Libanon nach dem Ersten Weltkrieg mehrere hunderttausend armenische Flüchtlinge aus Anatolien auf, die bei Beibehaltung eigener sprachlicher und kultureller Traditionen heute in die libanesische Gesellschaft integriert sind, und vor allem im Beiruter Stadtteil Bourj Hammoud leben.
1919–1943: Französisches Mandat
Nach der Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg besetzten die Ententemächte 1918/19 auch den Libanon.
Nach der Konferenz von San Remo 1920 erteilte der Völkerbund Frankreich das Völkerbundmandat für Syrien und Libanon. Der französische General Henri Gouraud teilte das Mandatsgebiet in sechs Staaten auf. Aus dem 1920 proklamierten Staat Großlibanon wurde später der moderne Libanon. Die christlichen Nationalisten im Libanon unterstützten dieses französische Mandat zunächst, während die arabischen Nationalisten ähnlich wie diejenigen in Syrien, dem Irak und Palästina eine unabhängige arabische Nation anstrebten. Die französische Mandatsverwaltung war zunächst unentschieden, welche Zukunft der Libanon nehmen sollte. Gerade der Hochkommissar Gouraud liebäugelte mit einem föderalen Verbund der syrischen Staaten, zu dem auch der Libanon gehören sollte. Die Franzosen waren jedoch im Rahmen des Völkerbundmandats beauftragt worden, in einem bestimmten Zeitraum eine Verfassung zu proklamieren. Nach Ablauf der Zeit dehnte sich ein drusischer Aufstand im Hauran im Jahr 1925 schnell auf die anderen syrischen Mandatsgebiete aus. Um im Libanon den Frieden gewährleisten zu können, waren die Franzosen auf die Unterstützung ihrer traditionellen maronitischen Verbündeten angewiesen. Deren einflussreichste Vertreter (vor allem die maronitische Kirche), setzte sich vehement für einen unabhängigen „Großen Libanon“ ein. 1926 bekamen sie denn auch, was sie wollten. Die neue Verfassung des Libanon bestätigte die Grenzen endgültig. Von 1929 bis 1931 war General Charles de Gaulle in Beirut stationiert, wo er unter anderem libanesische Offiziere ausbildete. Dies sollte später im Zweiten Weltkrieg zunächst dem Freien Frankreich nützen, das in den Libanesen Verbündete fand, und später auch wiederum der libanesischen Republik, die in Frankreich bis heute einen wichtigen Unterstützer auf internationalem Parkett hat.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Libanon zunächst ab 1940 vom Vichy-Regime kontrolliert. Die Behörden in Vichy erteilten 1941 Deutschland die Erlaubnis, Flugzeuge und Nachschub über Syrien in den Irak zu verschieben, wo sie gegen Großbritannien eingesetzt wurden. Da die britische Regierung befürchtete, das nationalsozialistische Regime könnte die vollständige Kontrolle über Libanon und Syrien erlangen, entsandte sie ihre Armee nach Syrien und in den Libanon.
De Gaulle, dessen Vaterland komplett unter deutscher Kontrolle war, und der dringend Truppen benötigte, stellte daraufhin Freiwilligenverbände (Troupes Spéciales du Levant) unter dem Kommando von General Fouad Chehab zusammen, die einen Kern der Armee des Freien Frankreichs bildete. Während zwei sehr kritischen Phasen entlasteten die von Chehab befehligten libanesischen Verbände die Alliierten: In der Schlacht von Bir Hakeim in Libyen banden sie mit ihren freifranzösischen Kameraden erfolgreich deutsche und italienische Truppenverbände, so dass Montgomery Erwin Rommels Afrikakorps in El Alamein stoppen konnte. Während der alliierten Invasion in der Normandie entlasteten sie alliierte Truppenverbände in der Schlacht um Monte Cassino.
Am 26. November 1941 kündigte der französische General Georges Catroux die Unabhängigkeit des Libanon sowie seine Unterordnung unter die freifranzösische Regierung an. Im November 1943 fanden Wahlen statt, und am 8. November 1943 löste die neue libanesische Regierung das französische Mandat unilateral auf. Als Reaktion der französischen Seite wurden die neuen Regierungsmitglieder ins Gefängnis gesteckt, auf internationalen Druck hin jedoch am 22. November 1943 wieder freigelassen, worauf die Unabhängigkeit des Libanon akzeptiert wurde. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges stand das Land unter alliierter Kontrolle. Die letzten französischen Truppen wurden 1946 abgezogen. Die Briten, die mit den Franzosen schon seit langem um die Vorherrschaft in der Region konkurrierten, errichteten demonstrativ Botschaften in Syrien und dem Libanon. Unter der Vermittlung des britischen Ministers im Libanon, General Spears, kam es schließlich zu einer Annäherung liberaler Christen und der sunnitischen Elite der Küstenstädte.
1945–1970: Schwieriger Beginn der Unabhängigkeit
1945 war der Libanon ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, der libanesische Diplomat Charles Malik (1933 Doktorand der Philosophie bei Martin Heidegger, vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in die USA geflüchtet und mit Hannah Arendt befreundet) spielte eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der UN-Charta. Infolge eines starken Wirtschaftsaufschwungs wurde der Libanon zum kommerziellen Zentrum des Nahen Ostens. Allerdings blieben die internen Spannungen weiterhin erhalten, zumal durch den Zustrom palästinensischer Flüchtlinge der Anteil der Muslime gegenüber den anderen konfessionellen Gruppen stieg. Der Libanon galt aus israelischer Sicht zunächst als neutral, 1945 nutzten zionistische Führer wie Ben Gurion und Mosche Scharett den Beiruter Flughafen und die damals zu Pan Am gehörende Fluggesellschaft Middle East Airlines für Reisen ins Ausland, nachdem ihnen die britischen Behörden die Ausreise aus Palästina über den Flughafen Lod verweigert hatten. Nach der Staatsgründung Israels partizipierte der Libanon jedoch mit einem kleinen Truppenkontingent am Palästinakrieg.
Die Libanonkrise 1958 zwischen Befürwortern einer prowestlichen und einer proarabischen Politik konnte erst durch eine US-Intervention beendet werden. Danach wurde Fouad Chehab zum Staatspräsidenten gewählt, der als ehemaliger Kommandeur der alliierten libanesischen Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg hervorragende Beziehungen zu seinen Kriegskameraden Eisenhower und de Gaulle hatte, sich aber im Gegensatz zu anderen arabischen Generälen in Staatsämtern als Diener der Republik sah. Er versuchte, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen, und speziell die immer mehr über libanesisches Territorium operierenden palästinensischen Freischärler unter Kontrolle zu bekommen. Allerdings verhinderten 1964 die Politiker Pierre Gemayel und Kamal Jumblatt gemeinsam eine Wiederwahl Chehabs, dem sie offiziell vorwarfen, ein Militärregime nach lateinamerikanischem Vorbild im Libanon aufbauen zu wollen, aber in Wirklichkeit verhindern wollten, dass Chehab ihre eigenen damals schon existierenden bewaffneten Gruppen entwaffnen ließ. Ende 1968 kam es dann nach einer palästinensischen Guerilla-Operation zum folgenschweren israelischen Luftangriff auf den Zivilflughafen von Beirut, bei dem ein Großteil der Flotte der in den fünfziger Jahren von Pan American und Air France aufgebauten nationalen Fluggesellschaft Middle East Airlines zerstört wurde. Nachdem Frankreichs Staatspräsident de Gaulle kurz vor Ausbruch des Sechstagekriegs die bis dahin sehr enge militärische Zusammenarbeit mit Israel gestoppt und am 2. Juni 1967 ein Waffenembargo verhängt hatte, wurde die israelische Kooperation mit den USA immer stärker ausgebaut, die heute anstelle Frankreichs wichtigster Rüstungspartner Israels ist.
1970–1989: Bürgerkrieg ab 1975
Nach dem Schwarzen September 1970 verlegte die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ihre Kommandostrukturen nach Beirut, setzte sich im Südlibanon („Fatah-Land“) fest und entwickelte sich mit ihren militärischen Institutionen immer stärker zu einem Staat im Staate. Am 13. April 1974 kam es dann zum offenen Ausbruch des Bürgerkriegs, der zu mehreren syrischen (1976) und israelischen Interventionen führte. Am 14. März 1978, nach mehreren Anschlägen der PLO, deren letzter ein Anschlag auf einen israelischen Autobus bei Tel Aviv am 11. März 1978 war und den Tod von 37 Israelis verursachte und weitere 76 Menschen verletzte, marschierte die israelische Armee im Rahmen der Operation Litani in den Südlibanon ein und besetzte das Gebiet südlich des Flusses Litani. Dabei wurden zwischen 1.000 und 2.000 Personen getötet und nach Schätzungen der libanesischen Regierung rund 280.000 vertrieben. Fünf Tage nach dieser Invasion wurde die Resolution 425 des UN-Sicherheitsrates angenommen, zu deren Umsetzung UNIFIL-Truppen im Südlibanon stationiert wurden. Die israelischen Truppen wurden von den unter der palästinensischen Präsenz leidenden Schiiten im Süden von März bis April 1978 zunächst durchaus wohlwollend begrüßt (in der von Israel bezahlten SLA dienten neben Christen auch vereinzelt Schiiten), sorgten aber durch rücksichtsloses Vorgehen gegen die überwiegend schiitisch-muslimische Landbevölkerung selber für immer mehr Zulauf zu der schiitischen Organisation, die sich auch die extreme Benachteiligung des Südens in der Versorgung durch die Beiruter Regierung zunutze macht. Israel marschierte 1982 vollständig in den Libanon ein und zwang die PLO am 21. August 1982 zum vollständigen Abzug aus dem Libanon, 1985 zog sich Israel wieder in den Süd-Libanon zurück.
Bereits vor dem Bürgerkrieg entwickelten sich die Schiiten zur größten Religionsgruppe im Libanon. Da sie einen Großteil der armen Landbevölkerung des Südens stellten, im „Nationalpakt“ von 1943 nach ihrer Ansicht nicht angemessen repräsentiert waren (sie stellen bis heute lediglich mit dem Parlamentspräsidenten das zeremoniell wichtige stellvertretende Staatsoberhaupt), entwickelte sich zu Beginn der siebziger Jahre eine neue politische Bewegung, die vom Imam Musa as-Sadr (1978 auf bisher ungeklärte Weise in Libyen verschollen) gegründete Amal-Bewegung. Nach dem Verschwinden des Imams, der nach heutigen Maßstäben ein eher moderater Muslim war, und sich vor 1975 auch für den interreligiösen Dialog mit dem Christentum engagiert hatte, wurde Nabih Berri, ein ehemaliger Manager in der Automobilindustrie, der einige Zeit in Detroit (Michigan) gelebt hatte, neuer Führer der Amal. Seit der islamischen Revolution 1979 im Iran entstand parallel die Hizbollah, die sich ideologisch eng an die Ideen Khomeneis anlehnt, und zunächst 1983 den westlichen Einfluss im Libanon mit Selbstmordattentaten und Geiselnahmen zu bekämpfen versuchte, dann aber sehr bald im bewaffneten Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht im Südlibanon ein neues Betätigungsfeld fand.
Am 18. April 1983 werden bei einem Bombenanschlag auf die US-Botschaft in Beirut durch einen Selbstmordattentäter über 60 Personen getötet. Am 17. September 1983 beschießt die US Navy erstmals Stellungen der Syrer in der Nähe von Beirut. Am 23. Oktober 1983 kommt es zu schweren Sprengstoffanschlägen auf die Hauptquartiere der amerikanischen und französischen Friedenstruppen im Libanon. Am 4. Dezember 1983 wird ein US-Kampfflugzeug vom Typ A-6E Intruder über dem Libanon abgeschossen. Der Pilot Mark Adam Lange kommt dabei ums Leben, der an Bord befindliche Waffensystemoffizier Robert O. Goodman überlebt den Absturz und wird gefangengenommen. Erst auf Vermittlung durch den amerikanischen Reverend Jesse Jackson wird Goodman von den Syrern am 3. Januar 1984 freigelassen. Am 9. Januar 1984 feuert das US-Schlachtschiff USS New Jersey (BB-62) erneut auf die Küste Beiruts, zu gleicher Zeit sichern US-Soldaten im Süden Beiruts einen Green Coast genannten Küstenabschnitt und den Beiruter Flughafen im Rahmen der multinationalen Friedenstruppe.
Der libanesische Bürgerkrieg konnte erst 1990 durch das Abkommen von Taif beendet werden.
1990 bis heute
Daraufhin beruhigte sich die Lage im Land zunehmend, und der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes begann. Dabei spielte die Firma Solidere des libanesisch-saudischen Milliardärs Rafiq al-Hariri eine entscheidende Rolle. Der Sunnit Hariri war bis zu seiner Ermordung im Februar 2005 mehrfach sunnitischer Ministerpräsident und ein Symbol für die nun auch machtpolitisch nachvollzogene demographische Verschiebung zugunsten der Muslime im Libanon. Allerdings blieb der Süden des Libanon weiterhin besetzt, und die dort operierende Hizbollah-Miliz, die auf syrischen Druck hin nicht entwaffnet wurde, konnte auch durch zwei Militärinterventionen Israels nicht militärisch zerschlagen werden. Aufgrund des israelischen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung und die Zerstörung von Infrastruktur (z.B. Umspannwerken) bei der von Ministerpräsident Rabin angeordneten Intervention 1993 auch in den christlichen Gebieten immer populärer. Ein Höhepunkt war die von Rabins Nachfolger Schimon Peres im April 1996 befohlene Operation Früchte des Zorns, insbesondere der Artillerie-Angriff auf das UN-FIJIBATT-Hauptquartier (UNIFIL) in Kana im Südlibanon mit 118 libanesischen zivilen Todesopfern. Im Jahre 2000 zog sich Israel aus der sogenannten Sicherheitszone im Südlibanon zurück und erfüllte damit die Forderungen der Resolution 425 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahre 1978.
Nachdem Rafiq al-Hariri am 14. Februar 2005 einem Attentat auf seinen Fahrzeugkonvoi zum Opfer gefallen war, wuchs der Druck auf Syrien, das unter anderem von den USA und der libanesischen Opposition indirekt und mittlerweile auch direkt für das Attentat verantwortlich gemacht wurde, durch den Abzug der im Land verbliebenen syrischen Truppen dem Staat Libanon die volle Souveränität zurückzugeben und die syrische Anwesenheit im Libanon zu beenden. Obwohl die Drahtzieher des Attentats bis heute nicht bekannt sind, trat die prosyrische Regierung in der Folge der Zedernrevolution zurück. Syrien zog bis Ende April 2005 seine Truppen vollständig ab. Kurz darauf fanden die Parlamentswahlen im Libanon 2005 statt, und es entstand die libanesische Regierung vom Juli 2005, eine sehr heterogene Koalition verschiedenster Parteien. Die Hisbollah ist dort ebenso vertreten, wie die Parteien der Zukunftsbewegung Saad al-Hariris, dem Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten. Derzeitiger Ministerpräsident ist Fuad Siniora.
Nach der Entführung zweier israelischer Soldaten am 12. Juli 2006 durch Einheiten der Hisbollah begann der 34 Tage dauernde Zweite Libanonkrieg. Nach der Verabschiedung der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates trat am 14. August 2006 ein Waffenstillstand in Kraft. Das Mandat von UNIFIL wurde ausgeweitet und die Kontingente aufgestockt. Gleichzeitig rückten libanesische Truppen erstmals seit dem Beginn des Libanesischen Bürgerkrieges 1975 in den südlichen Libanon vor.
Nach dem Sieg der Hisbollah forderte die islamische Organisation eine stärkere Vertretung der Schiiten in der libanesischen Regierung. Nach dem Rücktritt von sechs Ministern stellt die von ihr geführte Opposition die Legitimität der derzeitigen libanesischen Regierung in Frage. Die Koalition des 14. März wirft allerdings Hisbollah und ihren Verbündeten vor, diese Kampagne auf Weisung Syriens zu betreiben, um die Konstituierung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung des Attentates auf Rafiq al-Hariri und der Verurteilung der Hintermänner zu verhindern. Am 1. März 2009 wurde das Sondertribunal für den Libanon gegründet.
Quellennachweise
Literatur
Deutsch
- Dar al Janub (Hg.): … und wo ist Palästina? Eine Reise in die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon. Wien 2006 ISBN 3-9502184-0-8
- Theodor Hanf: Koexistenz im Krieg – Staatszerfall und Entstehung einer Nation im Libanon: Nomos Baden-Baden, 1990, ISBN 3-7890-1972-0
- Volker Perthes: Der Libanon nach dem Bürgerkrieg – Von Ta'if zum gesellschaftlichen Konsens?: Nomos Baden-Baden, 1994, ISBN 3-7890-3403-7
- Gerhard Wiegand (Hrsg.): Halbmond im letzten Viertel. Briefe und Reiseberichte aus der alten Türkei von Theodor und Marie Wiegand 1895 bis 1918. München 1970 (enthält Tagebuchaufzeichnungen des Archäologen Theodor Wiegand, der 1917-18 die Ausgrabungen in Baalbek leitete, über die Hungersnot im Libanon 1916–1918)
- Alfred Schlicht: Frankreich und die syrischen Christen 1799 - 1861. Berlin 1981
Französisch
- Kouyoumdjian, Ohannès Pacha: Le Liban – à la veille et au début de la guerre: Memoires d’un gouverneur, 1913–15: Revue d'histoire arménienne contemporaine, tome V, 2003, (ISSN 1259-4873).
- Georges Corm : Le Liban contemporain – histoire et société , Paris , Éd. La Découverte , 2003 , ISBN 2-7071-3788-X
- Raoul Assaf : Atlas du Liban – géographie, histoire, économie , Beyrouth , Pr. de l’Univ. Saint-Joseph , 2003 , ISBN 995-39015-5-4
- Issam A. Halifa : Des étapes décisives dans l’histoire du Liban , Beyrouth , [Selbstverl.] , 1997
- Khalaf, Samir: Persistence and Change in 19th Century Lebanon: American University of Beirut, Beirut 1979,
- Boutros Labaki, Khalil A. Rjeily : Introduction à l’histoire économique du Liban – soie et commerce extérieur en fin de période ottomane (1840 – 1914) , Beyrouth, Libr. Orientale, 1984
Englisch
- Fromkin, David: A Peace to end all peace – creating the modern Middle East 1914–1922: Penguin, London 1989, ISBN 0-14-015445-0
- Harris, William: Faces of Lebanon – Sects, Wars and Global Extensions: Markus Wiener Publishers, Princeton NJ 1997, ISBN 1-55876-116-0
- Hollis, Rosemary and Shehadi, Nadim (ed.): Lebanon on hold (April 1996) – Implications for Middle East Peace: RIIA Middle East Programme (Chatham House) London and Centre of Lebanese Studies Oxford, 1996, ISBN 1-86203-020-0 (Analyse der Situation des Libanon nach der israelischen Operation „Früchte des Zorns“ im April 1996, mit Beiträgen von Richard W. Murphy, Volker Perthes, Patrick Seale u.v.a.m.)
- Salibi, Kamal S., The Modern History of Lebanon: Caravan Books, New York 1977, ISBN 0-88206-015-5
- Salibi, Kamal S., A House of Many Mansions – The History of Lebanon Reconsidered: University of California Press, Berkeley 1988, ISBN 0-520-07196-4
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