Zerfallsmodus

Zerfallsmodus
DIN 4844-2 Warnzeichen D-W005 Warnung vor radioaktiven Stoffen oder ionisierenden Strahlen (auch auf abschirmenden Behältern)(1)
ADR Gefahrgutklasse 7 Radioaktive Stoffe

Radioaktivität (von lat. radius, Strahl; Strahlungsaktivität), radioaktiver Zerfall oder Kernzerfall ist die Eigenschaft instabiler Atomkerne, sich spontan unter Energieabgabe umzuwandeln. Die freiwerdende Energie wird als ionisierende Strahlung, nämlich energiereiche Teilchen und/oder Gammastrahlung, abgegeben.

Der Begriff selbst (frz.: radioactivité) wurde 1898 von Marie Curie geprägt.

Inhaltsverzeichnis

Definition und Begriff

Der historisch geprägte Begriff „Zerfall“ beschreibt in erster Linie die Mengenabnahme des Ausgangsstoffes nach dem Zerfallsgesetz. Diese vereinfachte Sichtweise charakterisiert den Vorgang unvollständig. Auf der Ebene der Atome findet eine gesetzmäßig definierte Umwandlung der Kerne in bestimmte andere Kerne statt.

Umgangssprachlich, gelegentlich auch fachsprachlich, wird das Wort Radioaktivität auch für „radioaktive Substanz“ gebraucht.

Insbesondere in der öffentlichen Diskussion werden die Begriffe Radioaktivität und Strahlung oft miteinander verwechselt oder synonym verwendet: Mit Radioaktivität ist häufig nicht das Material, sondern die abgegebene Strahlung – oder sogar ionisierende Strahlung aus nicht radioaktiven Quellen – gemeint. Umgekehrt wird z. B. bei Berichten über Zwischenfälle oft von „ausgetretener Strahlung“ gesprochen, wenn unbeabsichtigt freigesetzte, radioaktive Stoffe gemeint sind.

Die allgemein übliche Formulierung „radioaktive Strahlung“ ist pleonastisch, da „radioaktiv“ bereits „strahlend“ bedeutet; gemeint ist hierbei die "Strahlung radioaktiver Stoffe".

Grundlagen

Exponentielle Abnahme

Radioaktiver Zerfall ist kein deterministischer Prozess. Der Zerfallszeitpunkt des einzelnen Atomkerns ist völlig zufällig. Allerdings folgt der Vorgang einem Exponentialgesetz, so dass es für jedes Nuklid einen festen Wert der Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit gibt. Die Zerfallswahrscheinlichkeit kann auch durch die Halbwertszeit ausgedrückt werden. Die Halbwertszeit ist der Zeitraum, nach dem durchschnittlich die Hälfte der instabilen Atomkerne einer Anfangsmenge zerfallen sind. Sie kann Sekundenbruchteile, aber auch einige Milliarden Jahre betragen. Langlebige Nuklide sind beispielsweise Uran-238, Uran-235, Thorium-232 und Kalium-40. Je kürzer die Halbwertszeit, desto größer ist die Aktivität einer gegebenen Substanzmenge.

Statistische Schwankungen

Die Aktivität ist der Mittelwert der Zahl der Zerfälle pro Zeiteinheit. Die tatsächliche Zahl der Zerfälle, die man in einem festen Zeitintervall beobachtet, schwankt zufallsweise um den Mittelwert; die Häufigkeit, mit der dabei die einzelnen möglichen Anzahlen auftreten, folgt der Poisson-Verteilung. (Falls man die Schwankung durch wiederholte Messung beobachten will, muss die Halbwertszeit lang im Vergleich zur gewählten Dauer des Beobachtungsintervalls sein, damit gleichbleibende Bedingungen herrschen.)

Die Poisson-Verteilung lässt sich bei genügend großer mittlerer Anzahl durch die für Berechnungen bequemere Gauss-Verteilung annähern.

Allgemeines zu Zerfallsarten

Nicht nur der Zeitpunkt des Zerfalls ist zufällig, sondern unter Umständen auch die Art des Zerfalls. Bismut-212 kann beispielsweise mit jeweils unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit auf drei verschiedene Arten zerfallen. Eine Nuklidkarte zeigt alle Nuklide mit Arten und Anteilen der möglichen Zerfälle und den Halbwertszeiten.

Bei den meisten Zerfallsarten (s. unten) ändert sich die Kernladungszahl (Ordnungszahl) – es entsteht also ein anderes chemisches Element (durch Ausstoß von Protonen, aber immer zusammen mit anderen neutralen Teilchen wie Neutronen) –, bei manchen auch nur die Massenzahl (durch Ausstoß von Neutronen und keinen Protonen). Daneben gibt es Übergänge, bei denen sich nur der Anregungszustand des Kerns ändert (Übergang zwischen verschiedenen Energiezuständen desselben Nuklids). Die Stärke der Radioaktivität wird durch die physikalische Größe Aktivität beschrieben und in der Einheit Becquerel, abgekürzt Bq, angegeben. Ein Becquerel steht für durchschnittlich einen Zerfall pro Sekunde, und repräsentiert damit gegenüber der früher auch üblichen Einheit Curie eine sehr kleine Aktivität.

Ein Atomkern ist dann stabil und kann nicht weiter von sich aus zerfallen, wenn es keine Zerfallsart gibt, der zu einem energetisch niedrigeren Zustand führt. Beim Wasserstoff ist dieser Zustand das einzelne Proton als Atomkern, bzw. das Deuteron, das aus Proton und Neutron besteht. Beim Helium enthält das stabile Isotop Helium-3 zwei Protonen und ein Neutron, das stabile Helium-4 zwei Protonen und zwei Neutronen. Beim Lithium und allen schwereren Elementen müssen mindestens gleich viele Neutronen wie Protonen den Kern bilden, damit der Kern stabil ist, und bei schwereren Kernen überwiegen immer mehr die Neutronen. Ab einer gewissen Massenzahl werden alle Atomkerne instabil. Durch Einwirkung von Teilchenstrahlung, insbesondere Neutronenstrahlung (Neutronenaktivierung) können in

Geschichte

Alphastrahlung wird durch ein Blatt Papier, Betastrahlung durch ein Metallblech von einigen mm Dicke vollständig absorbiert; zur hinreichenden Schwächung von Gammastrahlung braucht man eine dickere Schicht aus einem Material möglichst hoher Dichte (siehe Abschirmung (Strahlung)).

1896 entdeckte Antoine Henri Becquerel bei dem Versuch, die gerade gefundene Röntgenstrahlung durch Fluoreszenz erklären zu wollen, dass Uransalz fotografische Platten zu schwärzen vermochte. Allerdings war die Uranprobe dazu auch ohne Vorbelichtung in der Lage, was Fluoreszenz als Ursache ausschloss. Wie er später zeigte, konnte diese neue Strahlung lichtundurchlässige Stoffe durchdringen und Luft ionisieren, ohne dabei von Temperaturänderungen oder chemischen Behandlungen der Probe beeinflusst zu werden. Weitere radioaktive Elemente fanden Marie und Pierre Curie 1898 mit Thorium sowie zwei neuen um ein Vielfaches stärker strahlenden Elementen, die sie Radium und Polonium tauften.

Durch Untersuchung des Durchdringungsvermögens gelang es Ernest Rutherford 1899, zwei Strahlungskomponenten zu unterscheiden. Stefan Meyer und Egon Schweidler sowie Friedrich Giesel konnten noch im gleichen Jahr zeigen, dass diese in magnetischen Feldern in unterschiedliche Richtungen abgelenkt werden. Eine dritte Komponente, die sich nicht durch Magnetfelder ablenken ließ und ein sehr hohes Durchdringungsvermögen aufwies, wurde 1900 von Paul Ulrich Villard entdeckt. Für die drei Strahlungsarten prägte Rutherford die Bezeichnungen Alpha-, Beta- und Gammastrahlung. Bis 1909 hatte sich erwiesen, dass Alphastrahlung aus Heliumkernen und Betastrahlung aus Elektronen besteht. Die Vermutung, dass es sich bei Gammastrahlung um eine elektromagnetische Welle handelt, konnte erst 1914 von Rutherford und Edward Andrade bestätigt werden.

Bereits 1903 – sechs Jahre vor dem Nachweis von Atomkernen – entwickelten Rutherford und Frederick Soddy eine Hypothese, nach der die Radioaktivität mit der Umwandlung von Elementen verknüpft sei. Davon ausgehend formulierten 1913 Kasimir Fajans und Frederick Soddy die so genannten radioaktiven Verschiebungssätze. Diese beschreiben die Änderung von Massen- und Ordnungszahl beim Alpha- und Betazerfall, womit die natürlichen Zerfallsreihen als eine schrittweise Abfolge von diesen Zerfallsprozessen erklärt werden konnten.

Irène und Frédéric Joliot-Curie gelang es 1933 erstmals, radioaktive Elemente künstlich zu erzeugen. Durch den Beschuss von Proben mit α-Teilchen konnten sie neue Isotope herstellen, die aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeiten in der Natur nicht vorkommen. Bei ihren Versuchen entdeckten sie 1934 eine neue Art des Betazerfalls, bei dem Positronen anstelle von Elektronen abgestrahlt werden. Seither unterscheidet man zwischen β+- und β-Strahlung.

Zerfallsarten

Verschiedene Zerfallsarten eines Radionuklids in der Darstellung der Nuklidkarte. Senkrecht: Ordnungszahl Z, waagerecht: Neutronenzahl N

Radioaktive Kerne können auf verschiedene Weise zerfallen, je nach ihrer Zusammensetzung aus Protonen und Neutronen. Historisch besonders bedeutsam sind die Zerfallsarten Alpha-, Beta- und Gammazerfall. Sie wurden als erste entdeckt und sind die bei weitem am häufigsten auftretenden Umwandlungsarten. Später fand man noch weitere Zerfallsarten, die nicht mehr zu diesen drei klassischen Arten gezählt werden konnten.

Die Vielzahl existierender Zerfälle lässt sich in drei Kategorien einteilen:

Zerfälle unter Aussendung von Nukleonen
viele radioaktive Kerne wandeln sich unter Aussendung von Nukleonen, also von Protonen, Neutronen oder sogar leichten Kernen, um. Prominentestes Beispiel ist der Alpha-Zerfall. Hierbei spaltet der Mutterkern einen Heliumkern ab. Seltener tritt die Aussendung einzelner Neutronen oder Protonen oder ganzer Kohlenstoffkerne auf.
Beta-Zerfälle
wenn bei einem Zerfall Elektronen (oder deren Antiteilchen) beteiligt sind, spricht man von einem Beta-Zerfall. Es gibt eine ganze Reihe solcher Prozesse. Nicht immer muss auch ein Elektron als Produkt entstehen, wie beispielsweise beim Elektroneneinfang.
Übergang zwischen Zuständen ein- und desselben Kerns
in diesem Fall werden keinerlei Materieteilchen abgestrahlt. Entsprechend wandelt sich auch der Kern nicht in einen anderen um; er gibt seine überschüssige Energie direkt in Form hochenergetischer elektromagnetischer Strahlung ab. Diese kann als Gammastrahlung frei werden, oder an ein Elektron der Atomhülle abgegeben werden (innere Konversion).

Alphazerfall

Hauptartikel: Alphastrahlung

Ist der Atomkern sehr schwer oder enthält er deutlich weniger Neutronen als Protonen, kann die Anziehung der starken Wechselwirkung überwunden werden und es kommt zum Alphazerfall. Dabei verlässt ein Helium-4-Kern, in diesem Fall Alphateilchen genannt, mit einer Geschwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit den Mutterkern. Dies ist trotz der hohen Potentialbarriere aufgrund des Tunneleffekts möglich. Der Restkern, auch Rückstoßkern oder Tochterkern genannt, verringert bei diesem Vorgang seine Nukleonenzahl um vier und die Kernladungszahl um zwei.

Die allgemeine Reaktionsgleichung des Alphazerfalls lautet

Der Mutterkern X mit Nukleonenzahl A und Protonenzahl Z zerfällt unter Aussendung eines Alphateilchens
in den Tochterkern Y mit einer um 4 verminderten Nukleonenzahl und um 2 verminderten Protonenzahl.

Ein Beispiel für den Alphazerfall ist der Zerfall von Uran-238 in Thorium-234:

Beta-Zerfall

Hauptartikel: Betastrahlung

Wenn ein ungünstiges Verhältnis von Neutronen zu Protonen besteht, tritt normalerweise Betazerfall ein.

β-Zerfall

Beim β-Zerfall (Beta-Minus-Zerfall) wird im Kern ein Neutron in ein Proton umgewandelt und ein hochenergetisches Elektron sowie ein Elektron-Antineutrino emittiert. Die Nukleonenzahl des Kerns ändert sich dabei nicht, seine Ordnungszahl erhöht sich um eins.

Die allgemeine Reaktionsgleichung des Beta-Minus-Zerfalls lautet

Der Mutterkern X mit Nukleonenzahl A und Protonenzahl Z zerfällt unter Aussendung eines Elektrons
und eines Anti-Elektronneutrinos in den Tochterkern Y mit gleicher Nukleonenzahl und um 1 erhöhten
Protonenzahl.

Ein Beispiel für den β-Zerfall ist der Zerfall von Kohlenstoff-14 in das stabile Isotop Stickstoff-14:

Durch einige Meter Luft oder z. B. eine Plexiglasschicht lässt sich die Beta-Strahlung vollständig abschirmen. Die Reichweite der Strahlung hängt dabei von ihrer Energie und dem zur Abschirmung verwendeten Material ab.

Die Neutrinostrahlung ist sehr schwer nachzuweisen (und völlig unschädlich), da Neutrinos nur der schwachen Wechselwirkung unterliegen. Ein Strom von Neutrinos durchquert z. B. die gesamte Erde fast ungeschwächt.

β+-Zerfall

Beim β+-Zerfall wird im Kern ein Proton in ein Neutron und ein hochenergetisches Positron umgewandelt und ein Elektron-Neutrino emittiert. Die Nukleonenzahl des Kerns ändert sich dabei nicht, seine Ordnungszahl verringert sich um eins.

Die allgemeine Reaktionsgleichung des Beta-Plus-Zerfalls lautet

Der Mutterkern X mit Nukleonenzahl A und Protonenzahl Z zerfällt unter Aussendung eines Positrons
und eines Elektronneutrinos in den Tochterkern Y mit gleicher Nukleonenzahl und um 1 verminderter Protonenzahl.

Ein Beispiel für den β+-Zerfall ist der Zerfall von Stickstoff-13 in Kohlenstoff-13:

Elektroneneinfang, ε-Zerfall

Eine andere Möglichkeit zur Umwandlung eines Protons in ein Neutron besteht darin, ein Elektron aus der Atomhülle in den Kern zu „ziehen”, dem so genannten Elektroneneinfang (englisch: electron capture, kurz EC), auch ε-Zerfall genannt. Nach der Bezeichnung der typisch betroffenen Elektronenschale, der K-Schale, wird der Elektroneneinfang auch als K-Einfang bezeichnet. Das Proton des Kerns wird in ein Neutron umgewandelt, und ein Elektronneutrino emittiert.

Bei diesem Umwandlungsmechanismus ist der Kern denselben Änderungen unterworfen wie beim β + -Zerfall, die Nukleonenzahl bleibt unverändert, die Ordnungszahl verringert sich um eins. Der Elektroneneinfang konkurriert daher mit dem β + -Zerfall und wird auch als eine Variante des Betazerfalls angesehen. Da der β + -Zerfall die Energie für das emittierte Positron aufbringen muss, kommt energetisch nicht für jedes Nuklid, das mit Elektroneneinfang zerfällt, der β + -Zerfall in Frage. Da das eingefangene Elektron meist aus der innersten Elektronenschale stammt, wird in dieser ein Platz frei und Elektronen aus den äußeren Schalen rücken nach, wobei charakteristische Röntgenstrahlung emittiert wird.

Allgemein lautet die Gleichung für den Elektroneneinfang

Der Mutterkern X fängt ein Elektron aus der Atomhülle ein und wandelt sich unter Emission eines Elektronneutrinos
in den Tochterkern mit gleicher Nukleonenzahl und um 1 verminderter Protonenzahl um.

Ein Beispiel für den Elektroneneinfang ist der Zerfall von Nickel-59 zu Kobalt-59:

Doppelter Elektroneneinfang: Bei einigen Kernen ist ein einfacher Elektroneneinfang energetisch nicht möglich, sie können sich aber durch gleichzeitigen Einfang zweier Elektronen umwandeln. Die Halbwertszeiten derartiger Umwandlungen sind typischerweise sehr lang und konnten erst in jüngster Zeit nachgewiesen werden.

Ein Beispiel ist der Zerfall von Xenon-124 zu Tellur-124:

Doppelter Betazerfall

Hauptartikel: Doppelter Betazerfall

Bei einigen Kernen ist ein einfacher Betazerfall energetisch nicht möglich, sie können aber unter Abstrahlung zweier Elektronen zerfallen. Derartige Zerfälle haben typischerweise sehr lange Halbwertszeiten und sind erst in jüngster Zeit nachgewiesen worden.

Beispiel:

Bisher ist die Frage, ob beim doppelten Betazerfall stets zwei Neutrinos emittiert werden oder ob auch ein neutrinoloser doppelter Betazerfall vorkommt, nicht beantwortet.

Gammazerfall

Hauptartikel: Gammastrahlung

Ein γ-Zerfall (γ ist der kleine griechische Buchstabe gamma) ist möglich, wenn der Atomkern nach einem Zerfall in einem energetisch angeregten Zustand vorliegt. Beim Übergang in einen energetisch niedrigeren Zustand gibt der Atomkern durch Emission hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung, sogenannter γ-Strahlung, Energie ab.

Die Emission von Gammastrahlung verändert nicht die Neutronen- und Protonenzahl des emittierenden Kerns, es erfolgt lediglich ein Übergang zwischen zwei angeregten Kernzuständen oder einem angeregten Kernzustand und dem Grundzustand. Dies geschieht meist unmittelbar nach einem Beta- oder Alphazerfall. Die Bezeichnung Gamma"zerfall" ist insofern etwas irreführend, aber trotzdem übliche Nomenklatur.

Die allgemeine Gleichung für den Gammazerfall ist

Der angeregte Kern X regt sich unter Aussendung eines Gammaquants ab. Mutter- und Tochterkern
stimmen dabei überein
Zerfallsschema von 60Co

Ein bekanntes Beispiel ist die Aussendung von Gammastrahlung durch einen Nickel-60-Kern, der (meist) durch Betazerfall eines Cobalt-60-Kerns entstanden ist:

Das Zerfallsschema dieses Prozesses ist in der Grafik am rechten Rand dargestellt. 60Co, ein Isotop mit vielen praktischen Anwendungen, ist ein Betastrahler mit einer Halbwertszeit von 5,26 Jahren. Es zerfällt zu einem angeregten Zustand von Nickel-60, der praktisch sofort (< 1 ps) durch Emission von zwei Gammaquanten zum Grundzustand zerfällt.

Bei den praktischen Anwendungen von Co-60 und vielen anderen Radionukliden geht es sehr oft nur um diese Gammastrahlung; die Alpha- oder Betastrahlung wird in diesen Fällen durch das Gehäuse des radioaktiven Präparates abgeschirmt und nur die Gammastrahlung dringt nach außen.

Obwohl die Gammastrahlung aus dem Tochternuklid des Alpha- oder Betazerfalls kommt, ordnet man sie sprachlich immer dem Mutternuklid zu, spricht also vom „Gammastrahler Cobalt-60“ usw., denn die einzige praktisch brauchbare Quelle dieser Gammastrahlung ist ein Co-60-Präparat.

Zerfallsschema von 99mTc

Es kann allerdings sein, dass der angeregte Zustand ein Isomer ist, d. h., dass er eine ausreichend lange Halbwertszeit hat, die eine praktische Nutzung dieser Gammastrahlungsquelle getrennt von ihrer Erzeugung ermöglicht, wie im Falle von Technetium-99:

Dieses Technetium-Isotop mit einer Halbwertszeit von sechs Stunden wird in der medizinischen Diagnostik verwendet.

Zur Abschirmung von γ-Strahlung sind unter Umständen meterdicke Beton- oder Bleiplatten nötig, denn sie hat in Materie keine bestimmte Reichweite, sondern wird nur exponentiell abgeschwächt. Es gibt daher für jedes Abschirmmaterial eine von der Gammaenergie abhängige Halbwertsdicke. γ-Strahlung ist wie Licht elektromagnetische Strahlung, ihr Quant ist aber sehr viel energiereicher und liegt damit weit außerhalb des für das menschliche Auge sichtbaren Spektrums.

Innere Konversion

Die freiwerdende Energie beim Übergang eines Atomkerns in einen energetisch niedrigeren Zustand kann auch an ein Elektron der Atomhülle abgegeben werden. Diesen Vorgang nennt man Innere Konversion. Konversionselektronen sind im Gegensatz zu β-Teilchen monoenergetisch.

Der angeregte Kern X regt sich ab. Die dabei freiwerdende Energie geht auf ein Elektron der Atomhülle über.

Radioaktive Zerfälle sind Prozesse, die nur im Atomkern stattfinden. Im Falle der inneren Konversion überträgt sich die bei der Umwandlung freiwerdende Energie auf ein Elektron in der Atomhülle. Nach dem Zerfall fehlt also eine negative Ladung und es bleibt ein positives Ion zurück.

Weitere Zerfallsarten

Spontane Spaltung

Die spontane Spaltung ist ein weiterer radioaktiver Umwandlungsprozess, der bei besonders schweren Kernen auftritt. Der Atomkern zerfällt in zwei oder mehrere Bruchstücke. Dabei entstehen in der Regel zwei etwa gleichgroße Tochterkerne und zwei oder drei Neutronen. Es ist eine Vielzahl verschiedener Tochterkernpaare möglich, jedoch sind die Summe der Kernladungszahlen und die Summe der Massenzahlen stets gleich denen des Ursprungskerns. Beispiele:

Auch die natürlich vorkommenden Uranisotope zerfallen zu einem kleinen Teil durch spontane Spaltung.

Spontane Nukleonenemission

Bei Kernen mit besonders hoher oder besonders geringer Neutronenzahl kann es zu spontaner Nukleonenemission, also Protonen- oder Neutronenemission kommen. Atomkerne mit sehr hohem Protonenüberschuss können ein Proton abgeben, Atomkerne mit hohem Neutronenüberschuss können Neutronen abgeben.

Helium-5 sendet zum Beispiel spontan ein Neutron aus:

5He → 4He + 1n

Bor-9 spaltet dagegen ein Proton ab, um den Überschuss auszugleichen: 9B → 8Be + 1p

Clusterzerfall

Statt einzelner Nukleonen oder Helium-4-Kerne werden in sehr seltenen Fällen auch größere Atomkerne emittiert. Beispiele:

Zwei-Protonen-Zerfall

Bei extremem Protonenüberschuss (wie zum Beispiel bei Eisen-45) kann der Zwei-Protonen-Zerfall auftreten, bei dem sogar zwei Protonen gleichzeitig abgestrahlt werden.

45Fe → 43Cr + 2 1p

Übersicht

Zerfallsmodus teilnehmende Teilchen Tochterkern
Zerfälle unter Aussendung von Nukleonen
Alphazerfall Ein Alphateilchen (A=4, Z=2) wird ausgesandt. (A-4, Z-2)
Protonenemission Ein Proton wird ausgesandt. (A-1, Z-1)
Neutronenemission Ein Neutron wird ausgesandt. (A-1, Z)
Doppelte Protonenemission Zwei Protonen werden gleichzeitig ausgesandt. (A-2, Z-2)
Spontane Spaltung Der Kern zerfällt spontan in zwei oder mehr Tochternuklide und meist 2 oder 3 Neutronen. -
Clusterzerfall Der Kern sendet einen kleineren Kern (typ. 6% bis 20% der ursprünglichen Größe) mit Ac, Zc aus.
Bei Ac=4, Zc=2 handelt es sich um einen Alphazerfall.
(A-Ac, Z-Zc) + (Ac,Zc)
Verschiedene Betazerfälle
Beta-Minus-Zerfall Ein Kern sendet ein Elektron und ein Antineutrino aus. (A, Z+1)
Beta-Plus-Zerfall Positronenemission; Ein Kern sendet ein Positron und ein Neutrino aus. (A, Z-1)
Elektroneneinfang Ein Kern absorbiert ein Elektron aus der Atomhülle und emittiert ein Neutrino. Der Tochterkern verbleibt in einem angeregten, instabilen Zustand. (A, Z-1)
Doppelter Betazerfall Ein Kern sendet zwei Elektronen und zwei Antineutrinos aus. (A, Z+2)
Doppelter Elektroneneinfang Ein Kern absorbiert zwei Elektronen aus der Atomhülle und emittiert zwei Neutrinos. Der Tochterkern verbleibt in einem angeregten, instabilen Zustand. (A, Z-2)
Elektroneneinfang mit Positronenemission Ein Kern absorbiert ein Elektron aus der Atomhülle und emittiert ein Positron und zwei Neutrinos. (A, Z-2)
Doppelte Positronenemission Doppelte Positronenemission; Ein Kern sendet zwei Positronen und zwei Neutrinos aus. (A, Z-2)
Übergänge zwischen Zuständen desselben Kerns
Gammazerfall Ein angeregter Kern emittiert ein hochenergetisches Photon (Gammaquant). (A, Z)
Innere Konversion Ein angeregter Kern überträgt Energie auf ein Hüllenelektron, welches das Atom verlässt. (A, Z)

Zerfallsreihen

Hauptartikel: Zerfallsreihe

Im Allgemeinen sind die Zerfallsprodukte nicht stabil. In den meisten Fällen sind die Tochterkerne ihrerseits wieder radioaktiv und zerfallen gemäß ihrer eigenen Halbwertszeiten. Auf diese Weise entsteht eine Abfolge von radioaktiven Zerfällen, bis schließlich ein stabiler Kern als Endprodukt übrig bleibt. Diese Aufeinanderfolge radioaktiver Zerfälle heißt Zerfallsreihe (oder Zerfallskette).

Eine Zerfallsreihe kann viele verschiedene Isotope durchlaufen, welche über verschiedene Zerfallsarten desintegrieren. Das Isotop Uran-238 beispielsweise zerfällt unter Aussendung eines Alpha-Teilchens in Thorium-234, dieses wandelt sich dann durch einen Betazerfall in Protactinium-234 um, welches wieder instabil ist und so fort. Nach insgesamt 14 Zerfällen erreicht diese Zerfallsreihe ein Ende beim stabilen Kern Blei-206. Da manche Kerne auf verschiedene Weisen zerfallen können, können von einem Mutterkern auch mehrere Zerfallsreihen ausgehen. So geht zum Beispiel Bismut-212 zu etwa 64 % durch einen Betazerfall in Polonium-212, und zu etwa 36 % durch einen Alphazerfall in Thallium-208 über.

Die mittleren Lebensdauern der einzelnen Isotope einer Kette kann sehr stark variieren; von Sekundenbruchteilen bis hin zu mehreren Milliarden Jahren und darüber hinaus. So geschieht es auch, dass eine ursprünglich reine Probe eines radioaktiven Materials mit der Zeit in ein Gemisch verschiedener radioaktiver Isotope übergeht. Dabei werden sich langlebige Isotope stärker ansammeln, solche mit kurzer Lebensdauer dagegen in geringerem Ausmaß. Deswegen gibt man, insbesondere wenn die Halbwertszeit des Tochterkerns größer ist als die des Mutterkerns, auf der Probe oft auch das entstehende Tochterisotop mit an. Für physikalische Untersuchungen können diese natürlich entstehenden Verunreinigungen einer Probe eventuell störend sein. Daher verwendet man in entsprechenden Experimenten häufig radioaktive Isotope, deren Tochterkerne entweder stabil sind oder eine sehr kurze Lebensdauer besitzen und praktisch sofort selbst zerfallen.

Größen und Maßeinheiten

Aktivität

Als Aktivität bezeichnet man die Anzahl der Zerfallsereignisse pro Zeiteinheit, die in einer Probe eines radioaktiven oder radioaktiv kontaminierten Stoffes auftritt.

Becquerel (Bq)
1 Bq = 1 Zerfall pro Sekunde. SI-Einheit der Aktivität.

auf Wirkung ionisierender Strahlung bezogen

Hauptartikel: Ionisierende Strahlung#Größen und Maßeinheiten

Zu den Größen und Maßeinheiten, die sich auf Wirkung ionisierender Strahlung (aus radioaktiven oder anderen Quellen) beziehen, gehören:

Messgeräte für Radioaktivität

Hauptartikel: Teilchendetektoren und Strahlungsdetektoren

In der Kernphysik gibt es für den Nachweis und die Messung der verschiedensten Teilchenstrahlen eine Vielzahl von Detektoren, die jeweils für die Untersuchung bestimmter Elementarteilchen oder Messgrößen ausgelegt sind. Oft handelt es sich dabei um spezielle Großgeräte, die allein für die Forschung bestimmt sind (Teilchendetektor). Zum praktischen Nachweis Strahlung radioaktiver Stoffe benötigt man dagegen kleine, leichte und mobile Geräte wie den Geigerzähler. Für den Strahlenschutz werden zur Messung der individuellen Strahlenbelastung verschiedene Dosimeter verwendet.

Ionisationskammern und Nebelkammern sind zum Nachweis von Alpha-, Beta- und Gammastrahlung verwendbar, Szintillationszähler (gekoppelt mit Fotomultipliern) und Halbleiterdetektoren dienen der Detektion von Beta- und Gammastrahlen.

Die allererste Messung, die eine quantitative Aussage über die Strahlung machte, wurde von Pierre Curie und Marie Curie mit Hilfe eines Elektroskops durchgeführt. Allerdings misst dieses nicht direkt die Strahlung, sondern die durch Ionisation verminderte elektrische Ladung.

Anwendungen

Technische Anwendung

Wichtige Anwendungen, welche die Radioaktivität von Stoffen ausnutzen, sind die Altersbestimmung von Objekten und die Materialprüfung.

In der Archäologie, Kunstwissenschaft, Geologie und Paläoklimatologie werden Messungen der Konzentration radioaktiver Isotope zur Altersbestimmung verwendet, z. B. die Radiokohlenstoffdatierung (Radiokarbonmethode).

Eine technische Anwendung ist die Dickenmessung und Materialprüfung mittels Durchstrahlung. Hierbei wird ein Material mit Gamma-Strahlen bestrahlt und ein Zähler ermittelt aufgrund der durchdringenden Strahlen und des Absorptionsgesetzes die mittlere Dichte bei bekannter Schichtdicke oder umgekehrt die Schichtdicke bei bekannter Dichte. Die Strahlung kann auch auf einem Röntgenfilm hinter der Materialschicht ein Bild erzeugen. In dieser Form wird die Durchstrahlungsprüfung bei Werkstoffen angewandt.

Auch radiometrische Füllstandmessungen in Großbehältern mit Schüttgut oder Granulaten werden mit Gamma-Durchstrahlung von einer zur anderen Behälterwand ausgeführt.

Weitere Anwendungen sind die Elementanalyse (siehe Gammaspektroskopie) und Präzisionsmessungen in der chemischen Analytik (siehe Mößbauer-Effekt). Des Weiteren wurden vereinzelt Blitzableiter mit Spitzen aus radioaktivem Material installiert, obgleich deren Wirksamkeit nie bewiesen werden konnte.

Medizinische Anwendung

Die Anwendung offener radioaktiver Stoffe am Menschen ist Gegenstand der Nuklearmedizin.

In der nuklearmedizinischen Diagnostik wird meist die Szintigrafie angewendet. Dabei werden geringe Mengen einer γ-strahlenden Substanz (Tracer) am Patienten angewendet („appliziert“), zum Beispiel in eine Vene gespritzt oder eingeatmet. Die vom Tracer ausgehende Strahlung wird außerhalb des Körpers von einer auf Szintillationsdetektoren beruhenden Gammakamera registriert und ergibt eine zweidimensionale bildliche Darstellung. Moderne Weiterentwicklungen der Methode erlauben mittels Computertomographie dreidimensionale Darstellungen (Single Photon Emission Computed Tomography, SPECT); ein weiteres bildgebendes Verfahren in der Nuklearmedizin, das auch dreidimensionale Bilder liefert, ist die Positronen-Emissions-Tomografie (PET). Mit radioaktiven Stoffen können auch bestimmte Laboruntersuchungen durchgeführt werden, zum Beispiel der Radioimmunoassay.

In der nuklearmedizinischen Therapie werden reine oder überwiegende β-Strahler verwendet. Die häufigsten Anwendungsgebiete sind die Radioiodtherapie bei gutartigen und bösartigen Erkrankungen der Schilddrüse, die Radiosynoviorthese bei bestimmten Gelenkerkrankungen und die Radionuklidbehandlung zur Schmerzlinderung bei Knochenmetastasen.

Gefährlichkeit

Hinsichtlich der Gefährlichkeit von Radioaktivität müssen verschiedene Risiken unterschieden werden:

  • Strahlenbelastung als Fernwirkung (siehe auch Dosiskonversionsfaktor#Beispiele)
  • Kontamination (Verunreinigung) mit radioaktivem Material, die unter Umständen zu lange andauernder Bestrahlung führen kann, z. B. bei Kontamination der Haut
  • Inkorporation (Aufnahme) radioaktiver Substanz in den Körper durch Einatmen (Inhalation) oder Essen/Trinken (Ingestion).

Diese Begriffe werden in Berichterstattung und Öffentlichkeit oft verwechselt. Entsprechend wird beispielsweise der Begriff „verstrahlt“ falsch anstatt kontaminiert benutzt; Verstrahlung bedeutet – analog der Verbrennung – eine durch Bestrahlung hervorgerufene erhebliche Schädigung oder Verletzung.

Für die zum Teil gefährliche biologische Wirkung ist nicht die Radioaktivität an sich sondern die davon ausgehende ionisierende Strahlung verantwortlich.

Warnsymbole

(1) Neues Warnzeichen direkt an gefährlichen radioaktiven Strahlern (Vorschlag, bislang nicht gültig)

Weil das bisher verwendete Warnzeichen (, Trefoil genannt, im Unicode an Code-Position U+2622) oft nicht als Warnung vor starken radioaktiven Strahlern erkannt wurde, kam es vor allem in Entwicklungsländern schon zu tödlichen Unfällen, weil Menschen ein stark strahlendes Nuklid aus seiner Abschirmung entnahmen (zum Beispiel der Goiânia-Unfall in Brasilien im Jahr 1987). Am 15. Februar 2007 gab deshalb die IAEO bekannt, dass direkt an Nukliden der Strahlungskategorie 1, 2 und 3 [1] ein neues, auffälligeres Warnschild angebracht werden soll. Dieses warnt mit Hilfe von aussagekräftigen Symbolen vor der tödlichen Gefahr durch radioaktive Strahlung und fordert zur Flucht auf. Am Behälter selbst soll weiterhin nur das alte Symbol angebracht werden, da er die Strahlung soweit abschirmt, dass sie keine unmittelbare Gefahr darstellt. Durch die Normung als ISO Norm 21482 soll das neue Warnschild für gefährliche Strahlenquellen möglichst schnell und international verbindlich eingeführt werden. Bei schwachen Strahlenquellen soll keine Änderung der Kennzeichnung erfolgen. [2] Die Entwicklung von Symbolen zur Warnung der Nachwelt vor radioaktiven Gefahren ist Gegenstand der Atomsemiotik.

Literatur

  • Stolz, Werner: „Radioaktivität. Grundlagen, Messung, Anwendungen“, 2005, Teubner Verlag, ISBN 978-3519530220
  • B. Povh, K. Rith, C. Scholz, Zetsche: „Teilchen und Kerne. Eine Einführung in die physikalischen Konzepte“, 2006, Springer, ISBN 978-3540366850
  • K. Bethge, G. Walter, B. Wiedemann: „Kernphysik“, März 2001, Springer, ISBN 978-3540414445
  • Krieger, Hanno: „Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes“, 2007, Teubner, ISBN 978-3835101999
  • IAEO: „IAEA Safety Glossary. Terminology Used in Nuclear Safety and Radiation Protection“, 2007, IAEA Publications, ISBN 92-0-100707-8
  • M. G. Stabin: „Radiation Protection and Dosimetry. An Introduction to Health Physics“, 2007, Springer, ISBN 978-0387499826
  • Knoll, Glenn: „Radiation Detection and Measurement“, 2007, Wiley & Sons, ISBN 978-0471073383

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. New Symbol Launched to Warn Public About Radiation Dangers
  2. Flash Video der IAEO

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