- Landeskirchlich
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Eine Landeskirche ist in Deutschland nach heutigem Verständnis in der Regel ein territorial abgegrenzter Zusammenschluss von volkskirchlichen Gemeinden, nach schweizerischer Rechtsterminologie tritt das Kriterium der öffentlich-rechtlichen Anerkennung hinzu.
Inhaltsverzeichnis
Landeskirche im Mittelalter
Bezogen auf die vorreformatorische Zeit wird unter dem Begriff der Landeskirche die Kirchenorganisation eines bestimmten Territoriums verstanden, die zwar im Regelfall einer übergeordneten Autorität (dem Papst oder einem Patriarchen) unterstellt war, aber ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit besaß, insbesondere was ihre innere Struktur und ihr Verhältnis zum jeweiligen weltlichen Herrscher betraf. Das Vorhandensein einer eigenen Landeskirche spielte eine große Rolle für die Abgrenzung vor allem frühmittelalterlicher Reiche gegenüber anderen Territorien.
Landeskirchen in Deutschland
Entstehung
Der Begriff im heutigen Verständnis ergab sich aus einer Notsituation: Anders als in Skandinavien und England gingen die deutschen Bischöfe in ihrer großen Mehrheit nicht zur Reformation über, so dass es nicht möglich war, das hergebrachte Diözesansystem unter dem Vorzeichen des neuen Bekenntnisses weiter bestehen zu lassen. Daher forderte Martin Luther, dass die weltlichen Landesherren behelfsweise die bischöfliche Funktion in ihren Territorien ausüben sollten.
Aus der Reformationszeit stammt auch der Grundsatz cuius regio, eius religio. Danach bestimmte der Landesherr, welcher Konfession seine Untertanen angehören mussten. Dies beförderte die Ausbildung geschlossener, eigener Landeskirchen. Der Grundsatz wurde allerdings in der Praxis der Religionspolitik im Heiligen Römischen Reich mit und nach dem Dreißigjährigen Krieg bald aufgeweicht.
Bis zur Abschaffung der Monarchie in Deutschland 1918 waren die Landesherren im administrativen Bereich Landesbischöfe, und die Bindung von Kirche und Staat dadurch besonders eng. Das galt auch bei Landesherren anderer Konfession. So war der (römisch-katholische) König von Bayern zugleich oberster Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. In der Praxis übten die Landesherren die bischöflichen Funktionen aber nur indirekt durch eine dafür zuständige Behörde aus, die in der Regel den Namen Konsistorium trug.
Situation heute
Die heutigen Grenzen der in Deutschland existierenden 22 evangelischen Landeskirchen sind weitgehend identisch mit denen der Bundesstaaten (in Preußen: der Provinzen) im Deutschen Kaiserreich, wie es bis 1918 bestand. So umfasst beispielsweise das Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland die frühere preußische Rheinprovinz, welche heute auf vier Bundesländer aufgeteilt ist. Das Gebiet der Landeskirche blieb jedoch nahezu unverändert.
Größere Veränderungen gab es im Bereich des heutigen Hessen, wo sich im Dritten Reich die beiden zuständigen Gauleiter in Kassel und Darmstadt jeweils eine eigene Landeskirche zulegten (heute: Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und Evangelische Kirche in Hessen und Nassau). Andere größere Veränderung betrafen Hamburg und Schleswig-Holstein, wo sich 1977 die vier bestehenden Landeskirchen von Schleswig-Holstein, Lübeck, Eutin und Hamburg mit dem Kirchenkreis Harburg der Hannoverschen Landeskirche zur Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vereinigten; Berlin-Brandenburg und die Niederlausitz, welche beiden Landeskirchen sich 2004 zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammenschlossen, sowie Thüringen und Sachsen-Anhalt, die 2009 zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland fusionierten. Eine weitere, für 2012 geplante Vereinigung wird die neue Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland bringen.
Übersicht
Ämter und Institutionen
Folgende typischen Ämter und Institutionen der Landeskirche gibt es bis heute:
- Landesbischof, Bischof, Kirchenpräsident/-in, Präsident/-in Präses oder Landessuperintendent genannt, als Oberhaupt der Kirche; er ist quasi „Nachfolger“ des jeweiligen Landesherrn bis 1918 (z.B. König, Fürst, Herzog)
- Synode als das „Parlament“ der Kirche
- Landeskirchenrat, Oberkirchenrat, Landeskirchenamt oder Konsistorium als Verwaltungsbehörde der Kirche
Als übergreifendes Organ gründeten die Landeskirchen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die ihren Sitz in Hannover hat.
Verwaltungshierarchie
Die Verwaltungsstruktur ist von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich. Oft werden für die gleiche Verwaltungsinstanz verschiedene Bezeichnungen geführt. Um Verwirrungen zu vermeiden, soll folgende Tabelle einen Überblick über die Bezeichnungen der Verwaltungsebenen in den Landeskirchen der EKD geben. Zusätzlich wird in Klammern die Bezeichnung der personalen Leitung genannt, da auch hier in den Landeskirchen mit der gleichen Bezeichnung oft unterschiedliche Dinge gemeint sind. Kursiv werden ergänzend eventuelle Gremien der Verwaltungsebene genannt.
Landeskirche Unterste Instanz Untere Instanz Mittlere Instanz Obere Instanz Evang. Landeskirche
AnhaltsKirchengemeinde
GemeindekirchenratKirchenkreis
(Kreisoberpfarrer)
KreissynodeLandeskirche
(Kirchenpräsident)
LandessynodeEvang. Landeskirche
in BadenKirchengemeinde
KirchengemeinderatKirchenbezirk, auch Dekanat
(Dekan)
BezirkssynodeKirchenkreis, auch Prälatur
(Prälat)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeEvang.-Luth. Kirche
in BayernKirchengemeinde
KirchenvorstandDekanat
(Dekan)
DekanatssynodeKirchenkreis
(Regionalbischof)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeEvang. Kirche in Berlin-
Brandenburg-
schlesische OberlausitzKirchengemeinde
KirchenvorstandKirchenkreis
(Superintendent)
KreissynodeSprengel
(Generalsuperintendent)
Landeskirche
(Bischof)
LandessynodeEvang.-Luth. Landeskirche
in BraunschweigKirchengemeinde
KirchenvorstandPropstei
(Propst)
PropsteisynodeLandeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeBremische
Evangelische KircheKirchengemeinde
Landeskirche
(Präsident des
Kirchenausschusses)
KirchentagEvang.-Luth. Landeskirche
HannoversKirchengemeinde
KirchenvorstandKirchenkreis
(Superintendent)
KirchenkreistagSprengel
(Landessuperintendent)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeEvang. Kirche in Hessen
und NassauKirchengemeinde
KirchenvorstandDekanat
(Dekan)
DekanatssynodePropstei
(Propst)
Landeskirche
(Kirchenpräsident)
LandessynodeEvang. Kirche von
Kurhessen-WaldeckKirchengemeinde
KirchenvorstandKirchenkreis
(Dekan)
KreissynodeSprengel
(Propst)
Landeskirche
(Bischof)
LandessynodeLippische Landeskirche Kirchengemeinde
KirchenvorstandKlasse, auch Bezirk
(Superintendent)
KlassentagLandeskirche
(Landessuperintendent)
LandessynodeEvang.-Luth. Landeskirche
MecklenburgsKirchgemeinde
KirchgemeinderatPropstei
(Propst)
PropsteisynodeKirchenkreis
(Landessuperintendent)
KirchenkreisratLandeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeNordelbische
Evang.-Luth. KircheKirchengemeinde
KirchenvorstandKirchenkreis
(Propst)
KirchenkreissynodeSprengel
(Bischof)
Landeskirche
(Vorsitzender Bischof
der Kirchenleitung)
SynodeEvang.-Luth. Kirche in
OldenburgKirchengemeinde
GemeindekirchenratKirchenkreis
(Kreispfarrer)
KreissynodeLandeskirche
(Bischof)
SynodeEvang. Kirche der Pfalz Kirchengemeinde
PresbyteriumKirchenbezirk, auch Dekanat
(Dekan)
BezirkssynodeLandeskirche
(Kirchenpräsident)
LandessynodePommersche
Evangelische KircheKirchengemeinde
GemeindekirchenratKirchenkreis
(Superintendent)
KreissynodeLandeskirche
(Bischof)
LandessynodeEvangelisch-reformierte Kirche
(Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)Kirchengemeinde
Kirchenrat oder
PresbyteriumSynodalverband
(Präses des Moderamens)
Synodalverbandssynode
Landeskirche
(Kirchenpräsident)
Gesamtsynode
Evangelische Kirche im
RheinlandKirchengemeinde
PresbyteriumKirchenkreis
(Superintendent)
KreissynodeLandeskirche
(Präses)
LandessynodeEvang. Kirche der
Kirchenprovinz SachsenKirchengemeinde
GemeindekirchenratKirchenkreis
(Superintendent)
KreissynodePropstei
(Propst)
Landeskirche
(Bischof)
LandessynodeEvang.-Luth.
Landeskirche SachsensKirchgemeinde
KirchenvorstandKirchenbezirk, auch Ephorie
(Superintendent)
KirchenbezirkssynodeKirchenamtsratsbereich
(Kirchenamtsrat)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeEvang.-Luth. Landeskirche
Schaumburg-LippeKirchengemeinde
GemeindekirchenratKirchenbezirk
(Superintendent)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeEvang.-Luth. Kirche
in ThüringenKirchengemeinde
GemeindekirchenratSuperintendentur
(Superintendent)
KreissynodeAufsichtsbezirk
(Visitator)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeEvangelische Kirche
von WestfalenKirchengemeinde
PresbyteriumKirchenkreis
(Superintendent)
KreissynodeLandeskirche
(Präses)
LandessynodeEvang. Landeskirche
in WürttembergKirchengemeinde
KirchengemeinderatKirchenbezirk
(Dekan)
BezirkssynodePrälatur, auch Sprengel
(Prälat)
Landeskirche
(Landesbischof)
LandessynodeDie unterste Instanz ist in der allgemeinen Verwaltung vergleichbar mit der politischen Gemeinde, die untere Instanz mit dem Landkreis, die mittlere Instanz mit dem Regierungsbezirk und die obere Instanz mit dem Bundesland.
Landeskirchen in der Schweiz
In der Schweiz wird das Verhältnis zwischen Kirche und Staat durch kantonale Gesetze geregelt. Bis auf die Kantone Neuenburg und Genf kennen alle Kantone öffentlich-rechtliche anerkannte Kirchen. Dazu gehören in allen Kantonen die römisch-katholische und die evangelisch-reformierte Kirche, in einigen Kantonen auch die christkatholische Kirche. Diese drei Kirchen, zumal die evangelische, werden verbreitet auch als Landeskirchen bezeichnet. In den Kantonen Basel-Stadt, Freiburg, St. Gallen und Zürich sind die israelitischen Gemeinden den Landeskirchen gleichgestellt.[2]
Aus historischen Gründen gibt es im Wesentlichen vier Formen der öffentlich-rechtlichen Anerkennung:
- Die historisch reformierten Kantone (Appenzell-Ausserrhoden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Bern, Schaffhausen, Waadt und Zürich) kennen reformierte Landeskirchen mit synodaler Verfassung, die bis ins 20. Jahrhundert in enger Verbindung mit dem jeweiligen Kanton standen; heute sind sie jedoch weitestgehend autonom. Im Kanton Zürich (1963) sowie in anderen der genannten Kantonen wurde die heutige reformierte Kirchenverfassung weitgehend auch auf die katholische Kirche ("römisch-katholische Körperschaft") übertragen.
- Die historisch katholischen Kantone (Appenzell-Innerrhoden, Freiburg, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Solothurn, Schwyz, Tessin, Uri, Wallis und Zug) gewähren den Kirchen weitestgehende Autonomie. In den Kantonen Obwalden, Uri und Tessin ist die evangelisch-reformierte Kirche zwar anerkannt, aber es gibt keine evangelisch-reformierte Kantonalkirche.
- In den konfessionell paritätischen Kantone (Aargau, Glarus, Graubünden, St. Gallen, Thurgau) kennen beide großen Kirchen analoge Regelungen.
- In den (historisch reformierten) Kantonen Neuenburg und Genf sind die Kirchen nicht öffentlich-rechtlich anerkannt, aber gleichwohl "Organisationen von öffentlichem Interesse".
Die in den traditionell reformierten und paritätischen Kantonen geltende kantonalrechtliche Regelung der grundlegendsten Züge der Kirchenverfassung garantiert somit auch in den katholischen Kirchgemeinden demokratische Strukturen, die weltweit einzigartig sind, mit dem katholischen Kirchenrecht allerdings im Widerspruch stehen.
Einzelnachweise
- ↑ Angaben Stand: 2005, Quelle: http://www.nordelbien.de/nordelbien/nor.landeskirche.statistik/index.html
- ↑ http://www.afz.ethz.ch/handbuch/bestaend/institutionenSIGArchiv.htm
Siehe auch
- Liste von Kirchen, religiösen Einrichtungen und Institutionen
- Evangelische Kirche in Deutschland
- Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Gliedkirchen der EKDAnhalt | Baden | Bayern | Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz | Braunschweig | Bremen | Hannover | Hessen-Nassau | Kurhessen-Waldeck | Lippe | Mecklenburg | Mitteldeutschland | Nordelbien | Oldenburg | Pfalz | Pommern | Reformierte Kirche (Bayern und Nordwestdeutschland) | Rheinland | Sachsen | Schaumburg-Lippe | Westfalen | Württemberg
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