Fitzcarraldo

Fitzcarraldo
Filmdaten
Originaltitel Fitzcarraldo
Fitzcarraldo.svg
Produktionsland Bundesrepublik Deutschland
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1982
Länge 158 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Werner Herzog
Drehbuch Werner Herzog
Produktion Werner Herzog,
Willi Segler,
Lucki Stipetic,
Walter Saxer
Musik Popol Vuh
Kamera Thomas Mauch
Schnitt Beate Mainka-Jellinghaus
Besetzung
  • Klaus Kinski: Brian Sweeney Fitzgerald – 'Fitzcarraldo'
  • Claudia Cardinale: Molly
  • José Lewgoy: Don Aquilino
  • Miguel Ángel Fuentes: Cholo
  • Paul Hittscher: Captain (Orinoco Paul)
  • Huerequeque Enrique Bohorquez: Huerequeque (der Koch)

Fitzcarraldo ist ein Film des Regisseurs Werner Herzog und war dessen vierte Zusammenarbeit mit Klaus Kinski. Dieser spielt einen Exzentriker, der im Dschungel ein Opernhaus bauen möchte und dafür scheinbar Unmögliches versucht. Der Film startete am 4. März 1982 in den bundesdeutschen Kinos.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der exzentrische Abenteurer und Opernliebhaber Brian Sweeney Fitzgerald – von den spanischsprechenden Peruanern Fitzcarraldo genannt – träumt wie besessen davon, in Iquitos im peruanischen Dschungel ein Opernhaus nach dem Vorbild des Teatro Amazonas in Manaus zu errichten und den Sänger Enrico Caruso zu engagieren. Um den Bau finanzieren zu können, kauft er mit dem Geld seiner Geliebten Molly einen alten Flussdampfer, mit dem er Kautschuk-Handel betreiben will. Der Fluss zwischen den gewinnbringenden Kautschuk-Feldern und dem Amazonas ist jedoch durch Stromschnellen unpassierbar, weshalb Fitzgerald auf die Idee kommt, über den benachbarten Fluss eine Stelle anzusteuern, an der nur ein kleiner, bewaldeter Bergrücken die Flüsse trennt. Hier will er das Schiff über den Berg ziehen, um es auf dem anderen Fluss oberhalb der Stromschnellen als Transportschiff zu benutzen. Dabei helfen ihm unerwartet brasilianische Ureinwohner. Die Absichten der Indios sind lange unklar. Schließlich sabotieren sie nach gelungener Überquerung des Bergs das Projekt, indem sie das für sie heilige Boot zur Besänftigung der Flussgeister durch die Stromschnellen treiben lassen.

Hintergrund

Die Dreharbeiten verliefen unter teilweise äußerst schwierigen Umständen, die das Projekt in die Länge zogen. Ursprünglich war Jason Robards für die Titelrolle vorgesehen. Mick Jagger sollte dessen Gehilfen spielen, und Mario Adorf war für die Rolle des Kapitäns engagiert worden. Der halbe Film wurde mit diesen drei Schauspielern gedreht. Nachdem Robards die Dreharbeiten wegen einer Krankheit abbrechen musste, über die viel spekuliert wurde, überlegte Werner Herzog kurzzeitig, die Hauptrolle selbst zu spielen. Vorübergehend stand der völlige Abbruch des Films zur Diskussion, auch die Finanziers waren skeptisch. Jagger, der zuvor in Begleitung von Jerry Hall in Südamerika gedreht hatte, wollte zunächst weitermachen, musste dann aber wegen einer anstehenden Welttournee der Rolling Stones absagen. Schließlich wurde Kinski für die Hauptrolle engagiert, wobei die Erstellung eines detaillierten Vertrags erforderlich war. Auch das Drehbuch musste umgeschrieben werden, unter anderem wurde die für Jagger vorgesehene Rolle entfernt. Kinski verhielt sich teils kooperativ, teils schwierig, er stellte während der Dreharbeiten viele Forderungen, die er lautstark durchsetzen wollte. Auch private Umstände trugen zu Kinskis wechselnder Stimmung bei.[1]

Der Flussdampfer aus dem Film führt heute in der Region Madre de Dios ein Schattendasein

Die Dreharbeiten im Dschungel gestalteten sich so schwierig, dass „meine Aufgabe und die der Figur identisch geworden sind“, wie Herzog in seinen 2004 veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen Eroberung des Nutzlosen schreibt[2]. Herzog ließ mitten im Urwald einen Flussdampfer über einen Berg ziehen. Über die Verhandlungen mit der Chefetage von Twentieth Century Fox in Hollywood schreibt Herzog: „[Es] gilt hier als nicht diskutierte Selbstverständlichkeit, ein Modellschiff aus Plastik über einen Studiohügel zu ziehen, möglicherweise sogar in einem botanischen Garten, […] und ich sagte, die nicht diskutierbare Selbstverständlichkeit müsse ein wirklicher Dampfer über einen wirklichen Berg sein, aber nicht um des Realismus willen, sondern wegen der Stilisierung eines großen Opernereignisses.“[3] Mario Adorf hat später in Der Grenzgänger Herzog als menschenverachtenden und größenwahnsinnigen Regisseur dargestellt, der nicht nur hunderte von Urwaldbäumen fällen lässt, sondern auch planmäßig das Leben von Schauspielern und Indios riskiert. Umgekehrt sah Herzog bei den beiden ursprünglichen Darstellern Robards und Adorf „Starallüren“ und warf ihnen Feigheit und Dummheit vor.[4]

Das glückliche Ende der Arbeit an Fitzcarraldo wurde von allen Beteiligten mit großer Freude und Erleichterung begrüßt.[5] Während der Dreharbeiten boten die Ureinwohner nach Angaben Herzogs an, Klaus Kinski zu töten, der bei den Dreharbeiten wiederholt seine gefürchteten Wutausbrüche hatte.

Der Dokumentarfilm Die Last der Träume von Les Blank schildert die Dreharbeiten in Peru. Archivaufnahmen von Robards und Jagger sind auch in Werner Herzogs Dokumentation Mein liebster Feind von 1999 zu sehen. In diesem Film über die Zusammenarbeit und die Freundschaft mit Klaus Kinski spricht Werner Herzog unter anderem mit Claudia Cardinale und dem Fotografen Beat Presser über Fitzcarraldo und sagt dabei, dass die zentrale Szene des über den Berg gezogenenen Schiffs eine wichtige Metapher sei – er wisse nur nicht, wofür. Auch in den erwähnten Aufzeichnungen stellt Herzog dieses Bild an den Anfang, als eine „Vision“, die sich in ihm „festgekrallt“ habe.[6] Der Filmwissenschaftler Thomas Koebner deutet sie als Verbildlichung der Krise des deutschen Films, der sich in den beginnenden Achtzigerjahren in einer schwerfälligen Phase, wenn nicht gar in einem Stillstand befand.

Historischer Bezug

Fitzcarraldo existierte wirklich. Anders als im Film war der echte Fermín Fitzcarrald, genannt Fitzcarraldo, aber sehr wohlhabend. Der Kautschuk-Baron ließ sein Schiff allerdings nicht als Ganzes über einen Berg transportieren, sondern zuvor in seine Einzelteile zerlegen.

Der historische Fitzcarraldo schiffte erst vom Río Ucayali flussaufwärts in den Río Urubamba, dann in den Río Inuya und ließ dort sein Schiff in Teilen über den heute nach ihm benannten Isthmus tragen. Dies erforderte in Wirklichkeit jedoch einen wesentlich längeren Marsch als im Film gezeigt.

Er beschäftigte für diese Unternehmen tatsächlich hunderte Ureinwohner; darunter Matsiguenka, Asháninka, Yine und Shipibo-Conibo. Die Opferzahl war allerdings wesentlich höher als im Film, und in der Realität war die „Mitarbeit“ der Ureinwohner nicht freiwillig.

Soweit bekannt, interessierte sich der reale Fitzcarraldo nicht für die Oper. Darüber hinaus hat Enrico Caruso nie in Manaus gesungen.

Kritiken

  • Lexikon des internationalen Films: „Von der Idee besessen, eine große Oper in das noch unberührte Gebiet des Amazonas bringen zu sollen, erreicht Fitzcarraldo sein Ziel durch ein gefährliches Unternehmen, bei dem ein Schiff über eine unpassierbare Urwaldhöhe transportiert werden muss. Die filmische Realisation dieser Abenteuergeschichte gewinnt Reiz und Spannung aus der gewaltigen Kulisse und dem Widerstand einer exotischen Urlandschaft.“
  • Prisma Online: „Ein opulentes Filmmahl mit grandiosen Landschaftaufnahmen und einem wie besessenen Klaus Kinski in der Rolle des Fitzcarraldo. Einzigartig ist immer noch die Szene, in der das Schiff über den Berg gezogen wird.“
  • Christian David schreibt in seinem Buch Kinski. Die Biographie: „In der Schlussszene fährt Fitzcarraldo auf seinem Schiff, eine Oper wird behelfsmäßig aufgeführt, Klaus Kinski raucht eine große Zigarre – und er lacht, ganz entspannt, lacht all das Brütend-Hitzige der Herzog-Kinski-Filme einfach weg. Cardinale steht am Ufer, sieht und lächelt ihm zu, weil auch sie weiß, dass da jemand endlich bei sich selbst angekommen ist. Man fühlt sich an den Falstaff Giuseppe Verdis erinnert, der am Ende, nach all seinen Fehlschlägen und Irrtümern ebenfalls in ein großes Gelächter ausbricht – eine wenngleich verzweifelte Demontage der übertriebenen Ernsthaftigkeit, die ausdrücken möchte: Wir sind noch nicht tot, wir lachen noch! Und die Weisheit des Verdischen Falstaff ist auch jene von Herzog-Kinskis Fitzcarraldo, für Gehetzt-Verbissenes ist kein Platz mehr, und so wird dieser Film die Krönung der gemeinsamen Arbeit, das Lachen Fitzcarraldos konterkariert gleichsam das Bisherige, alle Ausbrüche, Verfluchungen, das Lachen ist auch eines über sich selbst. Hinter diesen Moment kann man nicht mehr zurückgehen. Fast scheint es, als habe Fitzcarraldo in einem kathartischen Akt Kinski und Herzog erlöst, der Film war ein Bruch im Schaffen von Regisseur und Hauptdarsteller gleichermaßen, er verlangte einen Neubeginn. Dies war einer der Gründe, weshalb Cobra Verde, der letzte Herzog-Kinski-Film, scheitern würde.“[7]

Sonstiges

Die Geographie im Film entspricht nicht der Realität. In Wirklichkeit mündet der Río Pachitea in den Río Ucayali und dieser in den Amazonas. Pachitea und Ucayali sind sich, außer bei deren Zusammenfluss, niemals näher als etwa 50 Kilometer, getrennt durch die 700 bis 1500 Meter hohe Gebirgskette Cordillera del sira.

Auch ein Filmfehler hat mit geografischen Begebenheiten zu tun: Auf einer Wandkarte sind die beiden Flüsse Río Pachitea und Río Ucayali zu sehen, die in gleicher Himmelsrichtung in den Amazonas fließen. Demnach müsste das Schiff, nachdem es über den Berg transportiert wurde, nach links flussabwärts treiben. Im Gegensatz dazu ist in der Szene, in der das Schiff wieder ins Wasser gleitet, zu sehen, dass der Ucayali vom Berg aus gesehen nach rechts fließt. Dies hat damit zu tun, dass das Schiff nicht von einem Fluss in den anderen, sondern nur einen Mäander schneidend vom Río Urubamba in den Río Urubamba gezogen wurde. Auf andere Weise wäre es nicht zu verwirklichen gewesen.

Ein Lied der irischen Rockband The Frames, ein elektronisches Stück des Holländers Legowelt und eine Aschaffenburger Instrumental-Band sind nach dem Film Fitzcarraldo benannt.

Die Rolle der Ureinwohner

Lange vor Der mit dem Wolf tanzt spielten in diesem Film traditionell lebende Indianer in ihrer tatsächlichen Kleidung mit und sprachen dabei in ihrer eigenen Sprache. Diese stammten aus den ethnischen Gruppen der Asháninka und Ashéninka, Matsigenka und einigen wenigen Yaminahua und Yine.

Ethnologisch bemerkenswert sind folgende Szenen des Films:

  • Als Frauen in einem Kanu das Rauschgetränk „Koyana“ zubereiten, das gekaut wird, bevor Fitzcarraldo es trinken muss.
  • Die Art, wie die Asháninka auf den Tod eines Jungen reagieren, indem sie sich bemalen, die Frauen „Ovashiretaantsi“, ein Trauerlied, singen (bemerkenswert sind die Kanon-artigen Imitationsfolgen) und alle sich eine Nacht in Meditation zurückziehen.
  • Das Fest am Schluss, in dem Panflöten (Sonkare) gespielt werden und „Itamporoti“ durch berauschte Männer getanzt wird.

Der Film gibt gute Einblicke in die Kultur der Asháninka-Ureinwohner. Ihre Äußerungen sind nicht durch Synchronisation verfälscht, die Statisten wurden mit relativ hohem Respekt behandelt. Als aktiv handelnde Personen werden sie positiv dargestellt und haben die Möglichkeit zu widerlegen, dass sie die „wilden Nacktärsche“ sind, als die sie im Film bezeichnet werden.

Die an den Dreharbeiten des Filmes beschäftigten Indianer wurden mit relativ hohen Gagen pünktlich ausbezahlt, was insbesondere für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlich war.

Auszeichnungen

Literatur

  • Herzog, Werner: Eroberung des Nutzlosen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-596-18348-7.
  • Schäfer, Manfred (Hrsg.): Weil wir in Wirklichkeit vergessen sind. Gespräche mit Indianern im Tiefland von Peru. München, 1982: Trickster Verlag.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. dazu Christian David: Kinski. Die Biographie. Berlin: Aufbau-Verlag 2006. S. 296–305.
  2. W. Herzog: Eroberung des Nutzlosen. Eintrag vom 18. Februar 1981., S. 158.
  3. W. Herzog, a. a. O., Eintrag vom 19./20. Juli 1979, S. 10.
  4. W. Herzog, a. a. O., Einträge vom 6. Januar 1981, S. 132, 7. Februar 1981, S. 141 f. u. a.
  5. Christian David: Kinski. Die Biographie. Berlin: Aufbau-Verlag 2006. S. 307.
  6. W. Herzog, a. a. O., „Prolog“, S. 7.
  7. Christian David: Kinski. Die Biographie. Berlin: Aufbau Verlag 2006. S. 306–307.

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