Strategeme

Strategeme

Eine Strategie ist ein längerfristig ausgerichtetes planvolles Anstreben einer vorteilhaften Lage oder eines Ziels. Formal mathematisch ist eine Strategie eine Folge von Funktionen von einer Zustandsmenge (zum Beispiel die Menge der denkbaren Spielsituationen eines Spielers) in eine Menge von Aktionen (die entsprechend dem Spieler vorschreibt, was er tun soll). Sowohl Strategie als auch der Schwesterbegriff Strategem stammen aus dem Griechischen und bedeuteten dort ursprünglich Heeresführung (griechisch, Στρατηγική, στρατός = Heer, άγω = ich führe). Ein Stratege war im antiken Griechenland ein gewählter Heerführer. Strategie und Strategem beschreiben allerdings unterschiedliche Inhalte bzw. Nuancen und finden in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedliche Anwendungen und Akzeptanzen.

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung

Taktik

Strategie und Taktik hängen eng zusammen: Beide zielen auf den richtigen Einsatz bestimmter Mittel in Zeit und Raum, wobei sich Strategie im Allgemeinen auf ein übergeordnetes Ziel bezieht, während Taktik den Weg und die Maßnahmen bestimmt, kurzfristigere Zwischenziele zu erreichen.

  • Strategie ist der „große Plan über allem“ oder das „grundsätzliche Muster der Handlungen“. Dieser Plan kann dabei eine Vision oder Mission (Wirtschaft), das Erlangen einer Mehrheit oder von Macht (Politik) oder auch ein militärisches Ziel definieren. Eine Strategie ist oft mittel- bis langfristig angelegt.
  • Als Taktik bezeichnet man militärisch die Führung der Truppen in das Gefecht, also die unmittelbare Art des Einsatzes von Streitkräften in einem Gefecht. In politischen und wirtschaftlichen Kontexten beschreibt Taktik Maßnahmen und Handlungen, die mit den gegebenen Mitteln kurzfristige oder mittelfristige Ziele zu erreichen suchen.
  • Praktische Beispiele: Grundsatzhaltungen in Militär, Wirtschaft, Politik oder auch Spiel und Sport lassen sich z. B. gut in Angriffsstrategie, Abwehrstrategie oder Eroberungsstrategie klassifizieren. Taktik beinhaltet kurzfristige Maßnahmen und unmittelbare Reaktionen, wie z. B. das Bauernopfer im Schach, das taktische Foul im Fußball oder den taktischen Winkelzug. Taktik kann man auch zur Anwendung bringen, ohne eine Strategie zu haben.
  • Strategisches Handeln ist ein zielorientiertes Vorgehen nach einem langfristigen Plan.
  • Den Prozess der Ausarbeitung einer Strategie nennt man Strategische Planung.

Strategem

Ein Strategem (auch Strategema oder Stratagem) (griechisch στρατήγημα) beschreibt eine List, einen Trick oder einen manipulativen Kunstgriff im politischen, militärischen, betriebswirtschaftlichen oder privaten Leben. Der Erfolg von Strategien oder strategischer Planung liegt nicht nur im Wissen um das Vorhaben und das Vorgehen, sondern auch im Einsatz einer List, eines Tricks, eines überraschenden Moments oder einer entscheidenden Idee, damit letztlich die Strategie erfolgreicher ist als die der Konkurrenz oder des Gegners. Vor allem im asiatischen Raum werden Strategeme als Teil oder Herzstück von Strategien nicht nur eingesetzt, sondern auch klar benannt. Strategeme können innerhalb einer Strategie, aber auch „lediglich“ taktisch zur Anwendung kommen.

Kultureller Kontext

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China

In China wird das Durchschauen und Anwenden von List hoch geachtet und gepflegt. Chinesische Autoren haben unterschiedliche Überlistungstechniken benannt und systematisiert. Dies steht im Gegensatz zur europäischen Tradition, die die Anwendung von Listen und Täuschungen ächtete. Strategeme spielen bereits in Sunzis Werk Sunzi Bingfa (Sūnzi bīngfǎ) über die Kriegskunst (etwa 500 v. Chr.) eine wichtige Rolle. Besonders bekannt sind in China die Sechsunddreißig Strategeme, die auf General Tan Daoji († 436) zurück gehen sollen. Schriftlich wurden sie durch das Traktat Sanshiliu Ji. Miben Bingfa ("Die 36 Strategeme – Geheimbuch der Kriegskunst", entstanden um 1500) überliefert. Der Verfasser ist namentlich nicht bekannt, wurde jedoch vermutlich von Zhao Benxue, einem Militärhistoriker aus der Ming-Zeit (1368–1644), oder einem seiner Schüler beeinflusst. Die 36 Strategeme sind in eine Vielzahl von Geschichten über militärische, diplomatische und private Themen eingeflossen. Hierzu gehören u. a. die Geschichten um Zhuge Liang, Cao Cao und Liu Bei.

Arabien und Indien

Auch in Arabien und Indien werden Strategeme als Teil der Strategien seit langer Zeit praktiziert. Im arabischen Raum finden sich ein halbes Dutzend Abhandlungen, die sich mit Listen im (derzeit angewendeten) islamischen Recht beschäftigen. Zudem existiert ein allgemeineres Werk namens Raqa’iq al-hilal fi daqa’iq al-hiyal aus dem 15. Jahrhundert. Ihm steht das indische Lehrbuch Arthashastra von Kautilya (4. Jahrhundert v. Chr.) gegenüber.

Europa

In der westlichen Zivilisation gelten List und Betrug in der Kriegsführung als verwerflich, also sind sie auch wirtschaftlich nicht opportun. Dies ist auch ein Grund, weshalb westliche Manager zeitweilig in Verhandlungen mit asiatischen Verhandlungspartnern scheitern oder schlecht abschneiden. Erste europäische Strategeme stammen von dem Sizilianer Ibn Zafer aus dem 12. Jahrhundert. Kunstgriffe aus europäischen Fürstenspiegel lassen sich als Strategeme lesen, wie etwa die Ratschläge aus Machiavellis Der Fürst. Darüber hinaus lassen sich die Prinzipien der Eristischen Dialektik von Arthur Schopenhauer als politische Strategeme auffassen.

Erfolgsmuster

Viele Militärstrategen haben versucht, erfolgreiche Strategien zu einem Satz von Prinzipien zusammenzufassen. Als früheste Schrift hierzu gilt das von Sunzi (Sun-Tsu), einem chinesischen General und Militärstrategen verfasste Werk Die Kunst des Krieges (Pinyin: sūn zǐ bīng fǎ), welches wahrscheinlich um 500 v. Chr. entstand. Sunzi führt in seinem Buch 13 Strategien auf, während z. B. Napoléon Bonaparte 115 Strategien auflistete. Nathan Bedford Forrest hingegen, ein General in der Armee der Konföderierten Staaten von Amerika (C.S.A.) während des Amerikanischen Bürgerkrieges, nannte nur eine Strategie: „Get there first with the most men“ ("Sei als erster da mit den meisten Leuten"). Die Feldzüge von Alexander dem Großen, Hannibal, Julius Caesar, Dschingis Khan und Napoleon Bonaparte demonstrieren großes strategisches Können.

Beispielprinzipien (mit Quelle)

  • „Jede Niederlage beginnt damit, daß man die Position des Gegners anerkennt.“ (Strategieprinzip im Umkehrschluss) Winston Leonhard Spencer Churchill
  • „Eine Schlacht wird von Logistikern geschlagen bevor sie begonnen hat.“ (Strategieprinzip) Erwin Rommel
  • „Nicht kleckern sondern klotzen!“ Heinz Guderian
  • „Wer überall ist, ist nirgendwo."(Strategieprinzip) Lucius Annaeus Seneca
  • „Eile dorthin, wo dich der Gegner am wenigsten erwartet“ (Strategem) Sunzi Sun Tzu
  • „Sei als erster da mit den meisten Kräften“ (Strategieprinzip) Nathan Bedford Forrest
  • „Die Variationen des Konventionellen und Unkonventionellen sind sonder Zahl.“ (Strategieprinzip) Sunzi Sun Tzu
  • „Die Verteidigung ist bei vorausgesetzten gleichen Mitteln leichter als der Angriff.“ (Strategieprinzip) Carl von Clausewitz
  • „Es ist nicht weise, das zu verteidigen, was man ohnehin aufgeben muss.“ (Strategem) Niccolo Machiavelli
  • „In der Schlacht ist Kühnheit der beste Schachzug des Genies.“ (Strategieprinzip) Napoléon Bonaparte
  • „Vitesse, vitesse activité“ Napoléon Bonaparte.
  • „Die meisten meiner Entscheidungen beinhalten ein Risiko“ (Strategieprinzip) Richard Branson, Gründer von Virgin
  • „Lasst uns Piraten sein.“ (Strategieprinzip) Steve Jobs, Gründer von Apple
  • „Lieber Geld verlieren als Vertrauen.“ (Strategieprinzip) Robert Bosch, Gründer von Bosch
  • „Werde nicht müde, deinen Nutzen zu suchen, indem du anderen Nutzen gewährst.“ (Strategem) Marc Aurel
  • „Vier G dürfen einem Feldherrn nicht fehlen: Geld, Geduld, Genie und Glück.“ (Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen einer Strategie) Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke
  • „Disziplin ist die Mutter des Sieges.“ (Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen einer Strategie) Alexander Wassiljewitsch Suworow
  • „Übe dich unablässig darin, deinem Weg zu folgen.“ (Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen einer Strategie) Miyamoto Musashi

Beispielprinzipien (ohne Quelle)

  • Das Gesetz der Massen. Für den Fall, dass ideale Bedingungen herrschen, gilt, dass wenn man einer feindlichen Kampfeinheit eine eigene Kampfeinheit entgegenschickt, man mit einer 50 % Gewinnchance rechnen kann. Ferner muss mit einer Verlustrate von 1:1 gerechnet werden.
  • Die Auswahl entscheidender Ziele.
  • Dem Feind die Initiative nehmen.
  • Die Konzentration der eigenen Kräfte auf einen entscheidenden Punkt.
  • Die eigenen Kräfte schonen.
  • Die Wirkung der eigenen Kräfte maximieren.
  • Die Geheimhaltung wahren, bis es für den Feind zu spät ist, entsprechend zu reagieren.
  • Unerwartete Elemente einsetzen, z. B. Täuschung, Verschleierung, Geschwindigkeit, Kreativität, Wagemut und Verwegenheit.
  • Pläne möglichst einfach halten.
  • Strategien müssen flexibel sein, um sich den gegebenen Umständen anpassen zu können.
  • Gehe nicht auf die Jagd, wenn dein Haus brennt (ein weiser Satz aus dem Go-Spiel).

Einsatzgebiete

Erfolgsstrategien und Strategeme finden mehr oder minder überall im Leben Eingang.

Im asiatischen Raum ist das „Strategem der schönen Frau“ bekannt.

  • Im Berufsalltag finden konstruktive und destruktive Strategeme häufig bewusst oder unbewusst Eingang in das Verhalten unter Kollegen. Siehe auch Mobbing oder Bossing.
  • Schon der Köder an der Angel ist ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung einer List, nämlich „etwas zu geben, um etwas größeres zu bekommen“.

Militär

Militärische Strategie bei der Schlacht bei Waterloo (1815)

Clausewitz hat die militärischen Begriffe Taktik und Strategie definiert: „Die Taktik ist die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges.“

  • Strategie ist der große Plan über allem. Das Gefecht stellt ihm dabei ein mögliches Mittel zur Auswahl. Er entscheidet über die Fragen: „Wann?“, „Wo?“, „Womit?“ und „Was?“ in Bezug auf das Erreichen des Zieles
  • Die Taktik arbeitet mit den Entscheidungen der Strategie als Voraussetzung. D.h. der Zeitpunkt, der Ort, die Mittel und das Ziel wurden bereits vom Strategen vorbestimmt und stehen nicht mehr zur Disposition. Als Taktik bezeichnet man die Führung der Truppen in das Gefecht also die unmittelbare Art der Verwendung von Streitkräften in einem Gefecht, welches aus Sicht des Strategen an einem zeitlichen und räumlichen Punkt verbunden mit einem bestimmten Ziel stattfindet.

Edward Luttwak hat versucht, die dem (militärischen) strategischen Prozess innewohnende Logik herauszuarbeiten (mehr hierzu siehe unter Krieg). Er ordnet der Strategie eine temporäre und eine organisatorische Dimension zu. In der temporären/„horizontalen“ Dimension verlaufen die zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignisse eines strategischen Prozesses (sowohl theoretisch (Plan), als auch praktisch). Die „vertikale“ Dimension ist in mehrere Ebenen unterteilt. Dies sind:

  • Die technische Ebene: Waffensysteme, militärische Ausbildung, Effektivität
  • Die taktische Ebene: Gelände, Kampf kleiner Einheiten (Führung und Ausführung)
  • Die operative Ebene: Kampf größerer Einheiten, Ressourcen/Nachschub/Logistik
  • Die Ebene der Gefechtsfeldstrategie: Zusammenführung der Ebenen und Handlung gemäß dem politischen Willen der Akteure.

Berühmte militärische Strategen waren: Alexander der Große, Hannibal, Belisar, Scipio Africanus Maior, Caesar, Carl von Clausewitz, Erwin Rommel, Liddell Hart, Kutusow, Antoine-Henri Jomini, Napoleon, Robert E. Lee, Sunzi, Friedrich der Große, Suworow, Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke, Alfred von Schlieffen und Erich von Manstein

Politik

In der Politik beruht sowohl die Durchsetzung des politischen Willens als auch das konkrete politische Handeln auf Strategien, da bestimmte Ziele in den Bereichen Wirtschaftsentwicklung, Kriminalität, Finanzkraft, Infrastruktur, etc. verfolgt werden. Im politischen Wahlkampf treten recht spezielle strategische Probleme auf, die mit psychologischen Methoden angegangen werden können. Auch mathematischen Überlegungen wird nun eine wachsende Bedeutung beigemessen. Siehe Spektrum der Wissenschaft, 2005 und Odds-Strategie. Falls die handelnden Parteien unterschiedliche Ziele verfolgen oder gar gegensätzliche, so prallen unterschiedliche Absichten aufeinander. Aufgabe der Strategie ist es nun, einen Weg zu finden, dass der eigene Wille durchgesetzt werden kann. Dies kann durch diplomatische Aktionen (Abkommen, Allianzen, …) oder wirtschaftliche Einflussausübung geschehen, in letzter Instanz auch durch Krieg. In diesem Sinne ist der Krieg nach wie vor ein Mittel der Politik und zwar das massivste und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit das letzte Mittel. Krieg ist im Gegensatz zur Diplomatie darauf ausgerichtet, den Willen des Gegners mit Gewalt zu brechen. Die Androhung von militärischer Gewalt kann aber auch taktischen Charakter haben, wenn diese der Strategie unterliegt, den Gegner gar nicht zur Schlacht sondern zurück an den Verhandlungstisch zwingen zu wollen. Strategien finden auch im politischen Tagesgeschäft Anwendung: wie kann die politische Absicht durchgesetzt oder Mehrheiten organisiert werden. Oder wie diffamiert man den politischen Gegner am effektivsten ohne eigenen Schaden zu nehmen.

Die wissenschaftliche Untersuchung von Fragen der politischen und militärischen Strategie findet u. a. in der Disziplin der Strategische Studien statt. Siehe auch: Lissabon-Strategie, Eristik und Politische Strategie.

Wirtschaft

Unter Strategie (Wirtschaft) werden die meist langfristig geplanten Verhaltensweisen der Unternehmen zur Erreichung ihrer Ziele verstanden. Um eine Strategie zu planen, wird üblicherweise eine Marktanalyse durchgeführt. Durch einen Soll-Ist-Vergleich können dann Ziele für die Zukunft festgelegt werden und eine Strategie definiert werden.

Der Begriff „Strategie“ hat seit ca. 1950 vor allem im angelsächsischen Raum Einzug in die Unternehmensführung (Unternehmensstrategie) und die Managementlehre (z. B. Engpasskonzentrierte Strategie) gehalten. Eine der geläufigsten Definitionen in der Betriebswirtschaftslehre stammt von Michael E. Porter: Demnach ist Strategie „eine in sich stimmige Anordnung von Aktivitäten, die ein Unternehmen von seinen Konkurrenten unterscheidet.“ (Porter 1999, S. 15). Der Weg zu dauerhaften Wettbewerbsvorteilen besteht im „spezifischen Aktivitätenprofil“ eines Unternehmens. Dieses spezifische Aktivitätenprofil stellt insofern die Strategie dar. Porter unterscheidet grundsätzlich zwischen drei Ausrichtungen der Unternehmensstrategie: Kostenführerschaft, Differenzierung und Fokussierung (= Nischenprodukte). Der Kostenführer macht eine hohe Produktivität und die niedrigsten Kosten zu seinem Schwerpunkt. Als Beispiele hierfür nennt der bekannte Unternehmensberater und ehemalige Aldi-Manager Dieter Brandes die Unternehmen Aldi, Dell und Ikea (Brandes 2002, S. 94ff).

Differenzierung hingegen dient der Unterscheidung, sozusagen der Schaffung eines spezifischen Aktivitätenprofils. Als Beispiele hierfür gelten u.a Porsche oder Ferrari. Mögliche Differenzierungspunkte können folgende Firmen-/Produkteigenschaften sein:

  • Qualität (des Produktes – aber auch der Dienstleistung, z. B. freundliches Personal)
  • Produkteigenschaften (z. B. technische Neuheiten, Zusatznutzen)
  • Preis (z. B. sehr tief, sehr hoch)
  • Image
  • Vertriebskanal (z. B. Online-Bestellung, Fachhandel, Kaufhäuser, eigene Shops, etc.)

Der Fokussierer besetzt hingegen eine Marktnische in einem Gesamtmarkt. Auch hier können Unternehmen wie Porsche oder Ferrari angeführt werden. Sie produzieren nur ganz bestimmte Autotypen im Gesamtmarkt von Automobilen.

Das Beispiel Porsche macht zudem deutlich, dass es hier zu Überschneidungen zwischen Differenzierung und Fokussierung kommen kann. Ergänzend sei auf einen vierten Typus verwiesen: die Hybrid-Strategie, auch Outpacing genannt (Meffert 1992). Danach soll ein Unternehmen gleichzeitig niedrige Kosten bei hoher Produktqualität anstreben. Die Mehrheitsmeinung in der BWL kritisiert jedoch dieses Konzept, da dies nicht realisierbar sei und dadurch Produkte bzw. das Unternehmen „zwischen allen Stühlen“ sitzen und damit kein spezifisches Aktivitätenprofil erreichen können. (Meffert 1992)

Zurzeit werden die zumeist statisch-linearen Strategiemodelle in der Betriebswirtschaft durch dynamische ergänzt (emergente Strategien), die die Anpassungsfähigkeit von Strategien aufgrund der sich immer schneller verändernden Umfeldbedingungen sicherzustellen versucht.

Robert Kaplan und David Norton haben im Oktober 2005 (in: Harvard Business Review) vorgeschlagen, dass ein kleines, unabhängiges und schlagkräftiges Team im Unternehmen die Umsetzung von Strategien koordinieren soll (Strategiebüro). Unter der Leitung von Professor Reinhard Selten (Nobelpreis für Ökonomie 1994) wurde am Laboratorium für Experimentelle Wirtschaftsforschung der Universität Bonn ein Experiment durchgeführt, das die Effektivität eines Strategiebüros beweist. Für die Praxis wurde nachgewiesen, dass ein Strategiebüro kurz- und langfristig zu höheren Gewinnen führt (Berend, Walkowitz 2007).

Spiel und Sport

Bekannte Strategiespiele sind Schach und Go.

Mit dem Aufkommen von Computerspielen entwickelten sich auch dort Spiele zur Strategie, in denen nur genau geplantes Vorgehen zum Erfolg führt. In der mathematischen Spieltheorie versteht man unter einer Strategie eine vollständige Handlungsanweisung für einen einzelnen Spieler, die alle denkbaren Spielsituationen eines Spiels abdeckt.

In den meisten Sportarten spielt Strategie im Einzelwettkampf eher eine untergeordnete Rolle, dort dominieren Taktik und Intuition. Strategie kann aber von Bedeutung sein für eine längere Serie von Wettkämpfen, etwa eine ganze Saison in einer Liga. Beispielsweise ist eine langfristige Strategie notwendig beim Einkauf und Verkauf von Spielern und noch mehr beim Aufbau von Nachwuchsspielern. Sportarten, die auch im Einzelwettkampf eine durchdachte Strategie erfordern, sind beispielsweise Baseball und American Football.

Architektur

Die Entwurfsstrategie der Architekten beim Entwurf komplexer Bauten zielt u. a. auf die Sicherung ggf. erforderlicher Veränderbarkeit der Gebäude oder Gebäudeteile im Fall sich wandelnden Nutzeranforderungen.

Der Strategie geht ein eigentümliches Rationalitätsverständnis voraus, das versucht, einen Überblick (Wissen, Objekte) und Weitsicht (Zeit) zu gewinnen. Ein für die Moderne typischer Strategiebegriff korrespondiert demnach mit einem Panoptismus, der die Möglichkeit vorsieht, Raum und Zeit kalkulierbar zu machen und die sich im Raum befindenden Objekte zu beherrschen.

In der Postmoderne wird dieses Raumverständnis als gescheitert erklärt. Es gibt nicht "den einen Raum", der kalkulierbar wäre. Damit einher geht die Vorstellung einer reflexiven Strategie, die sich selbst kontingent setzt, indem Sie z. B. die Unterscheidungen, mit denen sie operiert, wechselt. Damit wird der Raum zu einem Vexierbild. Nach dem Linguistic Turn wird Strategie somit nicht mehr mit Überblick zu übersetzen sein, sondern mit Durchblick, gemäß einem Weltverständnis, das die Beherrschung des Raums aufgegeben hat und stattdessen die Welt als Labyrinth versteht, in dem es nun gilt, eine adäquate Weise der Bewegung zu finden.

Psychologie

Im Rahmen des von Marshall B. Rosenberg entwickelten Modells der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) bezeichnet eine Strategie einen Weg, ein Bedürfnis zu erfüllen. Der Begriff Strategie lässt sich in diesem Zusammenhang mit einer Handlung gleichsetzen, durch die ein Bedürfnis erfüllt wird, oder mit der Beziehung zu einer Person, durch die zur Erfüllung eines Bedürfnisses beigetragen wird. Konflikte entstehen laut GFK niemals zwischen verschiedenen Bedürfnissen, sondern lediglich zwischen verschiedenen Strategien, die der Erfüllung dieser Bedürfnisse dienen. Daher ist es höchst relevant, Bedürfnisse von Strategien unterscheiden zu können.

Informatik

In der Informatik gibt es das Konzept des Entwurfsmusters Strategie. Nähere Informationen gibt der zugehörige Hauptartikel.

Siehe auch

Literatur

  • Marco Althaus: Strategien für Kampagnen. Klassische Lektionen und modernes Targeting. In: ders. (Hrsg.): Kampagne! Neue Strategien für Wahlkampf, PR und Lobbying. (Medienpraxis, 1), Münster 2001, S. 11–44.
  • Patrik Berend, Gari Walkowitz: "Effektive Koordination." In: Harvard Business Manager, August 2007.
  • F. Thomas Bruss "Die Kunst der richtigen Entscheidung" In: Spektrum der Wissenschaft 2005 (Juni), S. 78-84.
  • Carl von Clausewitz: Strategie denken. Die hohe Kunst der Strategie. dtv München
  • (Sextus Iulius) Frontin(us): Kriegslisten. Lateinisch und Deutsch von Gerhard Bendz, 2. Aufl. Berlin, 1978
  • Robert Greene: Power – Die 48 Gesetze der Macht. dtv, ISBN 3-423-36248-0
  • Robert Greene: War - The 33 Strategies of War. Pinguin Group, ISBN 0-670-03457-6
  • Edward Luttwak: Strategie. Die Logik von Krieg und Frieden., Zu Klampen, 2002, ISBN 3-934-92012-8
  • Polyaenus: Strategems of war. Hrsg., Übers. Peter Krentz, Everett L. Wheeler, Chicago 1994
  • Joachim Raschke, Ralf Tils: Politische Strategie. Eine Grundlegung. : VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 9783531149561
  • Harro von Senger: Strategeme, Die berühmten 36 Strategeme der Chinesen – lange als Geheimwissen gehütet, erstmals im Westen vorgestellt, Scherz, ISBN 3-502-15660-3.
  • Harro von Senger: Strategeme. Lebens- und Überlebenslisten aus drei Jahrtausenden. Scherz, Bern, München, Wien 2000
  • Sunzi: Über die Kriegskunst; Sun Bin: Über die Kriegskunst, Übers. Zhong Yingjie, Verlag Volkschina, ISBN 7800655083 (mit einer Übersetzung ins moderne Chinesisch); Neuauflage Verlag für fremdsprachige Literatur, Beijing 2007, ISBN 978-7-119-04486-6 (ohne chinesischen Text)

Nachweise


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