- Corps Borussia Tübingen
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Das Corps Borussia Tübingen ist ein Corps (Studentenverbindung) im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV), dem ältesten Dachverband deutscher Studentenverbindungen. Das Corps ist eine demokratisch verfasste Studentenverbindung, pflichtschlagend und farbentragend. Es vereint Studenten und ehemalige Studenten der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die Corpsmitglieder werden „Tübinger Preußen“ genannt. Die Mitglieder rekrutierten sich vorwiegend aus Norddeutschland, wie z. B. der Gründer Ernst Storm, Sohn von Theodor Storm, aber auch aus Westdeutschland, Schwaben, Schweden, Australien, China, Peru, Nordafrika und den Vereinigten Staaten
Inhaltsverzeichnis
Couleur
Borussia hat die Farben „schwarz-weiß-schwarz“ mit silberner Perkussion. Dazu wird eine schwarze Mütze getragen. Die Preußenfüchse tragen ein Fuchsenband in „schwarz-weiß“. Der Wahlspruch lautet „Hosti frontem, pectus amico!“ (deutsch: „Dem Feind die Stirn, die Brust (d.i. das Herz) dem Freund!“).
Geschichte
Am 22. November 1870 gründeten 10 norddeutsche Studenten, überwiegend Preußen, die nichtfarbentragende „Studentengesellschaft Borussia“. Schon im zweiten Semester begann man zu fechten und 1873 wurde beschlossen, Farben zu tragen, schwarz-weiß-schwarz. 1877 wurde die Verbindung als Corps Borussia in den Tübinger SC aufgenommen, der aus den Corps Franconia, Rhenania und Suevia bestand, und damit in den Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV).
In den achtziger Jahren war man des ständigen Wechsels der Gaststätten, in denen jeweils ein Raum gemietet wurde, müde und die nun im Beruf stehenden jungen „Alten Herren“ kauften ein Haus auf dem Österberg. Damit folgte das Corps der allgemeinen Tendenz, zu dieser Zeit kauften bzw. bauten sich die Verbindungen eigene Häuser. In diesem Haus befanden sich neben dem Festsaal und den Aufenthaltsräumen zehn Zimmer für die aktiven Mitglieder. Bereits 15 Jahre später fasste man wegen der wachsenden Zahl der Mitglieder den Entschluss, das alte Haus abzutragen und an derselben Stelle ein neues mit zeitgemäßer Ausstattung und moderner Architektur errichten zu lassen. Das neue Corpshaus wurde von den Dresdner Architekten Lossow und Kühne im Jugendstil erbaut und 1907 eingeweiht. Im Ersten Weltkrieg diente es zeitweise als Lazarett.
Schon kurz nach der sog. Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 übten deren Organe, NSDStB und SA, zunehmenden Druck auf die Studentenverbindungen aus mit dem Ziel der Gleichschaltung (z. B. Einführung des „Führerprinzips“, Ausschluss „nichtarischer“ Mitglieder usw.). Schließlich lösten sich viele Verbindungen auf, Borussia im Mai 1936, andere gingen in sog. Kameradschaften auf. In den Jahren danach verlangte die Reichsstudentenführung die Übergabe des Corpshauses und des Vermögens des Vereins Alter Tübinger Preußen, gleichzeitig wollte das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) der SS das Haus als SS-Mannschaftshaus mieten. Nach langen Verhandlungen und schließlich Drohungen kam im Mai 1939 ein Vertrag mit der SS zustande mit dem Zugeständnis, dass der Altherrenverein nicht in den NS-Altherrenbund eintreten musste, er löste sich auf. Das Haus wurde während des Kriegs nicht nur von der SS, sondern auch von der NSV genutzt, nach dem Krieg von den französischen Besatzungstruppen.
1950 wurde das Corps Borussia in Tübingen wieder eröffnet, fünf Jahre später konnte das Corpshaus von den französischen Truppen übernommen werden. Die wertvolle Inneneinrichtung war jedoch weitgehend verschwunden, das ausgelagerte Inventar in Frankfurt während eines Bombenangriffs vernichtet.
Das Corps wird zum „Roten Kreis“ innerhalb des KSCV gezählt, dem auch das Corps Saxonia Jena, das Corps Hildeso-Guestphalia Göttingen, das Corps Saxonia Bonn sowie das Corps Vandalia Rostock angehören. 1923 und 1983 war Borussia präsidierendes Vorortcorps. Dem Corps Borussia gehören zurzeit (Stand 2009) 271 Mitglieder verschiedener Nationalitäten, unterschiedlicher Religionen und Hautfarben an.
Bekannte Mitglieder
- Heinrich Bossart (1857-1930), 1907-1918 Ministerpräsident von Mecklenburg
- Carl von Brandenstein (1855-1946), Innenminister (1920-1921) und Justizminister (1921-1922) von Thüringen
- Albert Cuntze (1870-1955), Verwaltungsjurist
- Hans Ellenbeck (1889-1959), Reichstagsabgeordneter und Geschäftsführer des Stifterverbandes der deutschen Industrie
- Georg von Eucken-Addenhausen (1855-1942), Gesandter und bevollm. Minister (Großherzogtum Oldenburg), Präsident der Ostfriesischen Landschaft
- Hans Goudefroy (1900-1961), Generaldirektor der Allianz Versicherungs-AG
- Fritz Gummert (1895-1963), Vorstandsmitglied der Ruhrgas AG (heute E.ON Ruhrgas AG), vertrat Deutschland auf der Londoner Schuldenkonferenz
- Volkmar Herntrich (1908-1958), Landesbischof von Hamburg
- Gerhard Koch (1906-1983), SPD-Politiker, Mitglied des Bundestags
- August Lentze (1860-1945), preußischer Staats- und Finanzminister, Präsident der Deutschen Rentenbank]
- Heinrich Maas (1908-1981), Senatsdirektor in Bremen
- Walter Reimers (1913-2010), Vizepräsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts
- Wilhelm Sauerwein (1872-1946), Staatsminister von Mecklenburg-Strelitz
- Wolfgang Schieren (1927-1996), Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsvorsitzender der Allianz AG
- Jürgen Baron von Schilling (1909-2008), Arzt und Ehrenbürger von Langeoog
- Henning Schulte-Noelle (* 1942), Vorstandsvorsitzender der Allianz AG und seit 2003 Aufsichtsratsvorsitzender der Allianz SE
- Theodor Schweisfurth (* 1937), Völkerrechtler
- Ulrich Seibert (* 1954), Professor, Leiter des Referats für Gesellschaftsrecht im Bundesministerium der Justiz
- Peter Silberkuhl (* 1939), Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
- Morris Simmonds (1855-1925), Pathologe
- August Skalweit (1879-1960), Volkswirt, Rektor der Universität Kiel
- Christian Streffer (* 1934), Strahlenbiologe, Rektor der Universität Essen
- Oscar Stübben (1877-1943), Oberpräsident in Posen
- Kurt Trinks (1882-1958), Jurist
- Hans Vaihinger (1852-1933), Philosoph und Kant-Forscher
- Wolfgang Weng (* 1942), FDP-Politiker, Mitglied des Bundestags
- Hermann Wennrich (1892-1974), Vizepräsident des Bundesfinanzhofs
Träger der Klinggräff-Medaille
Mit der Klinggräff-Medaille des Stiftervereins Alter Corpsstudenten wurde ausgezeichnet:
- Martin Biastoch (1991)
Siehe auch
Literatur
- Walter Berndt: Corps Borussia Tübingen 1870 - 1970. Tübingen 1971.
- Martin Biastoch: Duell und Mensur im Kaiserreich (am Beispiel der Tübinger Corps Franconia, Rhenania, Suevia und Borussia zwischen 1871 und 1895). Vierow 1995. ISBN 3-89498-020-6.
- Martin Biastoch: Tübinger Studenten im Kaiserreich. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, Sigmaringen 1996 (=Contubernium - Tübinger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 44). ISBN 978-3515080224
- Martin Biastoch: Das Preußenhaus in Tübingen, in: Wilhelm G. Neusel (Hrsg.): Kleine Burgen, große Villen - Tübinger Verbindungshäuser im Porträt, Tübingen 2009, S. 56-65, ISBN 978-3-924123-70-3
Weblinks
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