- Ginsburg-Landau-Theorie
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Die Ginsburg-Landau-Theorie (auch Ginzburg-Landau-Theorie, nach Witali Lasarewitsch Ginsburg, der dafür 2003 den Nobelpreis für Physik erhielt, und Lew Dawidowitsch Landau) ist eine Theorie zur Beschreibung der Supraleitung.
Im Gegensatz zur BCS-Theorie, die eine Erklärung auf mikroskopischer Basis anstrebt, untersucht sie die makroskopischen Eigenschaften von Supraleitern mit Hilfe von allgemeingültigen thermodynamischen Argumenten. Es handelt sich also um eine phänomenologische Theorie, die schon zum Zeitpunkt ihrer Aufstellung 1950 richtig war, nur dass ursprünglich anstelle der Ladung der Cooper-Paare von 2e der allgemeine Ladungsparameter q gewählt wurde. 1959 konnte die Ginsburg-Landau-Theorie aus der BCS-Theorie hergeleitet werden, wobei man insbesondere die Identifikation erkannte.
Die Ginsburg-Landau-Theorie ist eine Eichtheorie und ergibt sich als Skalierungsgrenzwert (en:scaling limit) des XY-Modells.
Inhaltsverzeichnis
Mathematische Formulierung
Aufbauend auf Landaus Theorie der Phasenübergänge zweiter Ordnung argumentierten Landau und Ginsburg, dass die freie Energie F eines Supraleiters nahe dem Phasenübergang durch einen komplexen Ordnungsparameter ψ ausgedrückt werden kann. Dieser beschreibt, inwieweit sich das System im supraleitenden Zustand befindet; ψ = 0 entspricht dem Normalzustand ohne Supraleitung.
Die freie Energie lautet dann:
- ,
mit
- Fn: die freie Energie im Normalzustand,
- α und β: phänomenologische Parameter,
- : das Vektorpotential und
- : die magnetische Induktion, die mit über die Beziehung zusammenhängt.
Die Minimierung der freien Energie hinsichtlich der Schwankungen des Ordnungsparameters und des Vektorpotentials führt auf die beiden Ginsburg-Landau-Gleichungen:
- und
- .
Dabei bezeichnet j die Stromdichte und Re den Realteil.
In der mathematischen Behandlung des Ginsburg-Landau Modells erzielten Fabrice Béthuel, Frédéric Hélein, Haïm Brezis und Sylvia Serfaty bedeutende Fortschritte. Sie zeigten u.a., dass der Vortex für große Werte des Ordnungsparameters durch die Werte einer renormalisierten Energie festgelegt ist.
Interpretation eines Spezialfalls
Betrachtet man einen homogenen Supraleiter ohne äußeres Magnetfeld, dann vereinfacht sich die erste Ginsburg-Landau-Gleichung zu:
- ,
Die triviale Lösung dieser Gleichung entspricht dem Normalzustand des Supraleiters, der bei Temperaturen oberhalb der Sprungtemperatur Tc vorliegt.
Unterhalb der Sprungtemperatur wird eine nicht-triviale Lösung erwartet. Unter dieser Annahme kann obige Gleichung umgeformt werden in:
- .
Der Betrag der komplexen Zahl auf der linken Seite der Gleichung ist nichtnegativ, d.h. , damit auch sein Quadrat und damit auch die rechte Seite der Gleichung. Für die nicht-triviale Lösung von ψ muss der Term auf der rechten Seite positiv sein, d.h. > 0. Dies kann erreicht werden durch die Annahme folgender Temperaturabhängigkeit für α:
- , mit .
- Unterhalb der Sprungtemperatur (T < Tc) ist der Ausdruck α(T) / β negativ, die rechte Seite der obigen Gleichung positiv und es gibt eine nicht-triviale Lösung für ψ. Außerdem gilt in diesem Fall:
- , d.h. ψ nähert sich Null, wenn die Temperatur T von unten gegen die Sprungtemperatur Tc strebt. Ein solches Verhalten ist typisch für einen Phasenübergang zweiter Ordnung.
- Oberhalb der Sprungtemperatur (T > Tc) ist der Ausdruck α(T) / β positiv und die rechte Seite der obigen Gleichung negativ. In diesem Fall löst nur die Ginsburg–Landau-Gleichung.
In der Ginsburg–Landau-Theorie wird angenommen, dass diejenigen Elektronen, die zur Supraleitung beitragen, zu einer Superflüssigkeit kondensiert sind. Danach beschreibt gerade diesen Anteil an Elektronen.[1]
Beziehungen zu anderen Theorien
zur Schrödinger-Gleichung
Die erste Ginsburg–Landau-Gleichung weist interessante Ähnlichkeiten zur zeitunabhängigen Schrödingergleichung auf; man beachte aber, dass ψ hier nicht wie in der Quantenmechanik eine Wahrscheinlichkeitsamplitude ist, sondern die angegebene quasi-klassische Bedeutung hat ( | ψ | 2 ist die Dichte der Träger der Supraleitung, der Cooper-Paare). Mathematisch handelt es sich um eine zeitunabhängige Gross-Pitaevskii-Gleichung, welche eine nichtlineare Verallgemeinerung der Schrödingergleichung ist. Die erste Gleichung bestimmt also den Ordnungsparameter ψ als Funktion des angelegten Magnetfelds.
zur London-Gleichung
Die zweite Ginsburg–Landau-Gleichung gibt den Suprastrom an und entspricht der London-Gleichung.
zum Higgs-Mechanismus
Formal besteht eine große Ähnlichkeit zwischen der phänomenologischen Beschreibung der Supraleitung durch Ginsburg und Landau und dem Higgs-Kibble-Mechanismus in der Hochenergiephysik: der Meißner-Ochsenfeld-Effekt der Supraleitung, der auf die Erzeugung einer endlichen Eindringtiefe λ der magnetischen Induktion hinausläuft, entspricht der Massenerzeugung der Eichfelder Aα der Hochenergiephysik, wenn man die übliche Übersetzung benutzt ( ist dabei das Plancksche Wirkungsquantum, geteilt durch 2π, und c die Lichtgeschwindigkeit). Das heißt, die Eindringtiefe wird als Compton-Wellenlänge einer Masse M identifiziert.
Ableitungen aus der Theorie
Aus den Ginsburg-Landau-Gleichungen lassen sich viele interessante Ergebnisse ableiten. Das vermutlich bedeutendste ist die Existenz von zwei charakteristischen Längen in Supraleitern.
Kohärenzlänge
Die erste ist die Kohärenzlänge ξ,
- .
die die Größe der thermodynamischen Fluktuationen in der supraleitenden Phase beschreibt.
Eindringtiefe
Die zweite ist die Eindringtiefe λ,
wobei ψ0 den Ordnungsparameter im Gleichgewicht, ohne elektromagnetisches Feld, bezeichnet. Die Eindringtiefe gibt die Tiefe wieder, bis zu der ein externes Magnetfeld in den Supraleiter eindringen kann.
Ginsburg-Landau-Parameter
Das Verhältnis dieser beiden charakteristischen Längen wird als Ginsburg-Landau-Parameter bezeichnet. Abhängig von seiner Größe lassen sich Supraleiter in zwei Klassen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften einteilen:
- Typ I-Supraleiter sind solche mit .
- Typ II-Supraleiter sind solche mit . Sie behalten ihre supraleitenden Eigenschaften auch unter dem Einfluss starker Magnetfelder (bis zu 25 Tesla).
Dieses Ergebnis lässt sich mittels einer dualen Ginsburg-Landau-Theorie für Supraleiter herleiten (siehe Kapitel 13 des dritten Buchs). Es handelt sich in beiden Fällen um einen Phasenübergang zweiter Ordnung.
Flußschläuche
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Ginsburg-Landau-Theorie wurde 1957 von Alexei Alexejewitsch Abrikossow gefunden. In einen Typ II-Supraleiter in einem hohen Magnetfeld dringt das Feld in Form von Kanälen mit quantisiertem Fluss ein. Diese sogenannten Flussschläuche oder Flussfäden bilden ein – oft hexagonales – Abrikossow-Gitter.
Referenzen
- ↑ Ginzburg VL: On superconductivity and superfluidity (what I have and have not managed to do), as well as on the 'physical minimum' at the beginning of the 21 st century. In: Chemphyschem.. 5, Nr. 7, Juli 2004, S. 930–945. doi:10.1002/cphc.200400182. PMID 15298379.
Ausgewählte Veröffentlichungen
- V.L. Ginzburg und L.D. Landau, Zh. Eksp. Teor. Fiz. 20, 1064 (1950)
- A.A. Abrikossow, Zh. Eksp. Teor. Fiz. 32, 1442 (1957)
- L.P. Gor'kov, Sov. Phys. JETP 36, 1364 (1959)
Bücher
- D. Saint-James, G. Sarma and E. J. Thomas, Type II Superconductivity Pergamon (Oxford 1969)
- M. Tinkham, Introduction to Superconductivity, McGraw-Hill (New York 1996)
- Hagen Kleinert, Gauge Fields in Condensed Matter, Vol. I World Scientific (Singapore, 1989); Paperback ISBN 9971-5-0210-0 (auch erhältlich online hier)
- Pierre-Gilles de Gennes, Superconductivity of Metals and Alloys, W. A. Benjamin, 1964, [ISBN 0-7382-0101-4]
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