Jagdkampf

Jagdkampf

Jagdkampf ist eine Gefechtsart mit dem Auftrag, den Feind aufzuklären, durch ständige überraschende Angriffe abzunutzen, zu stören, zu täuschen und zu verstärkten Sicherungsmaßnahmen in seinem rückwärtigen Gebiet zu zwingen. Das Einsatzverfahren Jagdkampf kann sowohl in der Verteidigung, im Angriff als auch in der Verzögerung geführt werden. Im Jagdkampf eingesetzte Kräfte können tief in das Feindgebiet eindringen und dort ein Mehrfaches ihrer eigenen Stärke binden. Sie können Räume überwachen und im eigenen Rückwärtigen Gebiet schwache Feindkräfte vernichten. Die Kampfweise der im Jagdkampf eingesetzten Kräfte ist gekennzeichnet durch den ständigen Wechsel von Verbergen, heimlichen Bewegungen und überraschendem Zuschlagen in Handstreichen oder aus dem Hinterhalt. Dabei sollen sie sich vom Feind nicht binden lassen. Der Verlauf des Jagdkampfes ist trotz gründlicher Planung und Vorbereitung wenig voraussehbar. Einer Teileinheit wird dazu ein allgemeiner Auftrag befohlen und ihr bei der Durchführung größtmöglicher Freiraum belassen. Durch die Bedrohung mit Jagdkommandos werden gegnerische Kräfte im rückwärtigen Feindraum gebunden. Selten werden im tiefen rückwärtigen Feindraum oder in eigenen offenen Flanken Einheiten in Kompaniestärke zum Jagdkampf eingesetzt. Die Gefechtshandlungen im Winterkrieg und während des zweiten Weltkriegs im Fortsetzungskrieg in Finnland bieten dazu allerdings kriegsgeschichtliche Beispiele. Eigener Kräfteansatz gegen herausragende Feindziele im tiefen Feindraum erfolgt durch Kommandogruppen, zur Aufklärung durch Fernspähtrupps. Grundsätzlich erfolgt kein gemeinsamer Einsatz mehrerer Jagdkampfzüge, Fernspähtrupps oder Kommandogruppen. Ihre Zielsetzungen und Eindringtiefen widersprechen einander.

Inhaltsverzeichnis

Einsatzgrundsätze und Taktik

Jagdkampf wird durch einen ad hoc gebildeten Jagdkampfzug geführt. Dieser wird durch die den Einsatz führenden Brigade direkt geführt. Sie ist für die erweitere Ausstattung insbesondere mit weitreichenden Fernmeldemitteln und Sonderausrüstung verantwortlich. Ab der Kommandoebene Division als Großverband werden Kommandoteileinheiten für besondere Aufträge eingesetzt. In Ausnahmefällen kann auch das Bataillon als Gefechtsverband selbst den Einsatz eines Jagdkampfzuges befehlen, um Feindkräfte in seinem Verantwortungsbereich bei Angriff oder Verteidigung zu stören. Der Jagdkampfzug ist grundsätzlich nicht motorisiert. Ausnahme ist ein Einsatz im offenen, nicht bedeckten Gelände wie der trocken-heißen Klimazone (Wüste) oder in der trocken-kalten Klimazone (ewige Schneegebiete).

Jagdkampf kann nur von besonders belastbaren Soldaten geführt werden. Der Jagdkampf ist durch dauernde Bewegung im Einsatzraum geprägt. Durch das Beziehen von immer neuen Verstecken und nur dem zeitweiligen Verbleib an einem Ort wird es Feindkräften erschwert, das Jagdkommando in Ruhephasen nach Aufklärung überraschend anzugreifen.

Ziele des Jagdkampfzuges sind schwächere Feindkräfte wie Transportkolonnen mit Nachschub, Führungseinrichtungen ab Bataillonsstab aufwärts, Fernmeldeinrichtungen, Versorgungs- und Logistikpunkte, selten Feldflugplätze/Behelfslandezonen. Ein Einsatz gegen Instandsetzungspunkte ist wegen der dort stehenden gepanzerten Schadfahrzeuge nicht sinnvoll. Artilleriestellungen können in Ausnahmefällen das Ziel eines Handstreichs sein. Sie stellen aber – bis auf schwere Artillerieraketensysteme (SARS) mit ATACMS oder SS-26 Stone – grundsätzlich kein herausragendes Ziel dar. Durch Unbrauchbarmachen von verkehrstechnischen Einrichtungen wie Brücken oder Sperrung von Engen nach Sprengung, eisenbahntechnischen Einrichtungen, Wasserwegen oder wassertechnischen Einrichtungen kann die Bewegungsfähigkeit von Feindkräften stark beeinträchtigt werden.

Die Eindringtiefe beträgt zwischen 20 km bis unter 100 km mit einem Einsatzraum von rund 10x10 km bis zu 10x20 km. Die Ausdehnung bestimmt sich vor allem durch grossräumige natürliche und künstliche Geländelinien und die allgemeine Gestaltung des Geländeraumes. Im tiefen rückwärtigen Feindraum, dem Verantwortungsbereich des Korps, wird der Einsatz durch Kommandogruppen geführt. Die Einsatzdauer beträgt bis zu 14 Tage.

Die Verbringung eines Jagdkampfzuges erfolgt durch Sickern durch Lücken, Luftanlandung mit Hubschraubern, automatischem Fallschirmsprung oder durch mechanisierte Kräfte mit Kampf-, Schützen- und Transportpanzern nach Schlagen eines zeitweiligem gewaltsamem Durchbruchs durch die FLET (forward line enemy troops). Der Jagdkampfzug wird danach im rückwärtigen Feindraum abgesetzt und erreicht seinen Einsatzraum im Weiteren nach Fußmarsch durch Sickern. Für den Freifallsprung ausgebildete Soldaten sind allgemein nicht in der Infanterie zu finden. Dieses Einsatzverfahren zur Verbringung wird nur durch spezialisierte Kräfte angewandt. Jagdkampf ist durch hohe Beweglichkeit zu Fuß und dauernde Bewegung geprägt. Der Jagdkampfzug verlegt permanent seinen Aufenthalt und sichert sich dadurch gegen den Ansatz von Feindkräften.

Der Jagdkampf ist geprägt durch permanente Beachtung der allgemeinen Truppenaufgaben FAST und VASE. FAST ist das Merkwort jedes Soldaten für Feuerbereitschaft, Auflockerung, Schanzen, Tarnen. Dabei wird Deckung im Jagdkampf nicht durch Schanzen sondern durch dauernde Geländeausnutzung von natürlicher Deckung sowie Tarnung insbesondere durch Schlagschatten und Bodenbewuchs durch Geländebedeckungen erreicht. VASE ist das Merkwort jedes militärischen Führers für Verbindung, Aufklärung, Sicherung, Erkundung. Wesentliche Leistung des Jagdkampfzuges ist Tarnung insbesondere in der Bewegung und gegen elektronische Aufklärung im Fernmeldeverkehr, gegen Wärmestrahlung zur Vermeidung von Aufklärung durch Air Recce, im Nahbereich gegen optische Aufklärung, Gerüche und biologische Sensormittel wie Haus- und Hofhunde sowie Ziegen und Gänse, die bereits auf weitere Entfernung die Anwesenheit des Jagdkampfzuges anzeigen. Neben feindlichen Streitkräften steht der Jagdkampfzug meist unter der Bedrohungslage durch nicht-freundliche Zivilbevölkerung und oder irreguläre feindliche Kräfte.

Für den Einsatz des Jagdkampfzuges werden meist mehrere Versorgungsdepots als versteckte Erddepots angelegt. Diese können vorbereitet oder mit Beginn des Einsatzes angelegt werden. Wasser, Munition und Verpflegung bestimmen im Wesentlichen die Einsatzdauer. Die Aufklärung eines Jagdkampfzuges erfolgt häufig über Spuren im und am Versteck sowie an Wasserentnahmestellen, von wo aus sie mit Suchhunden bis zum Versteck verfolgt werden können. Wesentlich ist daher in der Ausbildung das Üben von Tarnung und das vermeiden von Spuren im Gelände.

Geeignete Notfallaufnahmepunkte (Hubschrauberlandezonen) werden ebenso wie mehrere Verstecke durch den Führer Jagdkampfzug bereits in der Planung festgelegt. Teile des Jagdkampfzugs unter Führung des Zugführers beginnen unmittelbar mit der Aufklärung im Einsatzraum. Der Jägerfeldwebel richtet das Versteck und abgesetzte Versorgungsdepots ein. Wesentlich in der Ausbildung ist es daher das Errichten eines Verstecks, dessen Tarnung mit dem Vermeiden von Spuren und den schnellen Abbau zu üben.

Der Jagdkampfzug ist neben weitreichenden Fernmeldemitteln, mit der für den Einsatzraum geeigneten Feld- und Biwakausrüstung und nach Bedarf mit Kampfmitteln wie Panzerabwehr-Richtminen DM-12 PARM, Personenabwehr-Richtminen M18 Claymore mit Zündkabel und schallgedämpften Handfeuerwaffen auszustatten. Ein Transport der umfangreichen Zusatzausstattung kann mit Infanteriekarren oder im Winter mit Akja erfolgen, unter besonderen Umständen mit Tragtieren. Für den motorisierten Einsatz werden zukünftig Hybrid-Kraftfahrzeuge mit Elektroantrieb einen geräuscharmen Einsatz ermöglichen.

Der Jagdkampfzug kann sich zusammensetzen aus

  • Führungstrupp,
  • Scharfschützentrupp, bis zu
  • vier Jägergruppen,

davon meist eine Trägergruppe mit Versorgungs- und Kampfmitteln.

Der Jagdkampfzug kann unterstützt werden durch je einen Trupp – Stärke meist 2 Soldaten –

  • Sanitäter,
  • Fernmelder – Fernmeldeverbindung Jagdkampfzug zum den Einsatz führenden Großverband,
  • Sprengtrupp/Pioniertrupp,
  • Joint Fire Support Team Unterstützung Artillerie und BAI (battelfield air interdiction) mit Jagdbombern,
  • leichte Heeresflugabwehr mit Fliegerfaust sowie
  • Hundeführer mit Diensthunden als Schutzhund und/oder Gefahrenabwehrhund sowie Sprengstoffsuchhund.

Nach vormaliger Doktrin hätte der Jagdkampfzug von bis zu 2 Mörsern unterstützt werden können, deren Transport und insbesondere deren Munition durch Tragtiere, bei motorisiertem Einsatz mit Mörserträgern, hätte erfolgen sollen – siehe dazu Dach „Kampf unter besonderen Umständen“. Diese Unterstützung erfolgte während des Einsatzes von SAS Zügen in den Golfkriegen.

Jagdkampf im Gebirge und Hochgebirge macht den Einsatz von Heeresbergführern mit einem Hochgebirgsjägerzug erforderlich.

Beim Jagdkampf in rückwärtigen Gebieten ist ein Hundeführertrupp mit Sprengstoffsuch- und Fährtenhunden dem Jagdkampfzug zu unterstellen. Der Einsatz von Fährtenhunden ist beim Jagdkampf sinnlos, der Einsatz von Schutzhunden, Gefahrenabwehrhunden und Sprengstoffspürhunden unterstützt diesen jedoch und sichert die selbständig eingesetzte Teileinheit ab.

Verfahren beim Jagdkampf

Ausbildung

Der Jagdkampf wird in den Infanterie Truppen ausgebildet. Militärische Führer werden bei der Bundeswehr im Einzelkämpferlehrgang 2 zum Führer und Ausbilder im Jagdkampf an der der Luftlande- und Lufttransportschule früher auch an der Infanterieschule ausgebildet. Weiterführende Lehrgänge sind der Combat Survival und Combat Medical am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen sowie die Lehrgänge Winterkampf und Kampf in schwierigem Gelände an der Gebirgs- und Winterkampfschule.

Geschichte des Jagdkampfes

Geschichtlich gesehen ist der Kampf im Rückwärtigen Feindraum nicht neu. Dieser wurde ab den Zeiten der stehenden Heere meist durch berittene Freischaren wie den kroatischen Reitern, Panduren sowie Husaren geführt.

Während des Franzosen- und Indianerkrieges in Nordamerika wurde diese Gefechtsart durch Robert Rogers mit seiner Ranger Company of Blanchard's New Hampshire Regiment angewandt. Auf ihn geht die schriftliche Verhaltensanweisung für den einzelnen Soldaten und die Gefechtsführung mit dem Plan of discipline zurück.

Kriegsgeschichtliches Beispiel für den Einsatz einer größeren selbständigen Gefechtsgruppe im Jagdkampf gibt Paul von Lettow-Vorbeck mit dem Einsatz der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika (DOA) oder T. E. Lawrence mit dem Einsatz irregulärer Beduinentruppen auf der Arabischen Halbinsel und im Sinai während der Arabische Revolte bei dem die für den Nachschub wesentliche Hedschasbahn sowie die weiteren Osmanischen Militärbahnstrecken in Palästina immer wieder durch Hinterhalte und Sprengungen unterbrochen wurde.

Lehren konnten während des Fortsetzungskrieges in Lappland Finnland durch deutsche Kräfte der Gebirgsjäger gewonnen und ausgewertet werden, wie sie der Kampfweise der nicht motorisierten Infanterie der Finnischen Armee mit der Motti-Taktik entsprachen.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  • Heeresdienstvorschrift (HDv) 100/900
  • Werner Ebeling, Horst Engelbrecht: Kämpfen und Durchkommen. ISBN 978-3763754410
  • Heinz Volz: Überleben in Natur und Umwelt: Mit einfachen Mitteln Gefahren meistern. Mit ABC-Teil und Ausbildungsplan ISBN 978-3802964367
  • Werwolf – Winke für Jagdeinheiten. Nachdruck HDv WH, ISBN 978-3939700173
  • Jürgen Pöppelmann: Überleben in Extremsituationen aus militärischer Sicht. ISBN 978-3763762606
  • Dirk Freudenberg: Theorie des Irregulären: Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg. ISBN 978-3531157375
  • Hans von Dach: Gefechtstechnik : Band 2: Kampf unter besonderen Umständen. Schweizerischer Unteroffiziersverband; Auflage: 5 Auflage, (1992) ASIN: B003VCVJ2W
  • Hans von Dach: Der totale Widerstand
  • Hans von Dach: Gefechsttechnik. Band 1: Allgemeine militärische Grundlagen ISBN 978-3906572482

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