Projekt 671

Projekt 671
Daten
Herkunftsland UdSSR
Typ atomgetriebener Mehrzweck-U-Kreuzer (Angriffs-U-Boot)
Erste Einheit fertiggestellt 1967
Bauwerft Admiralitätswerft 196 (Leningrad)
Technische Daten
Länge 92,50 m
Breite 10,60 m
Tiefgang 7,10 m
Druckkörper Zweihüllenboot
Verdrängung (aufgetaucht) 4250 t
Verdrängung (getaucht) 6085 t
Geschwindigkeit

(über Wasser)

11,5 kn
Geschwindigkeit

(unter Wasser)

maximal 33,5 kn
Max. Tauchtiefe 350-400 m
Besatzung 76 Mann
Antrieb 2 Druckwasserreaktoren (Typ OK-300) mit je 72 MWt Leistung;
1 Dampfturbine mit 30 MW Leistung
eine 5-flügelige Schraube

2 elektrische Schleichfahrtmotoren mit je 275 PS Leistung;
je eine 2-flügelige Schraube

Sensoren MGK-300 Rubin (aktives/passives Sonar)
MRK-50 Topol Radar (Oberfläche)
MG-29 Chost (Hydrophon)
MG-14 (passives Sonar)
MG-24 Luch (Minenwarngerät)
Nichrom-M IFF (Freund-Feind-Erkennung)
Schaliw-P (ESM/ECM)
Sehrohre Angriffs- und Beobachtungsperiskop
Funkmast
Radarmast
Radarwarnmast (ESM)
Bewaffnung 6 Torpedorohre 533 mm mit 18 Torpedos
SS-N-15 Starfish nur auf Projekt 671В
18 Torpedos
bis zu 36 Minen

Als Victor-I-Klasse bezeichnete die NATO während des Kalten Krieges die sowjetischen Atom-U-Boote der Baureihe Projekt 671 Ёрш , (russisch für Barsch), ein nuklearbetriebenes Jagd-U-Boot (SSN), das von der sowjetischen Marine zum ersten Mal im Jahre 1967 in Betrieb genommen wurde.


Inhaltsverzeichnis

Entwicklung und Bau

Als sich in der UdSSR die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass man ein spezielles, nukleargetriebenes Jagd-U-Boot entwickeln müsse, wurde 1958 mit den Planungen für ein solches U-Boot begonnen. Zunächst lautete die Vorgabe ein Boot mit 2000 Tonnen Wasserverdrängung und einer maximalen Tauchtiefe von nicht weniger als 300m zu entwickeln. Man entschied sich für ein Hauptantriebssystem das aus 2 Druckwasserreaktoren vom Typ OK-300 und nur einem Propeller bestand. Die Reaktoren lieferten einem U-Boot für ca. 8 Jahre Energie bevor sie ausgewechselt werden mussten. Zum Aufladen der Batterien standen außerdem zwei Dieselgeneratoren mit je 200 kW zur Verfügung. Als Reserve- oder Notfallantrieb fungierten zwei Elektromotoren mit je 275 PS Leistung, die zwei kleine Propeller, die parallel zur Schraube des Hauptantriebs angeordnet waren, betreiben konnten. Die Victor Klasse war als Doppelhüllenboot konstruiert und für ihre Rumpfform wählte man eine Form die einem Wassertropfen nahe kam um möglichst wenig Widerstand unter Wasser zu erzeugen.

Die Bewaffnung sollte nicht nur gegen gegnerische U-Boote, sondern auch gegen große Überwasserschiffe und Küstenziele wirksam sein und so wurden neben konventionellen 533mm Torpedos drei Boote auch für den Einsatz sogenannter Raketen mit Nuklearsprengköpfen vom Typ "Вьюга" (russisch für Schneesturm) ausgerüstet. Die so modifizierten Boote erhielten die Bezeichnung Projekt 671В.[1]


Nachdem das erste Boot der Klasse, K-38, 1967 in Dienst gestellt wurde, liefen bis 1974 noch 14 weitere Boote vom Stapel. Sie alle waren ihren amerikanischen Gegenstücken zunächst an Geschwindigkeit und Bewaffnung deutlich überlegen, waren, wegen ihrer enormen Lärmentwicklung und den besseren Sonarsensoren der Amerikaner, jedoch leicht zu orten. Das war den Planern der sowjetischen Marine jedoch noch nicht klar.

Alle Boote wurden in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts außer Dienst gestellt und werden mittlerweile, teils durch die G8 Staaten finanziert, abgewrackt.[2] Die Boote werden dabei in drei Sektionen zerlegt. Während Bug- und Hecksektion verschrottet werden können, muss die Reaktorsektion noch Jahre sicher gelagert werden, bevor ihre Zerlegung beginnen kann.[3]


Projekt 671 und 671В (NATO: Victor I)
takt. Nummer Bauwerft Projekt Kiellegung In Dienst seit außer Dienst gestellt Anmerkungen
K-038 Admiralitätswerft 196 671 12.04.1963 05.11.1967 1992 -
K-369 Admiralitätswerft 196 671 12.04.1963 05.11.1967 1994 zunächst “K-69” [4]
K-147 Admiralitätswerft 196 671 16.09.1964 25.12.1968 1995 ab 1991 B-147[5]
K-053 Admiralitätswerft 196 671 16.12.1964 30.09.1969 1994 ab 1991 B-53[5]
K-306 Admiralitätswerft 196 671 20.03.1968 04.12.1969 1995 -
K-323 Admiralitätswerft 196 671 05.07.1968 29.10.1970 1995 trug den Zusatznamen “50 ЛЕТ СССР” (50 Jahre UdSSR), ab 1991 B-323[5]
K-370 Admiralitätswerft 196 671 19.04.1969 04.12.1970 1994 ab 1991 B-370[5]
K-438 Admiralitätswerft 196 671 13.06.1969 15.10.1971 1995 ab 1991 B-438 [5]
K-367 Admiralitätswerft 196 671 14.04.1970 05.12.1971 1995 ab 1991 B-367[5]
K-314 Admiralitätswerft 196 _671B 05.09.1970 06.11.1972 1989 -
K-398 Admiralitätswerft 196 671 22.04.1971 15.12.1972 1995 ab 1991 B-398[5]
K-454 Admiralitätswerft 196 _671B 16.08.1972 30.09.1973 1995 ab 1991 B-454[5]
K-462 Admiralitätswerft 196 671 03.07.1972 30.12.1973 1996 ab 1991 B-462[5]-
K-469 Admiralitätswerft 196 _671B 05.09.1973 30.09.1974 1996 ab 1991 B-469[5]
K-481 Admiralitätswerft 196 671 27.09.1973 01.08.1977 1993 ab 1991 B-481[5]-

Einsätze

Die Boote der Victor I Klasse wurden neben den Gewässern um den Nordpol auch im Atlantik, Mittelmeer, im Pazifischen und im Indischen Ozean eingesetzt um Flottenaktivitäten des Westens auszukundschaften.

1974 startete zwei Boote der Nordmeerflotte, darunter K-469, eine Reise von 107 Tagen durch den Atlantik um das Kap der Guten Hoffnung durch den Indischen in den Pazifischen Ozean. Nach einem Zwischenstop in Somalia und Manövern im Indischen Ozean marschierten die aufgetauchten Schiffe in Richtung der Straße von Malakka. Auf dem Weg zu der Meerenge wurden sie von einem amerikanischen Lockheed P-3 Aufklärungsflugzeug entdeckt und verfolgt. In der Meerenge gesellten sich dann noch mehrere amerikanische Hubschrauber zu den Verfolgern. Da die sowjetischen U-Boote für kalte Gewässer ausgelegt waren, versagten in den warmen Regionen die Klimaanlagen. Auf dem Victor I erreichte die Temperatur im Boot 70°C , die relative Luftfeuchtigkeit 90% und in den überlasteten Systemen brach ein Feuer aus. Es gelang der Besatzung jedoch das Feuer zu löschen und den Zielhafen zu erreichen.[6] K-469 legte 1976 in 80 Tagen 21.754 Seemeilen zurück ohne aufzutauchen.[1]

In der Nacht des 18. September 1984 befand sich K-53 in der Straße von Gibraltar . Nach einem Kommunikationsstop in geringer Tiefe übergab der Kommandant das Kommando an einen Offizier und verließ die Zentrale. Als er zurückkam hatte sein Stellvertreter etwa 50 Minuten lang verschiedene Ausweichmanöver fahren lassen und man war sich über die aktuelle Position im Unklaren. Deshalb versuchte der Kommandant nahe der Oberfläche durch das Periskop die Position festzustellen. Als die Meldung über Geräusche eines sich nähernden Überwasserkontaktes in 260° den Kommandanten erreichte, gelang es nicht mehr auszuweichen und der sowjetische Frachter "Бра́тства" (russisch für "Bruderschaft") rammte das U-Boot im Bugbereich. Das Hauptsonar und einige Torpedorohre wurden zerstört. Es gelang jedoch K-53 zu einem sowjetischen Marinestützpunkt in Tunesien und später in die Sowjetunion zu bringen.[6][7][8]

K-314 versucht nach der Kollision mit der Kitty Hawk zu tauchen


K-314 beschattete im März 1984 nahe der Koreastraße einen amerikanischen Flottenverband um den Flugzeugträger Kitty Hawk. Beim Versuch auf Seerohrtiefe Beobachtungen durchzuführen, geriet das U-Boot unter den 81.000 Tonnen schweren Flugzeugträger, kam aus der Trimmung und rammte mit seinem Heck gegen die Unterseite des Trägers, schrammte 40m daran entlang bevor es freikam. K-314 verlor dabei einen ihrer Propeller und musste auftauchen. Sie musste später in den Heimathafen eingeschleppt werden. Über Schäden an der "Kitty Hawk" liegen widersprüchliche Angaben vor.[9] [10] Nach Reparaturen war K-314 zunächst wieder auf Patrouille unterwegs, bevor das Boot 1985 zur Bestückung der Reaktoren mit neuen Brennstäben in die Werft bei Wladiwostok ging. Durch Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften zum Umgang mit Nuklearmaterial kam es am 10. August 1985 zu einer spontanen Kettenreaktion im Reaktor auf der Backbordseite mit einer anschließenden Explosion. Eine 5km lange Wolke radioaktiver Teilchen bildete sich über dem Boot. [11] 10 Menschen kamen ums Leben. 29 Personen wurden relativ stark verstrahlt.

Geräuschentwicklung

Eine der entscheidenden Eigenschaften für ein militärisches U-Boot ist dessen Geräuschentwicklung. Jede Unregelmäßigkeit an der Außenhülle kann Wasserverwirbelungen bilden, jede Geräuschquelle im Inneren des Bootes, verursacht durch Maschinen oder Arbeitslärm, kann sich über den Bootskörper als Vibration ins Wasser übertragen, so dass das Boot noch in großer Entfernung zu hören sein kann. Wie weit diese Geräusche zu hören sind, hängt auch von Faktoren wie Salzgehalt des Wassers, Tiefe des U-Bootes und Wassertemperatur ab. Über die Victor-I-Klasse liegen zur Geräuschentwicklung einige Angaben vor, die sich jedoch nicht unabhängig bestätigen lassen.

  • Nach amerikanischen Angaben, gelang es der Sosus Überwachung bereits 1968 erstmals ein Victor-I Klasse U-Boot zu orten.[12]
  • Nach russischen Angaben gelang es K-147 1985 während der Operation „Апорт“, das amerikanische U-Boot Simon Bolivar 6 Tage lang unentdeckt zu verfolgen.[13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b [1] submarine.id.ru 671, gesichtet 14.11.2008
  2. [www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Weltwirtschaftsgipfel/2005/wwg-2005-jahresbericht-der-globalen-partnerschaft-der-g8,property%3Dpdf] PDF Jahresbericht G8, 06.2005, gesichtet am 14.11.2008
  3. [2] ria.ru, Russia set to dismantle 5 nuclear submarines by 2010, Englisch, gesichtet 14.11.2008
  4. http://www.atrinaflot.narod.ru/1_submarines/03_pla_671/0_671_1.htm]atrinaflot.ru, gesichtet am 14.11.2008
  5. a b c d e f g h i j k [3]Deepstorm.ru Klassenübersicht, gesichtet 14.11.2008
  6. a b [4]bsu.by, gesichtet am 14. November 2008
  7. [5] deepstorm.ru, K-53, gesichtet 14.11.2008
  8. [6]Столкновение атомной подводной лодки "К-53", Russisch, gesichtet am 19. November 2008
  9. http://redbannernorthernfleet.blogspot.com/2008/05/soviet-submarine-disaster-of-day_27.html
  10. [7] Geschichte der Kittyhawk bei navy.mil, gesichtet 14. November 2008
  11. [8] Bellona.org, gesichtet am 14. November 2008
  12. [9] navy.mil, Sosus , Operational Experience, gesichtet 14.11.2008
  13. [10] rustana.ru, gesichtet am 15.11.2008

Weblinks

Literatur

  • Alexander Antonow, Walerie Marinin, Nikolai Walujew: Sowjetisch-russische Atom-U-Boote. Berlin 1998

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