Ostdeutsche Luftwaffe

Ostdeutsche Luftwaffe
Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee

Hoheitszeichen Schema „F1“ ab 1985
Aktiv 1. März 1956[1]–2. Oktober 1990
Land DDR
Streitkräfte Nationale Volksarmee
Typ Teilstreitkraft (Luftstreitkräfte)
Grobgliederung Struktur
Stärke Zuletzt 21.500; Davon:
Wehrpflichtige: 9400
Offiziere: 6200
Unteroffiziere: 4800
Mannschaften: 750[2]
Hauptsitz des Kommandos der Luftstreitkräfte Strausberg

Luftstreitkräfte/Luftverteidigung (LSK/LV) war die Bezeichnung für die Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee der DDR.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründungsjahre

Die Wurzeln der Luftstreitkräfte der DDR liegen in der Zeit vor der Gründung der Nationalen Volksarmee. Das Ziel war, eine strukturelle Grundlage und eine Basis für den Aufbau der Expertise, die für den Einsatz und den Betrieb von Luftstreitkräften erforderlich ist, zu erhalten. Hierfür wurde 1951 zunächst unter dem Ministerium des Innern/Kasernierte Volkspolizei (MdI/KVP) der Stab der Volkspolizei-Luft (VP-Luft) in Berlin-Johannisthal aufgestellt. Dieser führte die 1. Fliegerdivision mit drei Regimentern.[3] Die Ausbildung erfolgte ab 1953 an Luftfahrzeugen der Typen An-2, MiG-15, La-9, Jak-18 und Jak-11, die durch die Sowjetunion zur Verfügung gestellt wurden.[3]

Ende November 1953 erfolgte die Neuaufstellung als Stab der Verwaltung der Aeroklubs in Cottbus und der Wechsel der Unterstellung vom MdI direkt unter den Stellvertreter des Ministers und Chef der Kasernierten Volkspolizei. Die Fliegerregimenter wurden in die Aeroklubs 1 (Cottbus), 2 (Drewitz) und 3 (Bautzen) umstrukturiert, die ihrerseits in zwei Abteilungen untergliedert waren. Ab 1954 standen zusätzliche Flugzeuge Z-126 und M-1D aus tschechoslowakischer Produktion zur Verfügung.[3]

Am 1. März 1956 wurden die Luftstreitkräfte als Bestandteil der Nationalen Volksarmee offiziell gegründet. Zunächst gingen aus der Verwaltung der Aeroklubs nach sowjetischem Muster die Verwaltungen Luftstreitkräfte (LSK) in Cottbus und Luftverteidigung (LV) in Strausberg hervor. Als Großverbände bestanden zwei Fliegerdivisionen und eine Flakdivision. Am 1. Juni 1957 erfolgte eine Zusammenlegung beider Dienststellen in Eggersdorf bei Strausberg und die Umbenennung in Kommando „Luftstreitkräfte/Luftverteidigung“ (Kdo LSK/LV).

Aufbau und erste Einsatzbefähigung

1961 wurden unter dem Kdo LSK/LV durch Zusammenführung der fliegenden und der Flugabwehrraketenverbände sowie der Funktechnischen Truppen zwei Luftverteidigungsdivisionen (LVD) aufgebaut. Ab 1962 erfolgte die Einbindung dieser Verbände in die integrierte Luftverteidigung des Warschauer Paktes, das Diensthabende System (DHS).[4] Mit der Einführung der MiG-21 im gleichen Jahr erhielt die NVA ein vielfältig einsetzbares Luftfahrzeug, das bis 1990 zum Einsatz kam.[5]

Einnahme der finalen Struktur

1981 wurde am Standort des Kdo LSK/LV das Führungsorgan der Front- und Armeefliegerkräfte (FO FAFK) als Stab einer weiteren Division aufgestellt. Ihm wurden unter anderem Jagdbomber- und Lufttransportverbände unterstellt, die von ihren Einsatzgrundsätzen nicht der defensiven Luftverteidigung zugeordnet wurden, sondern vor allem unterstützenden Charakter für die Operationen der Land- und Seestreitkräfte besaßen. Nach Ausgliederung der beiden Kampfhubschraubergeschwader 57 und 67 unter das Kommando der Landstreitkräfte wurde das FO FAFK 1984 in das Führungsorgan Front- und Militärtransportfliegerkräfte (FO FMTFK) mit neuem Standort in Strausberg überführt.

Mitte der 1970er Jahre erweiterte die NVA mit der MiG-23, Anfang der 1980er Jahren mit der Su-22 und zuletzt ab 1988 mit der MiG-29, ihr fliegendes Inventar.

Wiedervereinigung

Mit Ablauf des 2. Oktobers 1990 wurden die LSK/LV in die Bundeswehr überführt. Rahmenbedingungen für die Übernahme ihres Personals beziehungsweise die Weiternutzung ihres Materials in der Luftwaffe stellten neben den zu erwartenden Kosten zum Einen Vorgaben zum Personalumfang der Luftwaffenstruktur 4, die eine deutliche Reduzierung vorsah, und zum Anderen die Obergrenzen an Gerät gemäß dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa dar.[6]

Von den Flugzeugen wurden zunächst alle MiG-29, einige Transportflugzeuge und Teile der Mi-8-Flotte nach der Wiedervereinigung von der Luftwaffe für einige Jahre weiter betrieben.

Zahlreiches Gerät wurde durch die Wehrtechnischen Dienststellen der Bundeswehr und anderen Nationen technischen und taktischen Untersuchungen unterzogen. Großgerät wie Flugabwehrraketensysteme der Landstreitkräfte vom Typ SA-6 oder SA-8 werden noch heute zur Ausbildung oder zur Simulation des Gegners bei Übungen der Luftwaffen der NATO eingesetzt.[7]

Bei dem Großgerät, das durch die Luftwaffe, unter anderem im Rahmen der Materialverantwortung, neben diversen Kraftfahrzeugen, Fernmeldegerät etc. übernommen werden musste, handelte es sich im Einzelnen um[8]:

Kategorie System Anzahl Weiternutzung durch
die Bundeswehr
Bemerkung
Kampf-/Schulflugzeuge MiG-21 251    
MiG-29 24 bis 2004 Abgabe an Polen (22 Stück)[9]
MiG-23 47    
MiG-23BN 18    
SU-22 54    
L-39 52    
Transportflugzeuge An-2 18    
An-26 12 bis 1994  
IL-62 3 bis 1993  
TU-134 3 bis 1992  
TU-154 2 bis 1997  
L-410 12 bis 2000  
Z-43 12    
Hubschrauber Mi-2 25    
Mi-8 98 bis 1997 Kampf-/Transporthubschrauber; alle TSK
Mi-24 51 bis 1993 LaSK
Mi-14 14   VM
Flugabwehrraketensysteme S-75 Dwina 48 Startrampen   SA-2; 6 Startrampen/System
S-75 Wolchow 174 Startrampen   SA-2
S-125 Newa 40 Startrampen   SA-3; 4 Startrampen/System
S-200 24 Startrampen   SA-5; 6 Startrampen/System
S-300 12 Startrampen   SA-10; Rückgabe an die Sowjetunion noch vor der Wiedervereinigung

Organisation

Karte der Standorte. Den Kern der Kräfte bildete im Norden des Territorium die 3. LVD (Luftverteidigungsdivision) mit dem Gefechtsstand in Cölpin bei Neubrandenburg, im Süden die 1. LVD mit dem Gefechtsstand in Kolkwitz bei Cottbus.
An-2 Colt der Luftstreitkräfte der NVA
MiG-21PF der Luftstreitkräfte der NVA

Gliederung

  • Spezialtruppen und Dienste
    • Nachrichten- und Flugsicherungstruppen
    • Truppen der fliegertechnischen und flugplatztechnischen Sicherstellung
    • Rückwärtige Dienste

Struktur

Die DDR-Luftstreitkräfte (LSK/LV) waren Ende der 1980er Jahre wie folgt strukturiert[10]:

Kommando der LSK/LV

direkt dem Kommando LSK/LV unterstellte Truppenteile/Einheiten:

  • Transportfliegergeschwader 44 (TG-44)
  • Fliegertechnisches Bataillon 44 (FTB-44)
  • Flugplatzpionierbataillon 14 (FPiB-14)
  • Pionierbaubataillon 24 (PiB-24)
  • Nachrichtenregiment 14 (NR-14)
  • Zentraler Gefechtsstand 14 (ZGS-14)
  • Vereinigte Hauptzentrale 14 (VHZ-14)
  • Amt für Luftraumkoordinierung (ALK)
  • Institut für Luftfahrtmedizin (ILM)
  • Musikkorps, Lager, selbstständige Einheiten und Objekte
  • Militärschulen
    • OffiziershochschuleFranz Mehring“ in Kamenz (ab 1986 keine Ausbildung von Militärfliegern)
      • Fliegerausbildungsgeschwader 15 (FAG-15)
      • Fliegerausbildungsgeschwader 25 (FAG-25)
      • Transportfliegerausbildungsstaffel 45 (TAS-45)
      • Hubschrauberausbildungsgeschwader 35 (HAG-35)
    • 1986 Ausgliederung der Ausbildung von Militärfliegern an die OffiziershochschuleOtto Lilienthal“ für Militärflieger in Bautzen
      • Fliegerausbildungsgeschwader 15 (FAG-15) Rothenburg/Oberlausitz
      • Fliegertechnisches Bataillon 15 (FTB-15)
      • Nachrichten- und Flugsicherungsbataillon 15 (NFB-15)
      • Fliegerausbildungsgeschwader 25 (FAG-25) Bautzen
      • Fliegertechnisches Bataillon 25 (FTB-25)
      • Nachrichten- und Flugsicherungsbataillon 25 (NFB-25)
      • Transportfliegerausbildungsstaffel 45 (TAS-45) Kamenz
      • Fliegertechnisches Bataillon 45 (FTB-45)
      • Hubschrauberausbildungsgeschwader 35 (HAG-35) Brandenburg/Havel
      • Fliegertechnisches Bataillon 35 (FTB-35)
      • Sauerstoffgewinnungs- und Versorgungseinheit 15 (SGVE-15)
    • 1974 Unteroffiziersschule (VIII) der LSK/LV „Harry Kuhn“ in Bad Düben, Ausbildung von Unteroffizieren und ab 1982 Ausbildung von Fähnrichen, ab 1984 Militärtechnische Schule mit Fachschulstatus

1. Luftverteidigungsdivision (1. LVD)

Der ersten Division in Cottbus waren unterstellt:

  • Jagdfliegergeschwader 1 (JG-1)
  • Jagdfliegergeschwader 3 (JG-3)
  • Jagdfliegergeschwader 7 (JG-7) (1989 aufgelöst)
  • Jagdfliegergeschwader 8 (JG-8)
  • Fla-Raketen-Regiment 31 (FRR-31)
  • 41. Fla-Raketen-Brigade (41. FRBr)
  • 51. Fla-Raketen-Brigade (51. FRBr)
  • Technische Abteilung 4140 (TA-4140)
  • Technische Abteilung 5140 (TA-5140)
  • Funktechnisches Bataillon 31 (FuTB 31)
  • Funktechnisches Bataillon 41 (FuTB-41)
  • Funktechnisches Bataillon 51 (FuTB-51)
  • Funktechnisches Bataillon 61 (FuTB-61)
  • Nachrichtenbataillon 31 (NB-31)

3. Luftverteidigungsdivision (3. LVD)

Der dritten Division in Trollenhagen (bei Neubrandenburg) waren unterstellt:

  • Jagdfliegergeschwader 2 (JG-2)
  • Jagdfliegergeschwader 9 (JG-9)
  • Fla-Raketen-Regiment 13 (FRR-13)
  • Fla-Raketen-Regiment 23 (FRR-23)
  • 43. Fla-Raketen-Brigade (43. FRBr)
  • Funktechnisches Bataillon 23 (FuTB-23)
  • Funktechnisches Bataillon 33 (FuTB-33)
  • Funktechnisches Bataillon 43 (FuTB-43)
  • Nachrichtenbataillon 33 (NB-33)
  • Verbindungsfliegerkette 33 (VFK-33)
  • Zieldarstellungskette 33 (ZDK-33) (bis 1966 dem Kommando LSK/LV unterstellt, dann als "Zieldarstellungsstaffel 21" (ZDS-21) der 1.Luft-Verteidigungs-Division zugeordnet, ab 1972 der 3.LVD zugeordnet und als "Zieldarstellungsstaffel 33" dem Jagdfliegergeschwader 9 operativ unterstellt)

Führungsorgan der Front- u. Militärtransportfliegerkräfte (FO FMTFK)

Dem Führungsorgan der Front- u. Militärtransportfliegerkräfte in Strausberg waren unterstellt:

  • Jagdbombenfliegergeschwader 37 (JBG-37)
  • Jagdbombenfliegergeschwader 77 (JBG-77)
  • Marinefliegergeschwader 28 (MFG-28)
  • Verbindungsfliegerstaffel 14 (VS-14)
  • Transportfliegerstaffel 24 (TFS-24)
  • Transporthubschraubergeschwader 34 (THG-34)
  • Taktische Aufklärungsfliegerstaffel 47 (TAFS-47)
  • Taktische Aufklärungsfliegerstaffel 87 (TAFS-87)
  • Sauerstoffgewinnungs- und Versorgungseinheit 77 (SGVE-77)
  • Fliegertechnisches Bataillon 14 (FTB-14)
  • Fliegertechnisches Bataillon 24 (FTB-24)
  • Teile des Nachrichten und Flugsicherungsbataillons 37

Verweise

Interne Verweise

Literatur

  • Wilfried Kopenhagen:
    • Die Luftstreitkräfte der NVA, Motorbuch Verlag, ISBN 3-613-02235-4
    • Flugzeuge und Hubschrauber der NVA 1956 bis 1970, ISBN 3-327-00547-8
    • Flugzeuge und Hubschrauber der NVA von 1971 bis zur Gegenwart, ISBN 3-327-00768-3
  • Walter Jablonsky und Wolfgang Wünsche:
    • Im Gleichschritt? Zur Geschichte der NVA / Mit einem Kapitel zu den FuTT, ISBN 3-360-01016-7
  • Autorenkollektiv, Hrsg.: Lutz Freundt:
    • MiG, Mi, Su & Co., AeroLit, 1. Auflage, 2002, ISBN 3-935525-07-9
  • Torsten Diedrich (Hrsg./Bearbeiter im Auftr. des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes): Handbuch der bewaffneten Organe der DDR. Augsburg 2004, ISBN 3-8289-0555-2

Weblinks

Anmerkung: Die angegebenen Links führen auf privat betriebene Seiten und können damit keinen Anspruch auf historische Vollständigkeit erheben.

Einzelnachweise

  1. Kopenhagen, Wilfried Die Luftstreitkräfte der NVA. Motorbuch-Verlag. Stuttgart 2002. ISBN 3-613-02235-4. S. 17
  2. Kopenhagen, Wilfried S. 39
  3. a b c „Verwaltung der Aeroklubs“ auf der Homepage des Militärarchivs des Bundesarchivs; eingesehen am 25. April 2009
  4. „1. Luftverteidigungsdivision/Stab“ auf der Homepage des Militärarchivs des Bundesarchivs; eingesehen am 26. April 2009
  5. Peter Veith, „Von den Anfängen bis zum Ende - die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik“, Stand: 21. Februar 2008 (PDF, 356 kB)
  6. Helge Bandow, Sylvester von Rudzinski-Rudno: „Im Neuland fast die Orientierung verloren“ In: Truppenpraxis 1/1993, S. 86ff.
  7. Beschreibung von Polygone auf der Homepage der Luftwaffe; eingesehen am 1. Mai 2009
  8. Oberstleutnant a. D. Dipl. rer. mil Martin Kunze „Noch einmal: Waffen und Ausrüstung der NVA - wo sind sie geblieben? (Teil 2) Ein nicht immer durchsichtiges Kapitel - das Erbe der NVA. Bestandsfindung mit doppelter Buchführung“ In: Informationsheft Nr. 16 der Arbeitsgruppe Geschichte der NVA und Integration ehemaliger NVA-Angehöriger in Gesellschaft und Bundeswehr im Landesvorstand Ost des DBwV vom März 2005 (PDF, 144kB)
  9. Abgabe von 22 MiG-29 für einen symbolischen Preis von 1 Euro (Bernd Lemke, Dieter Krüger, Heinz Rebhan, Wolfgang Schmidt: „Die Luftwaffe 1950 bis 1970. Konzeption, Aufbau, Integration“, S. 833. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, ISBN 3-486-57973-8); eine MiG-29 ist im Luftwaffenmuseum in Berlin-Gatow ausgestellt; eine MiG-29 ging durch Absturz verloren.
  10. Joachim Nawrocki: Bewaffnete Organe in der DDR : Nationale Volksarmee und andere militärische sowie paramilitärische Verbände ; Aufbau, Bewaffnung, Aufgaben ; Berichte aus dem Alltag. Berlin 1979, ISBN 3-921226-07-4

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