Schienenverkehr in Tansania

Schienenverkehr in Tansania

Der Schienenverkehr in Tansania wird heute in zwei technisch voneinander unabhängigen Eisenbahnsystemen, der Tansanischen Staatsbahn und der TAZARA betrieben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Deutsche Kolonialzeit

Bahnhof Kigoma, Gleisseite

Die ersten Eisenbahnstrecken entstanden zur Kolonialzeit, als das Gebiet des heutigen Tansania zu Deutsch-Ostafrika gehörte. Bereits zuvor hatte auf Sansibar von ca. 1880 – 1888 eine Straßenbahn verkehrt. 1891 wurde die Eisenbahngesellschaft für Deutsch-Ostafrika mit dem Ziel gegründet, von Tanga aus eine Bahn ins Hinterland zu bauen. Hier und bei den weiteren Hauptbahnen der Kolonie wurde die Meterspur als Standard gewählt. Daneben entstanden für einzelne Sisalplantagen Feldbahnen in kleinerer Spurweite, in der Regel 600 mm.

Der Bau der Eisenbahn von Tanga ins Hinterland, der Usambarabahn, begann 1893. Die Gesellschaft ging aber nach zwei Jahren und lediglich 40 km errichteter Strecke bis Korogwe in Konkurs. Daraufhin übernahm der Fiskus der Kolonie 1899 das Projekt und erteilte 1903 den Auftrag zum Weiterbau. Es folgten weitere Versuche, den Betrieb der Bahn auf eine ökonomisch und jusristisch stabile Grundlage zu stellen.

1904 erfuhren die kleineren Eisenbahnen einen Schub: In Sansibar wurde durch eine US-amerikanische Gesellschaft erneut ein Straßenbahnsystem errichtet und die Sigi-Eisenbahngesellschaft wurde in Deutschland mit dem Ziel gegründet, eine von der Usambarabahn abzweigende schmalspurige Eisenbahnstrecke, die Sigi-Bahn, in der Spurweite 750 mm zu errichten. Im gleichen Jahr, 1904, wurde auch die Ostafrikanische Eisenbahngesellschaft (OAEG) gegründet, um eine Bahnstrecke von Daressalam aus in Richtung des Tanganjikasees, die „Zentralbahn“, voranzutreiben. Kigoma wurde am 2. Februar 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, erreicht. Noch 1914 wurde damit begonnen, eine Strecke von Tabora in das Gebiet des späteren Ruanda voranzutreiben, die Ruandabahn. Dieses Projekt wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vereitelt.

Britisches Protektorat

Bereits während des Ersten Weltkriegs wurde 1915/16 eine Eisenbahnverbindung von Voi nach Tanganjika geschaffen, die südöstlich von Moshi an die Usambarabahn anschloss. Da sowohl die Eisenbahn von Britisch Ostafrika (Kenia) als auch die Usambarabahn die Spurweite von 1000 mm aufweisen, war ein Übergang der Fahrzeuge ohne weiteres möglich. Das britisch besetzte Tanganjika wurde dem Vereinigten Königreich als Völkerbund-Mandat zugesprochen. Die neue Kolonialmacht richtete zum 1. April 1919 die Tanganjika Railways and Port Services als Betreibergesellschaft der Eisenbahnen im Mandatsgebiet ein.

1928 wurde die Bahnstrecke Tabora–Mwanza unter Nutzung der deutschen Vorarbeiten für die Ruandabahn eröffnet, 1930 die Usambarabahn bis Arusha verlängert. 1948 wurde als Zweigstrecke von der Zentralbahn die Strecke Msagali–Hororo, 1949/1950 die Strecke Kaliua–Mpanda eröffnet. Die Strecke nach Hororo wurde bereits 1951 wieder geschlossen.

1948 wurden die Tanganjika Railways and Port Services mit der Partnerorganisation, die in Uganda und Kenia bestand, zur East African Railways and Harbours Administration (ab 1969: East African Railways Cooperation) verschmolzen.

Ab 1950 errichtete die Overseas Food Cooperation ein Netz in Spurweite 610 mm im Süden von Tanganjika, das den Hafen von Mikindani mit den Anbauregionen für Erdnüsse im Hinterland verband, letztendlich mehr als 250 km Streckenlänge erreichte und 1952 an die East African Railways and Harbours Administration überging.

Republik Tansania

Ab 1961 wurde Tansania in mehreren Schritten unabhängig und vereinigte sich mit Sansibar in einer Föderation. In dieser Zeit wurde das bestehende Netz 1963 um eine küstennahe Verbindung der Zentralbahn und der Usambarabahn und 1965 um eine Stichstrecke von der Zentralbahn nach Süden, von Kilosa nach Kidatu, erweitert. Das südtansanische Schmalspurnetz wurde 1963 stillgelegt.

Ab 1964 fanden Gespräche zu einer Eisenbahnverbindung zwischen Tansania und Sambia statt. Nachdem Großbritannien daran kein Interesse gezeigt hatte, stieg die Volksrepublik China in das Projekt ein. Die vertraglichen Grundlagen dazu wurden 1967 geschlossen, die Tanzania-Zambia Railway (TAZARA) ein Jahr später als Kondominalbahn zwischen Tansania und Sambia gegründet. Die TAZARA wurde in der für Tansania neuen, aber im südlichen Afrika üblichen Kapspur mit 1067 mm errichtet. Die Strecke wurde in Teilstücken 1973 und 1974 dem Betrieb übergeben. 1976 wurde noch eine Stichstrecke nach Kitadu eröffnet, wo die von der Zentralbahn ausgehende Stichstrecke in 1000 mm-Spur endet.

Aufgrund der unterschiedlichen Politik und der auseinander triftenden wirtschaftlichen Entwicklung in den beteiligten Staaten zerbrach 1977 die Ostafrikanische Union, womit sich auch alle gemeinsamen Strukturen auflösten. Die tansanische Eisenbahn – ohne die TAZARA – wurde nun als Tanzania Railways Cooperation (TRC) umgegründet. Wirtschaftlich ging es mit der Bahn, bedingt durch zunehmenden Autoverkehr, Korruption und politische Vernachlässigung ständig bergab. Eine Reihe von Verbindungen wurden stillgelegt (etwa zwischen Arusha und Moshi) oder der Personenverkehr aufgegeben, wie auf der Usambarabahn.

Schienenverkehr heute

Zwei Dieselloks vor Personenzug im Bahnhof der TRC in Daressalam.
Güterzug in Daressalam

Im Personenverkehr gibt es drei Wagenklassen, wobei die erste ausschließlich und die zweite auch in der Form des Schlafwagens existiert. Schlafwagen zweiter Klasse entsprechen dem Standard eines Liegewagens. Theoretisch möglicher grenzüberschreitender Verkehr nach Uganda (Trajekt von Mwanza) und nach Kenia findet wegen politischer Differenzen und politischer Unruhen in der Praxis seit Jahrzehnten nicht mehr statt. Auch eine Umspurung auf die 1067-mm-Spur der TAZARA findet in den Städten, in denen sich die beiden Systeme berühren, nicht statt.

TRC-System

Hauptartikel: Tanzania Railways Cooperation

Seit vielen Jahren hat der Verkehr der TRC abgenommen. Personenzüge fahren zurzeit regelmäßig nur noch auf der Zentralbahn und zwei davon abzweigenden Linien. Der Konkurrenz durch Busse ist die Bahn sowohl hinsichtlich Transportfrequenz, Preis und Geschwindigkeit unterlegen. Der verrottende Wagenpark kann das an Komfort nicht mehr ausgleichen. 2011 wird wöchentlich nur noch ein Personenzug angeboten. Auch der Güterverkehr hat sich fast vollständig auf die Straße verlagert.

Seit 2003 suchte die tansanische Regierung die Lösung in einer Privatisierung ihrer Staatsbahn. Am 3. September 2007 kam es dann zur Gründung der Tanzania Railway Ltd., einer Gesellschaft, an der Tansania 49% und die indische Gesellschaft Rail India Technical and Economic Services (RITES) Ltd. (TRC) 51% hält. Der Betrieb der TRC liegt bei RITES. Die Weltbank bewilligte nach dieser Konsolidierung einen Kredit in Höhe von 33 Millionen US-Dollar, um Infrastruktur und Wagenpark zu modernisieren. 90 Lokomotiven, 1.280 Güterwagen und 110 Personenwagen sollen ausgetauscht werden.[1] In der Folge kam es zu Diskussionen über Netzerweiterungen, aus denen aber – bis jetzt – nichts folgte. Die in den Jahren zuvor stillgelegten Strecken und Leistungen wurden nicht wieder aufgenommen.

TAZARA

Zug der TAZARA bei der Einfahrt in Mbeya

Hauptartikel: TAZARA

Auf der Strecke der TAZARA, die innerhalb Tansanias verläuft, verkehren drei Reisezüge in jede Richtung pro Woche. Der Güterverkehr ist auch nicht sehr bedeutend, da die Anbindung im Hafen von Daressalam nie adäquat funktionierte und die Effizienz südafrikanischer Häfen nie erreichte. Ein bis dreimal im Jahr verkehrt der südafrikanische Luxuszug Pride of Africa des Betreibers Rovos Rail in der Relation Kapstadt–Daressalam über die Strecke.

Literatur

  • Franz Baltzer: Die Kolonialbahnen mit besonderer Berücksichtigung Afrikas. Berlin 1916. Reprint: Leipzig 2008. ISBN 978-3-8262-0233-9.
  • Neil Robinson: World Rail Atlas and Historical Summary 7 = North, East ans Central Africa.o.O. 2009, S. 70ff. ISBN 978-954-92184-3-5
  • Helmut Schroeter: Die Eisenbahnen der ehemaligen deutschen Schutzgebiete Afrikas und ihre Fahrzeuge = Die Fahrzeuge der deutschen Eisenbahnen 7. Frankfurt 1961.
  • Helmut Schroeter u. Roel Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten damals und heute / German Colonial Railways then and now. Krefeld 1993.

Einzelnachweise

  1. (engl.)

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