- Literatur der Aufklärung
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Der Literatur der Aufklärung werden allgemein Werke zugeordnet, die zwischen 1720 bis 1800 entstanden sind und bewusst oder unbewusst die Ideen der Aufklärung vertreten. In Frankreich und England wird für diese Epoche die Metapher des Lichts verwendet (englisch Age of Enlightenment, französisch Siècle des Lumières). Das literarische Großprojekt der Epoche war die in Frankreich ab 1750 entstandene Encyclopédie.
Siehe auch Zeitalter der Aufklärung
Inhaltsverzeichnis
Allgemein
Die Aufklärung ist eine von zwei Strömungen der Philosophie des 17. Jahrhunderts geprägte Bewegung im 18. Jahrhundert in Europa: Zum einen der französische Rationalismus, besonders vertreten durch René Descartes, zum anderen der englische Empirismus verkörpert durch John Locke.
In der Zeit der Aufklärung begann das Bürgertum seinen Aufstieg innerhalb des absolutistischen Staates. Auch die Literatur wandte sich jetzt erstmals an ein bürgerliches Publikum, sie wollte also nicht mehr einen Fürsten preisen. So entstanden ganz neue literarische Formen.
Die Literatur hat vor allem eine erzieherische Funktion und fordert die „sittliche Besserung“. Mit ihren Gedanken knüpft sie an die durch die Renaissance wiederbelebten antiken Ideale und Sichtweisen an. Die Vertreter selbst sehen die Aufklärung nicht als Epoche, sondern als den Beginn einer neuen Ära, die den Menschen und seine Verantwortung in den Mittelpunkt stellen. Besonders das Bürgertum ist bestrebt, sich von den dogmatischen Lehren der Kirche und der „geistigen Bevormundung“ durch Obrigkeiten zu befreien, um so eine „Emanzipation des Denkens“ auszulösen. Der elliptische Leitspruch Voltaires Écrasez l'infâme [1] war bereits zu seinen Lebzeiten europaweit[2] bekannt. Egal, ob damit der Aberglauben oder die Institution Kirche gemeint war, er richtete sich doch recht eindeutig gegen die Bevormundung des Denkens durch Religion.
Die bedeutendsten Vertreter der philosophischen Aufklärung waren Christian Wolff, Gottfried Wilhelm Leibniz, Montesquieu, der für die Gewaltenteilung eintrat, Jean-Jacques Rousseau mit seinem Gesellschaftsvertrag (Du contrat social, 1762) und Immanuel Kant.
In der Zeit der Aufklärung wurde die Fabel als literarische Form wiederentdeckt. Philosophie und Wissenschaft erleben seitdem einen Aufschwung, die Erkenntnisse dieser Zeit beeinflussen noch heute maßgeblich das kulturelle und politische Leben in Europa.
Die Frage „Was ist Aufklärung?“ hat Kant als einer der bedeutendsten deutschen Philosophen 1784 beantwortet. Immanuel Kant (1724–1804) aus Königsberg schrieb: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“
Unter Aufklärung versteht man einen sowohl individuellen wie auch gesellschaftlichen geistigen Emanzipationsprozess, der darauf abzielt, allein auf dem Glauben an Autoritäten beruhende Denkweisen kritisch zu hinterfragen.
Einordnung
Die Aufklärung war genaugenommen eine Epoche des Übergangs. In der Philosophie lösen sich einzelne Zweige wie Psychologie, Politikwissenschaft und Ökonomie von der 'Gesamtwissenschaft' ab und bilden eigene, selbständige Disziplinen (Emanzipation). Das letzte Projekt des Universalgelehrten ist die Encyclopédie. Die normative Poetik erodiert und kollabiert später vollkommen (Erlaubt ist, was gefällt, Neudeutsch anything goes). Die klassische Einteilung des Theaters in hohe (Tragödie) und niedrige Gattung (Komödie) verliert an Bedeutung. In Frankreich entsteht vor allem durch Pixérécourt das Melodram als populäres Unterhaltungstheater. Das Theater selbst entwickelt sich immer mehr zu einer bürgerlichen Institution.
Auch die Literaten emanzipieren sich von ihren (meist adligen) Auftraggebern und werden später zu selbständigen Unternehmern. Sie bedienen seitdem nicht mehr nur die Bedürfnisse der europäischen Höfe, sondern einen Markt für Leser, der wie andere Märkte auch durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Einen gravierenden Wandel erlebt die 'literarische Öffentlichkeit' seit dem Erscheinen von Literaturzeitschriften.[3] Diese 'entstehende' Öffentlichkeit wurde aber noch stark von königlicher bzw. fürstlicher Zensur kontrolliert und eingeschränkt. Erst die Lockerung der Zensur ab 1740 in Preußen durch Friedrich den Großen machte die Arbeit für Literaten und Journalisten etwas einfacher (siehe Berliner Aufklärung). Durch Lesezirkel, Lesegesellschaften, in Leihbibliotheken und Kaffeehäusern wurde zudem Literatur für weite Kreise öffentlich zugänglich.
Diesen Übergang bezeichnete der deutsche Historiker R. Koselleck treffend als Sattelzeit, als Übergang von der Frühen Neuzeit zur Moderne.
Wahlspruch
Als Wahlspruch der Aufklärung bezeichnete Immanuel Kant das horazische: „Sapere aude!“ und übersetzte es mit „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
Aufklärung in Deutschland
Der bedeutendste Autor der Frühaufklärung war Christian Fürchtegott Gellert mit seinen Fabeln. Die bedeutendste Figur im literarischen Leben war Johann Christoph Gottsched. Sein wichtigstes Werk war eine Sammlung von Theaterstücken, die er unter dem Titel Deutsche Schaubühne veröffentlichte. Sein Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1730) orientierte sich an der Französischen Klassik, besonders an Boileaus L'Art poétique (1674). Seine Dramentheorie beeinflusste maßgeblich die Entstehung des klassischen deutschen Dramas, wurde aber zugleich von vielen Seiten scharf kritisiert. Sein eigener Versuch mit Der sterbende Cato (1732) ein Regeldrama zu verfassen, muss als gescheitert gelten. Gottsched organisierte die dt. Übersetzung von Peter Baylens historisches und kritisches Wörterbuch (Leipzig 1741-44 ). Er setzte sich zudem für eine einheitliche deutsche Hochsprache ein.[4]
Wesentliche Einflüsse bezog die deutsche Literatur der Aufklärung aus Frankreich. Schiller und Lessing übersetzten Werke von D. Diderot.[5] Goethe nutzte eine Schaffenskrise zur Übersetzung folgender Werke: Tancred und Mahomet , beide von Voltaire (1802) und Le Neveu de Rameau von Diderot (1804). Für die Verbreitung der Ideen der Aufklärung setzten sich Geheimbünde wie die Illuminaten ein.
In Deutschland war die Aufklärung die Vorbereitung der Deutschen Klassik.
Literarische Formen
Ein wichtiges Kennzeichen der Literatur der Aufklärungszeit ist das Spiel mit bekannten literarischen Formen bzw. ihre Neu- und Weiterentwicklung. Geradezu revolutionär war Beaumarchais' Le Mariage de Figaro (1778, Uraufführung 1784), bei dem der Diener entgegen den literarischen Konventionen die Hauptrolle übernimmt.
Neu ist auch die Aufwertung der Prosa: Montesquieu nutzte die Form des Briefromans in seinen Lettres persanes, 1721. Die beiden Protagonisten aus Persien ermöglichten ihm eine neue Perspektive auf die französische Gesellschaft mit entsprechend kritischer Distanz. 1748 erschien Gellerts Familienroman Leben der schwedischen Gräfin von G***. In Frankreich wurden die contes philosophiques (philosophische Erzählung, Kurzroman) durch Voltaire (Candide, 1759) und D. Diderot als neue Erzählform entdeckt. Mit Rousseaus Confessions („Bekenntnisse“, 1765–70, posthum ab 1782 erschienen) entsteht eine der ersten modernen Autobiografien. 1771 veröffentlichte Louis-Sébastien Mercier anonym den ersten utopischen Roman. In L'An 2440, rêve s'il en fut jamais vergleicht er die absolutistische Monarchie mit einer freien Gesellschaft, in der die Anerkennung nicht auf ererbten Privilegien sondern den Verdiensten beruht. Goethe übernimmt später die Form des Briefromans in seinem Werther, 1774. Wegweisende Prosawerke in Deutschland waren der Bildungsroman Geschichte des Agathon (1766/67) von Christoph Martin Wieland und der psychologische Roman Anton Reiser (1785/86) von Karl Philipp Moritz.
Die meisten erfolgreichen und vielgelesenen Prosawerke des 18. Jahrhunderts entstanden in England. Diese wurden dort als Novel bezeichnet.[6]
D. Diderot entwickelte mit seinen Salons zwischen 1759 und 1781 ein völlig neues Genre des Schreibens über Kunst, die Kunstkritik.
Theater
Die meisten Autoren und Werke des französischen Theaters der Aufklärung sind heute mehr oder weniger in Vergessenheit geraten.[7] Nur Beaumarchais vorrevolutionäre Komödie Die Hochzeit des Figaro[8] ist aufgrund des witzigen Charakters Figaros und durch die Opernfassung Mozarts [9] weiterhin populär. Um der Zensur zu entgehen verlegte Beaumarchais die Handlung des Stückes nach Spanien, trotzdem waren die Parallelen zum Ancien Régime für jedermann deutlich. Auch das Aufführungsverbot des Königs konnte den Erfolg des Stückes nicht verhindern. Der Diener als Vertreter des Dritten Standes weiß einfach zu finten- und einfallsreich, die Pläne des Grafen zu konterkarieren und zeigt damit deutlich seine moralische Überlegenheit.
Die wichtigste Poetologie zum Theater kommt wiederum aus Frankreich von D. Diderot: Discours sur la poésie dramatique (1758). Sein Vorwort zu Le Père de famille verortet das Theater der Zukunft zwischen klassischer Tragödie und Komödie. Diderot forderte ein drame bourgeois – ein bürgerlichen Schauspiel mit gewöhnlichen Protagonisten.
In Deutschland schuf Lessing durch seine Dramen, u.a. Emilia Galotti (1772), die neue literarische Gattung des Bürgerlichen Trauerspiels. Es entspricht in Form (keine Versdichtung) und Inhalt den Identifikations- und Präsentationsbedürfnissen des zunehmend gebildeten, finanziell potenten und politisch noch unbedeutenden Bürgertums. Die Ohnmacht des Bürgertums und die Willkür des Adels im 18. Jahrhundert musste u.a. Schillers Vater als Werbeoffizier im Dienste des württembergischen Herzoges erleben, der frei über seine Bürger verfügte und diese als Söldner nach England verkaufte, um sein aufwändiges Hofleben zu finanzieren. Schiller entzog sich bekanntlich dieser Bevormundung 1782 durch Flucht. Dieser zeitgenössische Konflikt zwischen Bürgertum und Adel steht später auch in seinem Drama Kabale und Liebe (1784) zentral. Im Unterschied zu Lessing nutzte aber Schiller nicht einen historischen Stoff als Vorlage, sondern verortet sein Stück ohne Zeitangabe Am Hof eines deutschen Fürsten. In seinem Vortrag Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet (1784) unterstrich er die aufklärerischen Möglichkeiten der Institution Theater. Interessanterweise verwendet er dafür die Lichtmetapher: „Die Schaubühne ist der gemeinschaftliche Kanal, in welchen von dem denkenden, bessern Theile des Volks das Licht der Weisheit herunterströmt und von da aus in milderen Strahlen durch den ganzen Staat sich verbreitet. ... der Nebel der Barbarei, des finstern Aberglaubens verschwindet, die Nacht weicht dem siegenden Licht.“[10]
Siehe auch
Werke
Lyrik
Friedrich Gottlieb Klopstock, 1724-1803
Prosa
Christoph Martin Wieland, 1733-1813
- Geschichte des Agathon (1766/67)
Friedrich Nicolai, 1733-1811
Karl Philipp Moritz, 1756-93
- Anton Reiser (1785/86)
Theater
Gotthold Ephraim Lessing, 1729-1781
- Minna von Barnhelm (1767 erschienen)
- Hamburgische Dramaturgie (1770)
- Emilia Galotti (1772 uraufgeführt)
- Nathan der Weise (1779 veröffentlicht, Uraufführung 1783)
- Miss Sara Sampson (1755 veröffentlicht)
Christian Fürchtegott Gellert, 1715-1769
Neben zahlreichen Fabeln (2 Bde. 1746-48), Erzählungen, Abhandlungen, Reden und Vorlesungen veröffentlichte Gellert:- Die Betschwester (Lustspiel, 1745)
- Das Loos in der Lotterie (Lustspiel, 1746)
- Die zärtlichen Schwestern (Lustspiel, 1747)
- Das Leben der Schwedischen Gräfin von G*** (Briefroman, 2 Teile, 1747/48)
- Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen (1751)
- Geistliche Oden und Lieder (1757)
Philosophie
Montesquieu, 1689-1755
Voltaire, 1694-1778
- Candide, ou l'optimisme, 1759
Jean-Jacques Rousseau, 1712-1778
- Du Contrat social ou Principes du droit politique (dt. Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes), 1762
Immanuel Kant, 1724-1804
Kant war vorwiegend Philosoph der Aufklärung, kein Literat. Seine Werke waren deshalb vorwiegend Abhandlungen, Kritiken, ...- Kritik der reinen Vernunft, 1781
- Kritik der praktischen Vernunft, 1788
- Kritik der Urteilskraft, 1790
- Was ist Aufklärung?, 1784
Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799
Ab 1761 schrieb Lichtenberg Gedankensplitter in Form von Aphorismen in Schreibhefte, von ihm Sudelbücher genannt. Diese wurden postum veröffentlicht.Weblinks
Literatur
- Gerhard Kaiser, Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm und Drang. Geschichte der deutschen Literatur, UTB Stuttgart, 6. erw. Aufl. 1996, ISBN 978-3-8252-0484-6
Anmerkungen
- ↑ Gemeint war u.a. Écrasez l’infâme superstition, dt Zerstört den niederträchtigen Aberglauben
- ↑ Voltaire unterzeichnete seit 1761 zahlreiche Briefe mit der Floskel Écrasez l'infâme bzw. Écrlinf
- ↑ Deutschland: Die vernünftigen Tadlerinnen 1725-26 und Der Biedermann 1727-29, Beyträge zur Critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit 1732-44, Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften und freyen Künste 1745-50 alle vier herausgegeben von Johann Christoph Gottsched, Beiträge zur Historie und Aufnahme des Theaters ab 1750, herausgegeben von Christlob Mylius und Lessing, Briefe, die Neueste Litteratur betreffend 1758-65, herausgegeben von Friedrich Nicolai, Moses Mendelssohn und Lessing, Allgemeine Deutsche Bibliothek (ADB) 1765-96 (1-118), herausgegeben von Friedrich Nicolai, Der Teutsche Merkur 1773-89, herausgegeben von Christoph Martin Wieland, Thalia 1787, Die Horen 1795-97, beide herausgegeben von Friedrich Schiller, Deutsche Monatsschrift 1790-99, herausgegeben von Friedrich von Gentz (bis 1795) und Gottlob Nathanael Fischer, Neue Deutsche Monatsschrift 1795, herausgegeben von Friedrich von Gentz, Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek (NADB) 1793-1806 (1-107), herausgegeben von Friedrich Nicolai; Frankreich: Correspondance littéraire, philosophique et critique 1747-93, herausgegeben von Friedrich Melchior Grimm, Guillaume-Thomas Raynal, Denis Diderot
- ↑ Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, Leipzig 1748
- ↑ Das Theater des Herrn Diderot übersetzt von Lessing, 1760, darin u.a. Le fils naturel (1757) und Le père de famille (1758) ; Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache. Aus einem Manuskript des verstorbenen Diderot gezogen, Thalia, 1, 1785 übersetzt von Schiller
- ↑ Daniel Defoe Robison Crusoe (1719), Moll Flanders (1722), Roxana (1724), Jonathan Swift Gullivers Reisen (1726), Samuel Richardson Pamela (1740), Clarissa (1748), Sir Charles Grandison (1753), Henry Fielding Joseph Andrews (1742), Jonathan Wild (1743), Tom Jones (1749), Tobias Smollett Roderick Random (1748), Peregrine Pickle (1751), Laurence Sterne Tristram Shandy (1760-67), A Sentimental Journey Through France and Italy (1768)
- ↑ Michel-Jean Sedaine (1719-1797), Le Philosophe sans le savoir 1765; Louis-Sébastien Mercier (1740-1840), La Brouette du vinaigrier 1775; Voltaire Zaïre 1732, Mahomet ou le Fanatisme 1741; D. Diderot Le fils naturel 1757, Le père de famille 1758
- ↑ Der Barbier von Sevilla, 1775 und Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit, 1784
- ↑ Le nozze di Figaro, 1786
- ↑ Vorgelesen bei einer öffentlichen Sitzung der kurfürstlichen deutschen Gesellschaft zu Mannheim im Jahr 1784
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