- Emil Welti
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Friedrich Emil Welti (* 23. April 1825 in Zurzach; † 24. Februar 1899 in Bern; ausschliesslich Emil Welti genannt), war ein Schweizer Politiker, Rechtsanwalt und Richter. Von 1856 bis 1866 gehörte er der Regierung des Kantons Aargau an, ab 1857 auch dem Ständerat. 1867 wurde er als Vertreter der liberal-radikalen Fraktion (der heutigen FDP) in den Bundesrat gewählt. Welti zählte zu den einflussreichsten Schweizer Politikern dieser Epoche. Er vereinheitlichte die Armee, gestaltete die totalrevidierte Bundesverfassung von 1874 massgeblich mit und verhalf der Gotthardbahn auf politischer Ebene zum Durchbruch. Nach der gescheiterten Verstaatlichung der wichtigsten Privatbahnen trat er 1891 zurück. Insgesamt war er sechsmal Bundespräsident, was neben ihm nur Karl Schenk gelang.
Inhaltsverzeichnis
Familie, Studium und Beruf
Er wurde als ältestes von neun Kindern einer angesehenen Politikerfamilie geboren. Sein Vater Jakob Welti war Gemeinderat von Zurzach, Grossrat und Oberrichter, sein Grossvater Abraham Welti Mitglied der Nationalversammlung der Helvetischen Republik und der Consulta. Nach der Gemeinde- und Sekundarschule in Zurzach besuchte Welti von 1840 bis 1844 die Kantonsschule Aarau, wobei er stets Klassenbester war. Von 1844 bis 1847 studierte er Rechtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena (Mitglied der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller) und an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Dabei wurde er von Adolf Rudorff, Georg Friedrich Puchta und Friedrich Schelling geprägt.
Auf Wunsch seines Vaters verzichtete Welti auf eine akademische Laufbahn und arbeitete stattdessen als Rechtsanwalt. 1847 nahm er am Sonderbundskrieg teil und war anschliessend Aktuar der Untersuchungskommission gegen den Kriegsrat des Sonderbundes. Von 1852 bis 1856 war er Präsident des Bezirksgerichts Zurzach. 1853 heiratete er Carolina Gross. Das Paar hatte zwei Kinder: Louise Mathilde und Friedrich Emil Welti, späterer Ehemann von Alfred Eschers Tochter Lydia Escher.
Kantons- und Bundespolitik
1856 wurde Welti in den Grossen Rat des Kantons Aargau gewählt. Dieser wählte ihn noch im selben Jahr zum Regierungsrat. Während seiner ersten Amtszeit war er Vorsteher des Justizdepartements, in diese Zeit fallen die Einführung eines neuen Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung sowie der Bau der Strafanstalt Lenzburg. Von 1862 bis 1866 stand er dem Erziehungsdepartement vor und schuf ein neues Schulgesetz. Seine Forderungen nach der Zivilehe und der vollständigen rechtlichen Gleichstellung der Juden konnten aber zunächst nicht durchgesetzt werden. In den Jahren 1858, 1862 und 1866 war er Landammann.
1857 wählte der Grosse Rat Welti auch zum Ständerat und bestätigte ihn alljährlich bis 1866. Sogleich nahm er eine führende Rolle ein und äusserte sich zu zahlreichen wichtigen Themen wie zum Handelsvertrag mit Frankreich und zu einer Eisenbahnlinie durch die Alpen. In den Jahren 1860 und 1866 war er Ständeratspräsident. Der Bundesrat entsandte ihn 1860 als eidgenössischen Kommissar nach Genf, um während des Savoyerhandels zu vermitteln. Daraufhin verliehen die Genfer ihm das Ehrenbürgerrecht. 1864 musste er wiederum in Genf vermittelnd eingreifen, als dort nach den Staatsratswahlen Unruhen ausbrachen. 1866 erhielt er den Ehrendoktortitel der Universität Zürich, 1867 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Aarau.
Bundesrat
Bei den Bundesratswahlen 1863 unterlag Welti nur knapp dem Amtsinhaber Friedrich Frey-Herosé. Nachdem dieser auf Ende 1866 seinen Rücktritt erklärt hatte, gehörte Welti zu den aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge. Unterstützung erhielt er als Anhänger eines zentralistischen Staates vom linken Flügel, den Radikalen. Auch auf die Wirtschaftsvertreter um «Eisenbahnkönig» Alfred Escher konnte er zählen, da er entschiedener Anhänger der Gotthardbahn war. Bei der Wahl des fünften Regierungsmitglieds am 8. Dezember 1866 erhielt Welti im ersten Wahlgang 103 von 159 gültigen Stimmen, am 1. Januar 1867 trat er sein Amt an.
Von Beginn an gehörte Welti in der Landesexekutive zu den einflussreichsten Persönlichkeiten. Während seiner 24-jährigen Amtszeit stand er vier verschiedenen Departementen vor: Militärdepartement (1867–68, 1870–71, 1873–75), Politisches Departement (1869, 1872, 1876, 1880, 1884), Post- und Eisenbahndepartement (1877–79, 1882–83, 1885–91) und Justiz- und Polizeidepartement (1881). In den Jahren 1869, 1872, 1876, 1880, 1884 und 1891 war er Bundespräsident. Aufgrund seines Aussehens und seiner deutschfreundlichen Haltung wurde er gelegentlich als «schweizerischer Bismarck» bezeichnet.
Als Verteidigungsminister trieb Welti die Zusammenführung der einzelnen kantonalen Heere zu einer einheitlich bewaffneten und ausgebildeten Schweizer Armee voran. Die Notwendigkeit wurde vor allem nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1871 offensichtlich, als sich herausstellte, dass die Handlungsfähigkeit des Heeres nur gering war und es darüber hinaus zu Kompetenzstreitigkeiten mit General Hans Herzog gekommen war. Bei der Debatte um die Totalrevision der Bundesverfassung vertrat Welti einen zentralistischen Standpunkt. Der von ihm massgeblich geprägte Verfassungsentwurf von 1872 scheiterte bei der Volksabstimmung jedoch knapp mit 50,5 % Nein-Stimmen. Er musste einige föderalistische Kompromisse hinnehmen, doch konnte er bei der letztlich angenommenen Verfassung von 1874 sein wichtigstes Anliegen, die Vereinheitlichung des Rechts, durchsetzen. Aus dem Kulturkampf hielt er sich weitgehend heraus und nahm eine vermittelnde Rolle ein.
Die Eisenbahnpolitik war ein weiterer Schwerpunkt von Weltis Tätigkeit. In die Frage, ob die geplante Alpenbahn durch den Gotthard oder den Splügen führen sollte, konnte er als Vertreter des Bundes nicht direkt eingreifen, da das Eisenbahnwesen Sache der Kantone und der Privatunternehmen war. In Verhandlungen konnte er aber Italien und das Deutsche Reich davon überzeugen, das Gotthardprojekt zu unterstützen und dafür Subventionen zu leisten. Ausserdem sicherte er dem Bund ein Aufsichts- und Mitbestimmungsrecht, da er dieses Projekt von nationaler Bedeutung nicht allein den Privaten überlassen wollte. Als das Unternehmen 1878 an den immer höher werdenden Kosten zu scheitern drohte, konnte er im Parlament trotz heftiger Opposition eine Nachsubventionierung durchsetzen.
Erstmals war 1862 der Rückkauf der privaten Eisenbahnen durch den Bund zur Debatte gestanden, war aber damals am Widerstand der Kreise um Alfred Escher gescheitert. Die Situation änderte sich mit der Eisenbahnkrise Ende der 1870er-Jahre. Der Bund hätte erstmals 1883 sein Rückkaufsrecht geltend machen können, doch wegen der zu hohen Bewertung der Vermögen wäre der Preis zu hoch gewesen. Daraufhin stellte Welti die finanzielle Verwaltung der Bahngesellschaften unter die Aufsicht des Bundes. Nachdem Verhandlungen mit der Nordostbahn gescheitert waren, konnte der Bund 1890 ein grosses Aktienpaket der Jura-Simplon-Bahn übernehmen.
Rücktritt
1891 konnte Welti mit der Centralbahn einen Rückkaufsvertrag abschliessen, der vom Parlament genehmigt wurde. Doch gegen die Vorlage kam ein Referendum zustande und am 6. Dezember 1891 wurde der Rückkauf bei der Volksabstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit deutlich abgelehnt. Noch am selben Tag erklärte Welti seinen Rücktritt auf Ende Jahr. Das Parlament versuchte ihn vergeblich davon abzubringen und nahm schliesslich am 17. Dezember sein Rücktrittsgesuch an. 1898 gelang seinem Nachfolger Josef Zemp die Verstaatlichung der wichtigsten Privatbahnen. Ein weiterer Grund für Weltis Rücktritt dürfte die Familientragödie um Schwiegertochter Lydia gewesen sein, die sich am 12. Dezember das Leben nahm.
In der Politik übernahm Welti keine Aufgaben mehr. Im Auftrag des Bundesrates war er jedoch in Handels- und Eisenbahnangelegenheiten tätig. Er widmete sich wissenschaftlichen Studien und unterrichtete gelegentlich am Städtischen Gymnasium in Bern. Im Alter von 73 Jahren starb er an den Folgen einer Gehirnerschütterung und einer Lungenentzündung.
Literatur
- Heinrich Staehelin: Emil Welti. In: Urs Altermatt (Hrsg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein biographisches Lexikon. 2. Auflage. Artemis Verlag, Zürich/München 1991, ISBN 3-7608-0702-X, S. 178–183.
- Historische Gesellschaft des Kantons Aargau (Hrsg.): Biographisches Lexikon des Kantons Aargau 1803–1957. In: Argovia. Band 68/69, Verlag Sauerländer, Aarau 1958, S. 851.
- Peter Kaupp: Welti, Emil, in: Von Aldenhoven bis Zittler, Mitglieder der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller-Jena, die in den letzten 100 Jahren im öffentlichen Leben hervorgetreten sind, Dieburg 2000
- Wilhelm Oechsli: Welti, Emil. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 376–384.
Weblinks
- Emil Welti im Historischen Lexikon der Schweiz
- Literatur von und über Emil Welti im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Vorgänger Amt Nachfolger Friedrich Frey-Herosé Mitglied im Schweizer Bundesrat
1867–1891Josef Zemp Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS)Ulrich Ochsenbein | Friedrich Frey-Herosé | Jakob Stämpfli | Constant Fornerod | Emil Welti | Victor Ruffy | Paul Cérésole | Johann Jakob Scherer | Wilhelm Hertenstein | Walter Hauser | Emil Frey | Eduard Müller | Eugène Ruffy | Ludwig Forrer | Arthur Hoffmann | Camille Decoppet | Karl Scheurer | Rudolf Minger | Karl Kobelt | Paul Chaudet | Nello Celio | Rudolf Gnägi | Georges-André Chevallaz | Jean-Pascal Delamuraz | Arnold Koller | Kaspar Villiger | Adolf Ogi | Samuel Schmid | Ueli Maurer
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