- Marianne Bachmeier
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Marianne Bachmeier (* 3. Juni 1950 in Sarstedt; † 17. September 1996 in Lübeck) wurde bundesweit bekannt, nachdem sie 1981 in einem Saal des Landgerichtes Lübeck den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter Anna Bachmeier in Selbstjustiz erschossen hatte.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend und Familie
Marianne Bachmeier wuchs in Sarstedt auf, wohin ihre Eltern aus Ostpreußen geflüchtet waren. Der Vater war Angehöriger der Waffen-SS. Das Paar trennte sich und die Mutter heiratete erneut. Marianne Bachmeier besuchte die Gesamtschule und machte ihren Realschulabschluss.
Bereits im Alter von 16 Jahren wurde sie Mutter ihrer ersten Tochter, mit 18 Jahren wurde sie von ihrem damaligen Lebensgefährten wieder schwanger. Kurz vor der Entbindung ihrer zweiten Tochter wurde sie vergewaltigt. Ihre ersten beiden Kinder gab sie jeweils kurz nach der Geburt zur Adoption frei. Im Jahr 1973 kam ihre dritte Tochter Anna zur Welt, die bei ihr aufwuchs. Nach der Geburt von Anna ließ sich Marianne Bachmeier sterilisieren.
In der Lübecker Schlumacherstraße betrieb sie das Restaurant Tipasa, das unter diesem Namen noch heute (2010) existiert.
Ermordung der Tochter
Am 5. Mai 1980 ging die damals siebenjährige Anna Bachmeier aus Trotz gegen ihre Mutter nicht zur Schule. Sie wollte eine gleichaltrige Freundin besuchen und fiel dabei dem 35-jährigen Fleischer Klaus Grabowski in die Hände. Er soll sie bei sich zu Hause mehrere Stunden festgehalten und anschließend mit einer Strumpfhose erdrosselt haben. Laut Staatsanwaltschaft habe er das Mädchen gefesselt, in einen Karton gepackt und diesen dann am Ufer eines Kanals in eine Mulde abgelegt. Die Leiche soll er anschließend in ein Loch gelegt und mit Erde bedeckt haben.
Klaus Grabowski war ein vorbestrafter Sexualstraftäter und war zuvor wegen sexuellen Missbrauchs zweier Mädchen verurteilt worden. Während seiner Haft ließ er sich 1976 kastrieren und unterzog sich zwei Jahre später einer Hormonbehandlung.
Anna will er nicht sexuell belästigt haben. Bei der polizeilichen Vernehmung gab er an, das Mädchen habe der Mutter erzählen wollen, er habe sie unsittlich berührt mit dem Ziel, von ihm eine D-Mark zu erpressen. Am Abend wurde er in der Gaststätte Im alten Zolln festgenommen.
Selbstjustiz im Gerichtssaal
Marianne Bachmeier schmuggelte am 6. März 1981, dem dritten Verhandlungstag im Prozess mit Mordanklage, eine Pistole in den Gerichtssaal des Lübecker Landgerichts und erschoss den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter Anna, Klaus Grabowski, auf der Anklagebank. Sie zielte mit der Waffe auf Grabowskis Rücken und drückte insgesamt acht Mal ab. Sechs der Schüsse trafen; der 35-jährige Angeklagte war sofort tot.
Dieser wohl bislang bekannteste Fall von Selbstjustiz in der Bundesrepublik löste ein großes Medienecho aus und wurde in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Fernsehteams aus aller Welt reisten nach Lübeck, um über diesen Fall zu berichten. Reporter befragten auf der Straße zahlreiche Passanten über die Tat der 31-jährigen alleinerziehenden Frau.
Ein Großteil der Bevölkerung zeigte Verständnis für die Tat, andere verurteilten sie als nicht mit der Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Marianne Bachmeier verkaufte ihre Lebensgeschichte für rund 250.000 D-Mark exklusiv an das Nachrichtenmagazin „stern“. Sie vertraute sich stern-Reporter Heiko Gebhardt an, der sie während ihrer Untersuchungshaft besuchen durfte.
Haftstrafe wegen Totschlags
Am 2. November 1982 wurde Marianne Bachmeier vor Gericht zunächst wegen Mordes angeklagt. Später ließ die Anklage den Mordvorwurf fallen. Nach 28 Verhandlungstagen einigte sich die Kammer auf das Urteil. Vier Monate nach Verfahrenseröffnung wurde sie am 2. März 1983 von der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Lübeck wegen Totschlags und unerlaubten Waffenbesitzes zu sechs Jahren Haft verurteilt. Damit ging einer der aufsehenerregendsten Prozesse der Nachkriegszeit zu Ende. Nach drei Jahren Haft wurde sie wegen Suizidgefahr vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.
Umzug ins Ausland
Marianne Bachmeier heiratete 1985 und zog 1988 mit ihrem Ehemann, einem Lehrer, nach Lagos in Nigeria. Dort lebten sie in einem deutschen Camp, in dem ihr Lebensgefährte an der deutschen Schule unterrichtete. Sie ließ sich 1990 von ihm scheiden und ging nach Sizilien, wo sie in einem Hospiz in der Hauptstadt Palermo Sterbende pflegte. Nachdem sie erfahren hatte, dass sie an Krebs erkrankt war, kehrte sie nach Deutschland zurück.
Interviews
Im Jahr 1994, 13 Jahre nach ihrer Tat, gab sie ein Interview im Deutschlandfunk: „Ich finde es einen sehr großen Unterschied, ob ich ein kleines Mädchen umbringe, weil ich Angst habe, ich muss danach ins Gefängnis für mein Leben lang. Und dann auch das 'Wie', also dass ich mich hinter das Mädchen stelle und zuziehe, das ist jetzt wörtlich aus seiner Aussage: 'Ich höre, dass etwas aus ihrer Nase tritt, dann ziehe ich fester zu, dann kann ich den Anblick der Leiche nicht mehr ab'.“[1]
Am 21. September 1995 trat sie in der Talkshow „Fliege“ bei der ARD auf. Sie gab zu, dass sie den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter nach reiflicher Überlegung erschossen habe, um Recht über ihn zu sprechen, und um ihn daran zu hindern, weiter Unwahrheiten über Anna zu verbreiten.[2]
Tod
Am 17. September 1996 starb Marianne Bachmeier im Alter von 46 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs in einem Lübecker Krankenhaus. Es war eigentlich ihr Wunsch gewesen, in ihrer Wahlheimat Palermo zu sterben. Vor ihrem Tod bat sie den NDR-Reporter Lukas Maria Böhmer, sie mit der Filmkamera in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten. Auf dem Burgtorfriedhof in Lübeck ist sie im Grab ihrer Tochter Anna beigesetzt.
Verfilmungen
- 1984 - Annas Mutter - Regie: Burkhard Driest (mit Gudrun Landgrebe)
- 1984 - Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen - Regie: Hark Bohm (mit Marie Colbin)
Einzelnachweise
- ↑ Deutschlandfunk, Kalenderblatt: Rache im Gerichtssaal, 6. März 2006
- ↑ Das Erste, Die großen Kriminalfälle: Die Rache der Marianne Bachmeier, 17. April 2006
Weblinks
- Dokumentationen
- Zeitungsartikel
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