Lettischer Unabhängigkeitskrieg

Lettischer Unabhängigkeitskrieg

Als lettischer Unabhängigkeitskrieg werden die bewaffneten Auseinandersetzungen auf dem Staatsgebiet Lettlands von der Ausrufung der Republik am 18. November 1918 bis zum Friedensschluss mit der Sowjetunion am 11. August 1920 bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Begriff und Überblick

Die Kämpfe werden im heutigen Lettland auch als Lettischer Befreiungskrieg (Latvijas Atbrīvošanas Karš) bezeichnet. Neben der Durchsetzung der staatlichen Unabhängigkeit gegenüber Russland wird bei diesem Begriff auch die Beseitigung der jahrhundertealten deutsch-baltischen Vormachtstellung betont. In der Sowjetunion und der Lettischen SSR wurde die Periode als Teil der ausländischen Intervention im Russischen Bürgerkrieg aufgefasst.

Der Lettische Unabhängigkeitskrieg war zugleich ein Bürgerkrieg. 1919 bestanden zeitweise drei verschiedene lettische Regierungen. Die von Moskau unterstützte sozialistische Regierung von Pēteris Stučka hatte dabei Anfangs den größten Rückhalt im lettischen Volk. Die bürgerliche Regierung mit dem Ministerpräsidenten Kārlis Ulmanis stützte sich auf die siegreichen alliierten Mächte des Ersten Weltkriegs, war jedoch zeitweise auf deutsche und estnische Waffenhilfe gegen das sowjetische Lettland angewiesen. Nach einem Militärputsch der deutsch-baltischen Minderheit gegen Ulmanis bestand für eine kurze Zeit eine dritte Regierung mit Andrievs Niedra als Ministerpräsidenten, die sich auf die anwesende deutsche Militärmacht stützte.

Nach mehreren militärischen Niederlagen arrangierte sich Sowjetrussland mit den neuen bürgerlichen Staaten Lettland, Estland und Litauen, um Kräfte für andere Fronten des russischen Bürgerkriegs freizubekommen. Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles am 28. Juni 1919 verlor auch die deutsche Machtpolitik im Baltikum ihre Grundlage. Ein abenteuerlicher Versuch der anwesenden Militärs mit Hilfe weißer russischer Kräfte weiterhin eine den Interessen der Alliierten zuwiderlaufende Politik zu betreiben, scheiterte im Herbst 1919 an der inzwischen gefestigten bürgerlich lettischen Armee. Eine großangelegte Offensive aller anti-sowjetischen Kräfte kam im Baltikum nicht zustande. Nachdem sich der sowjetische Sieg im Bürgerkrieg abzeichnete, gaben die westlichen Alliierten ihre Interventionspolitik auf, so dass die Existenz der Randstaaten auch von dieser Seite gesichert war.

Chronologie

1918

  • März 1918: Nach Scheitern der Verhandlungen mit Sowjetrussland besetzt die deutsche 8. Armee das gesamte Gebiet Lettlands.
  • 11. November 1918: Der Waffenstillstand von Compiegne beendet den Ersten Weltkrieg.
  • 18. November 1918: Der lettische Volksrat ruft die unabhängige Republik Lettland aus. Vorläufige Anerkennung durch Großbritannien
  • 26. November 1918: Anerkennung der Regierung durch die deutsche Besatzungsmacht mit Übergabe der Zivilverwaltung.
  • 27. November 1918: Deutschland wird aufgrund § 12 des Waffenstillstands von Compiegne zur Verteidigung des lettischen Staatsgebiets gegen Sowjetrussland verpflichtet.
  • Dezember 1918: Einmarsch von sowjetischen Truppen in Lettland.
  • 17. Dezember 1918: Ausrufung der Lettischen Räte-Republik.
  • 27. Dezember 1918: Vertrag der bürgerlichen lettischen Regierung über reichsdeutsche Freiwilligenverbände zum Schutz des lettischen Staatsgebiets vor den Bolschewisten.

1919

  • 4. Januar 1919: Besetzung Rigas durch Sowjettruppen.
  • Januar 1919: Vorstoß der Sowjettruppen bis an den Fluss Venta.
  • Januar 1919: Gegenoffensive der estnischen Armee im Osten und Süden Estlands.
  • 7. Januar 1919: Entstehung von national-lettischen Einheiten in Estland.
  • 3. März 1919: Gegenoffensive von vereinigten deutschen, baltischen und national-lettischen Truppen in Kurland.
  • 16. April 1919: Baltenputsch in Liepāja.
  • 22. Mai 1919: Eroberung Rigas
  • 6. Juni 1919: Gefechte zwischen baltischer Landeswehr und der estnischen Armee bei Cēsis
  • 22. Juni 1919: Schlacht bei Cēsis
  • 3. Juli 1919: Waffenstillstand von Strasdenhof.
  • 6. Juli 1919: Einmarsch des lettischen Nordkorps in Riga. Bildung einer neuen bürgerlichen Regierung und der lettischen Armee.
  • 19. Juli 1919: Abkommen über den Abtransport der reichsdeutschen Truppen.
  • August/September 1919: Bildung der russischen Bermondt-Armee mit deutschen Freikorps in Kurland.
  • 8. Oktober 1919: Angriff der Bermondt-Armee auf Riga.
  • 3. November 1919: Offensive der lettischen Armee in Kurland.
  • 23. November 1919: Kriegserklärung Lettlands an das Deutsche Reich.

1920

  • 3. Januar 1920: lettisch-polnische Offensive in Lettgallen.
  • 13. Januar 1920: Die lettische Räteregierung tritt zurück.
  • 1. Februar 1920: Waffenstillstand zwischen der Republik Lettland und Sowjet-Russland.
  • 15. Juli 1920: Friedensschluss Lettlands mit Deutschland.
  • 1. August 1920: Abschluss des Friedens von Riga (1920) mit Sowjetrussland.

Vorgeschichte

Soziale Verhältnisse im 19. Jahrhundert

Zwischen 1817 und 1819 fand in den Ostseeprovinzen des Russischen Imperiums die Bauernbefreiung statt. 1861, zusammen mit dem übrigen Russland, auch in der Landschaft Lettgallen. Dadurch wurde es vielen Letten möglich höhere Berufe auszuüben und sich Bildung anzueignen. In Städten wie St. Petersburg und Riga bildete sich eine völkische Intelligenz. In der Bewegung der Neuen Strömung wurden erstmals Forderungen nach nationaler Selbstbestimmung erhoben.

Die sozialen Gegensätze im russischen Imperium verliefen im Baltikum weitgehend entlang der ethnischen Gruppen. Der Hass der vielen Landlosen richtete sich gegen die Herrschaft und Kultur der deutsch-baltischen Barone, Pfarrer, Rechtsanwälte etc. Revolutionäre Parolen fanden einen breiten Widerhall auch bei der einfachen Bevölkerung. Als die Revolution 1905 ausbrach, kam der Gegensatz zwischen Deutsch-Balten und Letten erstmals zu blutigem Ausbruch.

Erster Weltkrieg bis 1917

Die Bevölkerung Lettlands litt besonders unter dem Krieg, da die Frontlinie lange Zeit durch das Land verlief. Als die Deutsche Armee 1915 Kurland eroberte, wurden mehrere zehntausend Einwohner ins innere Russland zwangsevakuiert. Die deutsch-baltische Minderheit im Land war starken Repressalien seitens der zaristischen Behörden ausgesetzt, obwohl die meisten wehrfähigen Männer loyal in der russischen Armee gegen Deutschland kämpften. Die deutschen und russischen Armeen versorgten sich teilweise aus dem Land und zehntausende verarmte Flüchtlinge mussten versorgt werden. Wie im übrigen Europa sah die kriegsmüde Bevölkerung die alten herrschenden Schichten als Schuldige am Elend.

1916 wurden erstmals nationale lettische Schützenregimenter gebildet, die sich im Kampf gegen Deutschland bewährten, aber auch hohe Verluste hatten, besonders während der Aa-Schlachten (Митавская операция, Ziemassvētku kaujas) vom 5.-11. Januar 1917.

Nach der Februarrevolution 1917

Nach der Februarrevolution in Russland bildeten sich auch lettische politische Parteien. Die bedeutendsten waren die lettischen Bolschewiki, die lettischen Menschewiki und der lettische Bauernverband. Als klar wurde, dass die Regierung Kerenskis eine kulturelle und politische Autonomie Lettlands nicht dulden würde, setzte sich der Bauernverband erstmals die volle staatliche Unabhängigkeit Lettlands von Deutschland und Russland zum Ziel. Vor allem in England wurde versucht, Unterstützung zu finden.

Auch seitens der Deutsch-Balten wurde versucht, in Anlehnung an das Deutsche Reich durch die Bildung eines Vereinigten Baltischen Herzogtums eine staatliche Loslösung von Rußland zu erreichen.

Nach der Oktoberrevolution 1917

Die Herrschaft der Bolschewiki nach der Oktoberrevolution dauerte im Baltikum nicht sehr lange. Im März wurde das gesamte Gebiet von der deutschen 8. Armee besetzt.

Die lettischen Schützenregimenter gingen frühzeitig zu den Bolschewiki über und wurden im Bürgerkrieg eingesetzt.

Mit dem Sieg der Entente Cordiale im Ersten Weltkrieg waren die Voraussetzungen für eine Unabhängigkeit Lettlands gegeben:

  • In Deutschland brachte die Novemberrevolution eine sozialistische Regierung hervor. Durch die Kriegsniederlage war Deutschland außenpolitisch machtlos.
  • In Russland tobte der Bürgerkrieg so das auch hier keine starke einheitliche Macht vorhanden war.
  • Um Deutschland von Russland zu trennen wurde von vielen Politikern der Entente die Schaffung einer Kette kleiner nationaler Staaten in Osteuropa erwogen. Der amerikanische PräsidentWoodrow Wilson hatte zudem das Selbstbestimmungsrecht der Völker verkündet.

Erster Abschnitt: Abwehr der sowjetischen Invasion

Lettische Staatsgründung und Entwicklung 1918

Am 11. November 1918 beendete der Waffenstillstand von Compiegne die Kampfhandlungen des 1. Weltkriegs. Die neue deutsche Regierung gab Anweisungen, die besetzten Ostgebiete zu räumen. Anders als in der Ukraine und Polen wurde jedoch erwogen, das Baltikum nach Möglichkeit noch länger besetzt zu halten. Die deutsche Armeeführung betrachtete einen schnellen Abtransport aufgrund von Meutereien ihrer Truppen jedoch als unumgänglich. Die Masse der Soldaten strebte nach Hause und sah keinen Sinn darin, nach dem verlorenen Krieg ihre Haut für die Interessen der "baltischen Barone" zu Markte zu tragen. Neugebildete Soldatenräte nahmen eigenständig Verhandlungen mit den Bolschewiki auf, die bereits zum Marsch nach Westen aufmarschierten.

Am 18. November 1918 erklärte der lettische Volksrat in Riga die Republik Lettland für unabhängig und wählte Kārlis Ulmanis zum Ministerpräsidenten. Die vorläufige Anerkennung bis zu einer Friedenskonferenz durch England war bereits vorher durch den nunmehrigen Außenminister Zigfrīds Meierovics sichergestellt worden. Am 26. November erfolgte die Anerkennung auch seitens Deutschlands.

Die lettische Regierung hatte mit vielen Problemen zu kämpfen. Da sie weder über Geld noch Machtmittel verfügte, war sie auf Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzungsmacht angewiesen. Die Vertreter der jüdischen, deutsch-baltischen und russischen nationalen Minderheiten erkannten sie nicht an und auch in der lettischen Bevölkerung hatte sie wenig Rückhalt. Die Masse der Arbeiter und Landlosen erwartete von den Bolschewiki Landverteilung und Herrschaft des Proletariats. Zusätzlich bestanden die sowjetischen Invasionstruppen hauptsächlich aus den eigenen lettischen Schützenregimentern.

Die Engländer setzten als Machtmittel ein Geschwader in der Ostsee ein. Eine Anlandung von eigenen Truppen wurde jedoch nicht in Betracht gezogen. Bis sich die neuen Staaten selbst verteidigen konnten sollten stattdessen aufgrund des § 12 des Waffenstillstands von Compiegne die unterlegenen deutschen Truppen zum Schutz des lettischen Staatsgebiets verpflichtet werden.

Um diese Aufgabe zu erfüllen, den Abtransport des Heeresguts zu sichern und politischen Einfluss im Baltikum zu wahren, wurde vom Reichsbevollmächtigten für das Baltikum August Winnig, dem AOK 8 und dem Soldatenrat Rigas die Werbung von Freiwilligen aus den sich auflösenden Heereseinheiten betrieben. Nach einem Vertrag vom 7. Dezember sollten außerdem die Truppen der lettischen Republik als Baltische Landeswehr auf 18 lettische 7 baltendeutsche und eine russische Kompanien erhöht werden. Ausrüstung und Verpflegung sollte vorerst das Deutsche Reich stellen, zum Kommandeur ein Offizier eines neutralen Staates werden.

Die Politik der auswärtigen Mächte im Baltikum

  • Im Zuge der geplanten Ausbreitung der Weltrevolution wurde Lettland von der bolschewistischen Führung als Brücke nach Westeuropa angesehen. Bereits im Oktober 1918 begannen Planungen über Lettland auf Ostpreußen vorzurücken. Hierfür sollten hauptsächlich die roten lettischen Schützenregimenter eingesetzt werden. Am 17. Dezember deklarierte Pēteris Stučka eine lettische Sowjetrepublik als alleinige Macht in Lettland.
  • Alle Führer der weißen Bewegung betonten die territoriale Integrität Russlands und erkannten die Staatsgründungen im Baltikum nicht an.
  • Die Politik der Alliierten des Weltkriegs war in Bezug auf das Baltikum nicht einheitlich. Das Gebiet wurde in eine französische (Polen, Litauen, Memelgebiet) und eine englische (Lettland und Estland) Interessensphäre aufgeteilt. England verfolgte auch wirtschaftliche Interessen im Baltikum. Die lettische Regierung sollte im Kampf gegen die Sowjets unterstützt werden. Eine endgültige de jure Anerkennung wurde jedoch verweigert, da nach einem Sieg der weißen Truppen im Bürgerkrieg mit einem Verschwinden der Randstaaten gerechnet wurde. Die maßgebenden amerikanischen Politiker sahen in humanitärer Hilfe die beste Waffe gegen den Bolschewismus und verlegten sich deshalb in erster Linie auf die Sendung von Nahrungsmitteln und Hilfslieferungen durch das Amerikanische Hilfswerk.
  • Für die deutsche Regierung der Volksbeauftragten hatte das Baltikum zunächst keine besondere Bedeutung. Die deutsch-baltische Minderheit war zu unbedeutend. Um Ostpreußen vor der sowjetischen Armee zu schützen, wurden ab Dezember 1918 freiwillige Truppen angeworben. Allerdings wurden von den maßgebenden deutschen Vertretern im Baltikum eine eigenständige Politik betrieben, welche hauptsächlich eine Abmilderung der Kriegsniederlage durch die Erringung einer militärischen Machtstellung zum Ziel hatte und einen zunehmenden Gegensatz zur eigenen Regierung zur Folge hatte.

Offensive der sowjetischen Truppen bis Januar 1919

Für den Angriff auf das Baltikum wurden auf Befehl des Oberkommandierenden Jukums Vācietis Truppen mit einer Stärke von rund 22 000 Mann bereitgestellt. Die 7. bolschewistische Armee sollte entlang der Bahnlinien beiderseits des Peipussees vorgehen, die Westarmee entlang der Daugava auf Riga operieren. In den Gefechten am 26. November bei Pleskau und am 29. November bei Narva zeigte sich bereits der geringe Widerstandswille der deutschen Truppen, deren Soldatenräte teilweise selbständig Stellungen übergaben und Heeresgut verkauften. Am 17. Dezember wurde der wichtige Eisenbahnknotenpunkt Walk eingenommen. Dadurch drohte den weiter nördlich stehenden deutschen Kräften ein Abgeschnittenwerden. Angesichts des geringen Widerstands wurde die Masse der sowjetischen 7. Armee nach Süden Richtung Riga abgedreht. Die verbliebenen sowjetischen Truppen in Südestland sollten sich deshalb später als zu schwach erweisen.

Von der lettischen Bevölkerung mit Spruchbändern begrüßt gingen die sowjetischen Truppen weiter vor. Die deutsche 8. Armee leistete keinen Widerstand und ein Versuch von gemischten freiwilligen Truppen der Baltischen Landeswehr und der Eisernen Brigade eine Front aufzubauen scheiterten. Die im Rigaer Hafen anwesenden englischen Kriegsschiffe griffen nicht aktiv in die Kämpfe ein.

In ihrer Notlage schloss die lettische bürgerliche Regierung am 29. Dezember 1918 einen Vertrag, der allen reichsdeutschen Freiwilligen, die sich am Kampf gegen den Bolschewismus beteiligen, das lettische Bürgerrecht garantierte. Zwei Tage später wechselte eine der drei lettischen Kompanien in Riga die Seiten und musste von baltendeutschen Truppen mit Hilfe der englischen Schiffsartillerie entwaffnet werden. Am 4. Januar 1919 wurde Riga geräumt. Auf Schiffen und per Eisenbahn wurden noch zu letzter Stunde Flüchtlinge abtransportiert. Beträchtliche Kriegsgüter blieben zurück. Auch das englische Kriegsschiff verließ den Hafen.

Die sowjetischen Truppen zogen am 4. Januar in Riga ein und hatten bereits am 9. Januar Jelgava besetzt. Dann erlahmte die Offensive allmählich und die Front kam an der Venta zum Stehen. An der nördlichen Front in Estland mussten die sowjetischen Truppen seit dem 7. Januar sogar eine Gegenoffensive abwehren und wurden bis 4. Februar vom estnischen Staatsgebiet vertrieben.

Situation in Libau

Die Angehörigen der lettischen bürgerlichen Regierung, die nicht ins Ausland geflohen waren, befanden sich nun in Libau und waren durch den Verlust des Staatsgebietes in eine noch schlechtere Lage gekommen. Militärisch war die Regierung vollständig von Deutschland abhängig. Versuche, lettische Truppen im unbesetzten Gebiet auszuheben, hatten wenig Erfolg. Die lettländischen Streitkräfte bestanden zum Großteil aus Deutsch-Balten und wurden zudem von Deutschland bezahlt. Eine Zusammenarbeit mit der politischen Vertretung der Deutsch-Balten, dem Baltischen Nationalaussschuss, wurde jedoch verweigert, da dies eine Anerkennung der Besitzrechte der großen Landeigentümer bedeutet hätte. Mit Rücksicht auf die Entente-Staaten und die lettische Bevölkerung wurde stattdessen ein deutschfeindlicher Kurs eingeschlagen. Gleichzeitig wurde von Deutschland ein Darlehen ohne Gegenleistung gefordert und ihr der Status als Besatzungsmacht abgesprochen. Die praktische Hilfe der westlichen Alliierten, auf welche die Regierung setzte, blieb jedoch sehr gering. Aus Mangel an Geldmitteln musste Ministerpräsident Ulmanis auf eine Rundreise gehen, um bei den Staaten Litauen, Dänemark und Schweden ein Darlehen zu erbitten. Ein positives Ergebnis dieser Reise war ein Vertrag am 18. Februar über die Aufstellung von lettischen Verbänden auf estnischem Staatsgebiet. Diese Einheiten unter dem Befehl von Jorģis Zemitāns waren von Deutschland unabhängig und wurden später zur Nordlettischen Brigade ausgebaut.

Im Januar wurde die militärische Verteidigung deutscherseits reorganisiert. Durch neue Truppen und die Berufung energischer Kommandeure wie Josef Bischoff und Alfred Fletcher wurden erste Gegenangriffe möglich. Anfang Februar übernahm der General Rüdiger von der Goltz, der bereits im Finnischen Bürgerkrieg Erfahrungen im Kampf gegen die Sowjets gesammelt hatte, den Oberbefehl über alle Truppen in Kurland. Ihm standen Ende Februar 1919 frontfähige Truppen in Stärke von etwa 13 000 Mann zur Verfügung.[1]

Situation Rätelettlands

Die sowjetischen Verbände wurden Anfang Januar 1919 als besondere Armee der lettischen SSR unter dem Befehl von Pēteris Avens gegliedert. Diese Armee bestand Ende Januar aus der 1. lettischen Division, der Internationalen Division und der Nowgoroder Division und kam durch Zwangsaushebungen auf eine Stärke von etwa 20 000 Mann.[2] Nach der Niederschlagung des Spartakus-Aufstands in Deutschland und Konsolidierung der gegnerischen Abwehr wurde ein Vorstoß nach Ostpreußen zur Ausweitung der Weltrevolution jedoch zunehmend utopisch. Im Februar 1919 wurde der Schwerpunkt der sowjetischen Angriffe nach Estland verlegt, um nach Ausschaltung dieser Flankenbedrohung weiter nach Westen vorzurücken. Gleichzeitig verlor der baltische Kriegsschauplatz durch die beginnenden Offensiven Koltschaks in Sibirien und die Intervention Frankreichs in der Ukraine für die sowjetrussische Führung an Bedeutung.

Auch der Rückhalt bei der lettischen Bevölkerung verringerte sich, da die versprochene Landverteilung nicht stattfand und durch den Abtransport von Lebensmitteln ins Innere Russlands die Versorgungslage angespannt war. Die lettischen Gewehrschützen zeigten wenig Eifer gegen Estland zu kämpfen und in Lettgallen bildeten sich sogar sogenannte "Grüne" Partisanengruppen, die gegen die Sowjetbehörden aufbegehrten.

Die deutsch-baltische Bevölkerung als Ganzes, sowie die besitzenden Letten und Juden hatten im Gebiet Rätelettlands indessen starke Repressalien zu erdulden. Durch immer neue Dekrete sollte der Bourgeoisie die Lebensgrundlage genommen werden. Der 3. Rätekongress Lettlands erklärte am 13. Januar 1919: "Wir haben keine nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit urteilenden Gerichte, sondern eine Abrechnung mit unserem Gegner, dem alle früheren Rechte genommen werden und der vom gesellschaftlichen Leben isoliert wird". [3]. Im Wald von Biķernieki wurden täglich Todesurteile vollstreckt. Bis Mai 1919 kamen etwa 5000 Menschen auf diese Weise um. Die Anzahl der Inhaftierten war auf über 18.000 Personen angestiegen. Nach einer Statistik der Stadt Riga waren 8590 Personen verhungert. [4]

Antisowjetische Offensive in Kurland im März 1919

General von der Goltz beabsichtigte von vorneherein aus politischen und militärischen Gründen die Verteidigung Ostpreußens offensiv zu führen, was im Interesse aller antisowjetischen Kräfte war. Am 5. März begann mit der Eroberung des wichtigen Bahnknotenpunktes Murawjewo in Litauen eine planmäßige Offensive an der auch das südlich benachbarte 52. Armeekorps teilnahm. Die verbündeten deutschen und lettländischen Truppen erreichten bis Ende März die Linie Jūrmala - Tukums - Jelgava - Bauska und nahmen damit ganz Kurland in Besitz. Das sowjetische militärische Oberkommando erwog aufgrund dieser Niederlage, sich ganz aus dem Baltikum zurückzuziehen. Ein weiterer Vormarsch deutscher Truppen unterblieb jedoch zunächst. Mit der Gewinnung einer kräftesparenden Verteidigungslinie war nach Ansicht des deutschen Oberkommandos in Kolberg das Operationsziel erreicht.

Im eroberten Gebiet kam es zu zahlreichen Übergriffen der Freikorps-Angehörigen und Erschießungen von echten und vermeintlichen Bolschewisten, was die deutsch-lettischen Beziehungen belastete. Im Norden Kurlands blieb eine Partisanenbewegung bestehen, die gegen die deutsche und bürgerlich-lettische Verwaltung operierte.

Politische Entwicklung und Einnahme von Riga

Die unklaren Verhältnisse im revolutionären Deutschland und die Abwesenheit des Reichsbevollmächtigten Winnig, hatten zur Folge, dass der militärische Befehlshaber von der Goltz die maßgebende politische Instanz Deutschlands wurde. Nachdem anfängliche Bemühungen die Interessen der verschiedenen Parteien in Einklang zu bringen scheiterten, betrieb er zunehmend eine eigene Politik, die sich nicht immer mit den Vorgaben seiner militärischen Vorgesetzten und der Regierung in Berlin deckten. Der Schutz Ostpreußens und Lettlands war für ihn nur der erste Schritt einer Entmachtung der Bolschewisten. Durch die militärische Beteiligung Deutschlands am russischen Bürgerkrieg und das Bündnis mit einem zukünftigen Russland sollte die Kriegsniederlage im Westen ausgeglichen werden. Den Hauptgegner Deutschlands sah er in England, welches die Randstaaten als Cordon Sanitaire zwischen Russland und Deutschland propagierte, um ein solches Bündnis zu verhindern.

Die Spannungen zwischen den Deutsch-Balten und der lettischen bürgerlichen Regierung verschärften sich zunehmend und führten am 16. April zum Putsch der "Stoßtruppe", eines Bataillons der Baltischen Landeswehr. Dadurch wurden die Gegensätze zwischen den Nationen weiter verschärft, obwohl vorerst durch die Einsetzung einer neuen Regierung unter Andrievs Niedra am 17. Mai ein weiterer Vormarsch auf Riga möglich wurde. Der wichtigste lettische Truppenteil, die zur Landeswehr gehörige Brigade Balodis, verurteilte den Putsch, arbeitete jedoch loyal mit Niedra zusammen um die geplante Operation auf Riga nicht zu gefährden.

Von der Goltz erreichte die Erlaubnis zu dieser Operation von der deutschen Regierung unter der Bedingung, dass nur lettländische Truppen für den Hauptstoß eingesetzt würden. In einem waghalsigen Unternehmen begann am 22. Mai 1919 der frontale Angriff durch die Tirulsümpfe (Tīreļpurvs), der noch am selben Tag zur Inbesitznahme der wichtigen Düna-Brücken in Riga führte. Die rechte Flanke der deutsch-baltischen und lettischen Einheiten wurden dabei von reichsdeutschen Verbänden gehalten. Eine seit dem 17. April im Gang befindliche sowjetische Offensive bei Bauska konnte ebenfalls abgewehrt werden. Die rätelettische Armee büßte bei diesen Kampfhandlungen durch Verluste und Desertationen mehr als die Hälfte ihres Bestands ein, räumte auch ihre nördliche Front gegenüber den Esten und zog sich bis nach Lettgallen zurück. Die restlichen Truppen in Stärke von etwa 17.000 Mann wurden in die 15. und 16. Sowjetarmee eingegliedert. [5] Unmittelbar nach der Schlacht lief ein amerikanisches Schiff mit Lebensmitteln in den Hafen der notleidenden Stadt ein.

Zweiter Abschnitt: Konflikt zwischen deutsch-baltischen und estnisch-nordlettischen Truppen

Aktionen der abgesetzten Regierung Ulmanis

Der abgesetzte Ministerpräsident Ulmanis war beim Libauer Putsch in das englische Konsulat geflohen und residierte in der Folgezeit auf dem Schiff "Saratov", welches im Libauer Hafen unter englischem Schutz ankerte. Die Alliierten betrachteten ihn trotz teils scharfer Kritik an seiner Politik nach wie vor als rechtmäßigen Ministerpräsidenten. Auch Estland und die nordlettischen Truppen Zemitāns erklärten sich für ihn. Verhandlungen über eine Rückkehr von Ulmanis als Ministerpräsident unter Einbeziehung von Vertretern der Deutsch-Balten, Juden und rechten Letten zerschlugen sich schließlich. Stattdessen konstituierte sich am 10. Mai die Regierung von Andrievs Niedra, welche sich ausschließlich auf die deutsch-baltische Minderheit und die deutsche Besatzungsmacht stützte und keinen Rückhalt im lettischen Volk hatte.

Konfrontation mit Esten und Nordletten

Unter Ausnutzung der deutsch-lettischen Operation auf Riga ging auch die estnische Armee in Nordlettland zur Offensive über und erreichte bis 5. Juni die Linie Cēsis - Krustpils. Durch schnelles Vorgehen wollten die Esten den Machtbereich der Deutschen und der unter ihrem Schutz stehenden Niedra-Regierung möglichst eindämmen. Die nordlettischen Truppen begannen im besetzten Gebiet mit der Enteignung der Großgrundbesitzer, unter anderem des Pfarrguts von Niedra, und nahmen sowjetische Überläufer auf.

Am 6. Juni kam es zu ersten Zusammenstößen mit Truppen der Landeswehr, welche das nordlettische Gebiet ihrerseits für die Niedra-Regierung in Besitz nehmen wollten. Der Vertreter der amerikanischen Kommission Warwick Greene konnte einen Waffenstillstand aushandeln um die Parteien zum gemeinsamen weiteren Kampf gegen den Bolschewismus zu bewegen. Mit dem Eintreffen des Leiters der Alliierten Militärmission Hubert Gough wenige Tage später änderte sich jedoch die alliierte Politik. Gough war entschlossen jedem weiteren Machtzuwachs Deutschlands entgegenzutreten. Vom General von der Goltz wurde am 16. Juni verlangt, die Hälfte seiner Truppen sofort nach Deutschland zurückzuführen und Kārlis Ulmanis die Bildung einer neuen Regierung in Riga zu ermöglichen.

Mit der Unterstützung von Goltz im Hintergrund wurde wenig später die gewaltsame Besetzung Nordlettlands beschlossen um somit durch Konsolidierung des Niedra-Staates vollendete Tatsachen zu schaffen. Entscheidend für diesen Entschluss war die Überzeugung Goltz, dass Deutschland die Unterzeichnung des Versailler Vertrags, über die in diesen Tagen heftige Diskussionen stattfanden, verweigern werde. Dies hätte zur Wiederaufnahme der Kampfhandlungen mit den Westmächten geführt. Dementsprechend glaubte Goltz, auch im Baltikum jeden Forderungen der Alliierten entgegen treten zu müssen. Diese auf offenbar falschen Informationen beruhende Überzeugung hatte unter anderem auch die Räumung Libaus von deutschen Truppen zur Folge, welche im Bereich der englischen Schiffsartillerie lag.

Militärischer Konflikt zwischen Landeswehr und estnischer Armee

Für den neuen Feldzug standen jedoch nur begrenzt Truppen zur Verfügung. Wesentliche Teile der reichsdeutschen Truppen mussten weiterhin die Front gegen die Sowjets besetzt halten. Die russischen (Abteilung Lieven) und lettischen (Brigade Balodis) Truppenteile der Landeswehr erklärten sich für neutral. Der Befehlshaber Jānis Balodis hatte vorher bei einem Geheimtreffen mit Zemitāns einen Übertritt auf die estnische Seite abgelehnt. Der Stoßtrupp verblieb in Riga, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Sowohl auf reichsdeutscher als auf deutsch-baltischer Seite fand der neue Krieg wenig Verständnis.

Am 20. Juni begann der Vormarsch der nunmehr durch Freikorps verstärkten, etwa 5000 Mann starken deutsch-baltischen Truppen. In der folgenden Schlacht bei Cēsis standen etwa 8000 estnische und nordlettische Soldaten gegenüber. Nach dem Scheitern des Durchbruchversuchs und einem Rückschlag bei der weiter westlich eingesetzten Eisernen Division zog sich die Landeswehr zurück um eine Umgehung zu vermeiden. Im weiteren Verlauf der Kämpfe konnten die Esten bis auf die Jägelstellung vor Riga vorrücken und die Düna-Mündung mittels Kriegsschiffen bedrohen. Durch Vermittlung der Alliierten kam am 3. Juli der Waffenstillstand von Strasdenhof zustande. Die deutschen Truppen zogen sich daraufhin nach Kurland zurück. Die Regierung Niedra hatte bereits am 29. Juni ihre Arbeit eingestellt.

Dritter Abschnitt: militärischer Konflikt Lettlands mit der deutsch-russischen Bermondt-Armee

Reorganisation der lettischen Regierung und Armee während des Waffenstillstands

Die Bedingungen des Vertrags von Strasdenhof ermöglichten Kārlis Ulmanis am 9. Juli die Rückkehr nach Riga. Eine neugebildete Regierung bestand aus sechs lettischen, drei deutschbaltischen und einem jüdischen Vertreter. Die reichsdeutschen Verbände sollten so bald wie möglich das Land verlassen. Stattdessen wurde nun die Armee Lettlands mit alliierter Hilfe ausgebaut und unter einheitlichem Kommando reorganisiert. Die Brigade Balodis wurde als 1. Kurländische Division an die Bolschewistenfront verlegt, die Nordlettische Brigade als 2. Livländische Division übernahm den Schutz Rigas. Gleichzeitig wurde mit der Aufstellung einer 3. Lettgallischen und 4. Semgallischen Division begonnen. Die Baltische Landeswehr blieb nach Ausscheiden aller Reichsdeutschen als gesonderter Verband bestehen. Die Truppenstärke der lettischen Armee betrug Ende September 1919 etwa 40.000 Mann. [6] Die östliche Frontlinie nördlich des Luban-Sees blieb von der estnischen Armee besetzt.

Die Bildung der Bermondt-Armee

Im Juli 1919 war der östliche Teil Lettlands noch unter Kontrolle der Bolschewisten, die jedoch nach den Niederlagen im Mai keine Angriffsabsichten zeigten. Im Westen des Landes befanden sich weiterhin deutsche Truppen, was zu Reibungen mit den dortigen lettischen Zivilbehörden führte. Wesentliche Teile der deutschen Freikorps planten, im Rahmen einer im Entstehen begriffenen Weißen Russischen Armee weiter gegen die Bolschewisten zu kämpfen. Diese Westrussische Befreiungsarmee wurde seit Mai mit deutscher Hilfe aus russischen Kriegsgefangenen des Weltkriegs rekrutiert. Zum Befehlshaber wurde Pawel Michailowitsch Bermondt-Awaloff ernannt. Die hauptsächliche Schlagkraft stellten die deutschen Freikorps dar. Die Armee sollte nach Klärung der politischen und finanziellen Voraussetzungen durch aufgelöste innerdeutsche Freikorps auf eine Stärke von 200.000 Mann verstärkt werden. Tatsächlich verfügte Bermondt nach eigenen Angaben Ende September über etwa 50.000 Mann.

Am 26. August fand unter Leitung der Alliierten in Riga eine Konferenz der baltischen Staaten, sowie Polens und der beiden weißen russischen Armeen Bermondt und Judenitsch statt. Hier wurde eine gemeinsame Offensive beschlossen, bei der die Armee Bermondts über Dünaburg auf Velikije Luki vorgehen sollte. [7] Um eine solche Offensive zu vermeiden, bot die Sowjetregierung den baltischen Staaten wenig später separate Friedensverhandlungen an. Ausserdem verlangten die Alliierten in einer erneuten politischen Kehrtwendung von Bermondt das Ausscheiden der deutschen Truppenteile, was den Plan endgültig scheitern ließ.

Militärischer Konflikt mit Bermondt

Die Unnachgiebigkeit Bermondts stellte für den lettischen Staat eine Bedrohung dar. Dieser erklärte Ende September Kurland zu einer Provinz Russlands und forderte von Lettland den freien Durchmarsch zur Bolschewistenfront sowie die Stellung einer Basis.

Aufgrund des Einvernehmens mit Sowjetrussland konnten die Letten im September starke Truppenteile von der östlichen Front heranführen. Das Kräfteverhältniss zu Bermondt war so ungefähr ausgeglichen. Durch den Angriff Bermondts am 8. Oktober wurden die lettische Armee auf das rechte Düna-Ufer zurückgeworfen und begann überstürzt mit der Räumung Rigas. Von Seiten der Alliierten wurde die Lebensfähigkeit des neuen Staates angezweifelt, und stattdessen eine Unterstützung Bermondts in Betracht gezogen.

Die militärische Krise konnte jedoch gemeistert werden. Nach Wechseln in der militärischen Führung und dem Eintreffen von zwei estnischen Panzerzügen in Riga hob sich der Kampfgeist und die Front kam zum Stehen. Die Lage der deutsch-russischen Verbände Bermondts verschlechterte sich hingegen entscheidend durch die Sperrung der deutschen Grenze im Oktober.

Nachdem die Unterstützung der englischen Schiffsartillerie sichergestellt war, begann die lettische Armee am 3. November mit einer Gegenoffensive, die am 11. November zum Durchbruch und Rückeroberung der westlichen Rigaer Vorstädte führte. Am 21. November konnte Jelgava eingenommen werden. Am 23. November wurde sogar dem deutschen Reich der Krieg erklärt. Die geschlagenen Truppen Bermondts hatten sich nämlich nach der Niederlage unter den Befehl von General Magnus von Eberhardt, dem Nachfolger von der Goltz, gestellt. Bis zum 28. November waren die letzten deutsch-russischen Verbände aus dem westlichen Lettland vertrieben.

Vierter Abschnitt: lettische Eroberung Lettgallens und Friedensschluss

Verhandlungen

Nachdem die Gefahr durch die Armee Bermondts sowohl für Lettland als auch Sowjetrussland beseitigt war, trat der beiderseitige Gegensatz wieder in den Vordergrund. Verhandlungen über eine freiwillige Räumung Lettgallens durch die Sowjetarmee scheiterten. Stattdessen wurden die Truppen der Sowjets nach den Siegen über Judenitsch und Denikin wieder verstärkt und die Propaganda in Lettland erhöht. Vom lettischen Oberkommando wurde die Bereitschaft großer Teile der eigenen Truppen gegen die Sowjets zu kämpfen angezweifelt.

Deshalb wurde ein Hilfsangebot Polens, welches den östlichen Teil Litauens besetzt hielt, angenommen. Am 29. Dezember 1919 wurde eine gemeinsame Offensive in Lettgallen beschlossen.

Offensive in Lettgallen

Der polnisch-lettische Oberbefehlshaber Edward Rydz-Śmigły hatte am 3. Januar 1920 etwa 20.000 Mann lettische Truppen sowie drei polnische Divisionen zur Verfügung. Die Sowjets waren an Infanterie zahlenmäßig unterlegen, hatten jedoch mehr Artillerie zur Verfügung.

Der schnelle Vormarsch führte brachte am 3. Januar Dünaburg, am 14. Januar Pytalowo und am am 21. Januar Rēzekne unter die Kontrolle Lettlands. Nachdem die Baltische Landeswehr und das 9. Rossitische Regiment am 30. Januar den Grenzfluss Zilupe erreicht hatten, kam die Front zum Stehen. Am 1. Februar trat ein lettisch-sowjetischer Waffenstillstand in Kraft, der mit Rücksicht auf die Alliierten und Polen zunächst auch vor den eigenen Truppen geheim gehalten wurde. Deshalb kam es noch des Öfteren zu örtlichen Kampfhandlungen.

Ende der Konflikte

Die lettische Sowjetregierung hatte sich bereits am 13. Januar 1919 selbst aufgelöst. Am 12. Juni kam ein Abkommen über den gegenseitigen Austausch von Gefangenen und Flüchtlingen zustande. Am 1. August 1920 wurde schließlich der Friedensvertrag von Riga zwischen Lettland und Sowjetrussland unterzeichnet. Mit Deutschland wurde der formelle Kriegszustand am 15. Juli 1920 beendet.

Ein Streit über die Grenzziehung mit Estland und den Besitz der Stadt Walk, drohte nach einem estnischen Ultimatum vom 24. Dezember 1919 zu einem bewaffneteten Konflikt zu eskalieren. [8] Auf englischen Druck wurde die Nordgrenze Lettlands von einer gemischten Kommission unter der Leitung von Stephen Tallents am 1. Juli 1920 festgelegt. Litauische Truppen räumten ein von Lettland beanspruchtes Gebiet südlich der Düna nach einer vergleichbaren Regelung im Jahr 1921.

Innenpolitisch konsolidierte sich der Staat nach der Wahl zu einer Verfassungsgebenden Versammlung. Noch 1920 wurde das Gesetz über die Landreform verabschiedet.

Nachdem die Alliierten ihre Interventionspolitik in Russland aufgaben und Handelsbeziehungen mit Sowjetrußland anknüpften, erfolgte am 26. Januar 1921 die offizielle De-jure-Anerkennung Lettlands durch England und Frankreich, am 27. Juli 1922 durch die USA. Lettland wurde auch Mitglied des Völkerbundes.

Kriegsopfer

Für die Verluste der kämpfenden Truppen liegen nur vereinzelt genaue Zahlenangaben vor. Bei der Offensive in Kurland hatte die Eiserne Division die größten Verluste [9]. Die Kämpfe wurden grausam geführt und Gefangene der verschiedenen Kriegsparteien oft erschossen. Am meisten hatte jedoch die Zivilbevölkerung unter dem Krieg zu leiden. Hier sind besonders die Opfer des roten Terrors bis Mai 1919 zu nennen. Außerdem diejenigen der deutschen Standgerichte bei der Wiedereroberung von Städten wie Ventspils, Jelgava und vor allem Riga.

Literatur

  • J.G.Herder Institut: Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten. Beiträge zur Entstehungsgeschichte der Republiken Estland und Lettland. Bd I (1917–1918), Bd II (1918–1920), Marburg 1971, 1977.
  • E. Andersons: Latvijas vēsture 1914–1920. Stockholm, 1967
  • Inta Pētersone (Hrsg.): Latvijas Brīvības cīņas 1918 – 1920. Enciklopēdja. Preses nams, Riga 1999, ISBN 9984-00-395-7.
  • Andrievs Niedra: Tautas nodevēja atmiņas. Piedzīvojumi cīņā pret lielimiecismu. Zinātne, Riga 1998, ISBN 5-7966-1144-5.
  • Rüdiger von der Goltz: Meine Sendung in Finnland und im Baltikum. Leipzig 1920.
  • Claus Grimm: Vor den Toren Europas 1918 – 1920. Geschichte der Baltischen Landeswehr. Velmede, Hamburg 1963.
  • Igors Vārpa: Latviešu karavīrs zem Krievijas impērijas, Padomju Krievijas un PSRS karogiem. Nordik, Riga 2006, ISBN 9984-792-11-0.
  • V.Sīpols: Die ausländische Intervention in Lettland, Berlin (Ost) 1961

Einzelnachweise

  1. Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga. Januar bis Mai 1919, Berlin 1937
  2. Claus Grimm: "Vor den Toren Europas" S. 87
  3. Claus Grimm: "Vor den Toren Europas" S. 83
  4. Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten 1918-1920 S.61
  5. E.Andersons: Latvijas Vēsture, S. 436 f
  6. Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten (1918-1920) S. 35
  7. Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten 1918-1920 S.37
  8. Stephen Tallents: Man and Boy, S. 371 Kapitel: The Latvian-estonian frontier
  9. Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen deutscher Truppen und Freikorps. Bd 2: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga. Januar bis Mai 1919, Berlin 1937

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