- Katastrophenmanagement
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Eine Katastrophe (altgriechisch καταστροφή, Komposition aus katá – „herab-“, „nieder-“ und stréphein „wenden“, also eigentlich „Wendung zum Niedergang“) ist ein entscheidendes, folgenschweres Unglücksereignis.
In versicherungsrechtlicher Sicht ist sie nach bundesdeutschem Verständnis ein Schadensereignis, welches deutlich über die Ausmaße von Schadensereignissen des täglichen Lebens hinaus geht und dabei Leben und Gesundheit zahlreicher Menschen, erhebliche Sachwerte oder die lebensnotwendigen Versorgungsmaßnahmen für die Bevölkerung erheblich gefährdet oder einschränkt.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsbestimmung: Katastrophe als Ereignis
Der soziale Zustand „Katastrophe“ wird subjektiv empfunden und kommunikativ verbreitet. Er kann von einem persönlichen Notfall, örtlichen Schadenfällen bis zu einer großflächigen Zerstörung von Leben, Infrastruktur und Hilfsmöglichkeiten eines ganzen Lebensraumes, sogar bis zum Untergang ganzer Gesellschaften reichen.
Im Bereich der Exekutive ist die Katastrophenabwehr eine Aufgabe des Katastrophenschutzes.
Kriterien zur Definition
Katastrophe im engeren Sinn ist dabei eine länger andauernde und meist großräumige Schadenlage, die mit der normalerweise vorgehaltenen Gefahrenabwehr (Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei) nicht mehr angemessen bewältigt werden kann und die nur mit überregionaler (oder internationaler) Hilfe und zusätzlichen Ressourcen (Militär sowie nicht organisierte Bevölkerungsteile) unter Kontrolle gebracht werden kann.
Typisch dabei ist, dass durch das Ereignis (wie Erdbeben, Hochwasser, Waldbrandserie) auch die örtlichen Hilfskräfte und Hilfsquellen (beispielsweise Krankenhäuser) selbst sowie die Infrastruktur (Straßen, Brücken, Wasser- und Energieversorgung) nicht mehr einsatzfähig sind.
Können dagegen nach mehrstündiger Anlaufphase, großzügiger Nachbarschaftshilfe aus nicht betroffenen Bereichen und Alarmierung von Hintergrunddiensten (dienstfreien Schichten, Freiwilligen Feuerwehren, Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, deren Schnelleinsatzgruppen sowie in Deutschland das THW) die akuten Gefahren etwa binnen eines Tages im Wesentlichen beseitigt werden, so spricht man im engeren Sinn nur von einem „Massenunfall“, einem „Großschadenereignis“ beziehungsweise „Massenanfall von Verletzten der Stufe 1 oder 2“.
Gemäß dieser Begrifflichkeit (nach DIN 13050, DIN 14011) war
- das Oderhochwasser 1997 eine Katastrophe, auch wenn auf deutscher Seite keine Menschen zu Schaden kamen, weil die regionalen Kräfte zur Deichverteidigung und damit Gefahrenbeseitigung absolut nicht ausreichten. Nationale Unterstützung und massiver Einsatz der Bundeswehr wurde für das mehrwöchige Geschehen erforderlich, „normale“ Bürger befüllten Sandsäcke.
- das ICE-Unglück von Eschede 1998 noch keine Katastrophe, weil nach einigen Stunden die regionalen Feuerwehren und Rettungsdienste die Verletzten befreien und in Krankenhäuser bringen konnten. „Regional“ meint hier: Osthälfte Niedersachsens einschließlich Hamburg. Der Einsatz einzelner Hubschrauber zur weiteren Fernverlegung fällt dabei unter Nachbarschaftshilfe zur bestmöglichen Wiederherstellung der Gesundheit.
Die Akutphase ist diejenige, in der Gefahren für Menschen (unversorgte Verletzungen, aber auch Hunger, Seuchen, Kälte) weiter bestehen, Feuer brennen oder das Wasser noch steigt. Nicht mehr zur Katastrophenlage zählen dagegen Aufräumungsarbeiten, Genesung und Wiederaufbau bei behelfsmäßiger Unterbringung und Versorgung betroffener Menschen.
In Deutschland ist die Feststellung des Katastrophenfalls eine politische Entscheidung. Sie erfolgt durch den „Hauptverwaltungsbeamten“ (HVB, das sind die Landräte und Oberbürgermeister kreisfreier Städte). Die Entscheidung hat immer erhebliche finanzielle Folgen. Die Erklärung oder Nicht-Erklärung des Katastrophenfalls kann weitreichende juristische Konsequenzen haben.
Typologie
Eingetretene oder drohende Katastrophen, pragmatisch aufgezählt, wären:
- Gesellschaftliche Katastrophen; betreffend Völkerrechte, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Krieg und Frieden, Rechte von ethnischen Minderheiten:
- Katastrophen technisch-biologisch-medizinischer Art:
- Nukleare Katastrophen (A-Gefahren, atomare Gefahren)
- Seuchen (B-Gefahren, biologische Gefahren, vgl. z. B. die Grippe), Epidemien
- Chemiekatastrophen (C-Gefahren)
- Datennetzbezogene Katastrophen (D-Gefahren)
- Elektromagnetisch ausgelöste Katastrophen (E-Gefahren)
- Katastrophen durch Freisetzung von mechanischer oder thermischer Energie (F-Gefahren: Druck (Zusammenstöße, Orkane), Brand (Explosionen), wie z. B.
Häufig werden Naturkatastrophen, d. h. Naturereignisse, denen Menschen ausgesetzt sind und die zum Ersticken, Ertrinken, Verdursten, Verhungern, Erfrieren, Verbrennen und Vergleichbarem führen (wie Meteoreinschläge, Vulkanausbrüche, Lawinen, Erd- und Seebeben, Hochwasser, Waldbrände u. a. m.) von sogenannten „technischen Katastrophen“ unterschieden. Aber auch Naturkatastrophen bis hin zur Klimakatastrophe sind in ihren Auswirkungen stets sozial bzw. kulturell beeinflusst (sogar Man Made Disasters – vgl. Hungersnot): Wenn Menschen die Vulkanabhänge nicht besiedelt hätten, wäre ein Ausbruch oft keine „Katastrophe“. Diejenigen sog. „technischen Katastrophen“, die eine verheerende ökologische Beeinträchtigung bedeuten, bezeichnet man auch als Umweltkatastrophen.
Katastrophenmanagement
Katastrophenmanagement soll sicherstellen, dass in einem Notfall reagiert werden kann.
Es besteht im Allgemeinen aus:
- Bedrohungs(Worst-Case-)Analysen
- Definieren von wahrscheinlichen Katastrophenfällen
- Festlegen von Handlungsanweisungen
- Beschaffung notwendiger Mittel
- Simulation der Katastrophenfälle und Überprüfung, ob die für einen Notfall festgelegten Mittel und Verfahren wirksam sind
Katastrophenmanagement umfasst nicht nur typischerweise als Katastrophe bezeichnete Ereignisse wie Feuer, Wasserschäden, oder Erdbeben, sondern auch die Fälle, in denen das Sicherheitsmanagement versagt hat.
Siehe auch
- Debakel, Fiasko, Unheil
- Anastrophe
- Katastrophenschutz, Zivilschutz
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge
- Katastrophenvorbeugung, Katastrophenvorsorge, Risikoanalyse als Instrument der Katastrophenvorsorge, Notvorrat, Vorbereitung auf den Katastrophenfall
- Warnung, Frühwarnung bei Naturkatastrophen, Alarm, Notfunk
- Massenanfall von Verletzten, Triage
- Katastrophensoziologie
- Internationale Charta für Weltraum und Naturkatastrophen
- Wagniskosten
- Katastrophismus
Literatur
- Karcev Chazanovskij: Warum irrten die Experten?, Berlin 1990, ISBN 3341005455
- Lars Clausen/Elke M. Geenen/Elísio Macamo (Hg.): Entsetzliche soziale Prozesse. Theorie und Empirie der Katastrophen, Münster: LIT-Verlag 2003, ISBN 382586832X
- Wolf R. Dombrowsky: Katastrophe und Katastrophenschutz. Eine soziologische Analyse, Wiesbaden 1989
- ("Erdbeben von Lissabon 1755"), mit Beiträgen von Wolf R. Dombrowsky, Odo Marquard, Franz Mauelshagen, Andreas Maurer, Wolfgang Sofsky u. a., Neue Zürcher Zeitung, 29./30. Oktober 2005, S.61-65
- Ned Halley: Das große Buch der Katastrophen, Nürnberg 2000, ISBN 3788604999
- Die großen Katastrophen und Unglücksfälle, Gütersloh 1997, ISBN 357714551X
- Charles Perrow: Normale Katastrophen, Frankfurt 1992, ISBN 3593341255
- Sebastian Roth: Krisen-Bildung - Aus- und Weiterbildung von KriseninterventionshelferInnen, Hamburg: Kovac 2008, ISBN 978-3-8300-3537-4(Link zum Buch)
- Schutzkommission beim Bundesminister des Innern: Dritter Gefahrenbericht. Bericht über mögliche Gefahren für die Bevölkerung bei Großkatastrophen und im Verteidigungsfall, Bonn: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2006, ISSN 0343-5164
- Martin Voss, Symbolische Formen. Grundlagen und Elemente einer Soziologie der Katastrophe, Bielefeld: Transcript 2006, darin: Einleitung
- Gerrit Jasper Schenk & Jens Ivo Engels (Eds.) Historical Disaster Research. Concepts, Methods and Case Studies „Disaster“ / Historische Katastrophenforschung. Begriffe, Konzepte und Fallbeispiele (= Special Issue von Historical Social Research / Historische Sozialforschung, HSR Vol. 32, 2007, Nr. 3.)
- Mohamed Gad-el-Hak: Large-Scale Disasters: Prediction, Control, and Mitigation. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2008, ISBN 0-521-87293-6
Weblinks
- Konferenzen und Meetings
- IDRC Davos 2008International Disaster and Risk Conference Davos 2008 (August 25-29, 2008)
- Katastrophenforschung
- Schutzkommission der Bundesregierung
- www.katastrophenforschung.de Deutsches Portal zur Katastrophenforschung, Spin-Off der Universität Kiel
- Zentrum für Naturrisiken und Entwicklung der Universität Bayreuth
- Katastrophenforschungsstelle des Instituts für Soziologie der Universität Kiel (KFS)
- Netzwerk zu Katastrophen (KatNet) mit deutschsprachiger Mailingliste und Newsletter
- Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge DKKV
- Offenes Katastrophenmanagement mit freiem GIS
- Beispiele
- Zum Hurrikan Katrina: Extra-Wiki zur Katastrophenhilfe in Louisiana und Mississippi (nur englisch)
- Liste von Katastrophen (deutschsprachig)
- EM-DAT: the International Disaster Database (englischsprachig)
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