- Kernkraftwerk Wyhl
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Kernkraftwerk Wyhl Lage Koordinaten 48° 11′ 9,6″ N, 7° 38′ 29″ O48.1867.6414Koordinaten: 48° 11′ 9,6″ N, 7° 38′ 29″ O Land: Deutschland Daten Eigentümer: Kernkraftwerk Süd GmbH Betreiber: Kernkraftwerk Süd GmbH Projektbeginn: 1973 Stilllegung: 1977 Bau eingestellt (Brutto):
1 (1375 MW) Planung eingestellt (Brutto):
1 (1375 MW) Stand: 30. Mai 2008 Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. Das Kernkraftwerk Wyhl (auch Kernkraftwerk Süd) (KWS) war ein geplantes Kernkraftwerk bei Wyhl am Kaiserstuhl in Deutschland. Es sollte zwei 1375-MW-Reaktoren umfassen, letztendlich erhielt es aber keine Betriebsgenehmigung. Der Bau eines Reaktorgebäudes wurde bereits begonnen, dann jedoch wegen Protesten von Bürgerinitiativen eingestellt.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau
Anfangs war für das Kernkraftwerk Süd noch ein Standort beim nahe gelegenen Breisach in Planung. Dieser Standort wurde jedoch von der Bevölkerung abgelehnt, vor allem wegen der geplanten Nasskühltürme, von denen Bauern und Winzer der Umgebung negative klimatische Auswirkungen erwarteten. Am 19. Juli 1973 wurde im Radio verkündet, dass der Standort Breisach aufgegeben wurde und das Kraftwerk in Wyhl am Kaiserstuhl gebaut werden sollte.[1] Der neue Standort war vom alten nur einige Kilometer entfernt. Es waren zwei Reaktoren der Kraftwerk Union vom Typ Vor-Konvoi mit einer Bruttoleistung von 1375 MW und Nettoleistung von 1300 MW geplant.[2] Außerdem waren zwei etwa 160 m hohe Naturzug-Nasskühltürme vorgesehen.[3]
Proteste gegen das Kraftwerk
Kurz nach der Ankündigung begannen 27 Bürger aus Wyhl, gegen das Kraftwerk zu protestieren. Bald darauf gründeten sich in umliegenden Ortschaften und im Elsass Initiativen gegen den Bau: Kondensdämpfe aus den Kühltürmen könnten die Sonneneinstrahlung vermindern und Nebel vermehren, Kühlwasser aus dem Kraftwerk könne den Rhein aufheizen und sein biologisches Gleichgewicht gefährden, vor allem aber die Entwicklung des Rheintales zur industriellen Zone, zu einem „zweiten Ruhrgebiet“, waren die ersten Gründe für die Ablehnung.[4] 1975 wurde mit der Errichtung der Baustelle für das erste Reaktorgebäude begonnen, obwohl die finale Genehmigung für den Bau des Kernkraftwerks noch ausstand.[5] Im Verlauf der Proteste wurde die Baustelle des Kraftwerkes besetzt. Am 27. Mai 1975 fand eine Sondersitzung der Landesregierung statt, die sich mit dem weiteren Vorgehen befasste.[1]
Am 27. Januar 1975 hielt das Verwaltungsgericht Freiburg eine Sitzung in Breisach ab, um die erste Teilgenehmigung für das Kernkraftwerk Wyhl zu prüfen. Am Prozess waren drei Richter und 45 geladene Sachverständige beteiligt, Kläger waren die Gemeinden Endingen am Kaiserstuhl, Forchheim, Lahr, Sasbach, Schwanau, Weisweil und einige Privatpersonen. Thema des Prozesses waren die Auswirkungen der radioaktiven Emissionen und des warmen Abwassers auf die Umwelt. Das Verwaltungsgericht Freiburg verfügte einen Stopp der Bauarbeiten, der am 14. Oktober 1975 vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim nach einem Einspruch der Landesregierung unter Ministerpräsident Hans Filbinger aufgehoben wurde.[6] Die Richter betonten jedoch, dass das Risiko für den Beginn der ersten Bauphase von der Kernkraftwerk Süd GmbH selbst zu tragen sei und dass die Entscheidung in der Hauptsache, die das Verwaltungsgericht Freiburg zu fällen habe, immer noch negativ ausfallen könne. Die Bauplatzbesetzer, die das Gelände des Kernkraftwerks seit Februar 1975 blockierten, bezeichneten das Urteil als eine erste Schlappe für ihren Einsatz.[7]
Anfang 1977 fand in Herbolzheim das Hauptverfahren des Verwaltungsgerichts statt, in dem der Bau wegen eines fehlenden Berstschutzes untersagt wurde.
1982 erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Bau wieder für rechtens. In Wyhl fand daraufhin eine Kundgebung mit über 30.000 Kernkraftwerks-Gegnern statt. 1983 erklärte Ministerpräsident Lothar Späth überraschend, das Kernkraftwerk Wyhl sei vor 1993 nicht nötig. 1987 bekräftigte er den Verzicht bis zum Jahr 2000. Seit 1995 ist der Bauplatz als Naturschutzgebiet ausgewiesen.[3]
Bis Ende der 1990er Jahre war auf dem Kraftwerksgelände ein 160 Meter hoher, seilnetzverspannter Stahlgittermast mit einer Traverse an der Spitze aufgestellt. Darauf befanden sich diverse meteorologische Geräte, um die Windgeschwindigkeit und -richtung zu bestimmen und damit Auswirkungen der Kühltürme auf das regionale Wettergeschehen abzuschätzen.[3]
Der Widerstand wurde sowohl von Landwirten als auch Akademikern getragen und verlief weitgehend friedlich. Der erfolgreiche Protest hatte Wirkung auf andere Standorte wie Kaiseraugst (Schweiz), Brokdorf oder Grohnde, der friedliche Charakter ging jedoch verloren. In Brokdorf kam es im Herbst 1976 zu bürgerkriegsähnlichen Schlachten zwischen Polizei und Demonstranten.[3]
Verbleib der Komponenten
Die bereits für Block 1 gefertigten Großkomponenten (z. B. Dampferzeuger und Reaktordruckbehälter) wurden für das Kernkraftwerk Philippsburg 2 verwendet. Dieses war ursprünglich zu fast 100 % bau- und zeichnungsgleich mit dem einst geplanten Block 1 in Wyhl.
Daten der Reaktorblöcke
Es waren zwei Reaktoren geplant:[8][9]
Reaktorblock Reaktortyp Netto-
leistungBrutto-
leistungAnfang Projektplanung Baubeginn Projekteinstellung Wyhl-1[2] Druckwasserreaktor 1.300 MW 1.375 MW 1973 1975 1994 Wyhl-2 Druckwasserreaktor 1.300 MW 1.375 MW 1973 - 1994 Literatur
- Jens Ivo Engels (2003): Geschichte und Heimat. Der Widerstand gegen das Kernkraftwerk Wyhl.
- Jens Ivo Engels (2006): Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung. 1950–1980.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b Dokument (RTF)
- ↑ a b Kernkraftwerk Wyhl 1 im PRIS der IAEA (englisch)
- ↑ a b c d Der Widerstand gegen das Kernkraftwerk Wyhl (pdf)
- ↑ Hans-Helmut Wüstenhagen: Bürger gegen Kernkraftwerke. Wyhl der Anfang? rororo aktuell, Reinbek bei Hamburg 1975, ISBN 3-499-11949-8, S. 13ff.
- ↑ Wyhl 1 in der WNA-Reactor Database
- ↑ Hanno Kühnert (28. Januar 1977): Am runden Tisch. Die Zeit. Abgerufen am 25. Januar 2009.
- ↑ Rheinische Post, Düsseldorf, Seite 1 vom 15. Oktober 1975
- ↑ WNA Reactor Database (englisch)
- ↑ Jens Ivo Engels (2006): Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung. 1950–1980. S. 352.
In Betrieb: Brokdorf | Neckarwestheim 2 | Emsland | Grafenrheinfeld | Grohnde | Gundremmingen | Isar 2 | Philippsburg 2
Außer Betrieb: Unterweser | Brunsbüttel | Krümmel | Biblis | Neckarwestheim 1 | Isar 1 | Philippsburg 1 | Greifswald | THTR-300 Hamm-Uentrop | KNK Karlsruhe | MZFR Karlsruhe | Lingen | Mülheim-Kärlich | Obrigheim | Rheinsberg | Stade | Würgassen
Abgebaut: AVR Jülich | Großwelzheim | Kahl | Niederaichbach
Nie in Betrieb genommen: BASF | Borken | Emden | Hamm | Kalkar | Neupotz | Pfaffenhofen | Stendal | Vahnum | Wyhl
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