- Armenier in Europa
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Über die unmittelbar an das armenische Siedlungsgebiet angrenzenden Gebiete hinaus wanderten Armenier schon im frühen Mittelalter in entferntere Gebiet nach Westkleinasien, Südosteuropa, Syrien, Ägypten und Persien. Im 16. Jahrhundert unterhielten armenische Kaufleute, auf die weit gestreuten Gemeinschaften ihrer Landsleute gestützt, ein Handelsnetz, das den gesamten eurasischen Raum von Westeuropa bis Ostasien umspannte. Die Verfolgungen und Massaker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts brachten Armenier auch nach Nord- und Südamerika sowie Australien. In Europa war Frankreich das Hauptziel der armenischen Flüchtlinge, hier vor allem die Hafenstädte Marseille und Valence und natürlich auch die Metropole Paris. Die Zahl der Armenier in Deutschland liegt - nach Angaben des Instituts für Genozid und Diaspora an der Universität Bochum - zwischen 35.000 und 40.000. Die größte Gemeinschaft ist in Köln anzutreffen.
Inhaltsverzeichnis
Religiöse Unterdrückung
Die Armenier konnten, abhängig von den Verhältnissen in ihren neuen Heimatländern, ihre sprachliche und religiöse Identität erhalten. Gerade in Mitteleuropa war der Assimilationsdruck der katholischen Herrscher im 17. Jahrhundert besonders groß. Seit dem 13. Jahrhundert versuchte auch Rom, Teile der armenischen Christenheit zur Konversion oder Union mit dem Heiligen Stuhl zu bewegen und hatte dabei teilweise Erfolg. Nach dem Konzil von Trient (1545–1563) wurden diese Bemühungen verstärkt, auch mit Hilfe des Jesuitenordens. Eine der wichtigsten armenisch-katholischen Persönlichkeiten war Mechitar von Sebasteia (1676–1749), der als Mitglied des Klerus des armenischen Patriarchats von Konstantinopel zum Katholizismus konvertierte und 1717 auf der Insel von San Lazzaro in Venedig die katholische Kongregation der Mechitaristen begründete. Selbst ein großartiger Sprachforscher, wurde Mechitar mit seinen Mönchen zu einem entscheidenden Faktor in der Erforschung armenischer Sprache und Kultur.
Armenia maritima
Zu einem ersten Zentrum der armenischen Diaspora im Spätmittelalter auf europäischem Boden wurde die Krim, in deren Städten sich Armenier seit dem 11. Jahrhundert nachweisen lassen. Die Krim wurde als Endpunkt der Karawanenrouten durch das Reich der Goldenen Horde zu einer blühenden Handelszone, vor allem, als die Genuesen ab 1267 die Kontrolle über die Häfen im Süden übernahmen. Die Armenier leisteten den Italienern unentbehrliche Dienste als Handelsagenten und Soldaten. Ihre Zahl wuchs durch weitere Zuwanderung aus Armenien selbst und dem Süden Russlands, wohin die Mongolen Armenier verbracht hatten, und betrug im 14. und 15. Jahrhundert mehrere Zehntausend; in einigen westlichen Quellen wurde der Süden der Krim deshalb als Armenia maritima bezeichnet.
Die Krim wurde Mitte des 14. Jahrhunderts als eigenes armenisches Bistum eingerichtet, die Stadt Kaffa allein wies 44 armenische Kirchen und 46.000 Gläubige auf. Die Vertreibung der Genuesen durch die Osmanen und die mit ihnen verbündeten Krimtataren beendete 1475 diese Blütezeit. Viele Armenier emigrierten nach Konstantinopel, Bulgarien oder nach Polen-Litauen. Dennoch existierten weiter armenische Gemeinden auf der Krim, ehe sie Zarin Katharina die Große nach ihrer Unterwerfung der Krim 1774 im Jahr 1778 in die Region von Rostow am Don umsiedelte.
Armenier in Polen und der Rus (Lehastan)
Seit dem 11. Jahrhundert waren Armenier in das Gebiet der russischen Fürstentümer eingewandert. Nach der mongolischen Eroberung 1240 bildete sich ihre Gemeinden in den westlichen Gebieten Galizien, Wolhynien und Podolien (in armenischen Quellen werden diese Gebiete „Lehastan“ genannt), die 1340 von Kasimir III. an das Königreich Polen angegliedert wurden. Kasimir III. gewährte wie den Juden auch den Armeniern das Recht, ihren Glauben zu praktizieren und eigene Gerichte zu erhalten.
Weitere Einwanderungen, vor allem auch von der Krim nach 1475, ließen die armenischen Gemeinschaften in zahlreichen Städten der heutigen Westukraine anwachsen. Ihr Zentrum bildete Leopolis/Lemberg, seit 1364 Sitz eines armenischen Bischofs und wichtigster Gerichtsort der Armenier. Anfang des 17. Jahrhunderts lebten 2500 Armenier in der Stadt. Die führende Schicht waren die reichen Handelsherren, die eine bedeutende Rolle im Handel zwischen Russland, dem Osmanischen Reich und Persien spielten. Die Armenier stellten hervorragende Handwerker und leisteten in der militärischen Verteidigung des Landes dem polnischen Königreich wichtige Dienste. Mehrere tausend Armenier zogen im Heer des Jan III. Sobieski 1683 zum Entsatz der Stadt von den Osmanen nach Wien.
Galizien wurde zu einem Zentrum des frühen armenischen Buchdrucks und der Literatur. Die Jesuiten gründeten im 17. Jahrhundert ein Seminar in Lemberg zur Förderung der armenischen Studien und Literatur. Damit verbunden war aber ein steigender Assimilationsdruck der polnischen weltlichen und kirchlichen Autoritäten auf die Armenier, wie auf alle nichtkatholischen Konfessionen, der zu zahlreichen Konversionen führte. 1596 mussten die Orthodoxen die Union von Brest eingehen, 1689 erkannte der armenische Bischof von Lemberg die Hoheit des Papstes bei Beibehaltung des armenischen Ritus an. Der kirchlichen Union folgte die sprachliche Polonisierung, deshalb und aufgrund der schwindenden wirtschaftlichen und politischen Prosperität des polnisch-litauischen Staates emigrierten viele Armenier nach Russland, Konstantinopel, Persien oder in die Walachei. Das Ende des armenischen Ritus im Osten von Lehastan brachte 1820 nach der Annexion Podoliens im Rahmen der polnischen Teilungen die russische Herrschaft. In Lemberg selbst und Galizien konnte das armenisch-katholische Glaubensleben unter österreichische Herrschaft fortgesetzt werden, das Bistum umfasste 1880 etwa 3000 armenisch-katholische Christen. In begrenztem Umfang überstand diese Gemeinde auch die erneute polnische Herrschaft, den Zweiten Weltkrieg und die Sowjetherrschaft und bestand 1970 noch aus 1500 Mitgliedern. Heute existiert noch eine kleine armenisch-apostolischee Gemeinde mit der im 14. Jahrhundert errichteten Kirche als Zentrum.
Armenier in den Donaufürstentümern
Seit dem 14. Jahrhundert fanden Armenier im Fürstentum Moldau eine Heimat. 1350 errichteten sie eine erste Kirche in Botoșani, 1395 eine zweite in Jassy (Iași). 1401 erlaubte Fürst Alexander der Gute ihnen die Errichtung eines Bistums in Suceava. Während die Gemeinden nach 1475 durch Immigranten von der Krim verstärkte wurden, verringerten sich die Mitgliederzahlen durch osmanische Deportationen, polnische Angriffe und Flucht vor religiöser Verfolgung durch die Fürsten des 16. und 17. Jahrhunderts. Sie hatten bis 1790 Bestand, als etwa 4000 Armenier nach Russland auswanderten.
Nach 1475 immigrierten Armenier vor Allem in die Walachei und bauten 1620 eine erste Kirche in Bukarest. Wie in anderen Regionen spielten sie eine zentrale Rolle im Handel und seit dem 19. Jahrhundert nahmen sie aktiv am intellektuellen, künstlerischen und politischen Leben des entstehenden rumänischen Staates teil.
Die von Stalin in den Jahren 1946 bis 1948 geförderte „Repatriierung“ von Armeniern aus Osteuropa in die Armenische Sowjetrepublik schwächte die Gemeinden. Diese Einwanderung in die ASSR wurde nach der Umsiedlung von 100.000 Armeniern aus der Diaspora wieder gestoppt. Eine weitere Auswanderungswelle erfolgte in den 1950er und 1960er Jahren nach Westeuropa und in den Mittleren Osten. 1956 wurden noch 6.400 Armenier gezählt, 1992 nur mehr 2000 vor allem in Bukarest, Constanța und Tulcea.
In den Ländern der Stephanskrone
Seit dem hohen Mittelalter fanden Armenier ihren Weg nach Siebenbürgen, wo im 14. Jahrhundert sogar ein armenischer Bischof residierte. Im 15. und 16. Jahrhundert flohen Armenier vor allem aus der Moldau über die Karpaten. 1680 gewährte ihnen der Fürst von Siebenbürgen gewisse Privilegien und Handelskonzessionen und 1696 nach der Vertreibung der Osmanen gewährten die neuen habsburgischen Herren Sonderrechte. Die Armenier durften eigene Gerichte unterhalten, vor allem in ihren zwei Hauptsiedlungen Gherla nordöstlich von Klausenburg (Cluj) und Elizabethspol (Dumbrăveni, nordöstlich von Hermannstadt (Sibiu), ihre Gesamtzahl betrug wohl 20 000.
Auch hier wurden sie zum Übertritt zum katholischen Glauben gedrängt und nach der Angliederung Galiziens an Österreich wurde dem armenisch-katholischen Bischof von Lemberg die Jurisdiktion über die Armenier in Siebenbürgen anvertraut. 1848 nahmen einige armenische Gemeinden aktiv an der Revolution Ungarns gegen die Habsburger teil. Drei Generäle armenischer Herkunft waren unter den militärischen Führern der Erhebung, zwei wurden 1849 hingerichtet. Die armenischen Städte mussten daraufhin hohe Zahlungen leisten und verloren ihre Privilegien. Die kirchliche Verwaltung wurde einem nichtarmenischen Bischof unterstellt. So verringerte sich in den folgenden Jahrzehnten ihre Zahl, aber in Siebenbürgen bestehen bis heute armenisch-katholische Gemeinden.
Armenier in Österreich
Armenische Kaufleute bildete ihr Handelsnetz bis Wien und siedelten ab dem 17. Jahrhundert in der Donaumetropole. Von den zahlreichen Armeniern, die im Heer des Polenkönigs Johann III. Sobieski 1683 an der Entsatzschlacht gegen die Osmanen teilnahmen, blieben einige in der Stadt und Kaiser Leopold I.. gewährte ihnen einige Privilegien.
Neue Impulse erhielt das Armeniertum in Wien mit der Ansiedlung einer Kongregation der katholischen Mechitaristen 1810/1811, die sich 1773 vom Mutterkonvent in Venedig abgespaltet hatten. Nach einem Feuer 1835 wurden die Kirche und der Konvent im siebten Wiener Gemeindebezirk neu errichtet. Die Wiener Patres brachten eine Reihe von hervorragenden Linguisten und Historikern hervor, darunter den berühmten Pater Arsen Aydenian (1824–1902), der 1866 eine grundlegende Grammatik des modernen Armenisch herausgab. Der Konvent zog zahlreiche Studenten aus den armenischen Gemeinden Osteuropas und des Nahen Ostens an und unterhielt mit der Zeitschrift Handes Amsorya („Monatliche Rundschau“) ab 1887 ein viel beachtetes Fachorgan, das bis in die 1980er Jahre Bestand hatte und seit kurzem wieder von Armenien aus herausgegeben wird.
Emigranten aus dem Osmanischen Reich verstärkten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Wiener Gemeinde, so dass der Bau einer eigenen Kirche erwogen wurde. 1966 wurde die Armenisch-Apostolische Kirche in den Ökumenischen Rat der Kirchen aufgenommen, seit 1972 gilt sie als gesetzlich anerkannte Gemeinde. Am 21. April 1968 erfolgte die Einweihung der unter dem Patrozinium der armenischen Erzmärtyrerin St. Hripsime (4. Jahrhundert) stehenden Kirche in der Kolonitzgasse 11 im dritten Wiener Gemeindebezirk. Katholikos Vazken I., der selbst der rumänischen Diaspora entstammte, ist das Oberhaupt der armenischen Kirche mit Sitz in Etschmiadsin in Armenien. 1980 errichtete er eine neue Diözese für Mitteleuropa mit Sitz in Wien. Die Armenisch-Apostolische Kirche, deren Gemeinde in Österreich 3000 Seelen zählt, unterhält Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche und den anderen Konfessionen und ist ein besonders aktives Mitglied der Stiftung „Pro Oriente“. Wien wurde deshalb auch zu einem zentralen Ort für die Vorbereitung der Aussöhnung zwischen Rom und den altorientalischen, miaphysitischen Kirchen.
Die international erfolgreiche armenische Opernsängerin Hasmik Papian lebt in Wien. Die in Jerewan geborene Künstlerin tritt regelmäßig an der Wiener Staatsoper auf, ebenso wie an vielen anderen renommierten Opernhäusern in aller Welt wie der Scala in Mailand, der Metropolitan Opera in New York oder der Opéra Bastille in Paris.
Armenier in Frankreich
Für die gregorianischen Armenier in Frankreich errichtete Katholikos Karekin II. Nersissian im Dezember 2006 eine einheitliche Armenische Diözese Frankreich mit der armenischen Kathedrale in Paris als Zentrum und 24 Pfarreien im ganzen Land. Am 22. Juni 2007 wurde Bischof Norvan Zakarian, zuvor Vikarbischof in Lyon, zum ersten Primas der neuen Diözese gewählt und am Folgetag durch das Katholikat in Etschmiadsin bestätigt.
Kategorien:- Armenische Diaspora
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