Johann Georg Schnitzer

Johann Georg Schnitzer

Johann Georg Schnitzer (* 1. Juni 1930 in Freiburg im Breisgau) ist Zahnarzt, Buchautor und bezeichnet sich selbst als Forscher.[1] Schnitzer ist darüber hinaus Erfinder einer Getreidemühle (Schnitzer Getreidemühle). Er erfand und propagiert eine spezielle Ernährungsform, die nach ihm benannte so genannte Schnitzer-Kost. Seine Positionen zu verschiedenen gesundheitlichen Auffassungen widersprechen der evidenzbasierten Medizin. Schnitzer ist Gegner von Amalgamfüllungen und Fluoridierung und lag u. a. darüber lange Zeit im Streit mit Standesorganisationen.[2] Er gilt zudem als Befürworter der Germanischen Neuen Medizin.[3]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schnitzer ist Zahnarzt und als solcher von 1954 bis 1997 tätig gewesen. Danach hat er sich weiter seiner schriftstellerischen Arbeit und seinen Studien gewidmet. 1956 promovierte er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit Untersuchungen über die Abrasions- und Reinigungswirkung verschieden grober Zahnreinigungsmittel. Er übernahm eine Zahnarztpraxis seines Vaters in Mönchweiler im Schwarzwald, wo er ab 1963 aufgrund des schlechten Gebisszustandes der Dorfjugend in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister der Gemeinde eine mehrjährige Aufklärungsstudie durchführte, von ihm selbst „Aktion Mönchweiler“ bzw. „Mönchweiler Experiment“ genannt.[4] Hierzu legte er dem örtlichen Gemeindeblatt Informationsbroschüren bei, worin die Bezirkszahnärztekammer Freiburg allerdings unerlaubte Werbung für die Schnitzer-Praxis sah. Das eingeleitete Berufsgerichtsverfahren endete mit einem Verweis Schnitzers.[2] Später gründete er eine private Zahnklinik, die er bis 1997 leitete. Aus seinen jahrzehntelangen Studien und den Beobachtungen des Zahnzustands seiner Patienten leitete er seine „Ernährungsempfehlungen“ ab. Sein Hauptwerk Schnitzer-Intensivkost, Schnitzer-Normalkost: 14-Tage-Fahrplan für beide Kostformen soll eine Auflage von über 140.000 Exemplaren erreicht haben.

Schnitzer-Kost

Schnitzer empfiehlt zur Prävention und Heilung verschiedener Krankheiten eine Rohkost-Diät, die hauptsächlich aus Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen, Wurzelgemüsesalaten und grünen Salaten besteht. Auch wird eine Erhöhung der Lebenserwartung in Aussicht gestellt.

Zur Begründung behauptet er, das menschliche Gebiss zeige, dass der Mensch ein Frugivore und Fleisch daher ungeeignet für die menschliche Ernährung sei; neben einem Mangel an Vitalstoffen durch die übliche „denaturierte Zivilisationskost“ und Fastfood seien Einlagerungen von Eiweißüberschüssen, die vor allem aus tierischen Nahrungsmitteln (einschließlich Milch und Milchprodukten) stammten, eine der Hauptursachen chronischer Zivilisationskrankheiten, wie Bluthochdruck und weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ II und dessen Spätfolgen wie Blutungen im Augenhintergrund (Erblindung), Diabetesgangrän, Nierenversagen (Dialyse), ferner Rheuma und Arthrosen und Beeinträchtigungen des Immunsystems. Auch Übergewicht sei nicht nur durch Fetteinlagerungen, sondern zusätzlich durch im Unterhautbindegewebe eingelagerte Eiweißüberschüsse mit verursacht, weil die vermehrten Bindegewebsfasern wie ein Schwamm erhebliche Mengen an Wasser speichern sollen. Für die Hautkrankheit Akne behauptet Schnitzer zunächst, sie sei eine Folge von „Verstopfung und giftiger Fäulnis“ im Enddarm, um sodann eine Ausscheidung gehärteter Nahrungsfette über die „Hautporen“ zu unterstellen, die zusammen mit Nahrungsproteinen tierischen Ursprunges für die „Verstopfung“ und Entzündung der „Poren“ verantwortlich sei.[5]

Die gesündeste Ernährung finde man laut Schnitzer heute noch bei wenigen, nicht von der Zivilisation „verdorbenen“ Naturvölkern. Milch und Milchprodukte bezeichnet er als ungeeignet und bringt sie mit der Entstehung von Mandelentzündungen, Immunschwäche, Milchschorf und Asthma in Verbindung. Kaffee, Alkohol und andere Genussmittel werden abgelehnt. In ihrem Anspruch, bezüglich diverser Erkrankungen therapeutisch und präventiv zu wirken, ähnelt die Schnitzer-Kost anderen Extremkostformen wie beispielsweise der „Urkost“ oder der „Sonnenkost“.

Für die Umstellung von „krankmachender“ Zivilisationskost auf die von ihm propagierte „zivilisierte Urnahrung“ empfiehlt Schnitzer für eine kurze Übergangszeit eine Getreidesuppendiät, danach eine mehrwöchige Intensivkost und schließlich seine zeitlich unbegrenzte Normalkost. Die Intensivkost sieht täglich nur etwa 1500 Kalorien vor, wobei 1200 oft schon zur Sättigung ausreichen sollen. Angeblich haben Rohköstler weniger Hunger. Die Normalkost hat dagegen rund 2200 Kalorien.

Die Kost besteht aus einem morgendlichen Schnitzer-Müsli, einem Frischkornbrei mit Obst und Nüssen. Mittags und abends gibt es Salate mit Samen und Getreideschrot. Beilagen sind Teigwaren aus Vollkorn, Kartoffeln und Vollkornbrot. Die Schnitzer-Kost soll auch für Kinder geeignet sein. Empfohlen wird dabei unter anderem ein sogenannter Vollkorn-Schoppen.

Schnitzer unterscheidet zwei Kostformen[6]:

  • die „Schnitzer-Intensivkost“: hier ist nur vegane Rohkost zugelassen. Verboten sind erhitzte Speisen, Reis, Kartoffeln und auch Brot, weiterhin alle Lebensmittel tierischen Ursprungs.
  • die „Schnitzer-Normalkost“: entspricht einer ovo-lacto-vegetabilen Kost. Obst ist jedoch nur in geringer Menge erlaubt.

Das „Mönchweiler Experiment“ habe ergeben, dass die Kost das Risiko von Zahnkaries bei Kindern signifikant verringere. Schnitzer veröffentlichte die Ergebnisse in seinem Buch „Gesunde Zähne von der Kindheit bis ins Alter“ im Jahre 1973.

Kritik an der Schnitzer-Kost

Ernährungsphysiologische Bedenken

Schnitzers „Intensivkost“ kann wegen ihrer Ausrichtung auf vegane Rohkost zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen wie zum Beispiel Eiweiß, Calcium, Eisen, Jod und Vitamin B12 führen und wegen zu geringer Kalorienzufuhr Untergewicht zur Folge haben. Die DGE empfiehlt vegane Ernährungsformen aufgrund ihrer Risiken für keine Altersgruppe. Insbesondere für Säuglinge, Kinder und Jugendliche rät sie „dringend“ davon ab.[7]

Fehlende wissenschaftliche Begründung

Begriffe wie „denaturierte Zivilisationskost“ und „Fastfood“ beinhalten in ihrer eigentlichen Bedeutung keine Aussagen zum Gehalt an Mikro- und Makronährstoffen, werden in Schnitzers Werken dennoch undifferenziert mit einem Mangel an „Vitalstoffen“ und einem hohen Gehalt an gehärteten Nahrungsfetten und tierischen Proteinen in der Nahrung gleichgesetzt. Rohe Pflanzenkost ist schwerer verdaulich als gekochte, kann wegen natürlicher Fraßgifte und Antinährstoffe sogar gesundheitsschädlich sein. Solche Bestandteile der Nahrungspflanzen können nur im Wege der Verarbeitung, insbesondere durch Erhitzen, unschädlich gemacht werden.[8] Schnitzers Behauptung, der Mensch, also die Art Homo sapiens, gehöre zu den Frugivoren (Früchteessern) und Nahrung tierischen Ursprunges sei folglich „artfremd“, widerspricht Erkenntnissen der (Palä-)Anthropologie, Medizin und Ernährungswissenschaft. Die für die Schnitzer-Kost genutzten Nahrungspflanzen sind in der Regel Kulturpflanzen, sie existieren erst seit weniger als 10.000 Jahren. Noch existente, sogenannte „Naturvölker“ ernähren sich nicht vegan oder gemäß Schnitzers Diätempfehlungen.[9] Übergewicht wird nicht durch eingelagertes Wasser verursacht. Schnitzers Behauptungen zur Pathogenese von Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Akne widersprechen wissenschaftlichen Erkenntnissen. So ignoriert er unter anderem die Existenz der Fettverdauung und den Erkenntnisstand über die Herkunft des Hauttalgs.[10] Die behaupteten Vorteile der von Schnitzer empfohlenen Ernährungsumstellung werden in der Regel nicht wissenschaftlich belegt. Nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand realistische Präventions- und Therapieziele lassen sich bereits mit weniger einschränkenden und risikobehafteten Ernährungsumstellungen erreichen.[11]

Werke (Auswahl)

  • Diabetes heilen – Biologische Heilbehandlung der Zuckerkrankheit und ihrer Spätfolgen. Völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 2009.
  • Gesundheit für unsere Jugend. Gesamtausgabe der Merkblätter aus der Aktion Mönchweiler 1963–1969. St. Georgen 1974.
  • Gesunde Zähne von der Kindheit bis ins Alter durch richtige Ernährung: ein Gradmesser allgemeiner Gesundheit. Bircher-Benner, Zürich 1965.
  • Gesund und vital durch Schnitzer-Kost: 4702 Personen berichten über ihre Erfolge. Schnitzer, St. Georgen 1974.
  • Schnitzer-Intensivkost, Schnitzer-Normalkost: 14-Tage-Fahrplan für beide Kostformen. Schnitzer, St. Georgen.
  • Der alternative Weg zur Gesundheit. Mosaik, München 1982, ISBN 3-570-01699-4.
  • Die kausale Therapie der essentiellen Hypertonie. Haug, Heidelberg 1987, ISBN 3-7760-0985-3.
  • Risikofaktor Bluthochdruck: lebensbedrohend, aber heilbar. Heyne, München 1987, ISBN 3-453-00924-X.

Literatur

  • Claus Leitzmann, Markus Keller, Andreas Hahn: Alternative Ernährungsformen. Hippokrates, Stuttgart 1999, ISBN 3-7773-1311-4.
  • Jörg Melzer: 4.5 Schnitzer-Kost In: Vollwerternährung: Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch. Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Vol. 20, Franz Steiner Verlag, 2003, S. 326-344. ISBN 3-515-08278-6. In der Google-Buchsuche

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schnitzer: Dr. Schnitzer's Geheimnisse der Gesundheit – Vorbeugung und Heilung von Krankheiten durch Gesundheit (online)
  2. a b Scholz: Geschichten, die Dr. Johann Georg Schnitzers Leben schrieb In: Textatelier (online)
  3. Pilhar: Korrespondenz 2003 – Neue Medizin. Im Webarchiv
  4. Schnitzer: Zahnkaries-Ursachen (online)
  5. Schnitzer: Akne und Pickel – Heilung von innen (online)
  6. Schnitzer: Schnitzer-Intensivkost – Schnitzer-Normalkost (online)
  7. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Ist vegetarische Ernährung für Kinder geeignet? In: DGE-aktuell 14/98, 21. Juli 1998. Im Webarchiv (Zuletzt abgerufen am: 15. März 2010)
  8. Vogt, Müller-Nothmann, Nothmann: 10. Rohe und vollwertige Märchen In: Moderne Ernährungsmärchen, 2. Auflage, S.109ff.; Schlütersche Verlagsgesellschaft 2007. ISBN 3899935241
  9. Ströhle, Hahn: Evolutionäre Ernährungswissenschaft und „steinzeitliche“ Ernährungsempfehlungen – Stein der alimentären Weisheit oder Stein des Anstoßes? – Teil 2: Ethnographische Befunde und ernährungswissenschaftliche Implikationen. In: Ernährungs-Umschau 02/2006, S. 52ff. Umschau Zeitschriftenverlag. Zusammenfassung und Volltext
  10. Vgl. mit Schnitzer: Akne und Pickel – Heilung von innen: „Bei der Ansammlung von Talg in den Hautporen kann die Beschaffenheit der Fette der Nahrung eine wesentliche Rolle spielen. Handelt es sich um tierische Fette („Rindertalg“, Hammelfett, Schweinefett usw.) oder chemisch gehärtete („hydrierte“) pflanzliche Fette aus Margarinen und Schokolade, die mit ihren hohen Schmelzpunkten selbst bei Körpertemperatur noch fest sind, so kann man sich gut vorstellen, wie viel schwerer diese aus Hautporen ausgeschieden werden können, als wenn es sich um die natürlichen, schon bei Zimmertemperatur leichtflüssigen, leicht auszuscheidenden pflanzlichen Öle aus den Keimen der Samen handelt, …“
  11. Toeller et al.: Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus In: Diabetes und Stoffwechsel 14/2005; Georg Thieme Verlag. Volltext

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