Schloss Wissen

Schloss Wissen
Schloss Wissen, von links nach rechts: Haupthaus, Kapelle und Vorburg

Das Schloss Wissen ist ein Wasserschloss südlich von Weeze im Kreis Kleve. Seit 500 Jahren ist es der Stammsitz der Familie von Loë und einer der bedeutendsten Adelssitze am Niederrhein.

Im 14 Jahrhundert als Wohnturm erbaut, wurde das Schloss im Laufe seiner Geschichte mehrfach im Geschmack der jeweiligen Zeit umgebaut. Nach einem ersten Umbau während des 16 Jahrhunderts in Stil der Niederländischen Renaissance folgte während des Barocks eine zweite Neugestaltung. Zwischen 1876 und 1886 ließ der damalige Schlossherr die gesamte Anlage dann unter Leitung von Vincenz Statz neugotisch verändern und erweitern. Die letzte bauliche Umgestaltung fand in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren statt, als die stark beschädigten und überalterten Gebäude saniert und innen modernisiert wurden.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die von Gräften umgebene Schlossanlage besteht aus einer Vorburg, einer Kernburg sowie einer Mühle und einem großen Park mitsamt einer Orangerie.[1]

Vorburg

Ostflügel der Vorburg mit dem Schlossportal und seiner Bogenbrücke

Die dreiflügelige Vorburg des Schlosses geht in ihrem Kern auf das 14. Jahrhundert zurück. Davon künden heute noch die gotische Nord- und Westfassade des Gebäudekomplexes. Über ihre steinerne Bogenbrücke im Osten kann der Innenhof betreten werden. Sowohl Nord- als auch Westflügel der aus Backstein errichteten Vorburg besitzen in Dreiviertelhöhe einen vorkragenden Spitzbogenfries. Im obersten Stockwerk des nördlichen Flügels verläuft ein gedeckter Wehrgang mit Schießscharten und zeugt somit noch von der Wehrhaftigkeit der einstigen Burg. In der Mitte des Westflügels ist noch deutlich das alte Burgtor erkennbar, dass bereits vor dem 16. Jahrhundert an seine heutige Position im Osten verlegt wurde. An beiden Seiten des zugemauerten Spitzbogenportals befinden sich zwei erkerartige, halbrunde Türmchen, die auf spitzbogigen Pendentifs ruhen.

Mit dem sogenannten Dicken Turm besitzt die Wissener Vorburg an ihrer Nordwestecke einen der ältesten Teile der gesamten Burganlage. Allerdings ist der runde Wehrturm mit einer lichten Weite von 4,60 Metern und seinem geschweiften Kegeldach das Ergebnis einer Rekonstruktion des 19. Jahrhunderts.

Die Vorburg beherbergte frühe Pferdeställe, ein Getreidelager und Remisen für die Kutschen. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde sie auch als Viehstall genutzt.

Kernburg

Im Kernburgbereich befinden sich zwei Gebäude: Das herrschaftliche Haupthaus und eine Schlosskapelle.

Haupthaus

Das schlichte, zweiflügelige Haupthaus im Stil des Barocks besitzt Mauerwerk aus Backstein. Die älteste Bausubstanz findet sich in seinem Südflügel, der zum Teil Mauerstärken von zwei Meter Dicke aufweist. Der Trakt misst etwa 23 mal 11 Meter[2] und ist durch eine Zwischenwand in zwei ungleich große Räume unterteilt.

Die Schlosskapelle
Altar der durch Eduard von Steinle ausgestalteten Schlosskapelle

Schlosskapelle

Die Kapelle im Stil der Neugotik besitzt ein Gewölbe, das von Marmorsäulen aus französischem Kalkstein getragen wird. Sie ist Maria, der Mutter Gottes, geweiht. Die kostbaren Glasfenster des Baus stammen aus Birmingham. Sie zeigen im Westen Jesus am Kreuz und Maria Verkündigung sowie im Osten Maria nach der Vision der geheimen Offenbarung.

Die Darstellungen am Altar unten zeigen die auf das Opfer Christi vorausdeutenden Opfer des alten Bundes: Abraham, der seinen Sohn opfern wollte, sowie Melchisedech, der Brot und Wein opferte. Auf den Tabernakeltüren sind Engel abgebildet, die in Emaillearbeit gefertigt wurden. Darüber ist der auferstandene Jesus zu sehen, an seinen beiden Seiten die zwölf Apostel.

Das große Ölgemälde auf Kupfer zeigt die Namenspatrone des heutigen Schlossherrn und seiner Kinder. In der Rundung oben: Maria mit dem Jesuskind.

Geschichte

Bewohner und Besitzer

Lange Zeit galt 1372 als das Datum der ersten urkundlichen Erwähnung Schloss Wissens, denn in jenem Jahr stellte Graf Adolf von Kleve einen Schutzbrief für das Kirchspiel Weeze und das Haus des Heinrick van der Straeten zu Wissen aus. Doch ein neuerer Archivalienfund erwähnt das Schloss bereits im Jahre 1316.

Die aus Flandern stammende Familie von der Straeten hatte Wissen als Lehen des Xantener Viktorstiftes erhalten und zu seinem Stammsitz erkoren.

Bereits für 1401 ist eine Kapelle in der damaligen Burganlage bezeugt, denn in jenem Jahr weihte der Kölner Weihbischof Konrad von Köln – Bischof von Venecompone – den dortigen Altar.

Um 1440 starb mit Johann von der Straeten der letzte männliche Vertreter der Familie aus, und seine Tochter Anna verkaufte Schloss Wissen 1461 für 9450 Oberländische Rheinische Gulden an Johann van den Loe. Dieser erwarb die Anlage als Hochzeitsgeschenk für seinen Sohn Wessel und dessen Braut Lyssbeth von Beerenbrock.

Herzog Johann II. von Kleve erhob Wissen 1497 als Dank für die treuen Dienste des Wessel van den Loe zu einer eigenständigen Herrschaft. Die damit einhergehende Gerichtsbarkeit dokumentiert heute noch das Verlies im Dicken Turm der Vorburg.

Die Familie van der Loe wurde 1629 unter dem Familienoberhaupt Degenhardt Bertram in den Freiherrenstand und 1808 unter Edmund Freiherr von Loë sogar in den Reichsgrafenstand erhoben. Ihre Nachkommen sind heute noch im Besitz des Schlosses und nutzen es als Wohnsitz.

Baugeschichte

In der Urkunde von 1372 wird neben der Kernburg auch eine Vorburg genannt, was auf die damalige stattliche Größe der Anlage hindeutet und den Schluss zulässt, dass deren Ursprünge bereits wesentlich älter sein könnten. Vermutet wird, dass sich Schloss Wissen aus einer Turmhügelburg entwickelt hat. Darauf deutet das dicke Mauerwerk des heutigen Haupthauses hin, das wahrscheinlich aus einem dreigeschossigen, hausartigen Wohnturm gewachsen ist. Als Zeuge des 14. Jahrhunderts können zwei Fassaden der Vorburg und der Sockel des Dicken Turmes angesehen werden.

Ansicht des Schlosses von Jan de Beijer, 1643

Die Schlossanlage erfuhr im Laufe der Jahrhunderte vier grundlegende Um- und Ausbauten, jeder dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend.

Im 15. Jahrhundert erfuhr das Haupthaus eine Erweiterung zu einer Vierflügelanlage, die Franz van den Loe um 1550 nach seiner Hochzeit mit Sophia von Nesselrode im Stil der frühen, niederländischen Renaissance umbauen und deren Äußeres durch zahlreiche Treppengiebel und Erkertürmchen umgestalten ließ.

Nachdem hessische Truppen das Schloss im Dreißigjährigen Krieg unter Hauptmann Feldtfenger 1641 geplündert hatten, wurde in der Zeit um 1740 die ehemalige hölzerne Zugbrücke durch eine steinerne Bogenbrücke ersetzt, die zum heutigen Torbau führt.

Um 1770 wurde die Anlage zu einem schlichten, barocken Landschloss nach französischem Vorbild umgebaut. Bauherren waren Franz Karl von Loë und seine Frau Alexandrine, geborene Gräfin von Horrion. Dabei wurden sämtliche architektonischen Elemente des 16. Jahrhunderts entfernt, und das Mauerwerk aus Backstein erhielt einen weißen Verputz. Darüber hinaus wurden die Bauten mit einem Mansarddach versehen, und ein Großteil der heute noch erhaltenen Parkanlagen angelegt. Während dieser Arbeiten wurde auch der Dicke Turm der Vorburg bis auf eine Höhe von etwa zwölf Metern abgetragen.

Unter Graf Max von Loë und seiner Frau Therese, geborene Gräfin von Arco-Zinneberg, erfolgte eine Rückführung der Architektur zum Vorbild des Mittelalters. In den Jahren 1876 bis 1886 wurde unter Leitung des Kölner Baumeisters Vincenz von Statz ein Umbau des Schlosses im Stil der Neugotik vorgenommen: Der weiße Putz wurde entfernt und die Gebäude mit einem neuen Satteldach versehen. Auch baute man den Dicken Turm nach alten Zeichnungen wieder auf. Während der Umgestaltung der Schlossanlage wurde auch eine neugotische Kapelle errichtet. Mit der malerischen Ausgestaltung wurde Eduard von Steinle, der mit Statz befreundet war, beauftragt. Steinle gilt als der letzte Vertreter der Nazarener Schule. Im Gegensatz zur vorherigen Hauskapelle, die fortan als Sakristei diente, stand diese neue Kapelle auch der Bevölkerung aus der Umgegend zur Verfügung.

Im Schlosspark

Im 19. Jahrhundert erfuhr der Schlosspark eine Erweiterung zu seiner heutigen Größe. Seine jetzige Form verdankt das Schloss Wissen einer Sanierung in den Jahren 1969 bis 1973. Zwar waren die Gebäude während des Zweiten Weltkriegs nicht durch direkten Bombentreffer zerstört worden, doch hatten Bomben- und Granatsplitter die Dächer der Anlage arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Folge waren starke Wasserschäden in den oberen Etagen. Hinzu kamen Wasser- und Mauerschäden in den unteren Stockwerken und eine allgemeine Überalterung der Bausubstanz. Darüber hinaus war die Balkenauflage der Decken größtenteils verfault. Das Fehlen jeglicher moderner Installationen war ein weiterer Grund, weswegen die Schlossgebäude seit 1957 nicht mehr bewohnt waren. Eine Sanierung war mithin unumgänglich. In ihrem Zuge wurden die Kriegsschäden beseitigt, Wasser- und Elektroinstallationen vorgenommen und damit begonnen, die drei historischen Säle des Schlosses zu restaurieren. Während des Umbaus mussten der Ostflügel bis auf die Reste der Wehrmauer, der nördliche Querflügel, das so genannte Nierskabinett – ein Erker an der Südostseite – und die Gartenterrasse entfernt werden. Außerdem wurden die neugotischen Architekturzutaten rückgebaut und das Haupthaus um ein niedriges Geschoss aufgestockt.

Heutige Nutzung

Heute dient das Schloss nicht nur als Wohnung der Besitzer, sondern beherbergt auch einen Forst- und Gutsbetrieb. In der Vorburg befinden sich – neben weiteren Wohnungen – Ateliers und Werkstätten.

Obwohl sich Schloss Wissen in Privatbesitz befindet, ist der Innenhof für Besucher frei zugänglich. Es wird von Seiten der Schlossherren jedoch um Rücksichtnahme auf die Privatsphäre der Bewohner gebeten.

In der Remise und den ehemaligen Gesindehäusern, der sogenannten „Boje“ (Buje gesprochen), wurden einige Hotelzimmer und Appartements eingerichtet, die von Übernachtungsgästen gemietet werden können.

Literatur

  • Paul Clemen (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler des Kreises Geldern (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Band 1, Abteilung 2). L. Schwann, Düsseldorf 1891, Seiten 103–117 (online).
  • Ferdinand G. B. Fischer: Ausflugsziele am Niederrhein. Schöne Burgen, Schlösser und Motten. Verlag Peter Pomp, Bottrop 2000, ISBN 3-89355-152-2, Seite 116–119.
  • Harald Herzog: Rheinische Schloßbauten im 19. Jahrhundert. Bonn 1981, ISBN 3-7927-0585-0, Seite 54–55.
  • Dieter Kastner (Bearb.): Die Urkunden des Gräflich von Loeschen Archivs von Schloss Wissen. Regesten. Pulheim 2004–2005 (Inventare nichtstaatlicher Archive 42 f), ISSN 0535-5079.
  • Gregor Spor: Wie schön, hier zu verträumen. Schlösser am Niederrhein. Verlag Peter Pomp, Bottrop, Essen 2001, ISBN 3-89355-228-6, Seite 154–155.
  • Andre Wemmers, Jens Wroblewski: Theiss-Burgenführer Niederrhein. Konrad Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1612-6, S. 150–151. 

Weblinks

 Commons: Schloss Wissen – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert Janke, Harals Herzog: Burgen und Schlösser im Rheinland. Greven Köln 2005, ISBN 3-7743-0368-1, Seite 148.
  2. A. Wemmers, J. Wroblewski: Theiss-Burgenführer Niederrhein, Seite 150.
51.6144444444446.2216666666667

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