Sophia Magdalena Scholl

Sophia Magdalena Scholl

Sophia Magdalena Scholl (* 9. Mai 1921 in Forchtenberg; † 22. Februar 1943 in München), kurz: Sophie Scholl, war eine deutsche Widerstandskämpferin in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie wurde wegen ihres Engagements in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ hingerichtet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Das Rathaus von Forchtenberg, in dem die Scholls von 1920 bis 1930 wohnten, 2007

Sophie Scholl wuchs zusammen mit ihren Geschwistern Inge (1917–1998), Hans (1918–1943), Elisabeth (* 1920) und Werner (1922–1944) bis 1930 in Forchtenberg, von 1930 bis 1932 in Ludwigsburg und ab 1932 in Ulm auf. Die Geschwister wurden durch ihre Mutter Magdalena (1881–1958), die bis zur Eheschließung Diakonisse war, und ihren Vater Robert Scholl, einen Liberalen, zu christlich-humanistischen Werten erzogen.

Sophie Scholl glaubte zunächst wie ihr zweieinhalb Jahre älterer Bruder Hans Scholl an das von den Nationalsozialisten propagierte Gemeinschaftsideal und trat dem Bund Deutscher Mädel (BDM) bei. Sie veranstaltete wie ihr Bruder Mutproben und Härtetests, um sich und den anderen das Äußerste abzuverlangen. Sophie trug vorübergehend die Haare hinten kurz, vorne lang. Nach dem „Reichsparteitag der Ehre“ 1936 nahm sie zusammen mit ihrem Bruder Hans am Gruppenleben der Jungenschaft dj.1.11. teil. Im Herbst 1937 wurde sie zusammen mit ihren Geschwistern für einige Stunden verhaftet, weil ihr Bruder Hans wegen Fortsetzung der bündischen Jugend verfolgt wurde.

Ebenfalls im Jahr 1937 lernte sie Fritz Hartnagel, den vier Jahre älteren Sohn eines Ulmer Kleinunternehmers, bei einer Tanzveranstaltung kennen. Während seiner Offiziersausbildung blieben beide in brieflicher Verbindung. Kurz vor Ausbruch des Krieges verbrachten sie in Norddeutschland einen gemeinsamen Urlaub und lebten später, als Hartnagel Ausbildungsoffizier in Weimar war, einige Wochen zusammen.

1940 begann Sophie Scholl eine Ausbildung zur Kindergärtnerin in der Hoffnung, so dem Reichsarbeitsdienst (RAD) als Vorleistung für ein Studium zu entgehen, was sich als Irrtum erwies. Sie wurde zwangsweise für je ein halbes Jahr zum Reichsarbeitsdienst in Krauchenwies und zum Kriegshilfedienst verpflichtet. Sophie Scholl las im Frühjahr 1941, während sie ihren Reichsarbeitsdienst ableistete, in den Werken des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo. Diese Lektüre brachte ihr manche „spöttische Bemerkung“ der Frauen, die mit ihr den RAD ableisteten, ein. Die Wende und Umkehr in Sophie Scholls Leben geschah im Frühjahr 1941, von da an fand sie gerade in den augustinischen Schriften eine Orientierung. Ihre Erlebnisse und Eindrücke verstärkten ihre Abwehrhaltung gegenüber dem NS-Regime.

Im Juni 1942 begann Scholl, in München Biologie und Philosophie zu studieren. In den Semesterferien musste sie in der Rüstungsproduktion in einem Ulmer Betrieb mithelfen.

Durch ihren Bruder, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Medizin studierte, lernte sie Studenten kennen, die sie in ihrer Ablehnung der NS-Herrschaft bestärkten. Obwohl ihr Bruder Hans sie aus dem Zirkel der Widerständler gegen das nationalsozialistische Regime heraushalten wollte, gelang es Sophie, sich der Gruppe anzuschließen. Entschlossen zu öffentlicher Kritik, beteiligte sie sich an der Herstellung und Verbreitung von Flugblättern der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose.

Die Mitglieder der Weißen Rose verschickten ihre Aufrufe, legten sie in Telefonzellen und in parkende Autos und gaben sie zur Verteilung an Kommilitonen in andere Städte. Im Januar 1943 war Scholl erstmals an der Herstellung eines Flugblattes beteiligt. Die auch in Köln, Stuttgart, Berlin und Wien verteilten Flugschriften verursachten Aufsehen und führten zu einer intensivierten Fahndung nach den Urhebern. Im Februar vermutete die Geheime Staatspolizei (Gestapo) die Autoren der Flugblätter in Münchner Studentenkreisen. Mitte Februar 1943 wurde das sechste Flugblatt fertiggestellt und mit dem Aufruf versandt, das NS-Regime zu stürzen und ein „neues geistiges Europa“ zu errichten. Durch Helmuth James Graf von Moltke gelangte das Flugblatt nach England. Im Herbst 1943 wurde es dort nachgedruckt, von britischen Flugzeugen über Deutschland abgeworfen und durch den Sender BBC verbreitet.

Am 18. Februar 1943 wurde Sophie Scholl bei einer Flugblattaktion, bei der sie zusammen mit ihrem Bruder Hans in der Münchner Universität circa 1.700 Flugblätter verteilte, vom Hausmeister Jakob Schmid, einem SA-Mann, gegen 11 Uhr entdeckt und dem Rektorat übergeben. Nach mehrstündigem Verhör durch den Universitätssyndikus Ernst Haeffner und den Rektor der Universität, Professor Walther Wüst, wurden beide von der Gestapo festgenommen.

In der Münchner Gestapo-Zentrale im Wittelsbacher Palais in der Brienner Straße wurde Sophie Scholl durch Kriminalobersekretär Robert Mohr vom 18. bis 20. Februar verhört. Wie sich aus dem Vernehmungsprotokoll[1] der Gestapo ergibt, versuchte sie konsequent, ihre Freunde zu schützen, indem sie sich und Hans als die Hauptakteure darstellte.

Vier Tage später, am 22. Februar, wurde sie in München vom Volksgerichtshof unter Vorsitz des aus Berlin angereisten Richters Roland Freisler wegen landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt.[2] Gegen 17 Uhr wurde sie im Strafgefängnis München-Stadelheim unter Aufsicht des Leiters der Vollstreckungsabteilung des Münchner Landgerichts Walter Roemer gemeinsam mit Hans Scholl und dem am 20. Februar festgenommenen Christoph Probst vom Scharfrichter Johann Reichhart mit der Guillotine enthauptet.

Die Gräber von Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst, 2007

Die Gräber von Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst befinden sich auf dem neben der Justizvollzugsanstalt Stadelheim gelegenen Friedhof am Perlacher Forst (Grab Nr. 73-1-18/19).

Scholls Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen spiegeln das Bild einer jungen Frau von hoher Empfindsamkeit für die Schönheiten der Natur und von tiefem christlichem Glauben wider. Das folgende Zitat von Jacques Maritain kommt in ihren Briefen mehrmals vor: Il faut avoir l'esprit dur et le cœur tendre („Man muss einen harten Geist und ein weiches Herz haben“). Sie beschäftigte sich intensiv mit der Harmonie der Seele: Ich merke, dass man mit dem Geiste (oder dem Verstand) wuchern kann, und dass die Seele dabei verhungern kann (Briefe und Aufzeichnungen, S. 245).

Anlässlich des 60. Todestages von Sophie Scholl wurde der Briefwechsel zwischen ihr und ihrem Verlobten Fritz Hartnagel veröffentlicht.

Würdigung

Briefmarke der Deutschen Bundespost (1991)
Sohie-Scholl-Büste des Bildhauers Nicolai Tregor im Lichthof der LMU München, 2007
Mahnmal für die Weiße Rose vor der LMU München, 2005

Filme

Die Lebensgeschichte der Widerstandskämpferin wurde bereits mehrfach filmisch dargestellt.

Lena Stolze verkörperte die Figur der Sophie Scholl 1982 gleich in zwei Filmen: in der filmischen Gesamtdarstellung Die weiße Rose unter der Regie von Michael Verhoeven sowie in Fünf letzte Tage unter der Regie von Percy Adlon.

2005 kam der Spielfilm Sophie Scholl – Die letzten Tage von Marc Rothemund mit Julia Jentsch in der Titelrolle heraus. 2006 wurde Sophie Scholl – Die letzten Tage für einen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert.

Ausstellungen

  • Münchner DenkStätte Weiße Rose (Dauerausstellung im Hauptgebäude der LMU, München, Wanderausstellung ist in mehreren Sprachen ausleihbar)
  • Ulmer DenkStätte Weiße Rose (Dauerausstellung im Foyer der Ulmer Volkshochschule, Wanderausstellung in deutscher Sprache ausleihbar)
  • Die Weiße Rose – Gesichter einer Freundschaft (Wanderausstellung der Kulturinitiative Freiburg)

Werke

  • Hans Scholl und Sophie Scholl. Briefe und Aufzeichnungen. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1989, ISBN 3-596-25681-X.
  • Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937–1943. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-10-000425-6 (zusammen mit Fritz Hartnagel)

Literatur

  • Bald, Detlef (Hg.): „Wider die Kriegsmaschinerie“. Kriegserfahrungen und Motive des Widerstandes der „Weißen Rose“, Klartext Verlag, Essen 2005, ISBN 3-89861-488-3.
  • Fred Breinersdorfer: Sophie Scholl. Die letzten Tage. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-16609-8.
  • Richard Hanser: Deutschland zuliebe. Leben und Sterben der Geschwister Scholl; die Geschichte der Weißen Rose . Dtv, München 1994, ISBN 3-423-10040-0.
  • Barbara Leisner: „Ich würde es genauso wieder machen“. Sophie Scholl. List Verlag. Berlin 2005, ISBN 3-548-60191-X.
  • Werner Milstein: Mut zum Widerstand. Sophie Scholl, ein Portrait. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2003, ISBN 3-7975-0056-4.
  • Inge Scholl: Die Weiße Rose. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1994, ISBN 3-596-11802-6.
  • Hermann Vinke: Fritz Hartnagel. Der Freund von Sophie Scholl. Arche Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-7160-2341-8.
  • Hermann Vinke: „Hoffentlich schreibst Du recht bald.“ Sophie Scholl und Fritz Hartnagel, eine Freundschaft 1937-1943. Maier Verlag, Ravensburg 2006, ISBN 3-473-35253-5.
  • Hermann Vinke: Das kurze Leben der Sophie Scholl. Ravensburger Verlag, Ravensburg 2005, ISBN 3-473-58011-2.
  • Peter Selg: „Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst.“ Der geistige Weg von Hans und Sophie Scholl. Verlag des Goetheanums, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1275-5.
  • Harald Steffahn: Die Weiße Rose. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-50498-7.
  • Christian Petry: Studenten aufs Schafott. Die weiße Rose und ihr Scheitern, Piper Verlag, München 1968. ASIN B0000BT063
  • Kulturinitiative e.V. Freiburg: Die Weiße Rose – Gesichter einer Freundschaft (Broschüre 2004)
  • Lilo Fürst-Ramdohr: Freundschaften in der Weißen Rose, Verlag Geschichtswerkstatt Neuhausen, München 1995. ISBN 3-931231-00-3

Weblinks

Fußnoten

  1. georg-elser-arbeitskreis.de/texts/scholl-protokoll.htm
  2. georg-elser-arbeitskreis.de/texts/scholl-urteil.htm

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