Luwische Religion

Luwische Religion
"Kupapa, Grosskönigin von Karkamis" gehörte zu den wichtigsten Gottheiten der Spätluwier

Die Luwische Religion beschreibt die religiösen und mythologischen Vorstellungen der Luwier, eines indoeuropäischen Volkes in Kleinasien, das von der Bronzezeit bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. fassbar ist. Sie war durch alle Perioden starken Fremdeinflüssen ausgesetzt und eine eindeutige Abgrenzung, namentlich zur Hethitischen Religion und Syrischen Religion ist nicht immer möglich. Offensichtlich vermochte sich das indoeuropäische Element bei den Luwiern besser zu halten.

Inhaltsverzeichnis

Periodisierung

Religionshistorisch kann die Luwische Religion in zwei Perioden geteilt werden. Die bronzezeitliche Periode und die eisenzeitliche oder spätluwische Periode. Während der Bronzezeit standen die Luwier unter der Herrschaft der Hethiter. Sie sprachen das Luwische, eine dem Hethitischen nahestehende Sprache. Obschon in der Bronzezeit eine Hieroglyphenschrift entstand, die besonders zur Wiedergabe des Luwischen benutzt wurde, sind nur wenige eigene religiöse Schriften der Luwier aus der Bronzezeit bekannt.

Nach dem Zerfall des Hethitischen Reiches bildeten sich in Nordsyrien und Südostanatolien mehrere Spätluwische Staaten, die zum Teil unter aramäischen Einfluss gerieten und spätestens im 8. Jahrhundert v. Chr. von den Assyrern unterworfen wurden. Wichtige luwische Zentren waren damals Karkamis, Melid und Tabal.

Gemäß wissenschaftlichen Usus, werden bronzezeitliche Namen mit š und transkribiert, spätluwische Namen aber mit s und h. y steht für "deutsches" /j/ Das "Nominativ-s wird weggelassen.

Bronzezeit

Die ältesten Hinweise auf Luwier finden sich in den Archiven altassyrischer Händler im Karum Kaneš (um 1900 v. Chr.), wo einige eindeutig als luwisch deutbare Personennamen vorkommen, darunter auch theophore. Danach wurden u.  a. Šanta und Runtia als Gottheiten verehrt.

In hethitischen Texten erscheinen oft luwische Sprachstücke in magischen Ritualen, zu Zwecken der Reinigung oder Heilung von Personen. Dabei spielte die Göttin Kamrušepa eine wichtige Rolle. Aber auch lokale Kulte sind bezeugt, so Ḫuwaššanna von Ḫubešna (heute Ereğli). Allgemein wird auch das Pantheon der Stadt Ištanuwa, die im Gebiet des Flusses Sakarya vermutet wird, zum luwischen Kultbereich gerechnet. Doch mehr als bloße Namen, bieten diese hethitischen Götterlisten kaum.

Eisenzeit

Spätluwisches Relief aus Melid mit dem Wettergott und einem Begleiter, die ein Schlangenmonster bekämpfen

Luwische Herrscher und Händler hinterließen ab dem 11. Jahrhundert v. Chr. mehrere Inschriften, die reichlich Zeugnis über die religiösen Vorstellungen der eisenzeitlichen Luwier abgeben. Dazu kommen bildliche Darstellungen von Gottheiten, sei es in Form von Statuen oder Flachreliefs im Stile der hethitischen Felsbilder. Dabei sind aus Melid besonders viele Götterbilder bekannt, die von einem offensichtlich besonders frommen König des 10. Jahrhunderts v. Chr, angefertigt wurden. Die Reliefs zeigen, wie der König vor mehreren Gottheiten libiert. Darunter ist auch ein Bild, das offensichtlich den Mythos des Schlangenkampfes des Wettergottes zeigt, was an den hethitischen Schlangendämon Illuyanka gemahnt.

Antikes Anatolien

Nach Ausweis theophorer Personenname aus dem antiken Anatolien, namentlich Kilikien und Lykaonien, lebte die luwische Religion bis in die Antike weiter. Bekannt ist der Kult des Sandas in Tarsos, der mit Herakles gleichgesetzt wurde. Im kappadokischen Komana wurde Ma-Enyo verehrt, sicherlich ein alter Kult, der aber nicht direkt mit einer bekannten luwischen oder hethischen Göttin gleichgesetzt werden kann. Ähnliche Züge, aber auch deutliche Unterschiede können in der Religion der Lykier und Karer festgestellt, werden, die als Verwandte der Luwier gelten.

Gottheiten

Das luwische Pantheon änderte sich im Lauf der Zeit. Tarhunt, Tiwad, Arma, Runtia, Santa können als typisch luwische Gottheiten betrachtet werden, die stets verehrt wurden, dies gilt wohl auch für die syrische Kupapa. Das hurritische Element - und durch dieses auch das syrische und babylonische - machte sich später bemerkbar, mit Ia, Hipatu, Saruma, Alanzu und Sauska. Im Gegensatz zur hethitischen Religion hatte die hattische Religion wenig Einfluss. In der Eisenzeit kamen noch am Rande babylonische (z.B. Marutika < Marduk) und aramäische (Pahalat < Baalat) Einflüsse hinzu, besonders in der bildlichen Darstellung der Gottheiten.

Genuin luwische Gottheiten

Das Felsrelief von İvriz zeigt König Warpalawa vor "Tarhunz des Weinberges"

Tarḫunt/Tarhunt (Nominativ; Tarhunz, Tarhunzas) war der Wetter- und Hauptgott der Luwier. Im Unterschied zum hethitischen Tarḫunna und hurritischen Teššup wurde sein Wagen nicht von Stieren sondern von Pferden gezogen. Charakteristisch ist, dass der Wettergott deutliche Züge eines Vegetationsgottes annahm, wie spätluwische Bildnisse zeigen, die Tarhunt mit Weinrebe und Kornähre abbilden. Eines seiner Epitheta piḫaššašši »des Blitzes« wurde speziell in Tarḫuntašša verehrt, der zeitweiligen Hauptstadt des Hethiterreiches und Tarhunt piḫaššašši war auch der persönliche Gott von König Muwatalli II.. Es wird angenommen, dass das griechische Flügelpferd Pegasos, das nach Herodot die Blitze des Zeus trug, luwische Ursprünge haben könnte.

Nach spätluwischen Texten verleiht Tarhunz Königsmacht, verleiht starken Mut und schreitet im Feldzug dem Heer voran. Er verleiht den Sieg und gibt »Gebiete zum unterwerfen«. In Fluchformeln soll Tarhunz einen Gegner »mit seiner Axt zerschmettern«. Häufig wird er »des Himmels Tarhunz« genannt. Seine wichtigste Kultstadt war Aleppo, ein Kult der in die Bronzezeit zurückreicht. Der hethitische König Suppiluliuma I. setzte seinen Sohn Telipinu als Priester und König in Aleppo ein.

Als »Tarhunz des Weinberges« (Tarhunzas tuwarsas) wurde er in Tabal verehrt. König Warpalawas von Tuwanuwa ließ das bekannte Felsrelief von İvriz anfertigen, dass ihn mit Kornähren und Weinreben abbildet. Beim Felsrelief entspringt eine kräftige Quelle, was den Fruchtbarkeitsaspekt des Wettergottes unterstreicht. Ihm wurden Rinder und Schafe geopfert, damit Korn und Wein gut gedeihen.

In spätluwischen Reliefs wird Tarhunz als bärtiger Gott mit kurzem Schurz und Helm dargestellt. In der Rechten schwingt er eine Axt oder einen Hammer in der Linken hält er ein Blitzbündel. Manchmal wird er auf einem Stier stehend abgebildet, was auf eine Angleichung an altorientalische Wettergottgestalten hindeutet, die stets mit dem Stier eng verbunden sind.

Spätluwische Inschriften aus Melid nennen noch weitere lokale Wettergötter, von denen aber kaum mehr als der Name bekannt ist.

Tiwad (Nom. Tiwaz) war der Sonnengott. eine weibliche Sonnengöttin wie bei den Hethitern, ist für die Luwier nicht bezeugt. Eines seiner Epitheta war tatis »Vater«. Der spätluwische König Azatiwadas »Geliebt von Tiwad« nannte ihn »des Himmels Tiwad«.

Kamrušepa war die Frau von Tiwad und durch ihn Mutter der Schutzgottheit Runtia. Sie spielt in magischen Ritualen eine wichtige Rolle. In spätluwischen Quellen wird diese Göttin nicht genannt.

Arma war der Mondgott und scheint nach der großen Anzahl an theophoren Personennamen, die mit Arma gebildet sind (z.B. Armaziti »Mann des Arma«), eine populäre Gottheit. Spätestens in der Eisenzeit vollzog sich die Verschmelzung mit dem Mondgott von Harran, weshalb spätluwischen Inschriften ihn häufig »Harranäischer Armas« nennen. Abgebildet wird er als geflügelter und bärtiger Gott mit einer Mondsichel auf dem Helm. Seine Namenshieroglyphe war ein Lunula, ein möndförmiger Anhänger. In Fluchformeln wird er aufgefordert, den Verfluchten »an seinem Horn zu packen«.

Runtia (oder Kurunta) war eine Schutzgottheit. Sein Tier war der Hirsch und seine Namenshieroglyphe ist ein Hirschgeweih. In spätluwischen Texten wird er in Zusammenhang mit Wild genannt und dürfte deshalb auch Jagdgott gewesen sein.

Šanta/Santa war eine todbringende Gottheit, die zusammen mit den dunkeln Marwainzi genannt wird. Auch Nikaru wird in spätluwischen Texten zusammen mit den Marwainzi genannt und er wurde gebeten, dass er oder seine Hunde einen Widersacher aufessen sollen. Santas wurde in der Bronzezeit mit dem babylonischen Marduk gleichgesetzt. Sein Kult lebte im kilikischen Tarsos bis in die Antike weiter, wo er mit Herakles gleichgesetzt wurde.

Ursprünglich huritto-syrische Gottheiten

Kupapa war eine der wichtigsten Gottheiten des spätluwischen Pantheons. Zu ihren Attributen gehören ein Spiegel und der Granatapfel. Ihr Begleiter war Karhuha. Ursprünglich Stadtgöttin von Karkamis, verbreitet sich ihr Kult in der Eisenzeit über ganz Anatolien und sie war als Kybele die Hauptgöttin der Phryger und als Kufaws/Kubaba der Lydier.

Hipatu war der spätluwische Name der hurrito-syrischen Göttin Ḫepat. Abgebildet wird sie als thronende Göttin zusammen mit Saruma (hurr. Šarruma), der nach hethitischen Zeugnissen ihr Sohn ist. Letzterer wird oft zusammen Alanzu genannt, die nach hethitischen Texten seine Schwester war. Zusammen mit Tarhunz schreitet er dem Heer voran und »nimmt dem Feind den Sieg«. Sein Epithet ist »Bergkönig«. Die spätluwischen Könige von Karkamis verehrten sie als »Kupapa, Großkönigin von Karkamis«. In Fluchformeln wird Kupapa aufgefordert, den Widersacher von hinten anzugreifen oder dass Kupapas hasami-Hund ihn verfolgen und aufessen möge.

Šauška könnte auf einem spätluwischen Relief aus Melid abgebildet sein, das eine geflügelte Göttin mit Axt abbildet, die auf zwei Vögeln steht. Da die spätluwische Inschrift verwittert ist, kann sie nicht sicher gelesen werden.

Quellen


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