- Joachim Heer
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Joachim Heer (* 25. September 1825 in Glarus; † 1. März 1879 in Bern) war ein Schweizer Politiker. 24 Jahre lang gehörte er der Regierung des Kantons Glarus an, davon 18 Jahre als Landammann. Ebenfalls 18 Jahre lang vertrat er seinen Kanton im Nationalrat. 1875 wurde er als Vertreter der liberal-radikalen Fraktion (der heutigen FDP in den Bundesrat gewählt. 1877 war er Bundespräsident. Sein grösster Erfolg war die Rettung der im Bau befindlichen Gotthardbahn vor dem finanziellen Kollaps.
Inhaltsverzeichnis
Studium und Kantonspolitik
Heer entstammte einer angesehenen Glarner Familie. Sein Vater Cosmus Heer war Landammann des Kantons Glarus, ebenso der gleichnamige Urgrossvater. Grossvater Joachim Heer und Grossonkel Niklaus Heer hatten während der Helvetik nacheinander das Amt des Regierungsstatthalters des Kantons Linth inne. Heer studierte Rechtswissenschaft an der Universität Zürich, an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg und an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. 1846 schloss er das Studium mit dem Doktorat ab. Seine erste berufliche Tätigkeit war jene als Richter am Zivilgericht. 1850 heiratete er Anna Katharina Iselin.
Rasch stieg Heer in seinem Heimatkanton die Karriereleiter empor. Nach der Wahl in den Kantonsschulrat (1848) und in die Standeskommission (1851) wurde er 1852 Landesstatthalter. 1853 setzte er sich für den Bau einer Eisenbahnlinie durch das Tal ein, die sechs Jahre später durch die Vereinigten Schweizerbahnen eröffnet wurde. 1857 folgte schliesslich die Wahl zum Landammann. Dieses Amt, das dem Vorsitzenden der Kantonsregierung entspricht, übte er 18 Jahre lang aus. In diese Zeit fallen der Wiederaufbau des Hauptortes Glarus nach der Brandkatastrophe von 1861 und die Umsetzung des fortschrittlichsten Fabrikgesetzes der Schweiz.
Bundespolitik
Im Oktober 1857, wenige Monate nach der Wahl zum Landammann, wurde Heer auch in den Nationalrat gewählt. Politisch gehörte er zum liberalen Zentrum. 1863 und 1869/70 war er Nationalratspräsident. Er präsidierte 1863 die für die Juragewässerkorrektion zuständige Kommission und 1864 eine Handelsdelegation in Frankreich. In den Jahren 1867 und 1868 war er zeitweilig in Berlin Gesandter beim Norddeutschen Bund. Heer galt als ausgezeichneter Vermittler und erhielt deswegen bereits 1863 einzelne Stimmen bei der Bundesratswahl. 1866 erzielte er zwei Stimmen mehr als der amtierende Wilhelm Matthias Naeff, zog sich dann aber zurück.
Am 10. Dezember 1875 mussten gleich vier Bundesräte ersetzt werden. Heer unterlag bei der Wahl des vierten Mitglieds Louis Ruchonnet, der später jedoch ablehnte und durch Numa Droz ersetzt wurde. Bei der Wahl des fünften Mitglieds setzte er sich im ersten Wahlgang mit 91 von 170 Stimmen gegen Fridolin Anderwert durch. Die Bundesversammlung wählte Heer am selben Tag auch zum Vizepräsidenten. In seinem ersten Amtsjahr leitete er das Post- und Telegraphendepartement.
1877 war Heer als Bundespräsident wie damals üblich zugleich Vorsteher des Politischen Departements und somit Aussenminister. Drängendstes Problem dieses Jahres war die massive Kostensteigerung beim Bau der Gotthardbahn. Heer präsidierte in Luzern die Konferenz der beteiligten Staaten, an welcher der Verteilungsschlüssel der Ergänzungssubvention beschlossen wurde. 1878 leitete Heer das Eisenbahn- und Handelsdepartement. In dieser Funktion schloss er einen Handelsvertrag mit Rumänien ab und setzte das gesamtschweizerische Fabrikgesetz um, das auf dem Glarner Vorbild beruhte. Auch konnte er 13 Kantone dazu bewegen, sich finanziell an der Gotthardbahn zu beteiligen, womit dieses Jahrhundertprojekt endgültig gesichert werden konnte.
Im Februar 1877 war Heer an einer schweren Brustfellentzündung erkrankt, von der er sich nie mehr richtig erholte. Am 10. Dezember 1878 gab er seinen Rücktritt bekannt, sein Amt übergab er am 28. Dezember an Simeon Bavier. Ende Februar 1879 erlitt er einen Schlaganfall, dem er wenige Tage später erlag.
Sonstiges
Von 1867 bis 1868 war Heer Schweizer Botschafter in Deutschland. Im Roman Vrenelis Gärtli von Tim Krohn spielt die eng an Joachim Heer angelehnte Figur des «Herrn Heer» und seiner Tochter eine wichtige Rolle. Das Vreneli rettet das «Fralein Heer» vor einem Verfolger und wird zum Dank von deren Vater unterstützt.[1]
Literatur
- Carlo Moos: Joachim Heer. In: Urs Altermatt (Hrsg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein biographisches Lexikon. 2. Auflage. Artemis Verlag, Zürich/München 1991, ISBN 3-7608-0702-X, S. 202–206.
- Georg von Wyß: Heer, Joachim. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 11, Duncker & Humblot, Leipzig 1880, S. 235–238.
Weblinks
Einzelnachweise
Vorgänger Amt Nachfolger Josef Martin Knüsel Mitglied im Schweizer Bundesrat
1876–1878Simeon Bavier Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)Wilhelm Matthias Naeff | Josef Munzinger | Jakob Dubs | Jean-Jacques Challet-Venel | Eugène Borel | Joachim Heer | Johann Jakob Scherer | Karl Schenk | Emil Welti | Simeon Bavier | Adolf Deucher | Josef Zemp | Robert Comtesse | Ludwig Forrer | Louis Perrier | Robert Haab | Marcel Pilet-Golaz | Enrico Celio | Josef Escher | Giuseppe Lepori | Willy Spühler | Rudolf Gnägi | Roger Bonvin | Willi Ritschard | Leon Schlumpf | Adolf Ogi | Moritz Leuenberger | Doris Leuthard
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