Wir können auch anders …

Wir können auch anders …
Filmdaten
Deutscher Titel Wir können auch anders …
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1993
Länge ca. 87 Minuten
Altersfreigabe FSK 6
Stab
Regie Detlev Buck
Drehbuch Detlev Buck
Ernst Kahl
Produktion Claus Boje
Musik Detlef Petersen
Kamera Roger Heereman
Schnitt Peter R. Adam
Besetzung

Wir können auch anders … ist ein Roadmovie von Detlev Buck. Es nimmt in satirisch zugespitzter Form Bezug zur Umbruchsituation in Ostdeutschland nach der Wende.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Zwei westdeutsche Analphabeten, die Brüder Rudi und Moritz Kipp („Kipp“ und „Most“), fahren mit einem alten Hanomag-LKW nach Mecklenburg-Vorpommern, wo sie das Haus ihrer Großmutter geerbt haben. Da sie Autokarten und Straßenschilder nicht entziffern können und der ohnehin langsame Wagen technische Probleme bereitet, zieht sich die Fahrt länger hin als erwartet. An einer Tankstelle zwingt sie der flüchtige Sowjetarmist Wiktor mit vorgehaltener Kalaschnikow, ihn mitzunehmen. Einer tätlichen Bedrohung durch fünf Wegelagerer auf einer einsamen Landstraße entkommt das Gespann nur durch Wiktors Einschreiten. Sie drehen den Spieß um und zwingen die Banditen, in deren Auto einzusteigen und dieses in einen See zu fahren. Nur zwei von ihnen gelingt der Ausstieg aus dem sinkenden Auto.

Auf dem Weg nach Wendelohe, dem geplanten Ziel der Reise, kommt es aufgrund des naiv-unbedachten Verhaltens der beiden Brüder zu den merkwürdigsten Verwicklungen. Sie lassen sich für ihr gesamtes Geld ein fast wertloses Ruderboot aufschwatzen, entlassen aus Mitleid, aber unerlaubt, die durstigen Insassen eines Schweinetransporters und entwenden die Tageskasse eines Imbissstands. Das ersehnte Erbe in Wendelohe erweist sich keineswegs als prächtiges Gutshaus, sondern als abgebrannte Bauernkate.

Als Most, Kipp und Wiktor erkennen, dass sie wegen Mordes der ertrunkenen Wegelagerer kriminalpolizeilich gesucht werden, nehmen sie die Wirtin einer Dorfkneipe als Geisel.

Im weiteren Verlauf überstürzen sich die Ereignisse: Kipp und Most legen eine ungewöhnliche kriminelle Energie an den Tag. Sie wechseln mehrfach das Fluchtgefährt und vertauschen ihren alten Laster gegen eine Luxuslimousine, diese gegen zwei Pferde und diese gegen einen anscheinend herrenlosen Fischkutter. Nur dank Wiktor und der Geisel entkommen sie mehrfach den Fahndungsorganen. Schließlich kommt die Jagd an einem ganz unerwarteten Ort zum Ende.

Stilmittel

In eigentümlichem und darum umso wirksamerem Kontrast steht der lakonische, norddeutsch geprägte Humor Detlev Bucks zu der zwar im Beginn bedächtigen, doch sich im Verlauf beschleunigenden Handlung. Insbesondere in den Dialogen steckt eine feinsinnige, häufig eher unterschwellige Komik.

Besonderes Augenmerk gilt neben der schauspielerischen Leistung der Kamera. Schuss/Gegenschuss-Prinzip, minutenlanges Filmen ohne Schnitt und andere Techniken werden bewusst pointiert eingesetzt.

Ein übriges tut die Filmmusik: Indem just der desertierende Soldat Wiktor fröhlich, doch ein wenig unmelodisch das russische Soldatenlied „В путь (W putj)“ (Auf dem Weg) intoniert, das die Loyalität und Treue des russischen Soldaten besingt, wird der Text ad absurdum geführt. Mehr brummelnd als singend von seinen Weggefährten begleitet, wird der Gesang schließlich von einem heroisch vielstimmigen und dramatisch-orchestralisch begleiteten Männerchor übernommen. Das Motiv klingt mehrfach abgewandelt in anderen Szenen an.

In einem Film der Zeitgeschichte, in dem keine prominenten Figuren mitspielen, vermutet man eine bescheidene Rolle der Maske. Hier zeigen sich jedoch Beispiele einer sparsam, doch an entscheidenden Stellen bewusst satirisch überzeichnet eingesetzten Visagierung.

Als Besonderheit bietet der Film einen Cameo-Auftritt von Detlev Buck als furchtsamer Skinhead in einer Dorfkneipe. Zudem taucht der Drehbuchautor Ernst Kahl in der Kneipe als einsamer Trinker auf. Ingo Naujoks hat hier als Schweinelasterfahrer einen seiner ersten Filmauftritte.

Bedeutung

Nach seinen Kurzfilmen und seinem ersten längeren Film Karniggels wurde Detlev Buck mit „Wir können auch anders“ einem größeren Publikum bekannt.

Kritiken

„Mit zahlreichen Western-Anspielungen gespickte Komödie, die ihren Reiz größtenteils aus den liebevoll gezeichneten und überzeugend gespielten Hauptfiguren gewinnt, die als naive Träumer zu Outlaws wider Willen werden.“

Lexikon des Internationalen Films[1]

„Nach seiner Flachland-Komödie Karniggels (1991), die es zum Geheimtip brachte, war diese skurrile Komödie mit starken Anleihen beim Western der erste große Kassenerfolg für Detlev Buck. Gleichzeitig erlebte Joachim Król, der später auch in Der bewegte Mann großen Eindruck hinterließ, mit der Rolle des gleichermaßen tumben wie gewitzten Rudi seinen Durchbruch. Detlev Bucks Humor ist, wie (fast) immer, von Understatement geprägt. Lachen entsteht hier durch Aussparung der direkten Aktion, aus permanentem Herunterspielen der absurdesten Ereignisse. Auch in diesem Punkt orientiert sich Buck an Vorbildern aus dem Western-Genre (etwa Howard Hawks).“

prisma-online

„Wie schon seine Vorgänger (Erst die Arbeit und dann?, 1984; Karniggels, 1991) lebt Bucks dritter Spielfilm von dem trockenen Humor und der liebevollen Zeichnung der Hauptfiguren.“

Die Chronik des Films[2]

„In der Zeichnung der treffend besetzten Hauptfiguren hat Bucks deutsche Gegenwartskomödie ihre stärksten Seiten.“

Fischer Film Almanach 1994[3]

Wissenswertes

Das Gut Wendelohe im Film ist in der Realität das über hundertjährige Schloss Tornow, bis 1945 Sitz der Familie von Buch, und ein ehemaliger Gutshof, auf dem Pferdezucht betrieben wurde. Seit 1993 bis in die heutige Zeit betreibt hier ein ökologisch ausgerichteter Verein eine Begegnungsstätte und vermietet das Haus zu verschiedenen Anlässen.

Die Szene mit den Wegelagerern wurde auf der einsamen Landstraße zwischen den Orten Burgwall und Zehdenick gedreht, das Auto der Wegelagerer wird in einem unmittelbar angrenzenden Tonstich versenkt.

Die Szene mit dem Schweinetransporter wurde in Marienthal gedreht, welches unmittelbar an Tornow angrenzt, und zwar auf dem Parkplatz vor dem ehemaligen Konsum-Geschäft des Dorfes, in welchem sich heute noch immer ein kleiner Supermarkt befindet.

Auszeichnungen

  • Deutscher Filmpreis 1993: Bester Film Filmband in Silber
  • Deutscher Filmpreis 1993: Beste Darsteller Joachim Król und Horst Krause
  • Deutscher Filmpreis 1993: Bestes Drehbuch Detlev Buck und Ernst Kahl
  • Deutscher Filmpreis 1993: Beste Musik Detlef Petersen
  • Leserpreis der Berliner Morgenpost

Filmfestivals

  • Internationale Filmfestspiele Berlin 1993 – Teilnahme am Wettbewerb
  • Lobende Erwähnung der Jury 5. Filmfestival Potsdam 1997
  • Nordische Filmtage Lübeck 1999
  • Chonju International Film Festival 2000 (Südkorea)

Einzelnachweise

  1. Wir können auch anders … im Lexikon des Internationalen Films
  2. Die Chronik des Films. Chronik Verlag, Gütersloh/München 1994, ISBN 3-86047-132-5.
  3. Walter Schobert, Horst Schäfer (Hrsg.): Fischer Film Almanach 1994. Fischer, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-12229-5, S. 380

Weblinks


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