Karl Wienand

Karl Wienand
Wienand (links) zusammen mit Helmut Schmidt (1974)

Karl Wienand (* 15. Dezember 1926 in Lindenpütz, Rhein-Sieg-Kreis; † 10. Oktober 2011) war ein deutscher Politiker der SPD, der wegen Spionage für die DDR und mehrfach wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wienands Vater war als Kommunist mehrfach inhaftierter Nazi-Gegner. Er trat oft gegen den Nationalsozialisten Robert Ley auf. Er starb zu Kriegsbeginn.[1]

Nach dem Besuch der Volksschule wurde Wienand 1941 wegen seiner Begabung auf die Lehrerbildungsanstalten in Bad Godesberg und Xanten geschickt. 1944 wurde er zum Kriegsdienst in der Wehrmacht einberufen und machte den Krieg an der Italienfront, in Russland und in Polen mit, bevor sich die Armee nach Sachsen zurückzog, wo er schwer verwundet wurde (Verlust eines Beins, Kopfschuss und Spatenhieb in den Arm). Dort geriet er in sowjetische Gefangenschaft, aus der ihm dann jedoch die Flucht gelang. Ein Bein musste ihm amputiert werden und er galt als zu „70 Prozent kriegsbeschädigt“.

Der zweimalige Witwer war Vater und Stiefvater von fünf Kindern. 1975 wurde er Geschäftsführer der Bonner Gesellschaft für kosmetische plastische Chirurgie und Ästhetik mbH Klinik International. Er starb am 10. Oktober 2011 im Alter von 84 Jahren.[2]

Partei

1947 trat Wienand in die SPD ein. 1980 wurde er in den Unterbezirksvorstand der SPD im Rhein-Sieg-Kreis gewählt. Bereits 1981 kam er in den Vorstand des SPD-Bezirks Mittelrhein und wurde 1985 Mitglied des SPD-Parteirats. 1990 zog er sich aus der Politik zurück. 2002 trat er aus der SPD aus, um einem Parteiausschlussverfahren zuvorzukommen.

Laut Herbert Wehner galt Wienand als „Mann für heikle Fälle“. Nach Auffassung des Historikers Arnulf Baring gehörte er „zum sozialliberalen Kernbereich, zur Handvoll ihrer wichtigsten Figuren“.[3]

Der Spiegel kritisierte 1973 – nachdem Rainer Barzel 1972 überraschend das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt verloren hatte – die Rolle von Wienand in der SPD:

„Der Skandal, der Riesenskandal, wenn man will, liegt woanders. Skandalös ist, daß nahezu die gesamte SPD-Fraktion ihrem wichtigsten und einflußreichsten Geschäftsführer das Vertrauen und dazu noch Dank ausspricht, obwohl dieser ganz offenkundig nicht in der Lage ist, sich gegen die nicht nur von Steiner gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Karl Wienand ist nicht gehetzt worden. Im Gegenteil, die Presse war es leid, ihn mit den unaufgelösten Widersprüchen, man kann auch sagen Lügereien, der Partner-Affäre noch länger zu konfrontieren. Sogar daß er nach den Bundestagswahlen in der siebenköpfigen Verhandlungskommission der SPD auftauchte, wurde mit müder Verwunderung (‚Wenn sie ihn denn halt gar nicht entbehren können …‘) hingenommen. Der Kragen platzte erst, als Wienand in der Steiner-Affäre ein Dakapo seiner Partner-Vorstellung über die Rampe brachte. Was immer man unter Öffentlichkeit verstehen mag, sie wird nicht hinnehmen, daß Karl Wienand die SPD ist, daß Brandt oder Wehner oder sonstwer ohne ihn nicht amtieren können.“[4]

Abgeordneter

Bei der Bundestagswahl 1953 wurde er mit 26 Jahren jüngster Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Vom 15. November 1963 bis 13. April 1967 war Wienand dort stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Vom 3. März 1964 bis zum 27. April 1967 leitete er den Fraktionsarbeitskreis für Sicherheitsfragen der SPD-Fraktion im Bundestag. Vom 7. März 1967 bis zum 30. August 1974 war Wienand Parlamentarischer Geschäftsführer. Sein Bundestagsmandat legte er am 3. Dezember 1974 nieder.

Öffentliche Ämter

Skandale und Prozesse

Wienand war in eine Reihe von politischen Skandalen verwickelt:

  • 1971: Verstrickung in die Affäre um die Charterfluggesellschaft Paninternational. Bei einer Notlandung eines Flugzeugs auf der Autobahn bei Hamburg starben 22 Menschen. Wienand, der Beraterhonorare in Höhe von 162.500 Mark erhalten hatte, wurde vorgeworfen, die Fluggesellschaft vor einer Prüfung durch das Luftfahrt-Bundesamt geschützt zu haben. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages befasste sich mit diesem Thema, kam jedoch im Parteienstreit zu keiner abschließenden Bewertung.
  • 1972: Beim Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt soll Wienand dem CDU-Bundestagsabgeordneten Julius Steiner 50.000 Mark dafür gezahlt haben, sich der Stimme zu enthalten (Steiner-Wienand-Affäre). So erklärte es 1973 der zwischenzeitlich aus dem Bundestag ausgeschiedene Steiner auf einer Pressekonferenz. Später kam heraus, dass Steiner 50.000 DM vom DDR-Geheimdienst erhalten hatte; ob er sich doppelt bezahlen ließ, konnte allerdings nicht geklärt werden.
  • 1973: Aufhebung von Wienands Immunität als Bundestagsabgeordneter wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.
  • 1975: Verurteilung zu insgesamt 102.000 DM Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung – auch für die Bezüge von Paninternational.
  • 1990: Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Autofahrens unter Alkoholeinfluss.
  • 1996: Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft und einer Million DM Geldstrafe wegen Spionage zugunsten der DDR. Wienand bestritt diese Vorwürfe bis zu seinem Tod. Seit Juni 1959 wurde Wienand unter dem Decknamen Streit bei der Hauptverwaltung Aufklärung geführt, seit 1971 als IMA und seit 1988 als IM.[5] Nach den Erinnerungen des ehemaligen DDR-Geheimdienstchefs Markus Wolf stand Wienand seit Ende der 1960er Jahre in Kontakt zur DDR-Auslandsspionage. Mit Urteil vom 28. November 1997 verwarf der Bundesgerichtshof die von Wienand eingelegte Revision (AZ 3 StR 114/97), wodurch das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf rechtskräftig wurde. Die Haftstrafe wurde aber dennoch zur Bewährung ausgesetzt, da der damalige Bundespräsident Roman Herzog ihn wegen einer Herzerkrankung begnadigte.
  • 2002: Dreimonatige Untersuchungshaft. Wienand soll in den 1990er Jahren bei Planung und Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen haben. Ihm wurde neben Beihilfe zur Bestechlichkeit auch Bestechung und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Ihm wurde Haftverschonung gegen Auflagen (Abgabe von Reisepass und Personalausweis, darüber hinaus dreimal wöchentlich Meldung bei der örtlichen Polizeidienststelle) wegen des angegriffenen Gesundheitszustandes durch das Oberlandesgericht Köln (Az: 2 Ws 409/02) zuteil.
  • 2003: Die Auflagen zur Haftverschonung wurden im August vom Landgericht Köln aufgehoben. Der Prozess konnte wegen des Gesundheitszustandes von Wienand lange nicht eröffnet werden.
  • 2004: Mit Urteil vom 14. Dezember 2004 verurteilte das Kölner Landgericht Karl Wienand zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 77-Jährige sich der Beihilfe zur Untreue schuldig gemacht hatte. Wienands Anwalt hatte am ersten Verhandlungstag eingeräumt, dieser habe eine Schwarzgeldzahlung in Höhe von nur einer Million Euro im Zusammenhang mit der Kölner MVA angenommen und nicht in Höhe von 2,1 Millionen Euro, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet wurde.
  • 2005: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil in den Teilen auf, in denen Wienand vom Landgericht Köln freigesprochen worden war.[5]

Veröffentlichungen

  • Der Partei oder dem Gewissen verpflichtet?. In: Die Neue Gesellschaft. Nr. 3, 1970, S. 366–371.

Literatur

  • Jens Mühling: Unser Mann in Bonn. In: Der Tagesspiegel. Nr. 19223, 18. Juni 2006, S. 7.

Weblinks

 Commons: Karl Wienand – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl Wienand: „Der Mann für heikle Fälle“; dpa-Artikel bei karriere.de vom 13. Juni 2002.
  2. Matthias Korfmann: SPD-Politiker Karl Wienand ist tot; Meldung auf: Der Westen, vom 10. Oktober 2011
  3. Mit diesem Satz zitierte die „Welt“ Baring 1996: Helmut Breuer: „Er war ein Verbündeter der DDR“ – Karl Wienand ist der erste deutsche Spitzenpolitiker, der des Landesverrats überführt wird; in: Die Welt, Ausgabe vom 27. Juni 1996.
  4. Rudolf Augstein: (Noch kein) Watergate in Bonn; in: Der Spiegel 25/1973 vom 18. Juni 1973
  5. a b Martin Schumacher, Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (Hrsg.): Artikel Wienand, Karl; in: M.d.B. Die Volksvertretung 1946–1972; ISBN 978-3-00-020703-7; S. 1364 (pdf, 384 kB). Letzter Zugriff am 10. Oktober 2011.

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