Kaldenkirchen

Kaldenkirchen
Kaldenkirchen
Stadt Nettetal
Koordinaten: 51° 19′ N, 6° 12′ O51.3208333333336.199444444444540Koordinaten: 51° 19′ 15″ N, 6° 11′ 58″ O
Höhe: 40 m ü. NN
Fläche: 15,11 km²
Einwohner: 9.867
Eingemeindung: 1. Jan. 1970
Postleitzahl: 41334
Vorwahl: 02157

Kaldenkirchen ist ein Stadtteil von Nettetal im Kreis Viersen in Nordrhein-Westfalen und liegt direkt an der deutschen Grenze zu den Niederlanden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

ehemaliges Gemeindewappen

Bis zum Jahr 1814

Zum ersten Mal tauchte der Ortsname „Caldenkirken“ 1206 in einer Urkunde auf, einer Vereinbarung über die künftige Ehe zwischen Graf Gerhard IV. von Geldern mit der brabantischen Herzogstochter Margaretha. Eine Abschrift dieser Urkunde befindet sich heute im Königlichen Generalarchiv in Brüssel. Der Name geht wahrscheinlich darauf zurück, dass die Pfarrkirche im Ort (erstmals erwähnt 1276) zur Zeit der Namensgebung noch „kalt“, also nicht fertiggestellt war.[1]

Im frühen 14. Jahrhundert kam der Ort unter die Herrschaft der Grafen und späteren Herzöge von Jülich und gehörte bis zum Einmarsch der Franzosen im Jahr 1794 zum Herzogtum Jülich. Ab dem Jahr 1600 nahm Kaldenkirchen stadtähnliche Strukturen an und wurde als Festung bezeichnet. 1619 wurde erstmals ein Bürgermeister erwähnt.

Auch einige Kaldenkirchener gehörten zu den 13 deutschen Quäker- und Mennonitenfamilien, die 1683 aus Krefeld aufbrachen und mit dem Schiff „Concord“ nach Philadelphia auswanderten und sich dort im neu gegründeten Vorort Germantown niederließen.

1814 bis heute

Nach dem Wiener Kongress 1814 gehörte Kaldenkirchen zu Preußen; 1819 wurde das Hauptzollamt errichtet. 1856 durfte sich der Ort per Erlass des Königs Friedrich Wilhelms IV. als Stadt bezeichnen. 1866 und 1868 wurden die Eisenbahnstrecken Venlo-Kaldenkirchen und Kempen-Kaldenkirchen eingeweiht. 1903 genehmigte Kaiser Wilhelm II. das Stadtwappen. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt evakuiert. 1947 zerstörte ein Brand 90 % des Waldbestandes.

Im Jahr 1961 hatte Kaldenkirchen 6305 Einwohner, wovon 23% Heimatvertriebene waren. Am 1. Januar 1970 wurde die Stadt ein Teil der am selben Tag gebildeten Stadt Nettetal.[2][3]

Religion

Die beherrschend in der Mitte des Orte liegende katholische Pfarrkirche, ein dreischiffiger neugotischer Hallenbau, übernahm von ihrer spätgotischen Vorgängerin nur den quadratischen Westturm mit sparsamer Spitzbogengliederung.

Die Kirche war früher nicht nur Pfarr-, sondern auch Klosterkirche für zwei östlich der Kirche gelegene Klöster. Hinter der romanisierenden Pfarrhausfassade von 1844 verbirgt sich das Mönchshaus des Brigittiner-Doppelklosters Maria Frucht. Das Frauenkloster lag nördlich des Kirchenchores und ist in wesentlichen Teilen seiner Bausubstanz ebenfalls erhalten.

Es bildete sich eine kleine reformierte Gemeinde. Diese konfessionelle Minderheit erbaute 1672 eine Kirche, die von der Straße nicht sichtbar ist. Sie liegt versteckt hinter dem Pfarrhaus. Ein kleiner Innenhof befindet sich zwischen diesen Gebäuden, ein enger Gang erlaubt den stadtseitigen Zugang. Die Kirche gehört somit zu dem Typ der Hofkirchen. Die Gemeinde gehört heute zur Evangelischen Kirche im Rheinland.

1873 errichtete die jüdische Gemeinde eine Synagoge, die 1938 im Novemberpogrom geschändet wurde. Die heutige Straßenbezeichnung Synagogenstraße erinnert an das Gebäude.

Sehenswürdigkeiten

Katholische Pfarrkirche St.Clemens

Die heutige dreischiffige neugotische Kirchenhalle wurde 1893 bis 1897 gebaut. Sie enthält einige Teile aus der Vorgängerkirche: das Altarbild von Hans von Aachen, ein spätgotisches Kreuz von ca. 1500 sowie ein Messingtaufbecken von 1793. Der Turm ist 59 m hoch und wurde im späten 15. Jahrhundert errichtet.[4]

Die evangelische Hofkirche

Durch das Schul- und Pfarrhaus war die 1672 erbaute Hofkirche der kleinen reformierten Gemeinde von der Straße abgeschirmt. An der Kirchenmauer sind Grabplatten befestigt.

Rokoko Pavillon

In einem zentrumsnah gelegenen Garten befindet sich ein Garten-Pavillon [5] aus dem 18. Jahrhundert, eine zierliche Erholungsarchitektur von hohem künstlerischen Wert.

Eingangsbereich der Sequoiafarm Kaldenkirchen
Christian Hohe: Rittergut Altenhof
Riesenmammutbäume in der Sequoiafarm

Erholungs- und Naturschutzgebiet Grenzwald

Der im Landschaftsschutzgebiet liegende Kaldenkirchener Grenzwald enthält einige Naturschutzgebiete[6], den Schlucht genannten Abhang zur Maas mit weitem Blick in die holländische Niederung, das Arboretum Sequoiafarm Kaldenkirchen[7] und den Geo-hydrologischen Wassergarten

Rittergut Altenhof

Bereits 1312 wurde das Gut erwähnt. Bis zur Veräußerung im Jahre 1833 blieb das Gut fast 500 Jahre im Besitz der Grafen von Spee. Oberhalb des Eingangstores befindet sich das Allianzwappen mit dem Hahn der von Spees und der Herren von Scheidt genannt Weschpfennig. Das Gut ist heute ein landwirtschaftlicher Betrieb im Besitz der Familie Baum-Underberg.

Brigitten-Kloster

Das Kloster, auch Brigittenheim genannt, wurde 1625 gegründet und bestand aus einem Frauen- und Männerkloster. Es gehörte zum Orden der heiligen Brigitta von Schweden. Das Männerkloster, in dem früher Priester- und Laienmönche lebten, ist das heutige Pastorat; das Frauenkloster, das einen nicht einsehbaren Zugang zur Kirche hatte, wird gegenwärtig als Kindergarten benutzt.

Ehemaliges Hauptzollamt

1818 erhielt Kaldenkirchen wegen der exponierten Lage an der Westgrenze ein Hauptzollamt. Der große zweigeschossige Putzbau wurde in den 70er Jahren restauriert. Er wird heute als „Bürgerhaus“ genutzt.

Sonstige

Weitere Sehenswürdigkeiten sind das Kriegerdenkmal von 1913, das 1775 erstmals erwähnte Marienkapellchen (auch Königskapellchen genannt), und ein Gebäude, das von 1601 bis 1898 als Rathaus diente. 2002 wurde der Tolkemit-Gedenkstein mit einem Anker errichtet; etwa 600 Tolkemiter fanden 1946 in der Stadt Nettetal ein neues Zuhause.[8]

Wirtschaft

Geschichte

Kaldenkirchen wurde in der Vergangenheit in seiner wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder zurückgeworfen. Über 150 Jahre war das Wirtschaftsleben von der Tabakindustrie geprägt. 1921 beschäftigten die Tabak- und Zigarrenfabriken der Stadt 1217 Personen, ca. 65 % der in Kaldenkirchen arbeitenden Bevölkerung. Zoll- und steuerpolitische Veränderungen brachten dann diese Industrie gänzlich zum Verschwinden. Um die Jahrhundertwende ins 20. Jahrhundert entwickelte sich wegen der Tonvorkommen im Grenzwald eine Dachziegel- und Tonröhrenindustrie, die ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg den Anschluss an die kapitalkräftigen Konkurrenten verlor.[9]

Widerstandsfähiger hatte sich das 1815 aufgrund der Grenzlage beginnende Zoll- und Speditionswesen gezeigt. Als Grenzstadt mit einem Hauptzollamt war Kaldenkirchen über Jahrzehnte ein Umschlagplatz, an dem sich internationale Speditionen ansiedelten und wo zahlreiche Zollbeamte tätig waren. Als 1993 der EG-Binnenmarkt geschaffen wurde, reduzierte sich die Bedeutung der Grenze mit Zollwesen, Speditionen und Bahnhof fast auf null. Eine umfassende, alternative Industrieansiedlung fand nicht statt. In der Landwirtschaft sind während der Spargelsaison einige Hundert Saisonarbeiter beschäftigt.

Ansässige Unternehmen

Zu den überregionalen Wirtschaftsunternehmen, die in der Gegenwart ihren Hauptsitz in Kaldenkirchen haben, zählen die Baumschule Lappen, der Soundkarten-Hersteller TerraTec, die internationale Halal-Produktfirma Mekkafood und bis 2010, die Deutschlandvertretung des Panini-Verlags.

Verkehr

Straßenverkehr

Kaldenkirchen ist direkt an der Autobahn A 61 gelegen und besitzt derzeit zwei Auf- bzw. Abfahrten.

Bildung

Das Bildungszentrum Kaldenkirchen, ein nach AZWV zugelassener Bildungsträger, führt im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Qualifizierungsmaßnahmen im Logistik- und Kraftfahrerbereich aus.[10]

Bahnhof Kaldenkirchen

Empfangsgebäude

Der Bahnhof Kaldenkirchen ist ein Inselbahnhof mit Personen- und Güterverkehr Richtung Venlo/NL und Richtung Mönchengladbach. Er liegt an der Bahnstrecke Viersen–Venlo und wird vom Maas-Wupper-Express bedient. Das Streckenteilstück von Mönchengladbach nach Kaldenkirchen ging am 29. Januar 1866 in Betrieb.[11]

Ein bei der Bahn relativ seltenes Gleisdreieck zum Wenden von Schlepptenderlokomotiven befand sich früher beim DB-Grenzbahnhof Kaldenkirchen (51° 19′ 54″ N, 6° 12′ 6″ O51.3315305555566.2016833333333).

Im Bahnhof Kaldenkirchen zweigte nach Westen die Kleinbahn Kaldenkirchen–Brüggen ab. Sie diente überwiegend dem landwirtschaftlichen Güter- und Tonwarentransport. In der Nachkriegszeit war diese Strecke Zufahrt zum Munitionsdepot Brüggen der Britischen Rheinarmee. Außerdem verlief auch die von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft erbaute Bahnstrecke Kempen–Venlo durch den Bahnhof, zwischen Kaldenkirchen und Venlo verlief diese Strecke parallel zur Strecke der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft von Viersen.

Der Knotenpunkt Kaldenkirchen wies neben dem Empfangsgebäude auch einen zweiständigen Lokschuppen auf. Beide Gebäude existieren noch.[12] Das Empfangsgebäude wird heute als Diskothek genutzt.

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter der Stadt

Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben

Ehrenbürger

  • Friedrich von der Kuhlen (1840–1913)
  • Hermann Lueb (1864–1936)

Literatur

  • Johann Finken: Die Stadt Kaldenkirchen. Beiträge zu ihrer Geschichte, besonders der katholischen Pfarre. Heinrich Schmitz, Straelen 1897
  • Emil Becker: Das Kirchendreieck. Auftakt zur Kaldenkirchener Ortssanierung. In: Heimatbuch des Landkreises Kempen-Krefeld. Kempen 1967
  • Wolfgang Nass: Die Kleinbahn Kaldenkirchen – Brüggen. Schweers und Wall, Aachen 1986, ISBN 3-921679-36-2
  • Gregor Herter: Gruß aus Kaldenkirchen. Grenz-Stadt-Spuren. Bilder und Texte zur Geschichte Kaldenkirchens. Bürgerverein Kaldenkirchen 1987
  • Gregor Herter: Gruß aus Kaldenkirchen. Zweiter Band 1989. Bürgerverein Kaldenkirchen 1989
  • Marga Herter u.a.: 150 Jahre. Rektoratschule / Realschule in Kaldenkirchen. Kaldenkirchen 1991
  • Paul Schrömbges: Der große Streik in Kaldenkirchen 1901. In: Heimatbuch des Kreises Viersen, Viersen 1992
  • Leo Peters: Rheinischer Städteatlas. Kaldenkirchen. Böhlau, Köln 1996, ISBN 3-7927-1562-7
  • Leo Peters: Geschichte der Stadt Kaldenkirchen. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende der französischen Zeit 1814. Band 2: Vom Beginn der preußischen Zeit bis zum Ende der Selbständigkeit 1970. B.O.S.S. Kleve 1998, ISBN 3980593150
  • Frank Kauwertz: Die drei Eisheiligen. Geschichten und Dokumente wider das Vergessen. Schicksale von Bürgern der israelitischen Gemeinden in Kaldenkirchen und Nachbarorten. Alano-Herodot-Verlag, Aachen 1999, ISBN 3-89399-247-2
  • Hans-Dieter Boos: Wandern – Wandel – Wissen. Grenzort Kaldenkirchen in Nettetal. Bürgerverein Kaldenkirchen, Nettetal 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Leo Peters: Geschichte der Stadt Kaldenkirchen. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende der französischen Zeit 1814. Kleve 1998, Seite 8 und 9
  2. Leo Peters: Geschichte der Stadt Kaldenkirchen
  3. Martin Bünermann: Die Gemeinden des ersten Neugliederungsprogramms in Nordrhein-Westfalen. Deutscher Gemeindeverlag, Köln 1970.
  4. Klaus Johannes Dors: Die Pfarrkirche St.Clemens Abgerufen am 18. Dezember 2009
  5. Bild und Text Rokoko Pavillon Abgerufen am 18. Dezember 2009
  6. Heidemoore im Grenzwald (mit Karte) Abgerufen am 12. Dezember 2009
  7. Herbert Hubatsch: Von der Sequoiafarm zur Biologischen Station Abgerufen am 18. Dezember 2009
  8. Rundgang. Historisches Kaldenkirchen. Bürgerverein Kaldenkirchen 2009
  9. Leo Peters: Geschichte der Stadt Kaldenkirchen
  10. BZ-Kaldenkirchen
  11. Mönchengladbach - Viersen - Venlo auf: gessen.de vom 25. Februar 2011
  12. bahnhof-kaldenkirchen.de vom 25. Februar 2011

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