- Herrenvolk
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Der Begriff Herrenrasse bzw. Herrenvolk war ein zentraler Begriff zur Zeit des Nationalsozialismus. Innerhalb der NS-Ideologie wurde dieser Begriff benutzt, um das eigene oder verwandte germanische und „nordische“ Volk – als durch das „Blut“ überlegen – aus allen anderen Völkern herauszuheben. Dieser Begriff wurde auch von den Japanern benutzt, um ihr Volk als einzigartig und einmalig darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung des Begriffs
Der in der NS-Ideologie benutzte Begriff Herrenrasse und die dahinterstehende Rassentheorie haben ihren Ursprung in der Rassentheorie Arthur de Gobineau, der von einer Einteilung der Menschheit in Rassen ausging und eine Hierarchie der Rassen behauptete, an deren Spitze sich eine nordische, arische oder germanische Urrasse befinde. Gobineau behauptete in diesem Zusammenhang, eine Vermischung der Rassen führe zu Degeneration.
Vertreter einer ähnlichen Rassentheorie und auch des Sozialdarwinismus war Houston Stewart Chamberlain, der in seiner Vorstellung von der Welt die Auffassung vertrat, die „germanische Rasse“ sei zum Retter der Menschheit auserkoren.
Auch im Rahmen der Kolonialpolitik Großbritanniens und Deutschlands spielte der Begriff der Herrenrasse eine wichtige Rolle, indem die in einer Kolonie als überlegen angesehene Ethnie in einer Indirect Rule-Politik als Führungsschicht auserkoren wurde. In Bezug auf die afrikanischen Kolonien wurde zu diesem Zweck durch deutsche Afrikanisten teilweise pseudowissenschaftlich eine eigene Herrenrassentheorie entwickelt (Hamitentheorie).
Der deutsche Volkskundler und Turnvater Friedrich Ludwig Jahn äußerte, dass Kulturen degenerieren, wenn die reinen „Rassen“ sich vermischen („Deutsches Volkstum“).
Nationalsozialistische Rassenideologie
Die Rassentheorie Gobineaus war Grundlage für die NS-Ideologie, diese unterschied sich aber in einigen Punkten. So wurden die Klassifikationsmerkmale der postulierten Herrenrasse verändert um eine höhere Übereinstimmung mit den Bewohnern des Großdeutschen Reichs zu erhalten und der Antisemitismus und die spätere Judenverfolgung wurden entscheidender Bestandteil der NS-Ideologie. Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Meinung war „blond und blauäugig“ nicht das (alleinige) äußere Rasseideal. In der NS-Ideologie wurde wie in den meisten anderen ähnlichen Rassetheorien eine beträchtliche Varianz in Haar- und Augenfarbe innerhalb der behaupteten Herrenrasse angenommen.
Der nationalsozialistische Theoretiker Alfred Rosenberg hat einen Großteil der NS-Rassentheorie formuliert. Unter anderem auch den Ursprung der Arier. Die Bezeichnung arisch kommt von den Völkern des alten Iran und des Industales. Nach den Ideen von Gobineau und anderen behauptete Rosenberg, dass sie kämpferische Krieger waren, die in der nördlichen Klimazone entstanden, südwärts abwanderten und schließlich Indien erreichten. Sie sollten die Vorfahren der alten germanischen Stämme sein, die ihre kriegerischen Werte teilten. Unter (zweifelhafter) Berufung auf Friedrich Nietzsche behauptete Rosenberg, das Christentum sei eine fremde semitische Sklavenmoral, die den kriegerischen arischen Herrenrassen nicht gemäß sei.
In seinen massenbewegenden Reden hat Adolf Hitler oft das Bild rassischer Überlegenheit beschworen: „[…] der deutsche Junge der Zukunft muß schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl. Wir müssen einen neuen Menschen erziehen, auf daß unser Volk nicht an den Degenerationserscheinungen der Zeit zugrunde geht.”[1]
In gewisser Analogie bezeichneten sich z. B. die Japaner im Zweiten Weltkrieg als „Herrenrasse“, die die weißen Imperialisten aus Asien zu vertreiben hätten, innerhalb der USA spielten trotz des Status eines Vielvölkerstaates rassistische Wertungen über die Japaner eine Rolle. Deutlich massiver stellte sich die rassistische Ideologie im Zweiten Weltkrieg zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion dar, bzw. in der nationalsozialistischen Ablehnung der „Ostvölker“.
Unterdrückung und Vernichtung anderer Rassen und „rassenschädlicher Erbtypen“
Im Zuge der „nationalsozialistische Rassenhygiene“ erließen die nationalsozialistischen Machthaber die Nürnberger Gesetze, nach denen die Heirat von Deutschen und Juden oder anderen „Nichtariern“ verboten wurde. Durch Stammbäume beziehungsweise den sogenannten Ariernachweis mussten die Menschen während der Herrschaft des Nationalsozialismus ihre Herkunft nachweisen. Menschen mit geringer „nicht deutschblütiger“ (insbesondere jüdischer) „Rassebeimischung“ (sogenannte „Vierteljuden“, „Achteljuden“ usw.) durften und sollten allerdings lt. Gesetz ausdrücklich „Arier“ heiraten, um sie „aufzunorden“, was de facto einer „Reinhaltung“ des deutschen Rassecharakters zuwidergelaufen wäre. Nur wenige Deutsche entschlossen sich aber im judenfeindlichen Klima des Dritten Reichs noch zur Eheschließung mit („Halb“-, „Viertel“- usw.) Juden.
Um die behauptete Überlegenheit der nordischen Herrenrasse zu bewahren, wurden „defekte“, also kranke und behinderte Menschen im Rahmen der Aktion T4 ermordet. Sie war von Hitler in einem Führererlass befohlen worden und wurde von Karl Brandt geleitet und diente dazu, Menschen mit geistiger Behinderung, mit einer Geisteskrankheit oder mit einer Erbkrankheit zu töten. Die Zahl der Todesopfer wird auf 80.000 geschätzt.
Der nationalsozialistische Rassenwahn führte zur ethnisch-rassistisch motivierten Verfolgung Angehöriger von „Fremdrassen“ wie der Juden und der Roma und Sinti. Und zur eugenisch-rassistisch motivierten Verfolgung „minderwertiger“ „deutschblütiger“ Minderheiten wie der Behinderten und als „asozial“ etikettierter Gruppen der Unterschicht. Sie wurden in Konzentrationslagern und Vernichtungslagern deportiert, zu Zwangs- und Sklavenarbeit gezwungen und fielen in großer Zahl den Haftbedingungen und aggressiven Attacken ihrer Bewacher zum Opfer.
Im Zuge des Unternehmens Barbarossa weitete sich der Kreis der Verfolgten immer weiter aus. Nun gehörten auch Angehörige slawischer Völker zur Zielgruppe der Nationalsozialisten und wurden unterdrückt, verfolgt, deportiert und ermordet (siehe auch unter: Generalplan Ost, Hungerplan, Programm Heinrich).
Projekt Lebensborn
- Hauptartikel: Lebensborn
Parallel zur Apartheid gegen andersrassige Menschen wurde ein Programm zur Unterstützung der Aufzucht von „Herrenmenschen“ ins Leben gerufen, das aber nur in geringem Umfang durchgeführt wurde. Diese so genannte „Geheimsache Lebensborn“ war ein Lieblingsprojekt des Reichsführers Heinrich Himmler. 1935 wurde das „Heim Hochland“ in Steinhöring bei München eröffnet. Schwangere Frauen, die mindestens bis zu den Großeltern (im Krieg wurde diese Beschränkung dann weitgehend aufgehoben) bestimmte Rassemerkmale wie „blond“, „blauäugig“ o. dgl. nachweisen konnten, konnten sich bewerben. Falls ihr zugesagt wurde, konnte die Frau die gesamte Schwangerschaft inkognito, auf Wunsch auch weit entfernt vom Heimatort, bis einige Wochen nach der Geburt des Kindes in einem solchen Heim des „Lebensborn e.V.“ zubringen. Uneheliche Kinder, die sonst möglicherweise der (damals illegalen und damit auch für die Mutter lebensgefährlichen) Abtreibung zum Opfer gefallen wären, konnten geboren werden (sofern sie „deutschblütig“ waren). Auch die männlichen Erzeuger – meist SS-Männer – mussten Rassenachweise erbringen. Die Kinder wurden in den Heimen erzogen und später zur Adoption freigegeben, bevorzugt in Familien von SS-Angehörigen. Die Aktion Lebensborn wurde auch in Norwegen durchgeführt. In deutschen Lebensbornheimen wurden bis Kriegsende 8.000 Kinder geboren, in Norwegen 12.000.
Wissenschaftliche Bewertung
Voraussetzung für die Anwendung des Begriffes Herrenrasse und der zugrundeliegenden Theorie bzw. Ideologie ist die Einteilung der Menschen in Rassen. Moderne populations- und molekulargenetische Untersuchungen zeigen aber, dass die herkömmliche Einteilung der Menschheit in Rassen, wie dies der Systematik in der Zoologie entspricht, keine wissenschaftliche Grundlage besitzt.[2][3] Enzyklopädien, wie der Brockhaus oder Meyers Lexikon bezeichnen in ihren aktuellen (Brockhaus ab 2006) Ausgaben derartige typologisch-rassensystematische Kategorien als veraltet.
Zitate
- Joseph Goebbels am 17. Januar 1936 auf einer Rede vor dem Berliner Gautag:
- „Heute steckt in jung und alt, in hoch und niedrig, in arm und reich der besessene Wille, die deutsche Nation wieder zu einem Weltvolk emporzuführen. Jedermann bei uns ist davon überzeugt: Wir müssen an der Beherrschung der Welt teilnehmen. Wir müssen deshalb ein Herrenvolk werden, und deshalb müssen wir unser Volk zum Herrenvolk erziehen. Das muß schon beim kleinsten Pimpf anfangen, der schon in dieser Herrenmoral erzogen werden muß“[4]
- Der Gauleiter für die Ukraine Erich Koch:
- „Wir sind ein Herrenvolk, das bedenken muß, dass der geringste deutsche Arbeiter rassisch und biologisch tausendmal wertvoller ist als die hiesige Bevölkerung.“[5]
Quellen
- ↑ Adolf Hitler am 14. September 1935, Der Parteitag der Freiheit vom 10. bis 16. September 1935. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongressreden, München 1935, S. 183
- ↑ »In der Rassenkunde der Anthropologie wurde der Terminus „Rasse“ für die Klassifikation von Menschengruppen auf mehreren Niveaus unterhalb der Art Homo sapiens verwendet, wobei lediglich die sog. geographischen Großrassen (Europide, Mongolide, Negride) dem Status von Unterarten (vgl. Aspekt 3) hätten entsprechen können. Verschiedene populations- und molekulargenetische Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Einteilung in „Rassen“ beim Menschen keine genetische Grundlage hat.« aus: Lexikon der Biologie, Band 11, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3-8274-0336-7, S. 421 (Artikel: „Rasse“)
- ↑ Lexikon der Biologie, Band 9, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3-8274-0334-0, S. 170–177 (Artikel: „Menschenrassen“)
- ↑ Wolfgang Michalka: Deutsche Geschichte 1939-1945. Frankfurt am Main 1999, S. 89.
- ↑ Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Das Russlandbild im Dritten Reich. Köln 1994, S. 43 f.
Siehe auch
- Rassentheorien
- Hamitentheorie, die zur Postulierung von Tutsi und Hutu und in der Folge zum Völkermord in Ruanda führte
- Mischling
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