Kernkraftwerk Fessenheim

Kernkraftwerk Fessenheim

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Kernkraftwerk Fessenheim
Kernkraftwerk Fessenheim mit den beiden Reaktorgebäuden (Aufnahme von Südosten, 2010), im Vordergrund der Rheinseitenkanal, dazwischen liegen die zwei Lager- und Abklingbecken für die Brennstäbe.
Kernkraftwerk Fessenheim mit den beiden Reaktorgebäuden (Aufnahme von Südosten, 2010), im Vordergrund der Rheinseitenkanal, dazwischen liegen die zwei Lager- und Abklingbecken für die Brennstäbe.
Lage
Kernkraftwerk Fessenheim (Frankreich)
Kernkraftwerk Fessenheim
Koordinaten 47° 54′ 13″ N, 7° 33′ 45″ O47.9036111111117.5625Koordinaten: 47° 54′ 13″ N, 7° 33′ 45″ O
Land: Frankreich
Daten
Eigentümer: Electricité de France
Anteilseigner des Kernkraftwerks Fessenheim (F)
Betreiber: Electricité de France
Projektbeginn: 1970
Kommerzieller Betrieb: 1. Jan. 1978

Aktive Reaktoren (Brutto):

2  (1800 MW)
Eingespeiste Energie im Jahre 2010: 11.700 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 350.847 GWh
Stand: 1. Juli 2010
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk Fessenheim (französisch Centrale Nucléaire de Fessenheim, Kürzel FSH) ist eine französische Nuklearanlage aus den 1970er Jahren, bestehend aus zwei Druckwasserreaktoren.

Das Kraftwerk befindet sich knapp zwei Kilometer südöstlich des Ortes Fessenheim (Haut-Rhin/Oberelsass) am Rheinseitenkanal (Grand Canal d'Alsace), gut einen Kilometer westlich der Grenze zu Deutschland, etwa je knapp 25 Kilometer entfernt von den Städten Colmar und Mülhausen/Mulhouse (F) sowie Freiburg im Breisgau (D).

Inhaltsverzeichnis

Planung

1962 schlug die EDF erstmals den Bau eines Kernkraftwerks in Fessenheim vor. Der deutsche Energieversorger RWE zeigte daran kurzzeitig Interesse, sah dann aber zugunsten des Baus eines Kernkraftwerks in Biblis von einer Zusammenarbeit ab. Die Firmen Siemens und Babcock beteiligten sich zusammen an dem Projekt und schlugen einen gasgekühlten graphitmoderierten Reaktor vor, ähnlich den französischen Modellen, mit einer Leistung von 500 MW und Natururan als Brennstoff. Die Groupement Atomique Alsacienne Atlantique (GAAA) änderte den Reaktortyp geringfügig und erhöhte die Leistung auf 750 MW. Da sich allerdings der französische Staat mittlerweile auf Leichtwasserreaktoren des US-Herstellers Westinghouse konzentrierte, wurden keine staatlichen Subventionen für die Anlage bereitgestellt. Man wollte allerdings weiter versuchen, sie ohne diese Hilfen zu errichten.[1]

Im Jahre 1967 wurde für beide Reaktoren eine Baugenehmigung ausgefertigt, doch 1969 seitens der EdF zugunsten von Leichtwasserreaktoren storniert. Ein Aspekt hierfür sind die Erzeugungskosten, die mit denen der Leichtwasserreaktoren nicht mithalten konnten. Siemens legte zwar noch ein Folgeangebot mit der Planung von Leichtwasserreaktoren vor, jedoch entschied man sich in Frankreich für die Modelle von Westinghouse.[1]

Betrieb

Seit 1977 sind zwei Druckwasserreaktoren mit je 880 Megawatt elektrischer Nettoleistung in Betrieb.[2] Fessenheim ist damit das älteste noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerk Frankreichs[3]. Es hat seit Inbetriebnahme über 350 Milliarden kWh elektrischer Energie erzeugt (Stand 2010)[4].

Funktionsschema eines Druckwasserreaktors ohne Kühlturm

Betreiber

Der EDF gehören 67,5 % der Anlage. Das ehemalige Badenwerk hielt seit Beginn 17,5 % der Anteile. Diese gingen 1997 an die Energie Baden-Württemberg (EnBW) über; sie war aus der Verschmelzung der Badenwerk AG mit der ehemaligen Energieversorgung Schwaben entstanden. Die EnBW beteiligte sich an den Betriebs- und Investitionskosten und erhielt im Gegenzug 17,5 % der Stromproduktion. [5] [6] Im Jahr 2000 verkaufte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung für 2,4 Mrd. Euro ihre EnBW-Anteile an die EDF, 2010 erwarb der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus diese für 4,7 Mrd. zurück. [7] [8]. Mit ca. 45 % war das Land Baden-Württemberg nun wieder einer der größten Anteilseigner der EnBW. Nach Aussage des 2011 amtierenden baden-württembergischen Umweltministers Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen) wurden 2009 aus kartellrechtlichen bzw. technischen[9] Gründen die Bezugsrechte der EnBW an Fessenheim gegen Strombezugsrechte aus anderen deutschen Kraftwerken getauscht.[5] 17,5% der fixen sowie der variablen, also der Investitions- und Betriebs- sowie Nachrüstungs- und Reparaturkosten des Kraftwerkes liegen allerdings nach wie vor bei der EnBW.[6] Die Staatsministerin Silke Krebs (Die Grünen), welche mit Nils Schmid (SPD) die baden-württembergische Landesregierung im Aufsichtsrat der EnBW vertritt, schloss nicht aus, dass die Bezugsrechte wieder an diese zurückfallen könnten.[9]

Darüber hinaus hält ein Konsortium dreier schweizerischer Energieunternehmen weitere 15 % der Anteile.[10][11]

Emissionen

Radionukleide

Die zulässigen Jahresgrenzwerte für die Abgabe von radioaktiven Gasen aus dem laufenden Betrieb des Kernkraftwerks in die Luft liegen für Tritium und andere Edelgase laut EDF bei 1.480 Terabecquerel (TBq, ein TBq = eine Billion Bq); für Jod und andere Elemente bei 111 Gigabecquerel (Gbq, ein Gbq = eine Milliarde Bq). Über das Abwasser dürfen jährlich bis zu 74 TBq Tritium sowie 925 Gbq Jod und andere Elemente in den Rheinseitenkanal abgegeben werden.[12] 2009 hat das Kernkraftwerk nach Angaben der Badischen Zeitung gut 24 TBq Tritium in den Rhein abgegeben.[13]

Wärmelast

Der gesetzliche Grenzwert für die Erwärmung des Rheinseitenkanals aus dem Kühlwasser der Reaktoren liegt bei 4° Celsius; der Maximalwert für den Unterlauf bei 30°.[14] Das Kernkraftwerk belastet während seines Betriebes den Rhein mit einer Abwärme von geschätzt bis zu 3.622 MW (Megawatt) und ist damit nach den Kernkraftwerken Biblis und Philippsburg die drittgrößte, maximale Wärmebelastung für den Rhein.[15] Im Hitzesommer 2003 kam es zu einer Erhöhung der Wassertemperatur des Rheinseitenkanals unterhalb der Kühlwassereinleitung von bis zu 1,7° C.[16] Im Gegensatz zu diesen Kraftwerken fehlt dem hiesigen Kernkraftwerk eine Rückkühlmöglichkeit des zum Betrieb notwendigen Kühlwassers mittels eines Kühlturmes.

Zehnjahresinspektionen

Für jeden Reaktorblock muss das Kernkraftwerk alle zehn Jahre den Sicherheitsnachweis erbringen, dass die Anlagen mit funktionierender Technik ausgestattet sind sowie den aktuellsten Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Block I

Block I war zwischen Oktober 2009 und März 2010 für seine dritte Zehn-Jahres-Revision heruntergefahren. Im Juli 2011 bestätigte die französische Atomaufsicht ASN die Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung des Reaktorblockes 1 für weitere zehn Jahre.[17] Dazu müssten bis zum 30. Juni 2013 neben ca. 40 weiteren Auflagen[18] die Bodenplatte des Reaktors verstärkt werden, um ihre Sicherheit gegen ein Durchschmelzen des Reaktorkernes zu erhöhen und bis zum 31. Dezember 2012 eine Vorrichtung installiert werden, welche die dauerhafte Abfuhr der Restwärme auch bei einem Ausfall der Kühlsysteme gewährleistet.[19] Die endgültige Entscheidung sollte zunächst im Herbst, dann am Ende des Jahres nach Beendigung der beiden Teile des EU-weiten Kernkraftwerke-Stresstestes[20] von der französischen Regierung getroffen werden.

Der Reaktor I wurde in der Nacht vom 6. auf den 7. November 2011 wieder angefahren.[21]

Block II

Block II wurde für die jüngste Revision am 16. April 2011 heruntergefahren; für sie wurden mehrere tausend Leiharbeiter angeheuert. Die Kosten belaufen sich auf ca. 200 Mio. Euro. Hierbei werden drei Dampfgeneratoren ausgetauscht, Prüfungen an den Schweißnähten vorgenommen und eine Druckprüfung am Containment durchgeführt.[22] Über den Weiterbetrieb von Block II soll 2012 entschieden werden.

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Fessenheim besteht aus zwei Blöcken:

Reaktorblock[2] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Fessenheim 1 Druckwasserreaktor 880 MW 920 MW 01.09.1971 06.04.1977 01.01.1978
Fessenheim 2 Druckwasserreaktor 880 MW 920 MW 01.02.1972 07.10.1977 01.04.1978

Der Reaktordruckbehälter hat einen Durchmesser von 3,988 Metern, eine Höhe von 12,332 Metern und verfügt über eine Wandstärke von 200 mm. Gefertigt wurde er aus der Stahlsorte SA-508 der Güteklasse drei und ist für einen Druck von 172,4 bar bei einer Temperatur von 343 °C ausgelegt.[23]

Risiken

Lager- und Abklingbecken für Brennstäbe

Im Juli 2011 gab die französische Atomaufsicht bekannt, dass sie einer Laufzeitverlängerung des Atomkraftswerks positiv gegenüberstehe: unter anderem allerdings unter der Bedingung, dass zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für die Lager- und Abklingbecken getroffen werden, da es Unsicherheiten gäbe, ob die im Falle eines Dammbruchs betroffenen Kühlsysteme standhalten würden.[24][25][26]

Containment

Die Überprüfung des Sicherheitsbehälters ergab laut der im Laufe des Gutachtens im Juni 2010 durchgeführten Dichtigkeitsprüfungen, dass sich der gemessene Leckage-Wert (s.Dichtheitsprüfung) innerhalb der erlaubten Grenzen befindet. Generell weist aber der Behälter durch die veraltete Bauweise ein geringeres Volumen auf als moderne Sicherheitsbehälter.[27] Standardmäßig hält das Containment einen Druck von 3,73 bar stand. Der Raum innerhalb des Containments hat eine Höhe von 53,5 Metern und einen Durchmesser von 39 Metern.[23]

Erdbeben

Lage des Kernkraftwerks im Oberrheingraben auf dem Oberrhein-Aquifer (Fósse rhénan)
Amtliche Karte (D) der Erdbebenzonen am Oberrheingraben (und auf der schwäbischen Alb)

Die Direktion des Kernkraftwerkes betrachtet das so genannte Basler Beben des Jahres 1356 als Referenzbeben für die Auslegung der Erdbebensicherheit des Kernkraftwerks.[28] Es gilt als das bisher stärkste historisch belegte Beben Mitteleuropas sowie als das älteste historische Erdbebenereignis nördlich der Alpen.[29] In der Region Basel (CH) kam es wiederholt zu stärkeren Erdbeben. Die Stärke des Basler Bebens wird mittlerweile anhand von historischen Aufzeichnungen auf eine Stärke zwischen 9 und 10 auf der MSK-Skala und etwa 6,2 bis 6,7[30] auf der Richterskala geschätzt.[31][32][33][34]

Die Schweiz geht dabei in Studien bisher von der hoch gerechneten Möglichkeit des Eintretens eines Erdbebens der Stärke 6,00 bis 6,5 alle 100 und von einem der Stärke 6,5 bis 7,0 alle 1.000 Jahre aus.[35] Die Schweiz verlangt für ihre Kernkraftwerke die Auslegung der Erdbebensicherheit auf mindestens ein Beben der Stärke 7; nach einem schweren Erdbeben in Japan im Jahr 2007 wurden die Erdbebenrisiken in der Schweiz im Rahmen der so genannten Studie Pegasos neu und doppelt so hoch wie vorher bewertet.[36]

Der Oberrheingraben ist ein seismisch aktives Gebiet, die Reaktoren des Kernkraftwerkes liegen am Rand einer in Deutschland nach DIN 4149 mit der höchsten Stufe drei klassifizierten Erdbebengefährdungszone[37] bzw. in einer der mit dort der zweithöchsten Stufe vier klassifizierten Zonen der französischen Erdbebenrisikogebiete[38]. Nach Angaben des Betreibers ist das Kraftwerk auf ein Beben etwa der Stärke 6,7 (Richterskala) ausgelegt.[39] Die Tertiäre Füllung des Rheingrabens ist der von Lockergesteinen ähnlich.[40]

Im Frühjahr 2011 kündigte der Präsident der CLIS ein neues Gutachten zur Erdbebensicherheit des Kraftwerks an, ausgehend von einem Erdbeben der Stärke 7,2 auf der Richter-Skala; dabei sollen auch die möglichen Reaktionen auf Ausfälle der Kühlmittelkreisläufe untersucht werden. Der amtierende Präsident des Regierungsbezirkes Freiburg, Julian Würtenberger, gab an den Vorsitzenden der CLIS konkrete Fragen zum Gutachten weiter:

  • Lage des Referenzerdbebens: direkt unter dem Kernkraftwerk oder woanders?
  • Berücksichtigung auch lokaler, möglicherweise seismisch aktiver Störungen?
  • Überprüfung möglicher Auswirkungen auf Bauten und Anlagen im Bereich des Kernkraftwerks, des Dammes und der (benachbarten) Wasserkraftwerke?[41]

Das Französische Institut für Nuklearsicherheit (IRSN) forderte im Herbst nach der Auswertung von Angaben 80 französischer Nuklearanlagen-Betreiber schnelle Nachbesserungen einiger Anlagen sowie eine Neubewertung der Erdbebensicherheit des Kernkraftwerkes bei Fessenheim.[42][43]

Fundament

Das Fundament der Anlage weist eine Dicke von 1,5 Metern auf.[44] Dies ist somit die dünnste Fundamentierung aller französischen Kernkraftwerke. Zum Vergleich: Die Bodenplatten der bei einem Erdbeben der Stärke 9 havarierten japanischen Kernkraftwerke in Fukushima weisen eine Dicke von drei bis vier Metern auf.[45] Das französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) empfahl im Juni 2011, die Bodenplatte des Reaktors zu verstärken.[46][47] Im Rahmen der Empfehlung für eine mögliche weitere zehnjährigen Betriebsverlängerung, die Anfang Juli 2011 erteilt wurde, stellte die Französische Aufsichtsbehörde unter anderem die Forderung, das Fundament sei bis zum 30. Juni 2013 zu verstärken, damit es bei einer Kernschmelze das Corium auffangen bzw. innerhalb des Containments halten könne.[44]

Eine Überflutung des Kernkraftwerks könnte bei gleichzeitigem Bruch oder Durchschmelzen der Bodenplatte eine radioaktive Verseuchung des Rheins zur Folge haben.[48]

Grundwasser

Das Kraftwerk liegt mitten auf dem Oberrhein-Aquifer, einen der größten Trinkwasservorkommen Europas.[49]

Überflutung

Das Kraftwerk ist bei einem Dammbruch nur unzureichend gegen eine Überflutung aus dem anliegenden Kanal geschützt. Das Wasser des Kanals dient auch zur Kühlung. Auch die Befestigung des Kanals unterliegt seismischen Risiken.[50][51]

Überhitzung

Im Hitzesommer 2003 musste das Reaktorgebäude für einen störungsfreien Betrieb von außen mit Wasser besprüht werden, um eine Überhitzung mit einer darauf folgenden Abschaltung zu vermeiden (die Abschaltung wäre beim Erreichen einer Temperatur von 50° Celsius erfolgt, sie erreichte 48,5°).[52][53]

Notfallvorsorge

Evakuierungszonen des Kernkraftwerkes Fessenheim

Flugzeugabstürze

Die Sicherheit gegen einen Flugzeugabsturz entspricht nach Angaben der Betreiber französischem Durchschnitt. Etwa 32 Kilometer süd-süd-westlich des Kraftwerkes befindet sich der EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg mit etwa 80.000 Flugbewegungen jährlich.[54]

Haftung

Der Inhaber haftet laut Pariser Atomhaftungsübereinkommen sowie „Brüsseler Zusatzübereinkommen“ selbst für die Folgen eines „nuklearen Ereignisses“; er kann diese Haftung nicht z. B. auf einen Zulieferer abwälzen. Die innerstaatlichen Haftungsregelungen gelten ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt.[55]

Nach der derzeit (September 2011) in Frankreich geltenden Rechtslage haftet der Betreiber bei einem solchen Ereignis für eine Schadenssumme bis zu einer Höhe von 91,5 Mio. Euro; berücksichtigt man weitere Entschädigungsmöglichkeiten, kommt man auf einen Gesamtentschädigungsbetrag von 330 Mio. Euro; nach von den EU-Vertragstaaten erfolgter Ratifizierung der 2004 von Deutschland und Frankreich unterzeichneten „Revisionsprotokolle“ zu den zuvor genannten Atomhaftungsübereinkommen ergibt sich eine Gesamtentschädigungssumme von 1,5 Mrd. Euro für Schäden aufgrund eines nuklearen Unfalles in einer französischen Atomanlage. Über den § 38 des deutschen Atomgesetzes können weitere 2,5 Mrd. Entschädigungsgelder bereitgestellt werden. (zum Vergleich: Mitte April 2011 beliefen sich Schätzungen über die Folgekosten der Atomhavarien in Fukushima auf bis zu 130 Mrd. Euro[56]).

Kühlung Reaktor und Brennelementelager

Bei einem Komplettausfall der Kühlwasservorsorgung aus dem Rheinseitenkanal soll die anfallende Reaktionswärme laut Angaben der EDF durch Dampfabgabe über vorhandene Dampferzeuger abgeführt werden, die dafür benötigten Wassermengen stünden in Behältern zur Verfügung, der Ersatz des durch die Dampfabgabe anfallenden Wasserverlustes könne über einen Grundwasserbrunnen gewährleistet werden. Auch für einen Ausfall der Kühlung der Abklingbecken stünden ausreichend Wasserreserven bereit.[57]

Deutschland

Im September 2009 wies das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg in der Antwort auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Marianne Wonnay [58] darauf hin, dass alle Stadt- und Landkreise des Regierungsbezirks Freiburg sowie Teile des Regierungsbezirks Karlsruhe und des Regierungsbezirks Tübingen in der sog. 'Fernzone' (= weniger als 100 km vom Kernkraftwerk entfernt) liegen und das die "bei einem Störfall zur Ausgabe vorgesehenen Kaliumjodidtabletten" in Immendingen (80 km östlich von Freiburg) gelagert werden. In der Folge der Reaktorkatastrophe in Fukushima wurden auf deutscher Seite von der Katastrophenschutzbehörde des Regierungspräsidiums Freiburg die vorliegenden Notfallpläne überarbeitet und die Evakuierungszone von bisher 10 auf 25 km ausgeweitet: sie betrifft nun 453.000 Menschen.[59]

Frankreich

Auf französischer Seite sollen Stadtplanung und Besiedelung entsprechend dem Risiko von Unfällen mit so genannter „schneller Kinetik“ angepasst und gesteuert werden, dies meint die Möglichkeit eines Unfalls mit der Ausbreitung von Schadstoffen in hoher Geschwindigkeit; vor allem im einem Radius von 2 km um das Kernkraftwerk herum.[60]

Darüber hinaus wurde bereits ein Plan particulier d’intervention (PPI, dt. besonderer Eingreifplan) erstellt, ein Post Nuclear Accident Plan (PPA, dt. Plan für die Zeit nach einem Nuklearunfall) soll erstellt werden:

„Dieser PPA gestaltet die Aktionen der öffentlichen Hand in Sachen Personenüberwachung, Lebensmittelverwaltung, Dekontaminierung der berührten Zone (die sich auf bis zu 30 km erstrecken kann) in Sachen Personenschutz und –überwachung.“

rp.baden-wuerttemberg.de, Regierungspräsidium Freiburg: Endgültiges Besprechungsprotokoll vom 14. Juni 2010, 8.2 - Planentwurf für die Zeit nach einem Nuklearunfall (PPA) (S.10, siehe auch Commission Locale d’Information et de Surveillance (CLIS), 16. Juni 2011)

Betriebsstörungen, Auswahl

Betriebsstörungen mit INES-Einstufungen null (blau) und eins (rot), 1990 bis 2008[61]

Seit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes kam es zwischen 1989 und 2008 zu über 200 Zwischenfällen, welche laut der deutschen Strahlenschutzverordnung meldepflichtig sind. Auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) wurden sie auf Stufe 0 bzw. 1 eingeordnet, das sind dort die Kategorien mit geringer oder ohne sicherheitstechnischer Bedeutung und Abweichung vom Normalbetrieb der Anlage. Zur besseren Übersicht werden deswegen hier nur einige der aktuelleren Vorfälle berücksichtigt, die in der Abbildung rechts nicht Teil der Statistik sind.

2009

Am 27. Dezember 2009 wurde der zweite Reaktor des Kernkraftwerks wegen Pflanzenresten im Kühlkreislauf vorerst abgeschaltet.[62][63] Der Stromkonzern EDF teilte mit, es sei noch unklar, wann der Reaktor wieder hochgefahren werde.[64] Die französische Atomaufsichtsbehörde stufte den Zwischenfall in der Anlage auf INES 1 ein. Der für Wartungsarbeiten am 26. Dezember vom Netz genommene Reaktor hätte eigentlich am 27. Dezember gegen 6 Uhr wieder den Betrieb aufnehmen sollen. Laut EDF waren beim Neustart einer Wasserpumpe Pflanzenreste in den Kühlkreislauf geraten, als der Reaktor hochgefahren werden sollte. Dadurch wurde die Leistungsfähigkeit des Systems beeinflusst.[65]

2010

Am 24. August 2010 wurden 50 Kubikmeter radioaktiver Gase "freigesetzt", wie die staatliche französische Atomsicherheits- und Aufsichtsbehörde ASN (Autorité de Sûreté Nucléaire) auf ihrer Homepage meldete. Dabei wurde nach Meldungen vom 30. August 2010 die Zerfallsaktivität der radioaktiven Abgase aus dem Reservoir vor dem Entweichen nicht gemessen. Der Vorfall wurde mit INES 0 bewertet.[66] [67]

Am 20. Oktober 2010 kam es während des Einschalten eines Ventilators zu einem Kurzschluss. Daraufhin wurde aus Sicherheitsgründen der Block 1 des Atomkraftwerkes heruntergefahren.[68]

2011

Auf Grund eines Bedienungsfehlers kam es am 3. April 2011 zu einer automatischen Abschaltung des Reaktors 1.[69]Nach Überprüfung durch den Betreiber wurde das Kraftwerk am 4. April 2011 wieder in Betrieb genommen. Die französische Atomaufsicht ASN bewertete den Zwischenfall mit INES1 [70] [71].

Bestrebungen um die Verhinderung bzw. Schließung des Kraftwerks

Bürgerschaftliches Engagement

Teil der Menschenkette vom 26. Juni 2011 vor dem Haupteingang des Kernkraftwerks

Im April 1971 kam es zur ersten Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerks Fessenheim; sie wurde vom Elsässer Komitee zum Schutz der Rheinebene organisiert: 15.000 Menschen versammelten sich am späteren Standort am Canal d’Alsace mit dem Ziel, das Bauvorhaben zu verhindern.[72] Im Zuge der weiteren Widerstandsbewegungen — so auch gegen den Bau des Kernkraftwerkes Wyhl auf der badischen Seite des Oberrheins — entstand 1977 der zunächst noch illegal sendende Radiosender Radio Verte Fessenheim, der sich gleichermaßen gegen das Kernkraftwerk Fessenheim aussprach und die Gegner unterstützte. Später nannte sich dieser in Radio Dreyeckland um.

Im Juni 2005 wurde von verschiedenen Organisationen und Gemeinden aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz der Trinationale Atomschutzverband gegründet (TRAS, französisch L'Association trinationale de protection de la population des alentours de Fessenheim (ATPN). Er hat sich zum Ziel gesetzt, eine Stilllegung der Reaktoren des Kernkraftwerks Fessenheim auf dem Rechtsweg zu erreichen.[73] In den darauf folgenden Jahre äußerten immer wieder verschiedene Kernkraftgegner ihre Bedenken über das Kernkraftwerk, so forderte im Februar 2007 auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Schließung des Kraftwerkes[74].

Im März 2011 kam es zu einer Demonstration von Neuenburg am Rhein zur Rheininsel bei Chalampé, an der mehrere tausend — laut Jean-Paul Lacote von elsässischen Naturschutzverband "Alsace Nature" bis zu 10.000 — Menschen teilnahmen[75]. Danach gab es weitere Kundgebungen gegen den weiteren Betrieb mit jeweils mehreren tausend Demonstranten, unter anderem Anfang April auf der Rheininsel zwischen Hartheim und dem Kraftwerk[76], am Ostermontag an zahlreichen deutsch-schweizerischen und deutsch-französischen Rheinbrücken[77][78], im Mai 2011 in Freiburg auf dem Stühlinger Kirchplatz[79] und im Juni des selben Jahres — diesmal in Form einer Menschenkette — wiederum am Kernkraftwerk selbst[80].

Offizielle Forderungen (Auswahl)

Darüber hinaus formulierten immer mehr auch offizielle Vertreter, Institutionen, Städte und Gemeinden in der Folge der Explosionen in Fukushima Resolutionen für eine schnellstmögliche Stilllegung des hiesigen Kraftwerkes: so z. B. die drei Schweizer Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Jura[81], die französische Region Franche-Comté[82] und die elsässische Stadt Straßburg [83][84]; außerdem in Deutschland unter anderen die Städte und Gemeinden Badenweiler[85], Offenburg[86] Breisach[87], Freiburg[88], Ettenheim[89], Lahr[90], Müllheim[91], Münstertal[92], Sasbach[93], Titisee-Neustadt[94] sowie Umkirch[95].

Am 23. Juni 2011 übergab darüber hinaus die amtierende Erste Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald (D), Dorothea Störr-Ritter, dem amtierenden Energiekommissar der Europäischen Union, Günther Oettinger, eine vom Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald am 9. Mai 2011 einstimmig verabschiedete Resolution zur Stilllegung des Kernkraftwerkes[96]. Dieser Resolution schloss sich Ende Juli der Gemeindeverwaltungsverband Müllheim-Badenweiler an.[97] Auch der Ortenaukreis verabschiedete am 26. Juli 2011 einstimmig eine Resolution zum Kraftwerk Fessenheim, in der die Genehmigung zur Laufzeitverlängerung angefochten und eine Stilllegung erbeten wurde.[98]

In einem Schreiben an die amtierende französische Umweltministerin fordert ihr baden-württembergischer Amtskollege für den Stresstest Frankreichs in Fessenheim aufgrund „der grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen“ die Berücksichtigung der gleichen Kriterien, wie sie die deutsche Reaktorsicherheitskommission bei der Überprüfung der deutschen Reaktoren angelegt habe.[99]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Fessenheim nuclear power plant – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

- Erreur de conception affectant la résistance au séisme de réservoirs d'eau de la centrale nucléaire de Fessenheim - Autorité de sûreté nucléaire (französisch) (archivierte Version des Internet Archive vom 29. September 2007)

Einzelnachweise

  1. a b Wolfgang D. Müller: Auf der Suche nach dem Erfolg - Die sechziger Jahre - Geschichte der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland Band II. In: Schäffer Poeschel, Stuttgart 1996. ISBN 3820210296. Seite 306, 307
  2. a b Power Reactor Information System der IAEA: „France (French Republic): Nuclear Power Reactors“ (englisch)
  3. Spiegel-online.de, Politik, Ausland, 20. März 2011, cte/dpa: Umweltministerin rührt an Frankreichs Atompolitik (14. Juni 2011)
  4. EDF - Das Kernkraftwerk Fessenheim - Portrait (14. Juni 2011)
  5. a b img.der-sonntag.de, Der Sonntag im Markgräflerland, 31. Juli 2011, S. 7, Aus der Region, Toni Nachbar: Heiße Anteile an Fessenheim (31. Juli 2011)
  6. a b baerbl-mielich.de, Schreiben des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, Umweltminister Franz Untersteller, 17. August 2011: Beteiligungen der EnBW am Atomkraftwerk Fessenheim (11. September 2011)
  7. badische-zeitung.de, Nachrichten, Südwest, Energiepolitik, Andreas Böhme, 16. Dezember 2010: Eklat bei EnBW-Votum im Stuttgarter Landtag (31. Juli 2011)
  8. badische-zeitung.de, Nachrichten, Wirtschaft, ENBW, 7. Dezember 2010, Andreas Böhme: Die Franzosen hatten keinen Spaß (31. Juli 2011)
  9. a b der-sonntag.de, 21. August 2011, S.7, Aus der Region, Extra, TN: "Das wäre eher Chance denn Last"
  10. spiegel.de, Wirtschaft, Atomkraft, 12. April 2011, fdi/AFP/dapd: Straßburger Stadtrat verlangt Aus für Pannen-AKW(17. Juni 2011)
  11. stuttgarter-zeitung.de, Stuttgart - Region und Land, 24. Juni 2011, Andreas Müller: Diskrete Liaison der EnBW mit Fessenheim (24. Juni 2011)
  12. EDF in: energie.edf.com, Umwelt und Strahlenschutz - monatliche Informationen aus dem Kernkraftwerk Fessenheim, Nr. 71, Juli/ August 2011 (7. November 2011)
  13. Pressemitteilung, Bärbl Mielich, Mitglied Landtag Baden-Württemberg (Die Grünen), 10. November 2010: Niedrigere Grenzwerte für radioaktive Emissionen aus Atomkraftwerken! (4. Mai 2011)
  14. EDF in: energie.edf.com, Umwelt und Strahlenschutz - monatliche Informationen aus dem Kernkraftwerk Fessenheim, Nr. 71, Juli/ August 2011 (7. November 2011)
  15. Jörg Lange: Studie Wärmelast Rhein in: bund-nrw.de, Mai 2009, Karte S. 26, Abb. 4.1, Wärmefrachten (Maximalwerte) aus Kühlwassereinleitungen im Rhein (Stand 2004) (23. März 2011)
  16. bund-nrw.de, Mai 2009, Karte S. 39, Abb. 4.11, Wassertemperaturen im Hitzesommer 2003 beim Atomkraftwerk Fessenheim bei der Abwärmeeinleitung sowie ober- und unterhalb. (Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) 2004: Bericht Nr. 142d) (2. November 2011)
  17.  :Bärbel Nückles, Michael Baas Fessenheim: Atomaufsicht empfiehlt Laufzeitverlängerung und Nachrüstung in: badische-zeitung.de, Lokales, Elsass, 5. Juli 2011 (7. November 2011)
  18. Bärbel Nückles: AKW Fessenheim wird nachgebessert. In: badische-zeitung.de, Lokales, Elsass, 19. November 2011 (20. November 2011)
  19. asn.fr, 25. Juli 2011: Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN nimmt Stellung zur Laufzeitverlängerung von Reaktor Nr. 1 des Kernkraftwerks Fessenheim (1.August 2011)
  20. Bärbel Nückles: Kernkraftgegner kritisieren französischen AKW-Stresstest. In: badische-zeitung.de, Lokales, Elsass, 6. November 2011 (20. November 2011)
  21. afp: Das AKW Fessenheim ist über Nacht wieder ans Netz gegangen in: badische-zeitung.de, Lokales, Elsass, 7. November 2011 (7. November 2011)
  22. badische-zeitung.de, Nachrichten, Südwest, 30. April 2011, Bärbel Nückles: Fessenheim: Armee von Leiharbeitern renoviert AKW (30. April 2011)
  23. a b The World's Reactors No. 67: Fessenheim. In: Nuclear Engineering International, London, September 1975.
  24. Centrale de Fessenheim : la CLIS demande deux nouvelles contre-expertises. Abgerufen am 6. Juli 2011.
  25. Fessenheim: Atomaufsicht empfiehlt Laufzeitverlängerung und Nachrüstung. Abgerufen am 6. Juli 2011.
  26. Nun fordert auch Strassburg die Schliessung von Fessenheim. Abgerufen am 6. Juli 2011.
  27. GSIEN/ANCCLI – Gutachterbericht bzgl. der Dritten 10-Jahres-Inspektion (VD3) von Fessenheim 1 – Juni 2010. Abgerufen am 7. Juli 2011 (S. 3, 4).
  28. nzz.ch, NZZ Online, sda, 15. August 2011: Noch 30 Jahre lang Strom aus Fessenheim (20. August 2011)
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  98. regionews-og.de: Ortenaukreis: Resolution zum Kernkraftwerk Fessenheim verabschiedet regionews-og.de: Resolutionstext (27. Juli 2011)
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http://energie.edf.com/nucleaire/carte-des-centrales-nucleaires/das-kernkraftwerk-fessenheim/home-59272.html


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