Waisenbrücke

Waisenbrücke
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Waisenbrücke
Waisenbrücke
Waisenbrücke 1904
Nutzung Straßenverkehr
Überführt Wallstraße – Littenstraße (frühere Neue Friedrichstraße)
Querung von Spree
Ort Berlin-Mitte
Konstruktion dreifeldrige Steinbogenbrücke
Gesamtlänge 77, 0 m
Breite 20,4 m
Längste Stützweite circa 25 m
Lichte Höhe 4,5
Baubeginn 1892
Fertigstellung 1894
Schließung 1954
Lage
Waisenbrücke (Berlin)
Waisenbrücke

1960 abgebrochen

Die Waisenbrücke war eine mit rotem Sandstein verkleidete Steinbrücke im Bezirk Mitte von Berlin. Sie verband die südlich der Spree gelegene Wallstraße mit der nördlich der Spree gelegenen heutigen Littenstraße, vormals Neue Friedrichstraße. Nach Sprengung 1945 und anschließender behelfsmäßigen Reparatur wurde das Bauwerk 1960 abgebaut, weil es weitere wieder funktionsfähige Spreequerungen in der Nähe gab. Heute erinnern noch beidseitig sichtbare steinerne Widerlager an die Waisenbrücke.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünglich befand sich am Ort der Waisenbrücke eine hölzerne Jochbrücke mit fünf Klappenpaaren für die Schiffspassage. Diese hatte im 18. Jahrhundert sehr große Bedeutung für die Stadt, was nicht zuletzt an den großzügigen Maßen von 83 Metern in der Länge und 6,90 Metern in der Breite lag.

Waisenbrücke um 1880,
Gebäude am rechten Bildrand: Waisenhaus mit Waisenkirche

Die Brücke erhielt ihren Namen nach dem Ende des 17. Jahrhunderts in der Nähe erbauten „Großen Friedrich-Hospital“, das auch als Pflegeheim für Waisen diente und 1908 abgerissen wurde.

Nach fast 200 Jahren Nutzungsdauer und dem inzwischen erfolgten Ausbau Berlins als königliche Residenzstadt ließ der Berliner Magistrat 1892–1894 eine Steinbrücke zum Ersatz an derselben Stelle errichten. Steinbrücken galten generell als stabiler und weniger reparaturanfällig, sie konnten auch ohne Klappen und mit größeren Spannweiten gebaut werden. Die neue Waisenbrücke wurde mit roten Sandsteinplatten aus dem Maingebiet verkleidet. Über den säulenähnlich verzierten beiden mittleren Pfeilerköpfen erhielt das Bauwerk Balkons. Die Sichtflächen wurden mit Reliefs geschmückt und das Geländer als Baluster gestaltet. Acht schmiedeeiserne mehrarmige Gaskandelaber spendeten den Brückenbenutzern nachts Licht.

Die Waisenbrücke im Februar 1956: gut zu erkennen ist die über dem südlichen (linken) Brückenbogen errichtete Notkonstruktion. Im Hintergrund das Märkische Museum

Im Jahr 1945 wurde das südliche Gewölbe der Brücke gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von deutschen Wehrmachtstruppen gesprengt. Eine bald darauf errichtete Notbrücke von nur 5,5 m Breite führte den Verkehr über die Spree, weil ein Wiederaufbau der benachbarten Jannowitzbrücke und der Mühlendammbrücke nicht so schnell erfolgte. Die für die Enttrümmerung des zerstörten Stadtzentrums eingesetzte Trümmerbahn wurde von 1949 bis 1954 über die Behelfsbrücke geführt.[1] Mit der Fertigstellung der neuen Jannowitzbrücke, der Beendigung des Trümmertransports und in Übereinstimmung mit Forderungen der Schifffahrt ließ die Stadtverwaltung die Waisenbrücke 1960 abbrechen.

Der erhaltene Brückenbeginn am Nordufer, im Hintergrund die Jannowitzbrücke

Die beiden landseitigen ehemaligen Anschlüsse für die Brücke sind erhalten geblieben, auf der Südseite dient der Rest als Schiffsanlegestelle, auf der Nordseite sind am Rolandufer in Fortsetzung einer kleinen Grünanlage Bänke für Spaziergänger aufgestellt.

Befürworter eines Wiederaufbaus der Waisenbrücke richteten 2007 eine Anfrage an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als zuständige Stelle, die wie folgt beantwortet wurde:[2]

Der Aufbau der Waisenbrücke (auch als provisorische Rad- und Fußgängerbrücke) kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus gesamtstädtischer verkehrlicher Sicht nicht unterstützt werden … Der erwartete ‚Gewinn für den nichtmotorisierten Verkehr‘ durch ein zusätzliches Brückenbauwerk in unmittelbarer Nähe der Jannowitzbrücke (ca. 200 m) kann als klein eingeschätzt werden. … Die Schaffung einer ‚Konkurrenz‘ zur Jannowitzbrücke steht auch im Widerspruch zu einer mit dem Bezirk gemeinsam in der Umsetzung befindlichen Planung, die Brückenstraße als Radverkehrsstrecke durch begleitende Maßnahmen zu verbessern.

Benachbartes

Im 19. Jahrhundert befanden sich an den Spreeufern neben der Waisenbrücke:

  • die Zuckermanufaktur Splittgerber,
  • das Waisenhaus mit der Waisenkirche,
  • große Speicherhäuser,
  • ein Schlachthof,[3]
  • eine Flussbadeanstalt (ab 1894).[4]

Im 21. Jahrhundert sind folgende Gebäude und Plätze erwähnenswert:

auf der Nordseite
auf der Südseite

Waisenbrücke in der Kunst und in den Medien

Die 26jochige Waisenbrücke um 1780 auf einem Kupferstich

Der Künstler Johann Georg Rosenberg fertigte 1780 einen kolorierten Kupferstich der hölzernen Klappenbrücke an. Die Deutsche Bundespost Berlin benutzte diesen alten Stich als Vorlage für eine 10-Pfennig-Marke im Rahmen einer Serie „Stadtansichten von Berlin um 1780“. Die neue steinerne Bogenbrücke war Gegenstand einer Kaltnadel-Radierung von Ulrich Hübner (1872–1932), die in einem privaten Auktionshaus um 2006 verkauft worden war.[5]

Die Novelle von Ulrich Becher „Hochmusikalische alte Dame“, im Oktober 1958 veröffentlicht in „Die Zeit“, benutzt ein Mietswohnhaus an der Waisenbrücke um 1907 als Hauptschauplatz.[6]

In einem aufwändig gestalteten „Album von Berlin, seinen westlichen Vororten und Potsdam. Drei große Panoramen und 129 Ansichten nach Momentaufnahmen in Photographiedruck“ gibt es laut Inhaltsverzeichnis auch Fotos der Waisenbrücke.[7]

Ein im Berliner Volksmund kursierendes Gedicht nimmt die Verbrechen, die sich in der schlecht beleuchteten Stadt ereigneten, als Motiv für einen holprigen Reim im Zusammenhang mit dieser Brücke:

Einst gingen Her Mücke und Frau Mücke über die Waisenbrücke.
Da stach eine Mücke Frau Mücke im Genicke.
Da nahm Herr Mücke seine Krücke und schlug der Mücke ins Genicke.
Das war der Mord auf der Waisenbrücke.

Literatur

Weblinks

 Commons: Waisenbrücke (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Angela M. Arnold, Gabriele von Griesheim: Trümmer, Bahnen und Bezirke, Berlin 1945 bis 1955; Eigenverlag 1999, S.143 ff
  2. Wiederaufbau der Waisenbrücke immer noch ungewiss – „Kreativhaus e. V.“ Fischerinsel; abgerufen am 13. April 2009
  3. Kiezinfo Brunnenstraße
  4. Frühere Flussbadeanstalt „Hinter den Werderschen Mühlen an der Stadtschleuse“, zuerst an der Schlossfreiheit, dann an die Waisenbrücke verlegt
  5. Auktionshaus Satow, abgerufen am 13. April 2009
  6. Hochmusikalische alte Dame. In: Die Zeit, Nr. 40/1958
  7. „Album von Berlin, seinen westlichen Vororten und Potsdam. 3 große Panoramen und 129 Ansichten nach Momentaufnahmen in Photographiedruck“, 1903, Berlin, Globus Verlag Berlin

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