- Verteidigungsetat
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Der Verteidigungshaushalt, auch Verteidigungsbudget oder Verteidigungsetat (auch mit der Vorsilbe „Wehr-“) genannt, umfasst alle Investitionen und Geldausgaben, die ein Staat über einen eingegrenzten Zeitraum hinweg für strategische Aktivposten tätigt. Erweiterte Definitionen erstrecken sich neben den Verteidigungshaushalten der souveränen Staaten auf die Militärausgaben derjenigen wenigen nichtstaatlichen politischer Akteure mit einem konstanten Zugriff zu finanziellen Ressourcen, die ihnen einen flexiblen Gewalteinsatz zu politischen Zwecken erlauben. Dazu zählen vor allem paramilitärische Vereinigungen.
Ein Verteidigungsetat wird meist im jährlichen Turnus veranschlagt, auch wenn viele Investitionen für einen wesentlich längeren Zeitraum vorgesehen sind. Über den seit Jahrzehnten größten Verteidigungshaushalt in einer Größenordnung von mehreren hundert Milliarden US-Dollar pro Jahr verfügen die Vereinigten Staaten.
Ein in regelmäßigen Abständen veranschlagter Verteidigungshaushalt ging, historisch betrachtet, aus dem Übergang von zweckgebunden ausgehobenen oder angeworbenen Streitkräften (beispielsweise Bauernheere respektive Landsknechte) zu stehenden Heeren einher.
Die Konfliktforschung befasst sich mit Verteidigungsausgaben als einem Faktor, der gewalttätige politische Konflikte begünstigen kann, während die Internationalen Beziehungen in einem komparativen Rahmen untersuchen, unter welchen Umständen getätigte Verteidigungsausgaben das Sicherheitsdilemma auslösen, beispielsweise im Rahmen eines Rüstungswettlaufes.
Inhaltsverzeichnis
Definitionsansätze
Das Stockholmer Institut für Friedensforschung, ein in den Internationalen Beziehungen anerkanntes Forschungsinstitut, definiert die Finanzierung folgender strategischer Kapazitäten als Verteidigungshaushalt:[1]
- Streitkräfte, darunter alle Kontingente, die ein Staat für Friedensmissionen bereitgestellt hat
- Verteidigungsministerien sowie alle Behörden, die an der Ausarbeitung und Durchführung militärisch relevanter Projekte beteiligt sind
- paramilitärische Kräfte, die für militärische Operationen ausgebildet, ausgerüstet und bereitgestellt werden
- die militärische Nutzung des Weltraums
Typischerweise umfasst ein Verteidigungshaushalt folgende Aktivposten:
- Personalausgaben, darunter
- alle laufenden Ausgaben für militärisches und ziviles Personal
- reguläre Pensionen des militärischen Personals
- Sozialtransfers für das Personal sowie ihre Familien
- Operations- und Betriebskosten
- militärische Forschung und Entwicklung(Research & Development, R&D)
- militärische Baukosten
- militärische Entwicklungshilfe
Mangels unmittelbaren Bezuges zum militärischen Zweck eines Verteidigungshaushaltes schließt das SIPRI folgende Posten von seinen Berechnungen aus:
- Zivilschutz
- Folgekosten bereits getätigter Investitionen, wie Sozialleistungen für Veteranen, Demobilisierungskosten, Ausgaben für die zivile Nutzung militärischer Liegenschaften und Rüstungsgüter sowie Entwaffnungs- und Entschärfungskosten
Weltweite Entwicklung
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut beziffert die weltweiten Verteidigungsausgaben auf 1,531 Billionen für das Jahr 2009, was einen Realanstieg von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr und von 49 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 bedeute. Dies entspreche einem Anteil am Weltbruttoinlandsprodukt von 2,7 % und einem Pro-Kopf-Aufwand von 224 US-Dollar. Das größte Wachstum in diesem Bereich verzeichne Osteuropa mit einem Anstieg von 108 Prozent innerhalb von zehn Jahren.[2]
Laut SIPRI brachten die Vereinigten Staaten von den weltweiten Verteidigungsausgaben im Jahr 2008 43 % auf, gefolgt von der Volksrepublik China mit 6,6 %, Frankreich mit 4,2 % und dem Vereinigten Königreich mit 3,8 %.[2]
Die untere Tabelle gibt die Schätzung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts über den Verteidigungsetat 2008 der 15 Staaten mit den größten Verteidigungsetats der Welt wieder.[3][4]
Platz Land Ausgaben (in Milliarden US-Dollar) Anteil an weltweiten Ausgaben Pro-Kopf-Ausgaben (in US-Dollar) Anteil am Bruttoinlandsprodukt (2007) Veränderung gegenüber 1999 (in %) 1 Vereinigte Staaten 607 41,5 1967 4,0 66,5 2 Volksrepublik China [84,9] [5,8] [63] [2,0] 194 3 Frankreich 65,7 4,5 1061 2,3 3,5 4 Vereinigtes Königreich 65,3 4,5 1070 2,4 20,7 5 Russland [58,6] [4,0] [413] [3,5] 173 6 Deutschland 46,8 3,2 568 1,3 –11.0 7 Japan 46,3 3,2 361 0,9 –1.7 8 Italien 40,6 2,8 689 1,8 0,4 9 Saudi-Arabien 38,2 2,6 1511 9,3 81,5 10 Indien 30,0 2,1 25 2,5 44,1 11 Südkorea 24,2 1,7 501 2,7 51,5 12 Brasilien 23,3 1,6 120 1,5 29,9 13 Kanada 19,3 1,3 581 1,2 37,4 14 Spanien 19,2 1,3 430 1,2 37,7 15 Australien 18,4 1,3 876 1,9 38,6 Deutschland
In Deutschland werden etwa 50% des Verteidigungsetats verwendet, um Personalkosten zu decken.
Kalter Krieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügte Deutschland zunächst über keine Streitkräfte und damit über einen Verteidigungshaushalt. Der Aufbau von Streitkräften erfolgte in der DDR zunächst nominell in Form von Polizeikräften (ab 1948, "Bereitschaften der Volkspolizei", ab 1952: Kasernierte Volkspolizei). In der Bundesrepublik entstand 1950 das Amt Blank zur Vorbereitung der Wiederbewaffnung. Die Kosten dieser Organisationen wurden nicht als Verteidigungshaushalt gezeigt. Ab 1955/56 bestanden mit Bundeswehr bzw. NVA wieder deutsche Streitkräfte. Bedingt durch die Umstände des Kalten Krieges stiegen die Verteidigungsetats beider deutscher Staaten Ende der 50er Jahre stark an. 1960 umfasste der Verteidigungsetat der Bundesrepublik Deutschland 7,45 Milliarden DM (3,81 Milliarden Euro) und der Anteil am Bundeshaushalt betrug 24,6 Prozent.
Mit dem Mauerbau stabilisieren sich die Rüstungsausgaben im Westen. Die Rüstungsausgaben in der DDR steigen jedoch weiter an. 1968 wird der Verteidigungsetat um 60 % erhöht[5]. Die offizielle Entspannungspolitik der 70er Jahre hinterlässt im Verteidigungsetat keine Spuren. Die größten Steigerungsraten des Verteidigungshaushaltes fallen in diese Zeit. Erst mit dem Antritt der Regierung Helmut Kohl sinken die prozentualen Steigerungsraten im Haushalt des Verteidigungsministers wieder. 1990 betrug der Verteidigungsetat einschließlich des NVA-Haushaltes für das 2. Halbjahr rund 57,54 Milliarden DM (29,42 Milliarden Euro). Der Anteil am Bundeshaushalt lag bei 15,1 Prozent.
Friedensdividende
Nach der Wende kam es zu einer massiven Kürzung des Verteidigungsetats. Durch den Wegfall der Bedrohung durch den Warschauer Pakt konnte die NVA in die Bundeswehr integriert und der Personalbestand der Bundeswehr massiv gekürzt werden. Man spricht von der "Friedensdividende". In den Jahren bis 1997 kam es jährlich zu deutlichen Kürzungen. Auch in den Folgejahren sank der Verteidigungshaushalt inflationsbereinigt nahezu jedes Jahr.
1999
Der Verteidigungshaushalt 1999 betrug 47,52 Milliarden DM (24,30 Milliarden Euro), davon entfielen:
- 50,24 Prozent bzw. 23,84 Milliarden DM (12,19 Milliarden Euro) auf die Personalausgaben
- 15,61 Prozent bzw. 7,42 Milliarden DM (3,79 Milliarden Euro) auf die militärische Beschaffungen
- 15,19 Prozent bzw. 7,22 Milliarden DM (3,69 Milliarden Euro) auf die sonstigen Betriebsausgaben
- 8,79 Prozent bzw. 4,18 Milliarden DM (2,14 Milliarden Euro) für Materialerhaltung und -betrieb
- 5,30 Prozent bzw. 2,52 Milliarden DM (1,29 Milliarden Euro) für Forschung, Entwicklung und Erprobung
- 3,94 Prozent bzw. 1,87 Milliarden DM (0,96 Milliarden Euro) für die militärischen Anlagen
- 0,93 Prozent bzw. 0,44 Milliarden DM (0,23 Milliarden Euro) für sonstige Investitionen.
Das entsprach einen Anteil von 74,22 Prozent bzw. 35,27 Milliarden DM (18,03 Milliarden Euro) für die Betriebskosten und 25,78 Prozent bzw. 12,25 Milliarden DM (6,26 Milliarden Euro) für verteidigungsinvestive Ausgaben (Entwicklung und Beschaffung neuer Ausrüstung).
2006
2006 umfasste der Verteidigungsetat 27,87 Mrd Euro, was eine Erhöhung um 0,5% (150 Mio. Euro) gegenüber 2005 bedeutete. Die oppositionelle CDU/CSU-Fraktion hatte durch Angela Merkel und Michael Glos in ihrem Antrag 15/2388 [6] von der Bundesregierung verlangt, "den Verteidigungshaushalt ab 2005 «substanziell» aufzustocken".
2007
Für 2007 ist ein Verteidigungsetat von 28,38 Mrd. Euro vorgesehen und somit 480 Mio. Euro mehr als 2006. Die Erhöhung des Etats wird in der Politik mit den steigenden Belastungen, vor allem durch die Auslandseinsätze und durch die Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozent 2006 begründet, wodurch mehr Geld für die Bundeswehr benötigt wird. Real betrachtet ist der Verteidigungsetat 2007, im Vergleich zu 2006 allerdings gesunken. Denn die Erhöhung von 480 Mio. Euro, liegt unter der voraussichtlichen Inflationsrate für dieses Jahr.[7]
Zukunft
Derzeit besteht Uneinigkeit unter den Parteien, ob der Verteidigungsetat angehoben oder gesenkt werden soll. Der derzeitige Finanzplan sieht bis 2010 eine Anhebung des Etats von 28,38 Mrd. Euro auf rund 29,5 Mrd. Euro vor, was einer Steigerung von 3,9% für die nächsten 3 Jahre entspricht. In der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages vom 12. September 2007 wurde allerdings bereits für 2008 eine erhebliche Erhöhung des Verteidigungsetats um 918 Mio. Euro auf 29,3 Mrd. Euro bekanntgegeben. Damit soll den kostenintensiven Auslandseinsätzen Rechnung getragen und die Einführung der dafür benötigten modernen Ausrüstung beschleunigt werden. Allgemein werden insbesondere die so genannten "verteidigungsinvestiven Ausgaben" (Entwicklung und Beschaffung neuer Systeme) von derzeit 6,0 auf 7,2 Mrd. Euro ansteigen; im Gegenzug werden die Betriebskosten (Personalkosten und Materialerhaltung) von derzeit 17,2 auf 16,8 Mrd. Euro verringert werden. Diese Einsparungen werden durch die Verringerung der Personalstärke auf planmäßig 255.000 Soldaten und 75.000 Zivilangestellte bis 2010 sowie die Reduzierung der depotgelagerten Fahrzeugbestände (v.a. bei Kampf- und Schützenpanzern) ermöglicht.
Der Bundestag hat den Haushaltsplan für 2011 mit einem Verteidigungsetat von 31,5 Mrd. Euro angenommen, was eine Steigerung im Vergleich zum Jahr 2010 von 1,4% ausmacht. In den folgenden Jahren soll der Verteidigungsetat des Bundes allerdings sinken. Durch eine Reform der Streitkräfte sollen hier bis zu vier Mrd. Euro eingespart werden.[8]
China
- März 2004 bis März 2005: 245 Mrd. Yuan (26,7 Mrd. Euro)
- März 2005 bis März 2006: 281 Mrd. Yuan (30,7 Mrd. Euro)
- März 2006 bis März 2007: 283,8 Mrd. Yuan (31 Mrd. Euro)[9]
- März 2007 bis März 2008: 350,9 Mrd. Yuan (38,3 Mrd. Euro)[10]
- März 2008 bis März 2009: 375,75 Mrd. Yuan (41 Mrd. Euro)[11]
- März 2009 bis März 2010: 472,87 Mrd. Yuan (51,6 Mrd. Euro)[12]
- März 2010 bis März 2011: 532 Mrd. Yuan (58 Mrd. Euro)[13]
- März 2011 bis März 2012: 601 Mrd. Yuan (65,6 Mrd. Euro)[14]
Viele Militärausgaben werden in China allerdings durch andere Haushaltsposten abgedeckt. Die genauen Ausgaben für das Militär werden nicht bekannt gegeben. Der tatsächliche Verteidigungsetat wird auf das 2- bis 3-fache geschätzt.
Frankreich
Zirka 10% des französischen Wehretats fließen allein in die Force de frappe (Atomstreitkräfte). Da diese auf 3 Milliarden geschätzt werden, dürften die absoluten Ausgaben bei ungefähr 30 Milliarden liegen.USA
Unter der Regierung von George W. Bush wird der Verteidigungsetat der USA seit 2001 stark angehoben. Die Anhebung wird als maßgebliche Ursache für die Haushaltsdefizite der letzten Jahre gesehen. Der noch positive Haushaltssaldo im Jahr 2001 von 127 Mrd. Dollar ist bereits 2002 ins Negative gekippt. 2002 lag das Haushaltsdefizit der USA bereits bei 158 Mrd. Dollar, 2005 bei 427 Mrd. Dollar.
Jahr Verteidigungsetat 2000 $375,9 Mrd. 2001 $378,9 Mrd. 2002 $425,5 Mrd. 2003 $484,3 Mrd. 2004 $527,8 Mrd. 2005 $553 Mrd. 2006 $561,6 Mrd. 2007 $576,3 Mrd. 2008 $618,9 Mrd. 2009 $668,6 Mrd. 2010 $687,1 Mrd. 2011 $708 Mrd.[15] * = geplant
Neutrale Staaten
Finnland, 2010: 2,7 Mrd. Euro
Österreich, 2010: 2,5 Mrd. Euro
Schweden, 2010: 40,664 Mrd. Kronen (ca. 4,4 Mrd. Euro)
Schweiz, 2010: 4,813 Mrd. Franken (ca. 4,03 Mrd. Euro)Weblinks
- Datenbank des Stockholmer Friedensforschungsinstituts zu nationalen Verteidigungsausgaben (englisch)
- Datenbank der NATO zu den Verteidigungsausgaben ihrer Mitglieder (englisch, französisch)
- Rangliste der Länder mit den höchsten Verteidigungsausgaben, gemessen am BIP, im CIA World Factbook (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Stockholm International Peace Research Institute: The SIPRI definition of military expenditure, in: Stockholm International Peace Research Institute: Military Spending and Armament. Zugriff: 12. Juli 2009.
- ↑ a b Stockholm International Peace Research Institute: Recent trends in military expenditure (Zugriff am 9. März 2011)
- ↑ Stockholm International Peace Research Institute: The 15 major spender countries in 2008 (table), in: Stockholm International Peace Research Institute: Military Spending and Armament. Zugriff am 14. Juli 2009.
- ↑ Angaben in Klammern sind Schätzungen, während das saudische Verteidigungsbudget möglicherweise Ausgaben für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung enthält und damit unter Umständen überschätzt wurde.
- ↑ DIE ZEIT, 22. Dezember 1967 Nr. 51
- ↑ http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/023/1502388.pdf
- ↑ Quelle des Abschnittes 2007: Entsprechende Seite auf der Homepage des Bundesministerium der Verteidigung
- ↑ Tagesschau Online: Wofür gibt der Bund sein Geld aus? (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ China rüstet auf und droht Taiwan wiwo.de, 4. März 2006 (abgerufen 4. März 2011)
- ↑ Chinas Verteiligunsbudget für 2007 auf gleichem Niveau der vergangenen Jahre CRIonline, 4. März 2007 (abgerufen 4. März 2011)
- ↑ China verschreckt Pentagon Tagesspiegel, 4. März 2008 (abgerufen 4. März 2011)
- ↑ Chinas Verteiligungsetat steigt 2009 leicht China Botschaft, 5. März 2009 (abgerufen 4. März 2011)
- ↑ Chinesisches Militärs: Wollen Amerika nicht herausfordern faz.net, 4. März 2010 (abgerufen 4. März 2011)
- ↑ China erhöht Militärausgaben Die Zeit, 4. März 2011 (abgerufen 4. März 2011)
- ↑ [1] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. August 2010 (abgerufen 10. August 2010)
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