Mariano San Nicolò

Mariano San Nicolò

Mariano San Nicolò (* 20. August 1887 in Rovereto, Trentino; † 15. Mai 1955 in München) war ein deutsch-italienischer Jurist und Hochschullehrer. Von 1944 bis 1945 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seine Eltern waren der Oberlandesgerichtsrat Domenico San Nicolò und Ida, geborene Negri di Montenegro. Mariano San Nicolò besuchte das italienische Gymnasium in Rovereto, das er 1905 mit dem Abitur abschloss. Anschließend studierte er an der Universität Graz Rechtswissenschaften, insbesondere Römisches Recht und deutsches Bürgerliches Recht sowie Antike Rechtsgeschichte mit dem Schwerpunkt Altorientalisches Recht und leistete 1907/08 seinen Militärdienst bei den Tiroler Kaiserjägern in Rovereto ab. Zu seinen Lehrern gehörten Leopold Wenger, Gustav Hanausek und Paul Koschaker. Nach Ablegung der drei juristischen Staatsprüfungen (mit Auszeichnung) und Rigorosen wurde er 1910 zum Dr.jur.promoviert. Ab 1911 folgte mit einem staatlichen Stipendium ein Forschungsaufenthalt am Seminar für Papyrusforschung bei Leopold Wenger an der Universität München. Dort habilitierte er sich 1913 mit der Schrift „Ägyptisches Vereinswesen zur Zeit der Ptolomäer und Römer“ und wirkte anschließend als Universitätsdozent. Im Ersten Weltkrieg diente er in der Österreichisch-ungarischen Armee als Leutnant der Reserve in Serbien, Tirol, Fiume und Albanien, wo er auch in der militärischen Verwaltung eingesetzt wurde und 1917/18 das „Handbuch der Militärverwaltung Albaniens“ verfasste. Während des Kriegsdienstes erlernte er die sumerisch-akkadische Keilschrift. Bereits 1917 wurde er in der Nachfolge Paul Koschakers zum außerordentlichen Professor für Römisches Recht an die Prager Karl-Ferdinands-Universität berufen, konnte dieses Amt jedoch erst nach Ende des Krieges antreten. 1920 erfolgte die Ernennung zum Ordinarius.

Wissenschaftliches Wirken

An der Prager Universität war San Nicolò insgesamt drei Mal Dekan der Juristischen Fakultät. Für die Amtsperiode 1931/32 wurde er zum Rektor gewählt. Da er sich maßgeblich für den Erhalt des deutschen Charakters der Hochschule einsetzte, wurde er für die Amtsperiode 1932/33 einstimmig als Rektor wiedergewählt. 1935 erfolgte die Berufung an die Universität München, wo er Nachfolger Leopold Wengers wurde. Im selben Jahr übernahm er die Leitung des Instituts für Papyrusforschung und antike Rechtsgeschichte, und die Philosophisch-historische Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wählte ihn zum Ordentlichen Mitglied, der er bereits seit 1934 als Korrespondierendes Mitglied angehörte. Ab 1942 bekleidete er das Amt eines Sekretärs der philosophisch-historischen Klasse. Ende 1943 wurde er zum Nachfolger des Akademiepräsidenten Karl Alexander von Müller gewählt, der seinerseits die Wahl San Nicolòs zu verhindert suchte. Erst am 13. April 1944 konnte er das Präsidentenamt antreten, da das Bayerische Kultusministerium die Bestätigung der Wahl bis dahin hinauszögerte. Obwohl er Mitglied der NSDAP war, erhielt er nach Kriegsende zunächst die Erlaubnis zur Weiterführung der Akademieverwaltung. Um eine Absetzung durch die Militärregierung zu vermeiden, trat er auf Anregung des Ministeriums am 25. Oktober 1945 vom Präsidentenamt zurück[1]. Als Nachfolger ernannte das Kultusministerium am 8. Januar 1946 den Physiker Walther Meißner zum kommissarischen Präsidenten.

Ende 1945 verlor San Nicolò durch Anordnung der Militärregierung sein Münchner Professorenamt, konnte es jedoch Anfang 1948 wieder antreten. Ab 1951 bekleidete er wiederum das Amt des Akademiesekretärs der Philosophisch-historischen Klasse. Im Studienjahr 1952/1953 war er Rektor der Münchner Universität, die sich während seiner Amtszeit eine neue Satzung gab, mit der die vom Freistaat Bayern gewährte Hochschul-Selbstverwaltung eingeführt wurde.

Als Experte für Römisches Recht und der Rechtsgeschichte des Vorderen Orients erwarb er sich großes Ansehen. Er veröffentlichte zudem zahlreiche Werke über die Rechtsgeschichte Ägyptens und Vorderasiens und betätigte sich in der wissenschaftlichen Erforschung der Papyrologie und der Keilschrift. Für seine Verdienste verlieh im die Philosophische Fakultät der Universität Mainz 1951 die Ehrendoktorwürde.

Seit 1922 war San Nicolò mit Anna Komarek verheiratet. Nach seinem Tod wurde er auf dem Münchner Waldfriedhof bestattet.

Mitgliedschaften

  • Ordentliches Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag (ab 1927)
  • Korrespondierendes Mitglied des Instituts für sammenlignende Kulturforskning in Oslo (ab 1930)
  • Ehrenmitglied der Prager Universitäts-Sängerschaft "Barden"; später zu München (1931)
  • Korrespondierendes Mitglied der Fondation Ègyptologique Reine Elisabeth in Brüssel (ab 1934)
  • Korrespondierendes Mitglied der Accademia degli Agiati in Rovereto (ab 1934)
  • Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (ab 1936)
  • Mitglied des Riccobono Seminary of Roman Law of America (ab 1938)
  • Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ab 1944)
  • Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (ab 1952)

Werke (Auswahl)

  • Ägyptisches Vereinswesen zur Zeit der Ptolomäer und Römer (Habilitationsschrift; 1913)
  • Beiträge zur Rechtsgeschichte im Bereich der keilschriftlichen Rechtsquellen (1931)
  • Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften:
    • Zur Nachbürgschaft in den Keilschrifturkunden und in den Papyri (1937)
    • Beiträge zur Prosopographie neubabyonischer Beamter (1942)
    • Neubabylonischer Lehrvertrag in rechtsvergleichender Darstellung (1950)
  • Mitarbeit am Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie
  • Mitherausgeber: Münchner Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte (seit 1935; mit Leopold Wenger und Walter Otto)

Literatur

  • Mariano San Nicolò. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 430 f.
  • Johannes Heckel: Mariano San Nicolò. Nachruf in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1955, S. 187–195
  • Monika Stoermer: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften im Dritten Reich. In: Acta historica Leopoldina Nr. 22, 1995, S. 89–111
  • Gunter Wesener, Römisches Recht und Naturrecht (= Geschichte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, Teil 1), Graz 1978, S. 116-119

Einzelnachweise

  1. Walther Meißner, Die schwierige Lage der Akademie unter der nationalsozialistischen Regierung und der Wiederaufbau in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Geist und Gestalt I, München 1959, S.35-49, hier 39-42

Weblinks


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