- Ladegast
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Friedrich Ladegast (* 30. August 1818 in Hochhermsdorf (heute Hermsdorf, Ortsteil von Zettlitz); † 30. Juni 1905 in Weißenfels) war ein bedeutender deutscher Orgelbauer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Kindheit
Friedrich Ladegast wurde am 30. August 1818 als achtes Kind des Häuserbesitzers, Tischlers und Röhrenmeisters Johann Christlieb Ladegast und seiner Frau Eva Rosina, geb. Dathin, in Hochhermsdorf (heute Hermsdorf) in der Nähe der Stadt Geringswalde in Sachsen geboren. Die Ladegasts waren keine traditionelle Musikerfamilie, doch kamen die Kinder durch das Musizieren im Familienkreis mit Musik in Berührung. Unterweisungen im Klavierspiel, die später durch Unterricht an der Orgel ergänzt wurden, weihten den jungen Friedrich in die Grundlagen dieser Kunst ein. Die Liebe zur Musik und das beim Vater erworbene handwerkliche Können fügten sich zusammen. So äußerte er sich in seinen späteren Jahren gegenüber seinem Freund, dem Chemnitzer Organisten William Hepworth: „Ich bin, im Grunde genommen, ebenso musikalisch veranlagt wie du, nur daß Zeit und Verhältnisse mir nicht gestatten, meine diesbezüglichen Fähigkeiten auszubilden.“ Was Friedrich letztendlich bewegte, Orgelbauer zu werden, lässt sich heute nur vermuten. Neben der Tatsache, dass auch sein älterer Bruder Christlieb diesen Beruf wählte, wird wohl das Vorbild des berühmten Landsmanns Gottfried Silbermann, der 150 Jahre zuvor im etwa 50 km entfernten Freiberg wirkte, einen starken, wenn auch nicht unbedingt direkten Einfluss auf die Brüder ausgeübt haben. Zweifelsohne kannten die Ladegasts bereits seit ihrer Kindheit dessen in unmittelbarer Nähe ihres Heimatdorfes befindlichen Werke in Rochlitz, Ringethal und Schweikershain.
Ausbildung
Seine erste Ausbildung als Orgelbauer erhielt Friedrich in der Geringswalder Werkstatt seines Bruders. In den anschließenden Jahren seiner Wanderschaft arbeitete er in verschiedenen Orgelbauwerkstätten Mitteldeutschlands (Kreutzbach in Borna, Mende in Leipzig und Zuberbier in Dessau). Spätere Studienreisen führten ihn u.a. auch ins Elsaß, nach Süddeutschland und nach Frankreich. Im elsässischen Straßburg studierte Ladegast nach eigener Auskunft die frühen Werke Gottfried Silbermanns, jedoch nicht, wie in der Vergangenheit irrtümlich angenommen wurde, als Mitarbeiter der Werkstatt Martin Wetzels direkt im Anschluss an seine Gesellenzeit in den mitteldeutschen Orgelbauwerkstätten.
Auch die Annahme, dass Friedrich Ladegast bei einer seiner Reisen den berühmten französischen Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll persönlich kennen gelernt hat und sogar einige Zeit bei diesem tätig war, erweist sich nach heutiger Erkenntnis als nicht zutreffend. Beide Orgelbauer brachten einander allerdings eine hohe Wertschätzung entgegen. So informierte sich Friedrich Ladegast vor dem Bau der großen Orgel für die Nikolaikirche zu Leipzig (1862) auf einer Studienreise über die technischen Anlagen in den großen Orgeln Cavaillé-Colls. Albert Schweitzer schrieb: „Der grosse französische Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll hat ihn [F. Ladegast] als den besten unter den zeitgenössischen Orgelbauern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschätzt. Ich habe Cavaillé-Coll noch gekannt und kann bestätigen, daß er von Ladegast mit Bewunderung sprach.“
Niederlassung
1846 beantragte Friedrich Ladegast in der Saalestadt Weißenfels die Niederlassung als Orgelbauer und Instrumentenmacher, die Anfang 1847 genehmigt wurde. Seiner kurz darauf im Weißenfelser Kreisblatt erschienenen Zeitungsanzeige ist folgendes zu entnehmen: „Daß ich mich als Orgelbauer und Instrumentmacher hier niedergelassen habe, zeige ich ergebenst an. Ich bitte um geneigtes Vertrauen, dessen ich mich stets durch strengste Reellität würdig machen werde. Weißenfels, den 5. Februar 1847“
Eine entscheidende Rolle für den Entschluss, sich ausgerechnet in Weißenfels niederzulassen, werden nicht nur die Protektion des Weißenfelser königlichen Musikdirektors Ernst J. Hentschel, sondern auch wirtschaftliche Faktoren gespielt haben. Weißenfels, unweit der großen Städte Leipzig und Halle gelegen, gehörte zu jenen mitteldeutschen Städten, die sich im Zuge der Industrialisierung rasant entwickelten. Die Eröffnung einer Eisenbahnstrecke nach Erfurt am 6. Juni 1846 brachte erhebliche Standortvorteile. Auch der Fluss Saale war zu jener Zeit noch schiffbar.
Wie man seinem Antrag auf Niederlassungserlaubnis entnimmt, kannte Ladegast bereits die Gegend, und zwar durch seinen Aufenthalt in Lützen bei der Reparatur der Kreutzbach-Orgel (1839) der dortigen Stadtkirche. Es gab im Umfeld keine weitere Orgelbauwerkstätte und somit wenig Konkurrenz. Darüber hinaus besaß die Stadt ein Lehrerseminar, das sich zu einem Zentrum der Lehrerausbildung in der preußischen Provinz entwickelt hatte. Seit 1822 stand das Institut unter der Leitung des berühmten Pädagogen Dr. Wilhelm Harnisch und wurde u.a. durch solche Persönlichkeiten wie Ernst J. Hentschel und Moritz Hill geprägt. Mit Hentschel, der auch Taufpate seiner Kinder war, verband Ladegast jahrelang eine freundschaftliche Beziehung.
Erfolge
Obwohl die wirtschaftlichen Aspekte vielversprechend waren, blieb die Auftragslage in den ersten Jahren schlecht. 1849 bekam Ladegast durch die Fürsprache von David Hermann Engel einen Auftrag für eine Orgel in der St. Georg-Kirche zu Geusa bei Merseburg, der die weitere Zukunft des jungen Orgelbauers grundlegend ändern sollte. Ladegast setzte alles auf eine Karte – sein Können, eigene Mittel, eigene Visionen – und gewann. Die ursprünglich als einmanualiges Werk geplante Orgel wurde über den Vertrag hinaus um ein zweites Manual erweitert. Bei der Abnahme der Orgel geriet Engel in „höchstes Entzücken“ vom Klang, von der Auswahl des Materials, von der Qualität der Ausführung – all jener Aspekte, die Ladegast schon zu Lebzeiten Ruhm brachten und seine Orgeln noch heute auszeichnen.
Neuaufträge und damit verbundener Erfolg ließen nun nicht mehr lange auf sich warten. 1850 erwarb Ladegast ein doppelstöckiges Haus in der Naumburger Straße, wo er seine Werkstatt einrichtete und in der im gleichen Jahr fünf neue Werke entstanden. Mit Ausnahme der Orgel in der Dorfkirche zu Albersroda (II/15) handelte es sich um einmanualige Werke mit 5 bis 10 Registern.
Am 3. November 1850 im Alter von 32 Jahren heiratete Friedrich Ladegast die 24-jährige Johanne Rosette Bertha Lange (* 7. Mai 1826; † 6. Januar 1902), Tochter des Weißenfelser Stadtorganisten. Die Ehe wurde mit zwölf Kindern gesegnet. Sieben der Kinder starben allerdings schon frühzeitig. Ende 1851 bekam Ladegast einen Auftrag für den Neubau einer Orgel für die Stadtkirche St. Peter im 15 km entfernten Städtchen Hohenmölsen. Diese Orgel ist heute mit ihren 24 klingenden Registern sein größtes zweimanualiges Instrument, das – mit Ausnahme der Prospektpfeifen und der Windanlage – original erhalten blieb. Sie nimmt in seinem Schaffen eine besondere Stellung ein, nicht nur, weil sie der erste größere Auftrag war, sondern weil sie aufgrund ihrer klanglichen und bautechnischen Solidität eine Grundlage für die unmittelbar danach folgenden größeren Aufträge in Merseburg, Schulpforta, Leipzig usw. bildete.
Als 1853 die Merseburger Domorgel erneut repariert werden musste, kam für den Domorganisten Engel kein anderer als Ladegast in Frage. Aus einer Reparatur für 4.500 Thaler wurde allerdings ein Neubau für 6.258 Thaler. Unter Beibehaltung des Gehäuses der alten Orgel sowie von 26 ihrer Register, die später ebenfalls durch neue ersetzt wurden, stellte Ladegast ein Werk mit 81 Registern auf 4 Manualen und Pedal auf, über das bereits während des Baus gesagt wurde – „daß dieses Orgelwerk einen neuen Abschnitt in der Orgelbaukunst bezeichne, indem hier Dinge erreicht worden sind, die bisher an keiner anderen Orgel vorkommen“. Die Einweihung fand am 26. September 1855 statt. Diese im damaligen Deutschland größte Orgel brachte Ladegast viel Anerkennung und Ruhm und stellte ihn aus der Reihe kleinerer Orgelbauer heraus auf eine höhere Stufe. Das Werk wurde durch eine Reihe namhafter Intellektueller bewundert und inspirierte zum Beispiel Franz Liszt zu einigen seiner großen Orgelwerke.
Bis zu seinem nächsten großen Auftrag, der Orgel für die Leipziger Nikolaikirche (IV/84), die 1862 als damals größte Orgel Sachsens vollendet wurde, entstanden etwa 16 Instrumente, darunter die erste dreimanualige Orgel für die Landesschule Pforta (Schulpforta) bei Naumburg (1857, 34 Register). Das Werk wurde in den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts abgetragen und auf dem Dachboden eingelagert, bis es irgendwann wesentlicher Teile beraubt wurde. 2005 wurde die Orgel durch die Orgelbau-Werkstatt Rösel & Hercher instand gesetzt.
Zwei Orgeln gingen über die Region hinaus nach Ostpreußen (Memel, 1858, II/44) und Niederschlesien (Görkau, 1859, II/13).
1864 baute Ladegast im Auftrag des Magistrats der Stadt Weißenfels für die Stadtkirche St. Marien seine zweite dreimanualige Orgel (41 Register), die heute sein ältestes erhaltenes dreimanualiges Werk ist. Ebenfalls 1864 wurde die dritte dreimanualige Orgel Ladegasts – ein Werk mit 39 Registern für die Schloßkirche zu Wittenberg im historischen Gehäuse von J.E. Hübner (1767) fertiggestellt. 1892 bekam diese ein neues neugotisches Gehäuse und wurde mit einer Barkermaschine ergänzt.
Neue Aufträge für große Instrumente verlangten eine größere Werkstatt. So beantragte Ladegast 1865 eine Genehmigung für den Bau einer neuen Werkstatt in der Naumburger Straße. Somit wurde ein Raum geschaffen, in dem später sogar die Orgel für den Schweriner Dom Platz fand.
Solch eine Aufbauhalle ermöglichte die Entlastung einzelner Fertigungsstätten wie die Pfeifenmacherei und Windladenwerkstätten und erlaubte einen gleichzeitigen Bau mehrerer Instrumente. Außerdem ließ die Aufstellungsmöglichkeit zu, eine Vorintonation einer neuen Orgel durchzuführen, die Traktur auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und eventuelle Mängel bereits in der Werkstatt zu beseitigen. Ferner führte dies zur Herauskristallisierung einzelner beruflicher Spezialbereiche mit eigens für diesen Zweck geschultem Personal wie Zinnarbeiter, Pfeifen- oder Windladenmacher u.ä..
Diese Praxis setzt sich bei den mitteldeutschen Orgelbaufirmen erst in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts mit der Steigerung der Produktion und des Exportes allgemein durch. So bekam die 1808 gegründete Orgelbaufirma Jehmlich ihre große Aufbauhalle erst 1897. Die ebenfalls traditionsreiche, 1872 gegründete sächsische Orgelbaufirma Eule errichtete ihre Halle 1888.
Man kann also Friedrich Ladegast durchaus als einen progressiv denkenden Orgelbauer seiner Zeit, der sich den Zügen der Industrialisierung nicht gänzlich verschloß, bezeichnen. Leider wurde die Werkstatt 1979 vollständig abgerissen.
In der Zeit zwischen 1864 und 1871 verließen die Werkstatt ca. 25 neue Orgeln, drei davon gingen ins Baltikum, eine nach Moskau (op. 50, 1868) und zwei in die Pfalz. Weitere Instrumente wurden umgebaut oder repariert.
Das Jahr 1871 hatte für Ladegast bahnbrechende Bedeutung, das ihn endgültig in die Reihe der international bedeutenden Orgelbauer setzte. In diesem Jahr wurde sein Werk mit 84 Stimmen im Dom zu Schwerin vollendet. Der Bau kostete 11.000 Thaler, dauerte 3 Jahre und wurde am 6. September 1871 fertiggestellt. In diesem Instrument verwendete Ladegast alles, was ihn an technischen Neuerungen und Erkenntnissen jener Zeit überzeugt hatte. Außer der bereits erprobten Barkermaschine, der in Abteilungen geteilten Schleifladen und der strahlenförmigen Winkel- und Wellentraktur baute er zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Orgelbaus in eine Orgel das pneumatisch gesteuerte Crescendo ein. Mit diesen Neuerungen, die eigentlich erst durch die Einführung der Röhrenpneumatik zum Standard wurden, schritt er der Zeit voraus und setzte damit unlöschbare Zeichen in der deutschen Orgelbaugeschichte.
Am 10. November 1871 erhielt Ladegast für den Orgelbau von Schwerin das durch den Herzog von Mecklenburg-Schwerin verliehene Verdienstkreuz in Gold – den Hausorden der Wendischen Krone. Das 1872 für die St. Jakobskirche in Köthen erbaute Instrument ist bis heute die größte Orgel in Anhalt.
Orgelneubauten
Bis zum Ende der 1880er Jahre verließen Ladegasts Werkstatt über 125 Orgelneubauten, darunter:
- Schweriner Dom (IV/84, 1870-71)
- Köthen (1872)
- Schafstädt (III/33, 1875)
- Posen (III/43, 1876)
- Siegen (III/38, 1877)
- Reval (III/49, 1878)
- Münster (III/36, 1879)
- Ronneburg (III/31, 1879)
- Spandau (III/45, 1880)
- Altenburg (III/39, 1881)
- Rudolstadt (III/33, 1882)
- Naunhof (II/21, 1882)
- Braunschweig (III/48, 1883)
- Wernigerode (III/33, 1885 und III/43, 1887)
- Wolmar (III/33, 1886)
- Chemnitz (III/62, 1888 und III/58, 1888)
- Mittweida (III/40, 1888)
- Frömern (unbekannt/unbekannt)
Die Tätigkeit des Unternehmens erstreckte sich von den USA über das deutsche Reich bis nach Russland.Erweitert oder restauriert wurden u.a. folgende Instrumente:
- Leipzig (Mende-Orgel von 1843)
- Meerane (Friderici-Orgel von 1753)
- Lützen (Kreutzbach-Orgel von 1839)
- Altenburg (Trost-Orgel von 1739)
- Naumburg (Hildebrandt-Orgel von 1746 und Gerhardt-Orgel von 1887)
Konkurrenzkampf
Der generelle Wandel vom Handwerksbetrieb zur Fabrik als Hauptmerkmal der industriellen Entwicklung, ausgelöst durch die Erfindung der Dampfmaschine, brachte auch im Orgelbau tiefgreifende Veränderungen hervor. Das mit der industriellen Revolution verbundene Wachstum der Städte verlangte nach neuen Kirchen und Orgeln. Außerdem wurden viele als nicht mehr zeitgemäß empfundene Instrumente ersetzt. Diesen erhöhten Bedarf konnte die traditionelle handwerkliche Fertigung nicht mehr im vollen Umfang befriedigen. Die existentielle Sicherung vieler Betriebe hing nicht mehr nur von der Qualität ihrer Arbeit sondern zunehmend von ihrer Fähigkeit ab, die Produktionsmenge zu steigern und die Preise niedrig zu halten. Diesen enormen Anforderungen waren nur größere Unternehmen in der Lage entgegenzuhalten.
Um 1840 wurde durch die Firma Walcker, Ludwigsburg, die erste Kegelladen-Orgel erbaut. Dieses neue Windladensystem führte wie keine andere Erfindung im Orgelbau zu Spaltungen und Streit. Von einigen begeistert aufgenommen, von anderen verpönt, zeichnete sie den Weg des Orgelbaus jener Zeit auf. Keine namhafte Orgelwerkstatt kam an der Kegellade vorbei. Während einige Firmen wie Walcker und Sauer eine vollständige Umstellung auf dieses Windladensystem vollzogen, kehrten andere nach einigen Versuchen mit der Kegellade zur Schleiflade zurück oder benutzten beide Systeme gleichzeitig. Zu letzteren gehörte auch die Werkstatt Ladegasts. Er selbst äußert sich zum Verwenden beider Systeme so: „Ich wende faktisch alle Systeme an, mitunter in einer Orgel verschiedene, jedes da, wo es mir passend erscheint.“
In der Tat findet man bei ihm in den Siebziger und Achtziger Jahren sowohl reine Schleifladenorgeln (z.B. in der Pfarrkirche zu Posen, III/43, 1876), reine Kegelladenorgeln (z.B. in der St. Nikolai-Kirche in Spandau, III/45, 1880) als auch Orgeln mit einem gemischten Windladensystem (z.B. St. Andreas-Kirche zu Rudolstadt, III/33, 1882). Dabei wurden sowohl Orgeln mit Schleifladen in den Manualen und Kegellade im Pedal, als auch umgekehrt gebaut. Die letztere Kombination wird von Ladegast in seiner späteren Schaffensperiode bevorzugt. Trotz dessen bleibt er sein Leben lang überzeugter Anhänger der Schleiflade. Am 13. Januar 1880 richtet er an den damaligen Generalsekretär der Wiener „Gesellschaft der Musikfreunde“ Leopold Alexander Zellner die schon sprichwörtlich gewordenen Zeilen: „[...] Von den im vergangenen Jahre gelieferten Werken waren zwei mit Kegelladen. In vieler Beziehung sind dieselben leichter herzustellen als Schleifladen (Doch ganz unter der Hand gesagt!) Das Schleifladensystem wird von den Kegeln nicht verdrängt werden. Da jedoch fast alles Kegeltoll ist, so hilfts nichts, man muß - mit heulen!“
Erst Ende der 1880er Jahre wandte sich die Werkstatt intensiver der Pneumatik zu. Da jedoch spätestens 1890 fast alle namhaften Orgelbaufirmen vollständig zum Bau der Röhrenpneumatik übergingen und bereits über eigene ausgereifte Systeme verfügten, blieb die traditionelle Werkstatt aus Weißenfels in der harten Konkurrenz auf der Strecke – der Zug war abgefahren. Nach und nach wurde das einst berühmte Unternehmen vom Markt verdrängt. Die Großaufträge blieben anderen Firmen, die nun „modernere“ Orgeln bauten, vorbehalten.
Bei der Vergabe des Orgelneubaus für das neugebaute Gewandhaus in Leipzig erlitt die Firma 1884 ihre erste große Niederlage gegen die Firma Walcker. Die Frankfurter Orgelbaufirma Sauer machte ihm weitere Aufträge in der Stadt Leipzig, die bisher zu „seinem Territorium“ gehörte, streitig. Die großen Bauten für die Petrikirche (1886, III/60) und die Thomaskirche (1889, III/63) wurden Sauer zugesprochen. Ob diese Entwicklung allein auf angebliche Intrigen, von denen Ladegast oftmals sprach, zurückzuführen ist, bleibt spekulativ.
Eng verbunden mit der technischen Weiterentwicklung im Orgelbau war auch die Wandlung der Klangästhetik der Orgel zum spätromantischen orchestralen Stil. Bedingt durch die Klangvorstellungen Ladegasts, welche zu Anfang der neunziger Jahre als zu geradlinig und veraltet galten, waren seine Werke auch in dieser Hinsicht zunehmend nicht mehr konkurrenzfähig.
Groß ist die Zahl der Orgelbauer, die bei Ladegast lernten und arbeiteten. Hierzu gehören:
- Carl Bernecker (1844-?), Orgelbauer in Sachsen
- Franz Eggert (1849-1911), Orgelbauer in Paderborn
- Gustav Heinze (1874-1949), Orgelbauer in Sorau und Weißenfels
- Albert Hollenbach (1850-1904), Orgelbauer in Neuruppin, Brandenburg
- Franz Emil Keller (1843-1925), Orgelbauer in Ostrau bei Döbeln, Sachsen
- Johann Franz Anton Keine (1845-1908), Orgelbauer in Waldkirch
- Ernst Klassmeier (1840-1926), Orgelbauer in Kirchheide bei Lemgo
- Hermann Kopp, (1837-1892) Orgelbauer in Apolda
- Eugen Link (1855-1940), Orgelbauer in Giengen a.d.Brenz.
- Friedrich Albert Mehmel (1827-1888), Orgelbauer in Stralsund und Wismar
- Theodor Rühlmann († 1910), Orgelbauer in Zörbig
- Wilhelm Rühlmann d.Ä. (1842-1922), Orgelbauer in Zörbig
- Albert Späth (1866-1948), Orgelbauer in Ennetach-Mengen
Lebensende
Nach dem Tod seiner Frau 1892 zog sich Friedrich Ladegast mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. An der Leitung der Firma bis dahin noch beteiligt, übergab er 1898 das Zepter endgültig seinem Sohn Oskar Ladegast (* 1859; † 1944).
Friedrich Ladegast starb am 30. Juni 1905. Der Tod des Meisters wurde in der Öffentlichkeit mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. Bereits am 3. August 1905 erschien im Weißenfelser Tagesblatt folgende Mitteilung des Stadtmagistrats: „Einer Ehrung des Altmeisters der Orgelbaukunst Friedrich Ladegast, der vor kurzem gestorben ist, hat der Magistrat dadurch vollzogen, daß er der Verbindungsstraße zwischen der Beuditz- und Gustav-Adolfstraße den Namen ‚Ladegaststraße’ beigelegt hat.“
Die Bedeutung dieses herausragenden Meisters der deutschen Orgelbaukunst lässt sich am besten mit den Worten Albert Schweitzers an den damaligen Merseburger Domorganisten Hans-Günther Wauer erfassen (in einem Brief aus Lambarene von 1958): „Ich halte Friedrich Ladegast für den bedeutendsten Orgelbauer nach Silbermann, dessen Tradition er fortsetzt. Sowohl in technischer wie auch in klanglicher Hinsicht sind seine Schöpfungen in gewisser Hinsicht einzigartig. Ich selber war ergriffen von der Spielart und der Tonschönheit der Ladegast-Orgeln, die ich unter die Finger bekam und habe Organisten, die ihre Ladegast-Orgeln umbauen und modernisieren wollten, zu Beginn unseres Jahrhunderts, von dieser Sünde abgeraten. In Tonqualität stelle ich Ladegast-Orgeln sogar über die von Cavaillé-Coll.“
Literatur
- Holger Brülls: Ladegast-Orgeln in Sachsen-Anhalt, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005, ISBN 3-86568-020-8
- Hermann J. Busch: Friedrich Ladegast und Silbermann, in: Freiberger Studien zur Orgel 5 (1997), S. 60-68
- Hermann J. Busch: Artikel: Ladegast, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil, Bd. 10, Kassel/Stuttgart 2003, Sp. 998-1000
- Hermann J. Busch: Die durchschlagenden Zungenstimmen in den Orgeln Friedrich Ladegasts und ihr Gebrauch, in: Acta Organologica 28 (2004), S. 313-323
- Hermann J. Busch: Friedrich Ladegast – Meister der alten Schule, in: Ars Organi 53 (2005), S. 144-153
- Hermann J. Busch (Hrsg.): Die Nikolaikirche zu Leipzig und ihre Orgeln, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004, ISBN 3-374-02205-7
- Alexander Koschel: Im Wandel der Zeit - Die Ladegasts und ihre Orgeln, Buch + CD-Rom, Orgelverlag Fagott, Friedrichshafen 2004, ISBN 3-00-013898-6
- Alexander Koschel: Friedrich Ladegast und seine Orgel in der Stadtkirche St. Marien zu Weißenfels, (Weißenfelser Heimatbote, 3/1997)
- Alexander Koschel: Friedrich Ladegast und seine Orgel in der Stadtkirche St. Marien zu Weißenfels, (Die Auslese, 3/1997)
- Alexander Koschel: Friedrich Ladegast und seine Orgel in der Stadtkirche St. Marien zu Weißenfels, (Forum Kirchenmusik, 1/1998)
- Alexander Koschel: Friedrich Ladegast - ein genialer Orgelbauer des 19. Jahrhunderts, (Festschrift, Weißenfels 1998)
- Alexander Koschel: Da jetzt alles kegeltoll ist, (Triangel - MDR-Magazin, 5/1998)
- Alexander Koschel: Friedrich-Ladegast-Orgel der Stadtkirche St. Marien zu Weißenfels, (Fagott, 1998)
- Alexander Koschel: Weißenfelser Ladegast-Kollegium e.V., (Argos - Wirtschaftsmagazin, 1/1999)
- Alexander Koschel: Ladegast-Kollegium e.V. - ein neues Gesicht (Forum Kirchenmusik, 4/1999)
- Alexander Koschel: Friedrich-Ladegast-Orgel der Stadtkirche St. Peter zu Hohenmölsen, (Fagott, 2000)
- Alexander Koschel: Friedrich Ladegast-Orgel der Pfarrkirche zu Posen, (Fagott, 2000)
- Alexander Koschel: Friedrich Ladegast - der Orgelbauer aus Weißenfels, (Ars Organi, 4/2001)
- Alexander Koschel: Orgeln im Weißenfelser Land, (Orgel International, 3/2001)
- Alexander Koschel: Orgeln im Weißenfelser Land, (Fagott, 2001)
- Alexander Koschel: Da jetzt alles französischtoll ist (Zur geplanten Rekonstruktion und Erweiterung der Orgel der Nikolaikirche zu Leipzig), (Ars Organi, 4/2001)
- Alexander Koschel: Ladegast-Orgel der Pfarrkirche zu Posen, (Ars Organi, 2/2002)
- Alexander Koschel: 150 Jahre der Ladegast-Orgel der Stadtkirche St. Peter zu Hohenmölsen, (Ars Organi, 4/2002)
- Alexander Koschel: Johann Friedrich Ladegast - zum 100. Todestag, (Fagott, 2004)
- Alexander Koschel: Ein Leuchtturm in der bewegten See - zum 100. Todestag von Friedrich Ladegast (1818-1905), (Musik und Kirche, 3/2005)
- Alexander Koschel: Eine Ladegast-Orgel für die Kathedrale in Chur? - Zum 100. Todestag von Friedrich Ladegast (1818-1905), (Musik und Gottesdienst/Schweiz, 3/2005)
- Alexander Koschel: Ein Fels in der Brandung - zum 100. Todestag von Friedrich Ladegast (1818-1905), (Forum Kirchenmusik, 5/2005)
- Walter Ladegast (Hrsg.): Friedrich Ladegast - Der Orgelbauer von Weißenfels, Weidling Verlag, Stockach 1998, ISBN 3-922095-34-8
CDs
- "Die Ladegast-Orgeln - Jubiläumsausgabe zum 100. Todestag von Friedrich Ladegast", 6 Volumina (F-3903-5, F-3903-6, F-3903-7, F-3903-9, F-3904-5 & F-3904-6), erschienen bei FAGOTT-Orgelverlag (D-88045 Friedrichshafen, www.fagott-online.com)
Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Ladegast im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biografie von Friedrich Ladegast beim MDR in der Rubrik "Geschichte Mitteldeutschlands"
- Stadtkirche zu Naunhof mit Ladegast-Orgel von 1882
Personendaten NAME Ladegast, Friedrich KURZBESCHREIBUNG deutscher Orgelbaumeister GEBURTSDATUM 30. August 1818 GEBURTSORT Hermsdorf (heute Ortsteil von Zettlitz) STERBEDATUM 30. Juni 1905 STERBEORT Weißenfels
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