ORP Wicher (1930)

ORP Wicher (1930)
ORP Wicher
Marynarka Wojenna Rzeczypospolitej Polskiej (Polnische Marine)
ORP Wicher.jpg
Schiffsdaten
Schiffstyp: Zerstörer
Schiffsklasse: Wicher-Klasse
Marine: Polnische Marine
Auftragsvergabe: 2. April 1926
Kiellegung: 19. Februar 1927
Stapellauf: 10. Juli 1928
Indienststellung: 8. Juli 1930
Bauwerft: Chantiers Naval Francais Caen
Heimathafen: Gdynia
Verbleib: Am 3. September 1939 vor Hel versenkt.
Technische Daten
Besatzung:
  • 162 Mann
Verdrängung:
  • Standard: 1.540 ts
  • Maximal: 2.010 ts
Länge:
  • 106,9 m
Breite:
  • 10,5 m
Tiefgang:
  • 3,5 m
Antrieb :
Geschwindigkeit:
Reichweite:
  • 3000 NM (5560 km) bei 15 Kn
Bewaffnung
(nach dem Umbau 1935)
Artillerie:
  • 4 * 130mm Kanone (wz. 19/24) Schneider-Creusot Modell 1924)
Luftabwehr:
Torpedos:
Seeminen:
  • 60 * wz. 08
Wasserbomben:
  • 2 * wz. BH200-Werfer

ORP Wicher[1] war ein Zerstörer der polnischen Marine im Zweiten Weltkrieg. ORP Wicher wurde zwischen 1927 und 1930 in Frankreich gebaut und war das Typschiff der gleichnamigen Wicher-Klasse. Das Kriegsschiff wurde gleich zu Beginn des Krieges am 3. September in der Danziger Bucht von deutschen Flugzeugen versenkt.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Bau

Das Schiff wurde von der Chantiers Naval Francais-Werft in Caen ab 1927 infolge eines Gegengeschäftes gebaut. Die polnische Regierung brauchte einen französischen Kredit, den sie nur erhalten sollte, wenn sie im Gegenzug der Chantiers Naval Francais-Werft einen Rüstungsauftrag erteilt. Deshalb wurden die ursprünglichen Planungen zum Bau von neun U-Booten auf die drei Boote der Wilk-Klasse gekürzt und dafür zwei Zerstörer beauftragt.

Der Bau dauerte vier Jahre, zwei Jahre mehr, als ursprünglich geplant waren. Die Dampfturbinen wurden von Ateliers et Chantiers de la Loire in Saint-Nazaire gebaut, während die Bewaffnung vom Französischen Marine-Arsenal in Cherbourg bereitgestellt wurde. Obwohl der Zerstörer schon am 10. Juli 1928 vom Stapel lief, dauerte es noch zwei Jahre, bis die polnische Marine das Schiff am 8. Juli 1930 im Hafen von Cherbourg unter dem Namen ORP Wicher in Dienst stellte. Der Name bedeutet Starkwind und geht auf die französische Tradition zurück, Kriegsschiffe nach Wetterphänomenen zu benennen. Eine Woche nach Indienststellung erreichte die Wicher ihren Heimathafen Gdynia und war der erste moderne Neubau der jungen polnischen Marine.

Das Schwesterschiff ORP Burza wurde, obzwar im selben Jahr auf Kiel gelegt, erst zwei Jahre später in Dienst gestellt. Die Baukosten für die beiden Zerstörer betrugen 22 Mio. Złoty.

Einsatzgeschichte

Einsatz bis 1939

In den 1930ern diente die Wicher in verschiedenen Rollen, hauptsächlich politischen Zwecken, um die polnische Seemacht zu demonstrieren.

Im März 1932 fuhr ORP Wicher nach Madeira, um Marschall Józef Piłsudski und seine Familie von dort abzuholen. Das war die weiteste Reise des Zerstörers. ORP Wicher wurde am 15. Juni 1932 gemeinsam mit zwei britischen Zerstörern in den Hafen von Danzig entsandt. Die Drohgebärde sollte den polnischen Anspruch auf politischen Einfluss in der vom Völkerbund verwalteten Freien Stadt bekräftigen. Im August desselben Jahres erfolgte eine Visite in Stockholm. 1934 wurden Kopenhagen und Leningrad besucht, 1935 Kiel, Helsinki und Tallinn.

Während der Dienstzeit wurde festgestellt, dass u.A. die Luftabwehrbewaffnung unzureichend ist, weshalb es im Herbst 1935 zu einigen Umbaumaßnahmen und Modernisierungen kam. Es wurden vier schwere 13,2mm-Hotchkiss-Maschinengewehre in zwei Doppellafetten montiert. (→ Bewaffnung der ORP Wicher)

1937 diente ORP Wicher als Schulschiff und besuchte Pärnu, Narva, Wyborg, Turku, Mariehamn, Nexø, Skagen, Assens, Helsingør, Tallinn und Riga.

Als es im März 1939 zur Memel-Krise kam, wurden ORP Wicher und andere Einheiten für eine Woche in Alarmbereitschaft versetzt.

Kampfeinsatz

Kräfteverhältnis zu Beginn des Krieges

     Kriegsmarine Polnische Marine
Schlacht-/Linienschiffe 2 0
Leichte Kreuzer 3 0
Zerstörer 10 1
Minensuchboote 30 6
U-Boote 10 5

Im Laufe des Jahres 1939 wurde entschieden, im Falle eines Krieges mit Deutschland die großen polnischen Überwasser-Einheiten nach Großbritannien zu retten. Dieser als Operation Peking bezeichnete Plan betraf die drei Zerstörer ORP Burza, ORP Błyskawica und ORP Grom, die schon am 29. August ausgelaufen waren und sich nach Großbritannien retten konnten.

Die einzigen größeren Überwassereinheiten, die vor der polnischen Küste verblieben, waren ORP Wicher und der schwere Minenleger ORP Gryf. Zu Kriegsbeginn am 1. September 1939 war die polnische Marine der deutschen Kriegsmarine haushoch unterlegen. (→ Kräfteverhältnis zu Beginn des Krieges) Die Überlegenheit der deutschen Luftwaffe war noch wesentlich erdrückender.

Seegefecht in der Danziger Bucht

Bei Kriegesbeginn war Danzig de facto unter deutscher Kontrolle. Im Osten grenzt die Danziger Bucht an die Frische Nehrung, die großteils zum deutschen Ostpreußen gehörte.
Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit der Beschießung der Westerplatte durch das deutsche Linienschiff Schleswig Holstein.

Am 1. September erhielt ORP Wicher den Auftrag, den schweren Minenleger ORP Gryf und diverse kleinere Einheiten bei der Operation Rurka zu eskortieren. Ziel der Aktion war, die Zugänge zur Danziger Bucht, insbesondere in Richtung des deutschen Flottenstützpunktes Pillau zu verminen. Nachdem ORP Gryf Seeminen von einem Depotschiff übernahm, hielt die kleine Flotte weiter auf den Stützpunkt in Hel zu. Während der Überfahrt wurden sie von 33 Sturzkampfbombern (nachfolgend: Stuka) vom Typ Ju 87 B des Lehrgeschwaders 1 angegriffen. ORP Gryf wurde leicht beschädigt und der Kommandant getötet. Einige Stukas wurden ebenfalls getroffen und leicht beschädigt. Auch ORP Wicher wurde durch indirekte Treffer beschädigt. 18:45 Uhr lief die Flottille im Hafen von Hel ein.

ORP Wicher verließ den Hafen wieder, um in das geplante Operationsgebiet zu laufen, wo sie gegen 22:00 Uhr eintraf. Die Operation Rurka war inzwischen abgebrochen worden, was dem Kommandanten der Wicher, Stefan de Walden, aber nicht bekannt war. Nach dem Eintreffen im Operationsgebiet wurden zwei deutsche Zerstörer gesichtet. Wahrscheinlich handelte es sich um die Z 4 Richard Beitzen und die Z 2 Georg Thiele. Obwohl die Bedingungen für einen Artillerie- oder Torpedoangriff mit einem Abstand von 4500 m ideal waren unterließ de Walden einen Angriff, da seine Befehle dies eindeutig verboten. Er sollte nur angreifen, wenn der Feind die Gryf entdeckt. Die verblieb aber in Hel, und über den Abbruch der Operation, der diese Befehle sinnlos machte, war er nicht informiert worden. Kurze Zeit danach wurde erneut ein deutsches Schiff aufgeklärt und auch diesmal ein Angriff unterlassen. Das Schiff wurde als Kreuzer identifiziert, was aber nicht stimmen kann, da die deutschen Kreuzer sich in anderen Seegebieten aufhielten. Wahrscheinlich war es ebenfalls ein Zerstörer.

Verteidigung von Hel

Am Morgen des 3. September trafen die unter dem Kommando von Konteradmiral Günther Lütjens stehenden deutschen Zerstörer Z 1 Leberecht Maass und Z 9 Wolfgang Zenker vor Hel ein und eröffneten gegen 7:00 Uhr das Feuer. Mit Unterstützung einer Küstenbatterie von vier 152 mm Geschützen antworteten ORP Wicher und ORP Gryf kurz danach. Die Gryf wurde zweimal getroffen, konnte aber der Leberecht Maass schwere Beschädigungen beibringen. Die ebenfalls beschädigte Wolfgang Zenker legte einen Rauchvorhang, und beide Schiffe zogen sich aus dem Kampfgebiet zurück.

Nachdem der Seeangriff zurückgewiesen wurde, griffen später in vier Wellen Stukas an. ORP Wicher erhielt gegen 15:00 Uhr vier Volltreffer von 2*250-Kg und 2*50-Kg-Bomben und sank. Ein Seemann wurde getötet, 22 verwundet. Am selben Tag wurde auch die ORP Gryf von Stukas versenkt.

Verbleib des Wracks

Nach Ende der Kämpfe bargen die Deutschen das Wrack und schleppten es in seichteres Wasser. Einige Quellen behaupten, die Kriegsmarine hätte geplant, das Schiff zu heben und unter dem Namen Seerose in Dienst zu stellen. Nach Kriegsende wurde das Wrack 1946 erneut gehoben und aus dem Hafengebiet entfernt. Bis 1955 diente es als Übungsziel für Luftangriffe und wurde 1963 teilweise verschrottet. Über 25% des Rumpfes sind bis heute erhalten. Die heutige Position des Wracks ist 54° 36′ N, 18° 46′ O54.618.766666666667.

Siehe auch

  • ORP Wicher (weitere polnische Schiffe mit dem Namen ORP Wicher)

Weblinks

Literatur

  • M. J. Whitley: Zerstörer im Zweiten Weltkrieg, Motorbuchverlag, Stuttgart, 2. Auflage 1997, ISBN 3-613-01426-2

Erläuterungen

  1. ORP ist die Abkürzung für Okręt Rzeczypospolitej Polskiej (Kriegsschiff der Republik Polen) und der Namenspräfix polnischer Schiffe

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