Magirus-Deutz-Standardbus

Magirus-Deutz-Standardbus
Magirus-Deutz
Magirus-Deutz SH 110 Standard-Stadtbus mit VÖV-Front
170 SH 110 / 260 L 117
Hersteller: Magirus-Deutz
Bauart: Stadtlinienbus / Überlandbus
Produktionszeitraum: 1967−1982
Achsen: 2
Leistung: 170−256 PS
Länge (mm): 11.000 / 11.700
Breite (mm): 2 500
Höhe (mm): 2 950 / 3 000
Radstand (mm): 5 600 / 6 000
Fußbodenhöhe (mm): 725 / 900
Sitzplätze: 37−44 / 53
Stehplätze: 61−71 / 19
Leergewicht (kg): 7 800−9 000
Vorgängermodell: Magirus-Deutz 150 S 11
Nachfolgemodell: keines
Ähnliche Modelle: Standardbusse von Büssing, MAN, Daimler-Benz und Ikarus

Von 1967 bis 1982 baute der deutsche Nutzfahrzeughersteller Magirus-Deutz standardisierte Stadt- und Überlandbusse u. A. nach Vorgaben des Verbands Öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV). Die Haupt-Baumuster waren der Standard-Stadtbus SH 110, der Standard-Überlandbus L 117 und der Gelenkbus SH 170.

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Nach den Richtlinien des VÖV, die Ende der 1960er Jahre eine Vereinheitlichung beim Bau von Linienbussen vorsahen, stellte Magirus-Deutz auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1967 den ersten Prototyp eines Standard-Stadtlinienbusses vor. Das Modell hieß 150 S 11, war 11 m lang und hatte einen luftgekühlten Deutz-Dieselmotor der Bauart F 6 L 312 mit 6 Zylindern und 150 PS im Heck eingebaut. Der 150 S 11 basierte bei neuer, eckigerer Karosserie nach den VÖV-Vorgaben technisch auf dem bereits bekannten Stadtbusmodell 150 S 11, das von Magirus-Deutz in den Jahren zuvor gebaut worden war.

Im September 1968 folgte der Serienanlauf des optisch deutlich veränderten und von 150 auf 170 PS erstarkten Modells unter der Bezeichnung Magirus-Deutz 170 S 11 H (176 PS, Stadtbus, 11 Meter Länge, Heckmotor). Die weiteren Daten des Standard-Stadtbusses von Magirus-Deutz betrugen 2,5 m Breite und 2,95 m Höhe bei einem Gesamtgewicht von 16 t. Das Fahrzeug verfügte über den luftgekühlten Deutz-Motor F 6 L 413 und je nach Ausstattung über 37 bis 44 Sitzplätze und 61 bis 71 Stehplätze. Die ersten 20 Exemplare gingen an die NIAG in Moers. Im August und Oktober 1968 folgten 65 dreitürige Exemplare mit der Typbezeichnung 170 S 11 M mit Mittelmotor für die Kölner Verkehrsbetriebe.

Weitere Entwicklung

Magirus-Deutz L 117 Standard-Überlandbus (StÜLB)
SH110 Heckansicht
SH110 Innenraum

Ab 1969 war der Standard-Stadtbus auch mit einem Achtzylinder-Motor der Baureihe F 8 L 413 erhältlich, der zunächst 200 und später 230 PS leistete. Speziell für die Hamburger Hochbahn AG (HHA), die in den 1960er Jahren Großkunde bei Magirus-Deutz war, wurden 1969 und 1971 zwei Serien (100 Wagen) des um ein Fensterteil und damit 1,4 m verkürzten Typs 170 S 10 H produziert. Im Gegensatz zu Büssing, wo ebenfalls verkürzte Standardbusse u.A. für die HHA gebaut wurden, wurde das Untergestell beim Magirus-Deutz-Bus nicht einfach um das entsprechende Maß gekürzt, sondern ein anderes mit relativ etwas verlängertem Radstand (4.500 mm), schmalerer Spur und kleineren Rädern benutzt. Diese als Schnellbus eingesetzten 9,6-m-Wagen waren die letzten für die HHA gebauten Magirus-Deutz-Busse und hatten 35 Sitzplätze, alle in Fahrtrichtung und auf Podesten. 1972 gab es eine allgemeine Umbezeichnung aller Magirus-Deutz Busmodelle, der Standard-Stadtlinienbus hieß nun grundsätzlich SH 110, ergänzt um die vorangestellte, auf 10er-Stellen gerundete PS-Stärke des Motors (z.B. 170 SH 110).

Ab 1972 war zusätzlich der 11,7 m lange Standard-Überlandbus (StÜLB) vom Typ L 117 im Angebot, ebenfalls mit vorangestellter Motorisierung (etwa 230 L 117 für die 232-PS-Version). Dieser fand besonders als Bahnbus und Postbus (mit eingebautem Briefeinwurfschlitz) weite Verbreitung in Deutschland. Später wurde der Überlandbus auch als L 117 P (mit Podesten) geliefert; die Kofferräume im Unterwagen unter den Podesten mit den Sitzen ermöglichten. Die Wagen konnten dadurch besser als Kombibusse eingesetzt werden. Magirus-Deutz war der einzige Hersteller von Standard-Überlandbussen, der eine solche als Kombibus taugliche Konstruktion anbot. Es gab vom L 117 auch verlängerte Versionen vom Karosseriebauer Voll in Würzburg sowie von der Firma Ludewig; beide Fahrzeuge wurden in der 12-Meter-Ausführung ausgeliefert. Parallel zu den in Mainz gebauten Magirus-Deutz Reisebussen wurden auf der IAA 1975 erstmalig auch die mit einem Fremdaufbau von Gangloff in Colmar versehenen Hochdecker-Busse vom Typ 230 T 117 vorgestellt. Es handelte sich um Luxus-Reisebusse, die auf dem Fahrgestell des L 117 basierten. Später kam auch ein 260 T 117 hinzu. Von den Herstellern Tüscher und Padane gab es ebenfalls eigene Aufbauvarianten des L 117. Nach Erscheinen des Überlandbusses L 117 wurden auch die Standard-Stadtbusse optional mit dem Frontdesign des StÜLB ausgeliefert.

Im Gegensatz zu den vergleichbaren Standard-Linienbussen der Konkurrenz (z.B. Büssing BS 110 V, MAN 750 HO-SL bzw. MAN SL 200 und Mercedes-Benz O 305) wurden die Magirus-Deutz-Busse sämtlich (wie bei diesem Hersteller üblich) von luftgekühlten Dieselmotoren angetrieben. Der leistungsmäßig kleinste und bis 1976 angebotene 170 SH 110 besaß einen Sechszylinder-Motor in V-Form, die stärkeren Modelle Achtzylinder-Motoren, ebenfalls in V-Anordnung. Die Motorenpalette umfasste Maschinen mit 176, 180, 200, 232 PS und ab 1977 auch mit 256 PS. Alle gehörten den Motorenbaureihen F 6 L 413 (Sechszylinder) und F 8 L 413 (Achtzylinder) von Klöckner-Humboldt-Deutz an. Für den Standard-Überlandbus L 117 waren nur die Maschinen mit 232 und 256 PS im Angebot.

Nachdem die konkurrierenden Hersteller (allen voran MAN und Daimler-Benz) bereits Gelenkbusse im Angebot hatten, die mit großem Erfolg verkauft wurden, wurde auch bei Magirus-Deutz ein Standard-Gelenkbus entwickelt. Dieses Modell war 17 m lang und kam gemessen an den Wettbewerbern allerdings recht spät auf den Markt, nämlich erst 1980. Es trug die Typbezeichnung 260 SH 170. Der Gelenkbus hatte zwar einen Heckmotor, die Antriebskraft wurde jedoch per Weitwinkelgelenk auf die zweite Achse in den Vorderwagen übertragen. Damit konnte die Lizenzzahlung für die Knickwinkelsteuerung des Gelenkes vermieden werden. Allerdings erforderte diese Form eine besondere Konstruktion, es konnte nicht wie beim Mercedes-Benz Gelenkbus O 305 G die Technik des Solobusses benutzt werden.

Das Ende

Da Magirus-Deutz zwischen 1975 und 1980 nach und nach in die neu gegründete IVECO eingegliedert worden war, wurden die Busse gegen Ende ihrer Produktionszeit auch mit dem neuen Schriftzug IVECO verkauft. Das Mainzer Buswerk von Magirus-Deutz wurde aufgrund jahrelanger Unrentabilität im Jahre 1982 geschlossen und die Produktion von Magirus-Deutz-Bussen aufgegeben. Trotz bereits beschlossener Werksschließung wurde noch 1982 ein Prototyp der zweiten Generation eines Standard-Linienbusses vorgestellt, der als Überlandbus 240 L 118 heißen und 240 PS besitzen sollte. Von diesem Modell (von konkurrierenden Unternehmen erschienen z.B. die Modelle MAN SL 202, Mercedes-Benz O 405 und Neoplan N 416) entstanden bei Magirus-Deutz jedoch nur sieben Vorserien-Exemplare bei den Fahrzeugwerkstätten Falkenried (FFG) in Hamburg. Eine Serienfertigung kam nicht mehr zustande.

Von den Stadtlinienbussen der Typen SH 110 und ihren Vorläufern wurden zwischen 1968 und 1982 mehrere hundert Exemplare verkauft, der Überlandbus L 117 kam auf rund 1.400 Stück. Vom Gelenkbus 260 SH 170 wurden nur 39 Fahrzeuge gebaut; die letzten beiden Exemplare wurden erst 1984 bei dem großen Nutzfahrzeughändler Alga in Sittensen fertig gestellt und ausgeliefert, der bei der Schließung des Omnibuswerks von Magirus-Deutz noch vorhandene Fahrgestelle und Teile übernommen hatte. Im Gegensatz zu anderen Herstellern gab es bei Magirus-Deutz keinen Doppeldeckerbus. Großabnehmer des L 117 Überlandbusses waren Deutsche Bundesbahn und Deutsche Bundespost aber auch zahlreiche Privatunternehmer. Die Stadtbusse liefen beispielsweise in Krefeld, im nördlichen Ruhrgebiet (Vestische Straßenbahnen), in Hamburg, Köln, Mainz, Coburg und Ulm sowie in der Stadt Luxemburg. Der in nur wenigen Exemplaren gebaute Gelenkbus war zu finden in Hannover, Braunschweig, im Münsterland (Regionalverkehr Münsterland) sowie in seiner Heimatstadt Mainz.

Bis heute erhaltene Exemplare

Im Gegensatz zu den Standard-Modellen von Daimler-Benz und MAN sind die entsprechenden Baumuster von Magirus-Deutz genau wie diejenigen von Büssing heute in Deutschland sehr selten geworden. Die noch erhaltenen einzelnen Exemplare dürfen als Raritäten gelten und haben mittlerweile Oldtimerstatus erreicht:

Überlandbusse

Der 260L117 der Feuerwehr Frankfurt am Main
  • Im Landkreis Vulkaneifel dient ein 260 L 117 als Partybus eines Lokals (Stand Ende 2008).
  • Ein 260 L 117 P ist noch beim Roten Kreuz in Dortmund als Einsatzleitungsfahrzeug im Dienst.
  • Die Feuerwehr Frankfurt am Main hat einen Einsatzleitungs- und Großkrankenwagen auf Basis eines 260 L 117.
  • Das Rote Kreuz in Roth verfügt über einen 260 L 117 mit Sonderaufbau von Voll für den Fernmeldedienst.
  • Ein 260 L 117 wird als Museumsbus vom „OOC Bergisches Land“ erhalten (Stand Anfang 2011).
  • Ein Exemplar des 260 L 117 P hat der „Oldtimerclub Magirus Iveco e.V.“ in Ulm im Bestand (Stand Anfang 2011).
  • Drei Stück des Typs L 117 werden bei drei verschiedenen Privatsammlern der Nachwelt erhalten (Stand Ende 2011).

Stadtbusse

Stadtbusse mit StÜLB-Front

  • Ein Gelenkbus 260 SH 170 mit StÜLB-Front läuft bei einem Busunternehmen in Nordrhein-Westfalen noch im Betrieb (Stand: Ende 2010).
  • Ein 260 SH 110 mit StÜLB-Front wird von einem Unternehmer in Baden-Württemberg für Oldtimerfahrten eingesetzt (Stand: Ende 2010).
  • Ein Exemplar des Modells 260 SH 110 mit StÜLB-Front befindet sich im Oldtimer-Bestand der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm.
  • Je ein Exemplar des Stadtbusses 260 SH 110 und des Gelenkbusses 260 SH 170 mit StÜLB-Front hat der „Oldtimerclub Magirus Iveco e.V.“ in Ulm im Bestand.
  • Ein 260 SH 110 mit StÜlB-Front gehört einem Privatsammler in Baden-Württemberg.

Stadtbusse mit VÖV-Front

  • Der „Hamburger Omnibusverein“ HOV erhält ein Exemplar des Kurz-Modells 170 S 10 H mit VÖV-Front der Nachwelt.
  • Ein weiterer 170S10H mit VÖV-Front ist im Landkreis Hof umgebaut zum privaten Renntransporter noch vorhanden (Stand Ende 2011).
  • Ein Exemplar des Linienbusses 260 SH 110 mit VÖV-Front ist in Händen des Dortmunder Oldtimervereins AND. Ursprünglich handelt es sich um Wagen 71 der Städtischen Werke Coburg.
  • Ein 260 SH 110 mit VÖV-Front, der ehemals in Bamberg lief, steht als unverkäuflicher Oldtimer bei einem Nutzfahrzeughändler in Niedersachsen (Stand Ende 2010).
  • Ein Exemplar des Modells 230 SH 110 mit VÖV-Front befindet sich im Bestand der „Ulmer/Neu-Ulmer Nahverkehrsfreunde“.

Literatur

  • Wolfgang Gebhardt: Deutsche Omnibusse seit 1895. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-02140-4
  • Karlheinz Hesse: Im Zeichen des Ulmer Münsters - Der Omnibusbau bei Magirus, 15. und 16. Teil, in: Omnibus-Spiegel, Heft 09-1 und 09-2
  • Jürgen Jacobi: 10 Jahre Standardbus. Verlag Wolfgang Zeunert, Gifhorn 1977, ISBN 3-921237-40-8
  • Der umweltfreundliche KHD-Standard-Linienbus. In: Der Stadtverkehr, Heft 7/1972, S. 214–215, Verlag Werner Stock, Brackwede 1972
  • Ingo Kasten: Initialzündung − Standardbusse (Teil I). In: lastauto omnibus, Heft 7/1981, S. 66−69, Vereinigte Motor-Verlage GmbH & Co. KG, Stuttgart 1981
  • Ingo Kasten: Ausstrahlung − Standardbusse (Teil II). In: lastauto omnibus, Heft 8/1981, S. 68−71, Vereinigte Motor-Verlage GmbH & Co. KG, Stuttgart 1981

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