Lübecker Märtyrer

Lübecker Märtyrer
Gedenktafel in den Wallanlagen beim Untersuchungsgefängnis Hamburg
Die Lutherkirche in Lübeck ist dem Gedenken an die drei katholischen Geistlichen und ihren evangelisch-lutherischen Kollegen Karl Friedrich Stellbrink gewidmet.

Als Lübecker Märtyrer werden die drei katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink bezeichnet, die am 10. November 1943 kurz hintereinander in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg am Holstenglacis durch Enthauptung hingerichtet wurden. Die drei katholischen Geistlichen wurden am 25. Juni 2011 selig gesprochen.

Die katholischen Priester waren an der Herz-Jesu-Kirche in der Lübecker Innenstadt tätig, Prassek als Kaplan, Müller als Adjunkt und Lange als Vikar. Stellbrink war Pastor der Lutherkirche. Seit 1941 waren sie miteinander freundschaftlich verbunden und tauschten Nachrichten und Predigten, unter anderem des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, miteinander aus.

In der Predigt am Palmsonntag 1942 sagte Stellbrink, durch den britischen Luftangriff auf Lübeck in der Vornacht habe Gott mit mächtiger Stimme gesprochen. Dies wurde fälschlich so wiedergegeben, als habe er von einem „Gottesgericht“ gesprochen, ein Begriff, der in seiner Predigt nicht vorkam. Er wurde am 7. April 1942 verhaftet, Prassek am 18. Mai, Lange am 15. Juni und Müller am 22. Juni. Außer den Geistlichen wurden noch 18 katholische Laien verhaftet, unter ihnen auch der spätere Moraltheologe Stephan Pfürtner.

Ein Jahr später, vom 22. bis 24. Juni 1943, fand ihr Prozess vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofes unter Vorsitz von Wilhelm Crohne statt, der zu diesem Zweck nach Lübeck gekommen war. Die Geistlichen wurden wegen „Rundfunkverbrechen, landesverräterischer Feindbegünstigung und Zersetzung der Wehrkraftzum Tode verurteilt; die mitangeklagten Laien erhielten Freiheitsstrafen, die durch die Untersuchungshaft als abgesessen galten, oder wurden freigesprochen. Zwei Laien erhielten längere Freiheitsstrafen, darunter der schwerer belastete Adolf Ehrtmann, der mit einem Todesurteil gerechnet hatte.

Daraufhin wurden die Geistlichen in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg am Holstenglacis verlegt. Der für die katholischen Priester zuständige Bischof von Osnabrück, Wilhelm Berning, besuchte die Geistlichen im Gefängnis und schrieb ein Gnadengesuch, das abgelehnt wurde. Pastor Stellbrink erhielt keinerlei Unterstützung seiner Landeskirche und wurde vor seiner Hinrichtung wegen seiner Verurteilung aus dem kirchlichen Dienst entlassen.

Zum 60. Jahrestag der Hinrichtung kündigte der Hamburger Erzbischof Werner Thissen den Beginn des Seligsprechungsprozesses für die drei katholischen Geistlichen der Lübecker Märtyrer an. Gleichzeitig vereinbarte er mit der Bischöfin für den Sprengel Holstein-Lübeck der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Bärbel Wartenberg-Potter, die Einrichtung einer ökumenischen Begleitgruppe, um das gemeinsame Gedenken zu gewährleisten.

Die Seligsprechung der drei katholischen Geistlichen fand am Sonnabend, dem 25. Juni 2011, in Lübeck statt.[1] Kardinal Angelo Amato verlas bei einem Gottesdienst unter offenem Himmel in Lübeck das Schreiben von Papst Benedikt XVI., mit dem die drei katholischen Geistlichen in das Verzeichnis der Seligen aufgenommen wurden. Die Predigt hielt Kardinal Walter Kasper, der auch des Protestanten Stellbrink gedachte.[2]

Die Krypta der Herz-Jesu-Kirche sowie die Lutherkirche in Lübeck sind dem Gedenken der Geistlichen gewidmet; ebenso die Krypta der Heilig-Geist-Kirche in Georgsmarienhütte-Oesede.

Literatur

  • Josef Schäfer S.J. (Bearb.): Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich. Briefe der enthaupteten Lübecker Geistlichen und Berichte von Augenzeugen, Hansa Verlag Josef Toth, Hamburg 1946.
  • Else Pelke: Der Lübecker Christenprozess 1943, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1961/1974.
  • Ingaburgh Klatt: „Lösch mir die Augen aus ...“ – Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Ausstellung im Burgkloster zu Lübeck vom 8. November 1993 bis zum 10. November 1994, erstellt vom Burgkloster zu Lübeck in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis 10. November, in: Jahrbuch Demokratische Geschichte, hrsg. vom Beirat für Geschichte in der Gesellschaft für Politik und Bildung Schleswig-Holsteins e. V., Malente, Band VIII (1993), S. 205–280, als Sonderdruck hrsg. vom Burgkloster zu Lübeck / Amt für Kultur der Hansestadt Lübeck, 1994.
  • Martin Merz: „Die Pfaffen aufs Schafott“: ein Lübecker Prozess vor 50 Jahren, Begleitheft zur Ausstellung Lösch mir die Augen aus ...; Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus; überarb. Manuskript einer Rundfunksendung im Rahmen der Reihe Religion und Gesellschaft am 6. August 1993 im Dritten Programm des Norddeutschen Rundfunks, Lübeck 1993.
  • Martin Thoemmes, Sebastian von Melle: Ökumene im Widerstand. Die Lübecker Märtyrer. In: Martin Lätzel, Joachim Liß-Walther (Hrsg.): Christentum zwischen Nord- und Ostsee. Eine kleine ökumenische Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins. Edition Temmen, Bremen 2004.
  • Peter Voswinckel: Nach 61 Jahren komplett. Abschiedsbriefe der Vier Lübecker Märtyrer im historischen Kontext. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 85 (2005), S. 279–330.
  • Isabella Spolovjnak-Pridat, Helmut Siepenkort (Hrsg.): Ökumene im Widerstand. Der Lübecker Christenprozess 1943. Schmidt-Römhild, Lübeck 2001/2006.
  • Sebastian von Melle: Die vier Lübecker Märtyrer – Ökumene im Widerstand. In: Jens Ehebrecht-Zumsande, Sigrid Kessens, Martin Lätzel (Hrsg.): Überzeugt! Glaubenszeuginnen und Glaubenszeugen des Nordens. Sonderheft der Reihe :in Religion, Bergmoser + Höller Verlag, Aachen 2008, S. 65–67.
  • Peter Voswinckel: Geführte Wege. Die Lübecker Märtyrer in Wort und Bild, Butzon & Bercker / St. Ansgar Verlag, Hamburg 2010.
  • Sebastian von Melle: Hermann Lange, in: Hirschberg 09-2010, hrsg. vom Bund Neudeutschland – KMF e. V., Köln, S. 572–577.
  • Martin Thoemmes: Die Märtyrer des Lübecker Christenprozesses. In: Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 5. Aufl. 2010, Bd. 1, S. 249–257.
  • Martin Thoemmes: Die vier Lübecker Märtyrer. Zur ersten Seligsprechung in Norddeutschland im Juni 2011. In: Katholische Bildung, Verbandsorgan des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen e.V., Essen, Mai 2011, Heft 5, 112. Jahrgang, S. 199–211.
  • Martin Thoemmes: Die ökumenischen Heiligen – Die Märtyrer-Kapläne von Lübeck. In: VATICAN magazin, Rom, Mai 2011, Heft 5, Jahrgang 5, S. 20–23.
  • Sebastian von Melle: Wir waren wie Brüder. Zur Seligsprechung der Lübecker Märtyrer, in: Hirschberg 06-2011, hrsg. vom Bund Neudeutschland – KMF e. V., Köln, S. 361–363.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung des Erzbistums Hamburg vom 14. September 2010, abgerufen am 14. September 2010
  2. Tausende bei Seligsprechung von Nazi-Widerständlern in Lübeck. In: Lübecker Nachrichten online vom 25. Juni 2011

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