- Wolfgang Schadewaldt
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Wolfgang Schadewaldt (* 15. März 1900 in Berlin; † 10. November 1974 in Tübingen) war ein deutscher Literaturwissenschaftler, Altphilologe und Übersetzer. Als Ordinarius an der Universität Tübingen hatte er den Lehrstuhl für Klassische Philologie (Gräzistik) und Fortleben der Antike inne.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Der Sohn eines Arztes studierte in seiner Heimatstadt Berlin Klassische Philologie, Archäologie und Germanistik bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und Werner Jaeger. Nach Promotion (1924) und Habilitation (1927) war Schadewaldt ab 1927 Dozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität. 1928 wurde er als Professor an die Universität Königsberg berufen und wechselte 1929 an die Universität Freiburg, wo er 1933 unter dem Einfluss Martin Heideggers, mit dem er auch befreundet war, vorübergehend dessen Rektorat und die nationalsozialistisch orientierte Hochschulpolitik als Dekan unterstützte. Er erklärte aber bereits im Frühjahr 1934 seinen Rücktritt als Dekan und wechselte als Nachfolger Erich Bethes im Herbst an die Universität Leipzig. 1941 ging er zurück an die Berliner Universität, wo er den Lehrstuhl für klassische Philologie innehatte. Seit 1942 stand Schadewaldt als Mitglied der Mittwochsgesellschaft in Verbindung mit Männern des Widerstandes. In der Akademie hatte Schadewaldt bis 1950 folgende Funktionen: Er war Mitglied des Instituts für Griechisch-Römische Altertumskunde und leitete dort die Unternehmen Polybios-Lexikon, die Inscriptiones Graecae sowie das Corpus Medicorum Graecorum, außerdem war er in der Akademie Mitglied der Deutschen Kommission, des Goethe Wörterbuchs, und der Kommission für spätantike Religionsgeschichte. Ab 1950 lehrte er an der Universität Tübingen noch bis 1972, obwohl er seit 1968 emeritiert war. Schadewaldt war Initiator und Herausgeber des Goethe-Wörterbuches. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Tübinger Bergfriedhof.[1]
Wissenschaft
Wolfgang Schadewaldt gilt als einer der bedeutendsten deutschen Altphilologen und wirkungsvollsten Vermittler antiker griechischer Literatur im 20. Jahrhundert. Egil A. Wyller bezeichnete ihn als „Meister derer, die da wissen.“[2] In seinen Werken beschäftigte sich Schadewaldt mit allen Gattungen der alt-griechischen Dichtung, dem Epos, der Lyrik, dem Drama und daneben auch mit der Philosophie und der Geschichtsschreibung. Schadewaldt markierte einen Höhepunkt in der Homerforschung. Außer in zahlreichen Einzelwerken liegen seine Analysen zu all diesen Themenfeldern gesammelt vor in der auf sechs Bände angelegten Ausgabe seiner Tübinger Vorlesungen, die er zwischen 1950 und 1972 hielt.
Bedeutend ist der Kreis der Schüler Schadewaldts, der die so genannte Tübinger Platonschule bildet. Für diese international bekannte Interpretationsrichtung stehen vor allem Hans Joachim Krämer und Konrad Gaiser. Diese Linie wurde durch den Nachfolger Gaisers Thomas A. Szlezák weitergeführt. Zu den Schülern Schadewaldts zählen auch Wolfgang Kullmann und Hellmut Flashar, die in Berlin bei ihm studierten.
Übersetzungen
Einer breiteren Öffentlichkeit ist Schadewaldt bekannt als Übersetzer von Homers Ilias und Odyssee, die, neben den Übertragungen von Johann Heinrich Voß, als die besten Übersetzungen beider Epen ins Deutsche angesehen werden. Im Unterschied zu Voß verzichtete Schadewaldt bei seiner Übersetzung auf den Hexameter, was er wie folgt begründete:
- „Das Griechische in der alten Sprache des Epos, hat eine große Anzahl sehr langer Wörter, die schon im späteren Griechisch, vor allem aber im Deutschen, viel kürzere Wörter neben sich haben. (…) Der deutsche Übersetzer des Hexameters ist deswegen in der Regel früher mit dem Vers fertig und genötigt, um den Vers auf die gleiche Länge wie im Griechischen zu bringen, ihn zu zerdehnen und zu strecken. Entweder muß er im Deutschen Füllsel hinzufügen, die nicht dastehen, oder sich auf andere Weise helfen.“[3]
Schadewaldt übertrug die Odyssee (1957) in Prosa, seine 1975 posthum erschienene Übersetzung der Ilias hingegen benutzt Freie Rhythmen. Durch den Verzicht auf die strenge Form des Hexameters gelang es Schadewaldt, dem Wortsinn Homers, der Satzstellung und auch der Lakonik des Originals sehr nahe zu kommen. Neben den Werken Homers übersetzte Schadewaldt u.a. auch Dramen von Aischylos, Sophokles sowie die Carmina Burana. Die herausragende Übersetzungsleistung verband Schadewaldt mit dem Theatermacher Hansgünther Heyme, der die Aufführung der Werke in Köln realisierte.
Auszeichnungen und Ehrungen
- 1934: ordentliches Mitglied der Leipziger Akademie der Wissenschaften
- 1934: Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
- 1942: ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften bzw. ab 1946 der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin[4]
- 1958: ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
- 1962: Pour le mérite für Wissenschaften und Künste
- 1963: Reuchlin-Preis
- 1964: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern
- 1965: Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
- 1972: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
Schriften
- Herausgeber (Auswahl)
- Sophokles König Ödipus, Übertragen und Herausgegeben, mit Nachwort; und drei Aufsätzen: Der König Ödipus des Sophokles in neuerer Deutung mit Wirkungsgeschichte und Literaturhinweisen; Shakespeares König Lear und Sophokles König Ödipus; Der zerbrochne Krug von Heinrich von Kleist und Sophokles König Ödipus; Insel Taschenbuch 15, ISBN 3-458-31715-5.
- Monografien
- Monolog und Selbstgespräch (1926)
- Iliasstudien (1938, 2. Aufl. 1943, 3. Aufl. 1966)
- Die Heimkehr des Odysseus (1946)
- Legende von Homer dem fahrenden Sänger (1942, 1959)
- Sophokles und das Leid (1948)
- Sappho. Dasein in der Liebe (1950)
- Griechische Sternsagen (1956)
- Hellas und Hesperien. Gesammelte Schriften zur Antike und zur neueren Literatur (1960)
- Goethe-Studien. Natur und Altertum (1963)
- Tübinger Vorlesungen
- Band 1: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen, Hg. von Ingeborg Schudoma, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1978
- Band 2: Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen, Hg. von Ingeborg Schudoma, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1982
- Band 3: Die frühgriechische Lyrik, Hg. von Ingeborg Schudoma, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1989
- Band 4: Die griechische Tragödie, Hg. von Ingeborg Schudoma, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1991
- Übersetzungen (Auswahl)
- Carmina Burana, 1953
- Homer: Odyssee, Hamburg, Rowohlt, 1958
- Homer: Ilias, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1975
- Sophokles: Aias, Frankfurt am Main, Insel, 1993
- Sophokles: Antigone, Frankfurt am Main, Insel, 1974
- Sophokles: Elektra, Frankfurt am Main, Insel, 1994
- Sophokles: Die Frauen von Trachis, Frankfurt am Main, Insel, 2000
- Sophokles: Ödipus auf Kolonos, Frankfurt am Main, Insel, 1996
- Sophokles: Philoktet, Frankfurt am Main, Insel, 1999
- Sternsagen. Die Mythologie der Sternbilder, Frankfurt am Main, Insel, 2002
Literatur
- Dieter Bremer: Wolfgang Schadewaldt (1900–1974). In: Eikasmós 4, 1993, S. 321–322.
- Hellmut Flashar: Schadewaldt, Wolfgang. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 495 f.
- Rudolf Rieks: Wolfgang Schadewaldt (1900–1974) und Ernst Zinn (1910–1990). In: Eikasmós 4, 1993, S. 323–326.
- Thomas A. Szlezák (Hrsg.): Wolfgang Schadewaldt und die Gräzistik des 20. Jahrhunderts. Olms, Hildesheim u. a. 2005, ISBN 3-487-12815-2 (Spudasmata, Band 100).
Weblinks
- Literatur von und über Wolfgang Schadewaldt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Auszüge aus einer von Schadewaldt verfassten, 1946 erschienen Nacherzählung der Odyssee
- Rezensionen von „Wolfgang Schadewaldt und die Gräzistik des 20. Jahrhunderts“ bei perlentaucher.de
- Wolfgang Schadewaldt im Professorenkatalog der Universität Leipzig
Anmerkungen
- ↑ Fred Oberhauser, Axel Kahrs: Literarischer Führer Deutschland, Insel Verlag, 2008.
- ↑ Egil A. Wyller, Der späte Platon, Meiner, Hamburg 1970, S. VII
- ↑ Homer: Ilias, Übertragung von Wolfgang Schadewaldt, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1975, S. 425
- ↑ Deutsche Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1946-1949. Akademie-Verlag, Berlin 1950, S. 11
Erstes Ordinariat: Karl Zell (1821–1836) | Joseph Anselm Feuerbach (1836–1851) | Theodor Bergk (1852–1857) | Johannes Vahlen (1858) | Franz Bücheler (1858–1866) | Wilhelm Brambach (1866–1872) | Otto Keller (1872–1875) | Otto Hense (1876–1909) | Eduard Schwartz (1909–1913) | Otto Immisch (1914–1930) | Eduard Fraenkel (1931–1933) | Hans Oppermann (1935–1941) | Karl Büchner (1943–1976) | Eckard Lefèvre (1977–2003) | Therese Fuhrer (2004–2008) | Wolfgang Kofler (seit 2009)
Zweites Ordinariat: Anton Baumstark (1836–1872) | Bernhard Schmidt (1872–1911) | Richard Reitzenstein (1911–1914) | Alfred Körte (1914–1917) | Ludwig Deubner (1917–1927) | Rudolf Pfeiffer (1927–1929) | Wolfgang Schadewaldt (1929–1934) | Hans Bogner (1936–1941) | Hermann Gundert (1944–1974) | Wolfgang Kullmann (1975–1996) | Bernhard Zimmermann (seit 1997)
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