- Spin-Doctor
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Spin-Doctor ist eine aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für einen Medien-, Image- oder politischen Berater und Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit. Die Bezeichnung wird von den Massenmedien besonders im Bereich der Politik benutzt und hat einen abwertenden Unterton, da sie andeutet, dass die als „Spin-Doctor“ bezeichnete Person Ereignisse „mit dem richtigen Dreh (engl. spin) versieht“, indem sie für eine zwar nicht direkt wahrheitswidrige, aber doch subtil manipulierte Darstellung in den Medien sorgt. Im Englischen wird neben "spin doctor" häufig auch der Ausdruck "spinmeister" verwendet.
Im Unterschied zu politischen Propagandisten geht es einem Spin-Doctor nicht um die Vermittlung einer bestimmten Ideologie, sondern darum, seinen Auftraggeber, dessen Politik oder andere Personen oder Ereignisse in einem möglichst positiven bzw. negativen Licht darzustellen und in jeder Situation die bestmögliche öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er arbeitet mit Bildern, Inszenierungen (zum Beispiel Fototerminen, Events für die Kameras der Presse) sowie mit PR und nutzt die Medien für seine Ziele, zum Beispiel über Agenda-Setting). Dabei bleibt er meist im Hintergrund und taucht selten selbst in Medien auf.
Seine Tätigkeit kann Politik inszenieren ("Inszenierungspolitik")[1], zu einer "Theatralität der Politik" führen[2] und dazu beitragen, dass die Personifizierung von politischen Inhalten mit Personen zunimmt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichtliche Entwicklung
Erstmals verwendete Saul Bellow den Begriff Spin Doctors 1977 in einer Vorlesung. Einzug in die Medien fand er am 21. Oktober 1984 durch einen Leitartikel des Journalisten William Safire (New York Times), der ein Fernsehduell zwischen dem Präsidentschaftskandidaten Walter Mondale und dem Amtsinhaber Ronald Reagan analysierte. Dabei wurden die Wahlkampfberater als Spin-Doctors bezeichnet, weil sie hinter der Bühne im spin alley versuchten, den Journalisten eine positive Interpretation ihres jeweiligen Kandidaten zu vermitteln.
Entwicklung:
- 1920 – Edward Bernays untersucht massenpsychologische Erscheinungen und entwickelt Methoden, die heute als Public Relations bekannt sind.
- Ab Mitte der 1960er - Josef von Ferenczy berät neben dem Vorstandsvorsitzenden der deutschen BP Hellmuth Buddenberg und der Geschäftsleitung der AEG Politiker unterschiedlichster Parteien, unter ihnen Hans-Dietrich Genscher, Theo Waigel, Peter Glotz, Willy Brandt und Helmut Haussmann, sowie den Flickkonzern.[3][4]
- 1960 Joe Napolitan nutzt die Verbreitung des Fernsehens für das Polit-Marketing und inszeniert das erste Fernsehduell (auch TV-Duell genannt). Dies ist entscheidend für den Wahlsieg seines "Kunden" John F. Kennedy gegen Richard Nixon.
- 1964 Tony Schwartz erstellt den Negativ-Werbespot „Daisy“, der gegen den Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater gerichtet war, obschon er im Spot selber nicht namentlich erwähnt wurde. Dieser weit verbreitete Werbespot hilft Lyndon B. Johnson zum Wahlsieg.
- 1977 John Gormann und Pat Cadell verhelfen Jimmy Carter ins Weiße Haus.
- Ab 1980 – Der Einfluss der Spin-Doktoren vergrößert sich enorm: Jean-Luc Aubert unterstützt François Mitterrand, Lord Bell berät Jacques Chirac, Tim Bell erfindet New Labour und bringt Tony Blair an die Macht, Gerhard Schröder wird im Wahlkampf 1998 von Bodo Hombach beraten. Die russischen Spin-Doktoren verhelfen Boris Jelzin trotz Herzinfarkt mitten im Wahlkampf dank Tricks, Manipulationen und Falschinformationen in den Kreml.
- 1996 – Das Kommunikationsmanagment durch Joe Lockhart, Dick Morris und George Stephanopoulos im Wahlkampf von Bill Clinton.
- 1997 Joe Lockhart, Abteilungsleiter Kommunikation im Weißen Haus von 1997–2000, nutzt unter Bill Clinton die Revolution der Informationstechnik und funktioniert die Regierung in eine Nachrichtenagentur um. Nun werden die Nachrichten-Themen von der Regierung bestimmt. Es wird aus Regierungssicht wichtig ein Thema zu „besetzen“ und darüber zu bestimmen, wie über einen Sachverhalt gedacht wird und wie er zu interpretieren ist. Beim sogenannten Perzeptionsmanagement kommt es auf Wahrnehmungen und Wertungen an.
- 1997 – Peter Mandelson und Alastair Campbell entwickeln Konzeptionen aus dem „War Room“, eigentlich Kommandozentrale der britischen Kriegsführung (hier die Wahlkampfzentrale, betitelt durch „New Labour“), um Tony Blair bei seinem Wahlkampf zu unterstützen. Alastair Campbell ließ sich beispielsweise tagelang von der BBC bei der Arbeit filmen
- 1998 – Im Bundestagswahlkampf richtet die Presse ihre Aufmerksamkeit auf die „Kampa“, welche das Steuerungszentrum der SPD darstellte. Uwe-Karsten Heye, Bodo Hombach, Matthias Machnig und Franz Müntefering rücken dabei in den Mittelpunkt. Schlagzeilen lauteten „Die Spin-Doctors machen die Politik zur Show“. Die Dramaturgen wurden hier vor allem bei der SPD ausgemacht und es wurde von einer Veramerikanisierung der deutschen Politik gesprochen.
- 1999 Jamie Shea, Nato-Sprecher, kommentiert den Kosovokrieg mit Hilfe von Spin-Doktoren.
- 2002 – Im Bundestagswahlkampf wird der politische Aschermittwoch der CSU zu einem inszenierten Medienspektakel. Alkohol wurde erst kurz vor Beginn ausgeschenkt, damit keine angetrunkenen Menschen das Medien-Image Edmund Stoibers hätten zerstören können. Angeblich war in dem Bierkrug, aus dem Stoiber an diesem Tag demonstrativ vor der Kamera trank nur Kamillentee.
- 2003 Charlie Black, Berater von George W. Bush, betreut das PR-Projekt Irakische Exilregierung. Die Rechtfertigung des Irakkrieges mit der angeblichen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen ist ebenfalls ein Spin (siehe dazu Downing street memo).
- 2007 Clarence Mitchell, war Direktor des MMU, einer Regierungsbehörde, die für das britische Außenministerium PR betreibt. Seit Mai 2007 war er im Auftrag der Regierung PR-Berater von Kate und Gerry McCann im Fall der verschwundenen Madeleine McCann.[5] Am 18. September 2007 hat er das Amt aufgegeben, um die Medienkampagne für Kate und Gerry McCann als Privatperson fortführen zu können.
Bekannte Spin-Doctors
Edward Bernays, ein Neffe Sigmund Freuds, gilt als erster amerikanischer Spin-Doctor.
Besonders bekannt wurde der Titel unter anderem als Bezeichnung für Alastair Campbell, den langjährigen PR-Verantwortlichen von Tony Blair, und Karl Rove, den republikanischen Parteistrategen und Präsidentenberater, der George W. Bush erst in Texas und später als Präsident durch seinen Wahlkampf zur Macht verhalf. Bush nannte Rove in seiner Rede nach dem Wahlsieg 2004 den Architekten seines Sieges.
Klaus-Peter Schmidt-Deguelle wurde bekannt, als er von 1999 bis 2000 den Bundesarbeitsminister Walter Riester und das Bundeskanzleramt sowie von 1999 bis 2005 das Bundesfinanzministerium unter Hans Eichel beriet.[6]
Im Bundestagswahlkampf 2002 ist Michael Spreng als Berater Edmund Stoibers angeheuert worden, Matthias Machnig für die SPD.[7]
Beobachter sahen im deutschen Bundestagswahlkampf 2005 Kajo Wasserhövel in der SPD und Willi Hausmann in der CDU als die jeweiligen Spin-Doctors an, offiziell traten sie als Wahlkampfmanager auf.
Für Barack Obama übt in erster Linie David Axelrod die Funktion des Spin-Doctors aus.
In der medialen Auseinandersetzung zwischen der Schauspielerin Uschi Glas und der Stiftung Warentest wegen der Wertung „mangelhaft“ für ihre Creme agierte Marcus Johst als Spin-Doctor auf Seiten der Schauspielerin.[8]
Die Tätigkeit des Spin-Doctor wird in Filmen wie bspw. Wag the Dog oder Thank You for Smoking und den Serien Chaos City oder The Thick Of It satirisch dargestellt.
Beispiele politischer Public Relation
Public Relation (PR)-Agenturen im politischen Bereich sind in den USA zum Beispiel die Agentur Hill and Knowlton, die eine Falschaussage mit der Kuwaiterin Nayirah al-Sabah vor dem US-Kongress über angebliche irakische Gräueltaten während der irakischen Kuwait-Invasion inszenierte und damit erfolgreich Stimmung für den Zweiten Golfkrieg machte.[9]
In Deutschland agierende Agenturen sind unter anderem Edelman Public Relations, Weber Shandwick Deutschland oder Johanssen + Kretschmer. Ziel ist hier zum Beispiel, eine bestimmte Politik gut zu „verkaufen“, also als positiv und wünschenswert darzustellen. Zu dem Mittel wird gegriffen, wenn man in der Politik ein Vermittlungsproblem gegenüber der Bürgerschaft sieht, die eigene Politik dabei aber für richtig und notwendig hält, wie im Fall der Krisen-PR für Hartz IV.
In Deutschland wird der Bundestagswahlkampf größtenteils in den Parteizentralen geplant, in den USA allerdings hat sich eine hochspezialisierte Industrie politischer PR-Berater entwickelt, die einen eigenen Berufsverband, sowie spezifische Studiengänge und Fachzeitschriften haben.
Als Beispiel politischer PR kann auch das Vorgehen zweier Politiker einer Partei gelten, wenn sie die Geheimabsprache treffen, eine Zeitlang ein Thema kontrovers zu diskutieren, um anschließend die Diskussion zu beenden. Diese inszenierte Debatte kann das Profil beider Kontrahenten schärfen, einem Thema in der Öffentlichkeit mehr Geltung verschaffen und/oder den Anhängern verschiedener Positionen Gelegenheit geben, „Dampf abzulassen“.
Im Herbst 2011 veröffentlichte Die Tageszeitung (TAZ) bis dahin geheime Dokumente der Lobbyagentur Deekeling Arndt Advisors über die Vorbereitung des „Ausstiegs aus dem Atomausstieg“ (der SPD/Die Grünen-Vorgängerregierung) durch die CDU/FDP- geführte Bundesregierung im Oktober 2010.[10] Ein Erfolg der Lobbyarbeit war die Verschiebung einer geplanten Veröffentlichung der Süddeutschen Zeitung zum Zusammenhang zwischen Kinderkrebs und Kernkraftwerken auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl 2009.[11][12] Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, bestritt auf Nachfrage, dass es eine derartige Einflussnahme gegeben hätte.[13]
Literatur
- John Stauber/Sheldon Rampton: Giftmüll macht schlank. Medienprofis, Spin-Doctors, PR-Wizards. Die Wahrheit über die Public-Relations-Industrie. Freiburg: orange-press, 2006. ISBN 978-3-936086-28-7
- Frank Esser, Carsten Reinemann, David P. Fan: Spin Doctors in the United States, Great Britain and Germany. Metacommunication about Media Manipulation. Harvard International Journal of Press/Politics, 2001, 6:1, 16-45.
- Hochstätter, Matthias: Deutschland kommuniziert – Politik, Lobbyismus, Medien und öffentliche Meinung. Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-11457-7.
- Husen, Peter: Professionelle Lobby- / Public Affairs-Agenturen: Neue Formen der Interessenvertretung auf EU-Ebene. München 2009, ISBN 978-3640319008.
- Christian Mihr: Wer spinnt denn da? Spin-Doctoring in den USA und in Deutschland: Eine vergleichende Studie zur Auslagerung politischer PR. LIT-Verlag, 2003, Münster, ISBN 3-8258-7351-x.
- Jens Tenscher: Professionalisierung der Politikvermittlung? Politikvermittlungsexperten im Spannungsfeld von Politik und Massenmedien. Westdeutscher Verlag, 2003, Wiesbaden, ISBN 3-531-14078-7.
- Andreas Elter: Die Kriegsverkäufer. Geschichte der US-Propaganda 1917–2005. Suhrkamp, 2005, Frankfurt/M., ISBN 3-518-12415-3.
- Judith Barben: Spin doctors im Bundeshaus. Gefährdungen der direkten Demokratie durch Manipulation und Propaganda. Eikos, Baden/Schweiz 2009, ISBN 978-3-033019164.
Siehe auch
- Farb- und Stilberatung
- Kommunikation, Sprache, Rhetorik, Slogan, Euphemismus, Schlagwort
- Marketing, Werbung, Lobbyismus
- Medienjournalismus, Medienkompetenz, Medientheorie
- Niccolò Machiavelli
Einzelnachweise
- ↑ [1]
- ↑ zum Beispiel Thomas Meyer in "Aus Politik und Zeitgeschichte" (Band 53/2003): [2]
- ↑ Herbert Riehl-Heyse: Götterdämmerung. Die Herren der öffentlichen Meinung. 1999, S.120.
- ↑ Thomas Tuma: Public Relations - Finale furioso, DER SPIEGEL 35/2001, 27. August 2001, online unter spiegel.de.
- ↑ Fall Madeleine: Regierungssprecher mutiert zu „Freund der Familie“, medienhure.de
- ↑ Biografie von Klaus Peter Schmidt-Deguelle bei der WMP Eurocom AG.
- ↑ Christian Mihr: Spin Doctors – Wer spinnt denn da?, FAZ Online, 20. August 2002
- ↑ Marcus Jauer: Prozess um Promi-Hautcreme - Uschi wirkt garantiert, sueddeutsche.de, 10. März 2005
- ↑ Deception on Capitol Hill. The New York Times, 15. Januar 1992. Abgerufen am 2. Januar 2010
- ↑ S. Heiser, M. Kaul, 28. Oktober 2011: Die Geheimpapiere der Atomlobby in: taz.de, Politik, Deutschland, Schwerpunkt Anti-AKW (29. Oktober 2011)
- ↑ Die Geheimpapiere der Atomlobby: Teil 2 von Herbst 2009. In: die tageszeitung. 28. Oktober 2011, abgerufen am 30. Oktober 2011.
- ↑ Kernenergie: Wie die Atomlobby den Ausstieg vom Ausstieg vorbereiten ließ. In: Der Spiegel. 29. Oktober 2011, abgerufen am 30. Oktober 2011.
- ↑ Martin Kaul, Sebastian Heiser: Die Süddeutsche Zeitung und die Kinderkrebsstudie. In: die tageszeitung. 39. Oktober 2011, abgerufen am 30. Oktober 2011.
Weblinks
Wiktionary: Spindoktor – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenArtikel:
- Teure Spin-Doctors - Lobbykosten in Washington erreichen Rekordniveau, spiegel.de, 11. April 2008
- Henryk Balkow: Inszenierungen in den Medien, junge-medien-th.de
- SWR2-Feature/Tom Schimmeck: Spin - Oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion, Januar 2011
Fernsehdokumentationen:
- Spin-Doktoren - Die Marionettenspieler der Macht, arte-tv, , inkl. Lesetipps, 22. Juni 2005
Kategorien:- Lobbyismus
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