Rainer Barzel

Rainer Barzel
Rainer Barzel als junger Bundesminister 1962

Rainer Candidus Barzel (* 20. Juni 1924 in Braunsberg, Ostpreußen; † 26. August 2006 in München) war ein deutscher Politiker (CDU).

Er war von 1962 bis 1963 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und leitete seit 1964 die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 1969 war er Führer der Bundestagsopposition gegen Bundeskanzler Willy Brandt, seit 1971 auch Vorsitzender der CDU-Bundespartei. Im April 1972 wäre Barzel beinahe Bundeskanzler geworden, nachdem Brandts SPD-FDP-Koalition Abgeordnete an die CDU/CSU-Fraktion verloren hatte. Beim entscheidenden Misstrauensvotum fehlten Barzel jedoch zwei Stimmen. Später stellte sich heraus, dass Abgeordnete von Mitarbeitern der Staatssicherheit der DDR bestochen worden waren. Auch kamen Vorwürfe auf, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD hätte die Abgeordneten bestochen, die jedoch nicht bewiesen werden konnten.

Nachdem Barzel bei der Bundestagswahl im November 1972 gegen Brandt verlor, löste ihn Helmut Kohl 1973 als CDU-Vorsitzenden und Karl Carstens als Fraktionsvorsitzenden ab. Als die CDU/CSU 1982 wieder an die Macht kam, wurde Barzel erneut Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen. Von 1983 bis 1984 war er der 8. Präsident des Deutschen Bundestages.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Barzel auf einem Parteitag 1972 mit seiner Tochter Claudia

Barzel wurde in der katholischen Exklave Braunsberg in Ostpreußen als fünftes von sieben Kindern des Lehrers Candidus Barzel und seiner Frau Maria geboren. Als er junger Schüler war, wurde sein Vater nach Berlin versetzt, wo Barzel dann auch die Schule besuchte. Nachdem er zwischenzeitlich für ein Jahr am jesuitischen Canisius-Kolleg Berlin war, legte er 1941 an einem humanistischen Gymnasium sein Notabitur ab. Während der Schulzeit hatte er sich im katholischen Jugendverband Bund Neudeutschland engagiert.

Im Zweiten Weltkrieg war er von 1941 bis 1945 als Soldat der Luftwaffe in Flensburg, Trondheim und am Schwarzen Meer bei den Seefliegern eingesetzt. Dabei machte er 1944 mehrere Evakuierungsflüge aus Sewastopol mit und konnte 40 deutsche Soldaten vor dem Tod bzw. der Kriegsgefangenschaft bewahren. In den letzten Kriegswochen war er Lufttaktiklehrer an der Marineschule in Kiel. 1944 erhielt er die Goldene Frontflugspange; sein letzter Dienstgrad war Leutnant der Reserve. Seit 1959 war er Oberleutnant zur See der Reserve der Bundesmarine.

Barzel ließ sich im Anschluss an die Kapitulation des Deutschen Reichs im Mai 1945 für einige Tage in Rendsburg nieder. Denn der befehlshabende britische Offizier der Stadt hatte verkündet, dass an einem bestimmten Tag alle Soldaten aus Rendsburg sofort aus der Gefangenschaft entlassen würden. Dieses Geschenk der Besatzungsmacht rührte daher, dass der britische Offizier während des Krieges über Rendsburg abgeschossen und dort von mutigen Bürgern versteckt worden war. Barzel setzte sich mit seiner Verlobten Kriemhild Schumacher dann per Bahn nach Köln zu deren Eltern ab. Sein Schwiegervater war es auch, der ihn zum Studium ermunterte und finanziell unterstützte.

Rainer Barzel absolvierte von 1945 bis 1949 ein Studium der Rechtswissenschaft und der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. 1949 erfolgte die erste juristische Staatsprüfung und seine Promotion zum Doktor der Rechte bei dem Rechtsphilosophen Ernst von Hippel mit der Arbeit Die verfassungsrechtliche Regelung der Grundrechte und Grundpflichten des Menschen.

Gemeinsame Grabstätte von Rainer Barzel und seiner ersten Frau Kriemhild auf dem Zentralfriedhof in Bonn-Bad Godesberg

Rainer Barzel war drei Mal verheiratet: Mit seiner ersten Frau Kriemhild, die er 1940 in Berlin kennengelernt hatte und 1948 heiratete, hatte er eine 1949 geborene Tochter Claudia, die sich 1977 das Leben nahm. Kriemhild Barzel starb 1980 nach langer Krankheit an Leukämie in München in seinen Armen. Drei Jahre später heiratete Barzel die spätere Vorsitzende der Welthungerhilfe, Helga Henselder-Barzel, die am 15. Dezember 1995 bei einem Autounfall in der Nähe von Solms (Hessen) ums Leben kam. 1997 heiratete Rainer Barzel die Schauspielerin Ute Cremer, mit der er bis zuletzt in München lebte.

Rainer Barzel starb am 26. August 2006 nach langer, schwerer Krankheit in München. Er war seit einer stationären Krankenhausbehandlung zwischen Januar und Mai 2006 auf den Rollstuhl angewiesen.

Am 5. September 2006 fand das Pontifikalrequiem für Rainer Barzel im Bonner Münster statt, die Predigt hielt Karl Kardinal Lehmann.[1] Am 22. September 2006 wurde er mit einem Trauerstaatsakt im Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Berlin geehrt. Es sprachen sein Nachfolger im Amt des Bundestagspräsidenten, Norbert Lammert, sein alter Weggefährte, politischer Kontrahent und persönlicher Freund Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt und die Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Beruf

1949 trat er in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen, wo er insbesondere vom Zentrumspolitiker Carl Spiecker protegiert wurde. Er war zunächst in der Nordrhein-Westfälischen Vertretung beim Wirtschaftsrat der Bizone in Frankfurt am Main tätig und wurde 1953 kommissarischer Leiter der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Bonn. Von 1952 bis 1955 nahm er für Nordrhein-Westfalen an den Verhandlungen über die Montanbehörde in Luxemburg teil.

1955 wurde er Berater und Redenschreiber des Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Karl Arnold, (CDU). Nach Arnolds Sturz durch SPD, FDP und Zentrum ließ er sich 1956 beurlauben und wurde hauptamtlicher Mitarbeiter der CDU. Seit 1973 arbeitete er in einer Rechtsanwaltskanzlei.

Barzel war nach seinem Ausscheiden aus der Politik als Rechtsberater, Autor und Politikberater tätig. Zusammen mit einem polnischen Regisseur drehte er 1987 einen Film über die Wiederbegegnung mit seiner ostpreußischen Heimat: „Zu Besuch, aber nicht als Fremder“. Sein starkes Interesse am Frieden in Nahost und an der Stadt Jerusalem brachte er als Autor seines zweiten Films 1989 zum Ausdruck: „Jerusalem, eine Stadt, die uns angeht“.

Partei

In Barzels 1947 verfassten Buch „Die geistigen Grundlagen der Parteien“ sind deutliche Sympathien für die Wiedergründung der Zentrumspartei zu erkennen, er bleibt jedoch zunächst parteilos. 1954, das Scheitern der Zentrumspartei war inzwischen offenkundig geworden, wurde er Mitglied der CDU und wurde bald Mitglied des Bundesvorstands und des Landesvorstands Westfalen-Lippe der CDU. Seit 1956 war er geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der CDU-Nordrhein-Westfalen, die damals noch keinen Landesverband sondern eine Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände Westfalen-Lippe und Rheinland darstellte. In der CDU wurde Barzel zunächst als Gefolgsmann Karl Arnolds dem linken Parteiflügel zugerechnet. Nach dessen Tod 1958 schwenkte er jedoch auf einen deutlich antisozialistischen Kurs um und gründete mit Franz Josef Strauß das „Komitee Rettet die Freiheit“. Als Vorsitzender dieses Komitees geriet Barzel unter Druck, nachdem in einem „Rotbuch“ 450 Personen des öffentlichen Lebens der Bundesrepublik als Kommunisten dargestellt wurden. Nach öffentlicher Kritik, die Parallelen zu den Aktivitäten des amerikanischen Politikers Joseph McCarthy zog, und mehreren Strafanzeigen von Betroffenen distanzierte sich Barzel von dieser Veröffentlichung.

1960 wurde Barzel in den Bundesvorstand der CDU gewählt. Dort versuchte er 1961 die Gründung einer „großen Gegengewerkschaft“ gegen den DGB zu forcieren, wofür er aber keine Unterstützung erhielt. Es folgten weitere umstrittene Initiativen, wie etwa zur Wiedereinführung der Todesstrafe oder zur Gleichschaltung der Landtagswahlen mit den Bundestagswahlen (das jeweilige Bundestagswahlergebnis im Bundesland sollte für die Mandatsverteilung im Landtag ausschlaggebend sein). Auf dem Bundesparteitag 1962 forderte er in einer Denkschrift eine Rekatholisierung der CDU-Positionen, was ihm insbesondere Kritik aus den norddeutschen CDU-Verbänden, aber auch aus den protestantischen Gebieten Baden-Württembergs einbrachte. Auf dem Bundesparteitag 1966 scheiterte er mit einer Kampfkandidatur um den Parteivorsitz gegen Bundeskanzler Ludwig Erhard, wurde aber zum ersten stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Als Erhard schon ein Jahr später das Amt des Parteivorsitzenden niederlegte, wurde jedoch nicht Barzel, sondern der neue Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger zum Nachfolger gewählt.

Bundestagswahlkampf 1972

Nach der Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 sammelte Barzel diejenigen Kräfte in der CDU um sich, die eine pragmatisch orientierte Linie gegenüber der neuen Regierung vertraten und rückte damit von seiner kompromisslos-konservativen Haltung wieder ab. Er geriet damit auch in der eigenen Partei ins Zwielicht und in scharfen Gegensatz zum Parteivorsitzenden und Exkanzler Kurt Georg Kiesinger, der (zusammen mit der CSU unter Franz Josef Strauß) einen fundamentaloppositionellen Kurs, insbesondere in der Ost- und Deutschlandpolitik, fuhr. 1971 wurde er als Nachfolger von Kiesinger mit großer Mehrheit zum Bundesvorsitzenden der CDU gewählt. Sein unterlegener Gegenkandidat war der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl.

Seit Amtsantritt der Regierung Brandt hatten bis zum Jahr 1972 so viele Abgeordnete der SPD und der FDP zur Unionsfraktion gewechselt, darunter der ehemalige Bundesminister Erich Mende, dass die CDU/CSU-Fraktion rechnerisch über eine knappe absolute Mehrheit verfügte. Barzel glaubte daher im April 1972, Willy Brandt mittels eines konstruktiven Misstrauensvotums ablösen zu können. Doch für seine Wahl zum Bundeskanzler fehlten ihm bei der Abstimmung zwei Stimmen. Später wurde bekannt, dass die DDR mindestens einen Abgeordneten (Julius Steiner) der CDU bestochen hatte. Mittlerweile ist durch die Rosenholz-Akten offenbar auch ein zweiter Abgeordneter aus den Reihen der CSU bekanntgeworden: Leo Wagner soll vom MfS 50.000 DM erhalten haben.[2] Niemals ist jemand, der nie Bundeskanzler wurde, dem Amt so nahe gekommen.[3]

Bei einer Veranstaltung zum 25. Jubiläum der Bundes-CDU, 1975 (Mitte)

Da allerdings auch die SPD/FDP-Koalition im Bundestag über keine handlungsfähige Mehrheit mehr verfügte, stellte Brandt im September 1972 die Vertrauensfrage, bei welcher sich absprachegemäß die Bundesminister enthielten, so dass die Vertrauensfrage negativ beantwortet wurde und Bundespräsident Gustav Heinemann auf Antrag Brandts den Bundestag auflöste.

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl vom November 1972 war Barzel Kanzlerkandidat der Unionsparteien, unterlag jedoch dem amtierenden, in Umfragen populären Bundeskanzler Willy Brandt. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte gewann die SPD mehr Stimmen als die CDU-CSU. Die Niederlage hing zum einen mit der besseren Parteistruktur der SPD zusammen, die sogar von freiwilligen Wahlkampfgruppen unterstützt worden ist, die teilweise von Personen des öffentlichen Lebens unterstützt wurden. Andererseits gelang es Barzel als Kanzlerkandidat nicht, die FDP aus der Koalition mit der SPD herauszulösen, denn mit ihr zusammen hätte er eine erforderliche Mehrheit im Bundestag gehabt. Gleichzeitig schaffte es der fernsehscheue Barzel nicht, so oft wie der amtierende Bundeskanzler im Fernsehn zu erscheinen und verpasste damit die Gelegenheit argumentativ vor großem Publikum zu punkten und ebenso wie Brandt zum Sympathieträger zu werden.[4]

Barzel trat am 9. Mai 1973 vom Amt des CDU-Bundesvorsitzenden zurück. Er war durch die Niederlage der Bundestagswahl angeschlagen, gab jedoch als Grund die Tatsache an, dass die CDU-Fraktion ihn bei der Abstimmung über den UNO-Beitritt der Bundesrepublik und der DDR nicht unterstütze. Sein Nachfolger wurde Helmut Kohl, sein Gegenkandidat von 1971, der mit Barzel persönlich nicht harmonierte und ihn anfangs aus der Arbeit der höchsten Parteigremien ausschloss.

Abgeordneter

Von 1957 bis 1987 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Er schloss sich zunächst der Arbeitnehmergruppe in der CDU/CSU-Fraktion an, verließ diese aber um 1959 wieder. Seit Herbst 1963 führte er hier die Geschäfte des schwer erkrankten Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Heinrich von Brentano, bis er nach Brentanos Tod im Dezember 1964 selbst zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde. Barzel bemühte sich nach dem Scheitern von Bundeskanzler Ludwig Erhard 1966 selbst um die Kanzlerschaft, unterlag jedoch in der parteiinternen Vorentscheidung, die zugunsten von Kurt Georg Kiesinger ausfiel. In der folgenden Großen Koalition spielte er zusammen mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Helmut Schmidt, eine maßgebliche Rolle.

Der Fraktionsvorsitzende auf dem Wahlkongress 1969

1965 bis 1969 war er Mitglied des Vertrauensmännerausschusses des Bundestags für die Geheimdienstzweige (BND, Verfassungsschutz-Apparat, MAD). 1968 wurde er Mitglied des 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Koordinierung der Geheimdienstzweige der Bundesrepublik Deutschland.

Während der Zeit der Großen Koalition gehörte er zu den Verfechtern des Mehrheitswahlrechts. Sie fanden zwar auch Unterstützung bei großen Teilen der SPD, konnten sich aber insgesamt in der Koalition nicht durchsetzen.

Insbesondere nach dem Gang in die Opposition 1969 baute Barzel die Bundestagsfraktion zum Macht- und Entscheidungszentrum der CDU aus. Da die Fraktion am 8. Mai 1973 sich Barzels Votum, der Regierungsvorlage zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen zuzustimmen, nicht anschloss, trat er am folgenden Tag von seinem Amt als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurück.

Von 1976 bis 1979 war er Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und von 1980 bis 1982 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages.

Am 1. Oktober 1982 begründete er den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum konstruktiven Misstrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Am 29. März 1983 wurde er mit 407 von 509 abgegebenen Stimmen zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Eine Aufgabe, die Barzel souverän meistert. Gerade die Grünen, mit denen ein anderer Politik- und Kleidungsstil erstmals in den Bundestag eingezogen ist, irritieren die etablierten Parteien. Eine Verschärfung der Geschäftsordnung wehrt Barzel aber ab. "Keiner hat hier ein besseres Mandat als ein anderer", mahnt er in seiner Antrittsrede.

Er erweist sich auch als Anreger und Erneuerer. Sein Engagement für die Parlamentsreform war sehr ausgeprägt. So debattierten auf Barzels Vorschlag die Abgeordneten erstmals über das Selbstverständnis des Bundestags. Die sechsstündige Debatte gehört zu den Sternstunden des Parlaments.[5]

Wegen des Vorwurfs von Verwicklungen in die Flick-Affäre trat er am 25. Oktober 1984 zurück. Wie damals öffentlich anhand der Akten von Flick bekannt wurde, hatte der Flick-Konzern Barzels Kanzlei zwischen 1973 und 1982 insgesamt fast 1,7 Millionen DM mit dem Vermerk „wg. Barzel“ bezahlt. Auch wenn dabei keine direkte politische Einflussnahme belegt werden konnte (etwa, dass er den Weg innerhalb der CDU für Helmut Kohl freigemacht hätte), war er durch die Zahlungen bereits moralisch diskreditiert. Kohl selber, dem ebenfalls laut Aktenvermerken von Flick über eine halbe Million DM überwiesen wurden, unternahm seinerseits nichts, um dem bedrängten Parteifreund zu helfen. Während seiner Amtszeit als Bundestagspräsident leitete er auch die Haushaltskommission des Ältestenrates.

Rainer Barzel wurde bei den Bundestagswahlen von 1957 bis 1976 im Wahlkreis Paderborn – Wiedenbrück direkt in den Bundestag gewählt. 1980 und 1983 zog er über die Landesliste Nordrhein-Westfalen der CDU in den Bundestag ein.

Öffentliche Ämter

Rainer Barzel (rechts) mit Ernst Lemmer, seinem Vorgänger im Amt des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, am 29. Dezember 1962 vor der Glienicker Brücke.

Am 13. Dezember 1962 wurde er als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in die von Bundeskanzler Konrad Adenauer geführte Bundesregierung berufen, er war in seiner Amtszeit der jüngste Minister im Bundeskabinett. Beim Wechsel zu Bundeskanzler Ludwig Erhard beanspruchte die FDP dieses Ministerium für ihren Parteivorsitzenden Erich Mende, so dass Barzel am 11. Oktober 1963 aus der Bundesregierung ausschied.

Während des Streits um die Ostpolitik scheiterte am 27. April 1972 der Versuch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rainer Barzel durch das erste konstruktive Misstrauensvotum auf Bundesebene in der Geschichte der Bundesrepublik anstelle von Willy Brandt zum Bundeskanzler zu wählen. Die Umstände dieses Scheiterns sind bis heute nicht restlos geklärt (Steiner-Wienand-Affäre). Es gilt aber als wahrscheinlich, dass die DDR-Staatssicherheit zwei Unions-Abgeordnete bestach, die dann gegen Barzel stimmten. Bei der darauf folgenden vorgezogenen Bundestagswahl 1972 war Barzel Kanzlerkandidat von CDU und CSU, konnte sich aber gegen Willy Brandt nicht durchsetzen. Die SPD stellte erstmals die stärkste Bundestagsfraktion und erzielte ihr bis heute bestes Ergebnis bei Bundestagswahlen.

Nach der Wende in Bonn wurde er am 4. Oktober 1982 als Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geleitete Bundesregierung berufen. Schon nach der vorgezogenen Bundestagswahl 1983 schied er am 29. März 1983 aus der Bundesregierung wieder aus, um das Amt des Bundestagspräsidenten zu übernehmen.

Von 1979 bis 1980 war Barzel von Bundeskanzler Helmut Schmidt berufener Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit. In dieselbe Funktion berief ihn im April 1986 Bundeskanzler Helmut Kohl.

Zitate

  • „Wenn einer im Wahlkampf zu schimpfen hat, dann sind es die Wähler, nicht die Politiker.“[6]
  • "Grenzfälle politischer Kommunikation bergen die Gefahr, dass das politische System baden geht.“ - Ein gewagtes Leben, Hohenheim Verlag, 2001, S.34
  • „Die Deutschen lieben eine klare Führung: Ja und ja, nein und nein.“[7]
  • " die Frage der deutschen Einheit wird sich stellen durch Selbstbestimmung aller Deutschen. Der Kampf um Deutschland, der friedfertige, ideologische, politische Kampf ist im Gange" (Die lebendige Nation, Der Weg zur deutschen Einheit; Ralf P. GeorgBitter-Verlag S.98)

Auszeichnungen und Ehrungen

Kabinette

Veröffentlichungen

  • Die geistigen Grundlagen der politischen Parteien. Bonn, Schwippert 1947
  • Souveränität und Freiheit. Eine Streitschrift. Köln, Pick 1950
  • Die deutschen Parteien. Geldern, Schaffrath 1952
  • Karl Arnold. Grundlegung christlich-demokratischer Politik in Deutschland. Eine Dokumentation. Bonn, Berto 1960
  • Untersuchungen über das geistige und gesellschaftliche Bild der Gegenwart und die künftigen Aufgaben der CDU, Dortmund 1962
  • Gesichtspunkte eines Deutschen. Düsseldorf, Econ 1968
  • Es ist noch nicht zu spät. München, Droemer Knaur 1976
  • Auf dem Drahtseil. München, Droemer Knaur 1978
  • Unterwegs – Woher und wohin? München, Droemer Knaur 1982
  • Im Streit und umstritten. Anmerkungen zu Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und den Ostverträgen. Berlin, Ullstein 1986
  • Geschichten aus der Politik. Persönliches aus meinem Archiv. Berlin, Ullstein 1987
  • Plädoyer für Deutschland. Berlin, Ullstein 1988
  • Ein gewagtes Leben. Stuttgart, Hohenheim 2001, ISBN 3898500411

Literatur

  • Ludwig von Danwitz, A propos Barzel. Politische Anmerkungen, Düsseldorf 1972.
  • Klaus Dreher: Rainer Barzel. Zur Opposition verdammt. List-Verlag, München 1972. ISBN 3-471-77314-2

Weblinks

 Commons: Rainer Barzel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl Lehmann (5. September 2006): EINER HAT IMMER ZEIT FÜR UNS. Predigt im Pontifikalrequiem für Herrn Bundestagspräsident a. D. Dr. Rainer Barzel. Abgerufen am 4. Dezember 2008.
  2. Knabe Hubertus (Januar 2006): Liebesgrüße aus Ostberlin. Abgerufen am 4. Dezember 2008.
  3. die-biografien.de: Rainer Barzel-Biografie, abgerufen am 9. September 2011
  4. spiegel.de: Ex-Kanzlerkandidat Barzel - Absturz eines Blitz-Karrieristen, 11. März 2007, abgerufen am 17. September 2011
  5. bundestag.de: Dr. Rainer Barzel: Kluger Anreger und Erneuerer abgerufen am 9. September 2011
  6. Rainer Barzel Zitat. In: 1000 Zitate.de. 2003, abgerufen am 4. Dezember 2008.
  7. spiegel.de: Zitate, 14/1989, abgerufen am 9. September 2011

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