Munitionsanstalt

Munitionsanstalt

Als Munitionsanstalt wurden im Deutschen Reich (1871-1945) heeres- bzw. wehrmachtseigene Einrichtungen bezeichnet, die hauptsächlich zur Laborierung und Lagerung von Munition dienten. Munitionsanstalten gab es bereits zur Zeit des Kaiserreiches. Die Mehrzahl der deutschen Munitionsanstalten wurde jedoch erst während der nationalsozialistischen Diktatur (1933-1945) im Rahmen der Aufrüstung der Wehrmacht erbaut.

Irrtümlich als Munitionsanstalten bezeichnet werden in der Öffentlichkeit häufig auch die ebenfalls zur Zeit des Nationalsozialismus im Auftrag der Wehrmacht nach dem Montan-Schema errichteten Sprengstofffabriken.

Die auch heute noch umgangssprachlich für Munitionsanstalten verwendete Kurzbezeichnung lautete Muna.

Inhaltsverzeichnis

Organisation und Bezeichnungen

Die Munitionsanstalten des kaiserzeitlichen Deutschen Heeres waren in Munitionsanfertigungsstellen und Munitionsdepots untergliedert und Bestandteile von Artilleriedepots. Innerhalb der deutschen Wehrmacht zur Zeit des NS-Regimes verfügte jede der drei Teilstreitkräfte (Heer, Kriegsmarine, Luftwaffe) aufgrund der spezifischen Munition über eigene Munitionsanstalten.

Munitionsanstalten des Heeres führten die Bezeichnung Heeres-Munitionsanstalt und Heeres-Nebenmunitionsanstalt. Die Munitionsanstalten der Luftwaffe wurden Lufthauptmunitionsanstalt und Luftmunitionsanstalt genannt. Für die Munitionsanstalten der Kriegsmarine waren die Bezeichnungen Marine-Artilleriearsenal und Marine-Sperrwaffenarsenal gebräuchlich.

Die Heeres-Munitionsanstalten waren den Wehrkreiskommandos in den Wehrkreisen unterstellt. Luftwaffen-Munitionsanstalten unterstanden den Luftzeuggruppen der Luftgaue, Marine-Munitionsanstalten den Marineinspektionen der Marinestationen.

Insgesamt existierten zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich und den angrenzenden, während des Zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten rund 370 Munitionsanstalten. Sie waren vor allem aus Sicherheitsgründen und mit Rücksicht auf mögliche feindliche Luftangriffe zumeist in ländlichen Regionen und hier insbesondere in Waldgebieten errichtet worden.

Aufgaben und Infrastruktur

In den Munitionsanstalten erfolgte die Fertigstellung von gebrauchsfähiger Munition aus scharfen und unscharfen Munitionsteilen sowie die Instandsetzung oder Delaborierung der aus dem Kampfgebiet zurückgeführten beschossenen Munitionsteile. In Munitionsanstalten wurde zudem die fertiggestellte Munition gelagert und gewartet und nach Anweisung verladen und versandt. Einzelne Munitionsanstalten verfügten auch über eigene Füllstellen für Spreng- oder Kampfstoffe und Lagermöglichkeiten für Kampfstoffmunition.

Für die anfallenden Arbeiten verfügte eine Munitionsanstalt u. a. über Munitionsarbeitshäuser zur Laborierung und Delaborierung der Munition. Packmittelschuppen dienten zur Aufbewahrung von Munitionskisten. Munition und Munitionsteile wurden Munitionshäusern gelagert, die oft als oberirdische Bunker mit Erdaufschüttung ausgeführt waren. Bei einigen Heeres-Munitionsanstalten befand sich das Munitionslager untertage in Schächten stillgelegter Kalibergwerke. Zu einer Munitionsanstalt gehörten weiterhin auch eigene Werkstätten-, Versorgungs- und Transporteinrichtungen (Anschlußgleise, eigenes Wegenetz).

In einigem Abstand von den Munitionslager- und Arbeitsbereichen einer Munitionsanstalt befanden sich eigene Arbeitersiedlungen mit einer Standortverwaltung. Während des Zweiten Weltkrieges mussten in allen Munitionsanstalten der deutschen Wehrmacht auch viele Dienstverpflichtete und Zwangsarbeiter sowie teilweise KZ-Häftlinge arbeiten, für die eigene Arbeiterlager entstanden.

Nutzung nach 1945

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden von deutscher Seite vor dem Herannahen alliierter Truppen bei vielen Munitionsanstalten Zerstörungsversuche vorgenommen. Die Alliierten nahmen nach der Besetzung der Munitionsanstalten in der Regel weitere mehr oder weniger systematische Sprengungen vor. Auf dem Gebiet der westlichen Besatzungszonen wurden ehemalige Munitionsanstalten oftmals schon kurze Zeit nach Kriegsende zur Ansiedlung einer zivilen Industrie und als Wohnraum für Heimatvertriebene genutzt. Auf diese Weise entstanden teilweise völlig neue Städte wie etwa Espelkamp in Nordrhein-Westfalen oder Traunreut in Bayern.

Mit dem Beginn des Kalten Krieges wurden viele Munitionsanstalten in beiden Teilen Deutschlands auch wieder militärisch als Munitionsdepot, Kaserne oder Truppenübungsplatz genutzt. Aufgrund der meist unsachgemäßen Sprengungen im Jahr 1945 und der teilweise jahrzehntelangen militärischen Nutzung danach besteht bei vielen ehemaligen Munitionsanstalten das Problem der Kampfmittelbeseitigung.

Einzelne Munitionsanstalten

Heer

Luftwaffe

Kriegsmarine

Literatur

  • Barbara Hillmann, Volrad Kluge, Redwig Kramer: Lw. 2/ IX, Muna Lübberstedt. Zwangsarbeit für den Krieg, Bremen 1995
  • Rainer Fabisch: Lufthauptmunitionsanstalt I/XI - Muna Hambühren, Hambühren 2003
  • Johannes Preuss, Frank Eitelberg: Heeres-Munitionsanstalt Lübbecke: Vorgeschichte der Stadt Espelkamp, Mainz 2003
  • Jan R. Friedrichs: Die Muna Haid in Engstingen, Reutlingen 2004
  • Bernd Klinkhardt: Lufthauptmunitionsanstalt Wolfhagen LHMa 1/XII Wn: Geschichte und Gegenwart einer ehemaligen Munitionsfabrik, Wolfhagen 2004
  • Dankmar Leffler: 70 Jahre Pulverfass in Thüringen. Die Muna zwischen Crawinkel - Wölfis - Luisenthal und Ohrdruf, Crawinkel 2005
  • Gebhard Blank, Bettina Kahl, Mathias Hufschmid: Die Geschichte der Muna Urlau, Leutkirch 2007
  • Sarah Kristin Kleinmann: Hier ist irgendwie ein großes Stillschweigen: Das kollektive Gedächtnis und die Zwangsarbeit in der Munitionsanstalt Haid in Engstingen, Tübingen 2011

Weblinks


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