Wietze

Wietze
Wappen Deutschlandkarte
Wappen der Gemeinde Wietze
Wietze
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Wietze hervorgehoben
52.659.833333333333332
Basisdaten
Bundesland: Niedersachsen
Landkreis: Celle
Höhe: 32 m ü. NN
Fläche: 62,94 km²
Einwohner:

8.087 (31. Dez. 2010)[1]

Bevölkerungsdichte: 128 Einwohner je km²
Postleitzahl: 29323
Vorwahl: 05146
Kfz-Kennzeichen: CE
Gemeindeschlüssel: 03 3 51 023
Adresse der
Gemeindeverwaltung:
Steinförder Straße 4
29323 Wietze
Webpräsenz: www.wietze.de
Bürgermeister: Wolfgang Klußmann
Lage der Gemeinde Wietze im Landkreis Celle
Landkreis Celle Niedersachsen Landkreis Heidekreis Landkreis Uelzen Landkreis Gifhorn Region Hannover Faßberg Hermannsburg gemeindefreies Gebiet Lohheide Bergen Winsen Wietze Hambühren Celle Adelheidsdorf Hagen Wathlingen Bröckel Eicklingen Wienhausen Langlingen Unterlüß Eschede Scharnhorst Hohne Langlingen Eldingen Habighorst Ahnsbeck Höfer Beedenbostel LachendorfKarte
Über dieses Bild

Wietze ist eine Gemeinde mit über 8.000 Einwohnern im Landkreis Celle in den südlichsten Ausläufern der Lüneburger Heide in Niedersachsen. Die Gemeinde liegt etwa 20 km westlich von Celle, 40 km nördlich von Hannover und 15 km östlich von Schwarmstedt. Zur Gemeinde Wietze gehören die Ortsteile Hornbostel, Jeversen und Wieckenberg. In Wietze wird zurzeit der größte Schlachthof für Geflügel in Europa geplant.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Der Fluss Wietze fließt kurz vor seiner Mündung in die Aller durch den Ort Wietze.

Geschichte

Der Ort „Steinförde“ wurde rund 50 Jahre vor der ersten schriftlichen Erwähnung von „Wietze“ genannt. Der Name soll auf die Wietzedurchfahrt am Gerichtsstein (= „Steinfuhrt“) zurückgehen. Am 17. Oktober 1928 wurden Wietze und Steinförde unter dem Namen „Wietze“ zusammengelegt.[2]

Wietze und Erdöl

Ölbohrturm im Erdölmuseum Wietze
Erdöl-Tiefpumpen-Antrieb einer Erdölpumpe in Wietze

In Wietze wurde schon seit Jahrhunderten das Öl der Wietzer Teerkuhlen genutzt, was erstmals urkundlich 1652 erwähnt wurde. Nach regenreichen Sommern trat Teer an der Erdoberfläche aus. Damals wurden auf verschiedenen Höfen Teerkuhlen angelegt. Was aus der Erde kam, wurde Smeer oder Satansspeck genannt und vielfältig genutzt: als Wagenschmiere, Dichtungsmaterial im Schiffbau, Abdeckung von Schäden an Obstbäumen und zur Versorgung von Wunden von Tieren und Menschen (schwarze Salbe). Mit der Zeit wurden Verfahren entwickelt, um aus dem Teer auch Öl zu gewinnen.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Königlich Hannoversche Regierung auf der Suche nach Rohstoffen auf die „Erdölquellen“ in Wietze aufmerksam. Ende Juli 1858 fanden unter Leitung von Georg Christian Konrad Hunäus wahrscheinlich die ersten Erdölbohrungen weltweit statt. In der Erde vermutet und eigentlich gesucht wurde Braunkohle. Dabei stieß man in einer Tiefe von 35,6 m auf Erdöl. Das Öl wurde in der Folgezeit gefördert und verwertet. Im Gegensatz zur Bohrung 1859 in Titusville, Pennsylvania, die einen kommerziellen „Ölrausch“ auslöste, kümmerte sich in Wietze niemand besonders um das bei der Bohrung gefundene Öl.

Erst 1899 brach das Ölfieber in Wietze aus, als bei einer Bohrung in einer Tiefe von inzwischen 270 m freifließendes Erdöl an die Erdoberfläche drückte. Es wurden 2500 Tonnen Erdöl gefördert, 1900 waren es 27.000 Tonnen. 1903 waren 25 konkurrierende Unternehmen in Wietze tätig. Der Transport des Erdöls erfolgte in Holzfässern auf Pferdefuhrwerken nach Celle und Schwarmstedt und von dort mit der Eisenbahn weiter zu den Raffinerien nach Hamburg und Bremen. 1903 wurde die Ölbahn genannte Eisenbahnstrecke zwischen Celle und Schwarmstedt[3] fertiggestellt. Da auf der Aller kein wirtschaftlicher Schiffsverkehr möglich war, wurde ab 1908 der Fluss von Celle bis zur Leinemündung kanalisiert. Es wurden vier Staustufen mit Schleusen gebaut und die Fahrwassertiefe von ehemals 0,5 m auf über 1,5 m angehoben. Die Schleusen waren 165 m lang und 10 m breit. Die Tankschiffe mit 48,5 m Länge und 7,2 m Breite konnten 330 Tonnen laden. Wegen der vielen engen Schleifen der Aller waren keine größeren Schiffe möglich. In Wietze wurde ein Verladepier mit zwei Lagertanks errichtet. 1909 wurden rund 21.000 Tonnen Rohöl mit Schiffen von Wietze nach Bremen transportiert. Zwei weitere Tanks wurden am Bahnhof gebaut. Die Ölverladestelle in Wietze bestand bis Mitte der 1920er Jahre.

Der Ölboom veränderte Wietze innerhalb weniger Jahre. Die Infrastruktur wurde erheblich verbessert (Straßenausbau, „Ölbahn“, Ausbau der Aller, Energieversorgung). In Wietze wurde eine Raffinerie gebaut. Die Anzahl der Bohrbetriebe nahm so rasch zu, dass die meisten Arbeitskräfte keine Dauerwohnung im Ort fanden; der Anteil der Pendler betrug 90 Prozent. Zwischen 1900 und etwa 1915 entstand in Steinförde eine „Kolonie“, eine Vielzahl gleicher Wohnhäuser, die von den Erdölgesellschaften für die Arbeiter gebaut wurden.

Insgesamt waren in Wietze 52 Gesellschaften tätig, von denen 24 in der Deutschen Tiefbohr AG (später: Deutsche Erdöl AG = DEA) aufgingen. Wietze deckte zeitweise 80 Prozent der deutschen Inlandsnachfrage. Die Suche nach Erdöl wurde im Zuge des Ersten Weltkriegs noch intensiviert.

Im „Geographischen Anzeiger“ heißt es 1934: „Die Belegschaft des Werkes Wietze beträgt etwa 900 Mann, von denen viele aus dem weiteren Umkreis, meist auf Rädern, zur Arbeitsstelle kommen. Andere wohnen in einer ausgedehnten Siedlung um Wietze.“[4]

Bis zur endgültigen Stilllegung aller Betriebe 1963 aus wirtschaftlichen Gründen gab es in Wietze 2028 Bohrungen (etwa 1600 erfolgreiche) und ein Bergwerk mit einem Streckennetz von über 80 km Länge in Tiefen zwischen 222 und 325 m. Im Bergwerk wurden von Bergleuten (in der Region auch Ölmuckel genannt) zwischen 1918 und 1964 etwa eine Million Tonnen Erdöl aus Ölsand gewonnen.

Heute erinnern verschiedene Einrichtungen an die rund 100 Jahre dauernde Industriegeschichte in Wietze. Dies sind der etwa 55 m hohe „Ölberg“ – eine frühere Abraumhalde –, ein Lagerplatz, das Zentrallabor der RWE DEA und das Deutsche Erdölmuseum.

Politik

Gemeinderat

Der Rat der Gemeinde Wietze setzt sich aus 22 Ratsfrauen und Ratsherren, sowie dem direkt gewählten hauptamtlichen Bürgermeister zusammen.

CDU SPD FDP Grüne WGW WuW Vondracek Gesamt
2001 10 8 1 0 1 0 0 20 Sitze
2006 9 8 1 1 0 0 1 20 Sitze
2011 10 (45,5%) 7 (29,7%) 0 2 (10,6%) 0 2 (6,8%) 1 (4,8%) 22 Sitze

letzte Kommunalwahl am 11. September 2011[5]

Bürgermeister

Bürgermeister ist zurzeit Wolfgang Klußmann (CDU).

Geplanter Geflügelschlachthof

In Wietze hat das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg den Bau und den Betrieb eines Schlachthofes für Geflügel in 1,5 km Entfernung vom Ortsmittelpunkt genehmigt. Das Unternehmen Celler Land Frischgeflügel GmbH[6][7] plant in der noch zu errichtenden Anlage jährlich etwa 130 Millionen Masthühner zu schlachten. Zur Belieferung der Anlage werden in einem Umkreis von 150 km Aufzuchtbetriebe gesucht. Bei Realisierung der Endausbaustufe der Anlage wäre dies europaweit der größte Geflügelschlachthof und würde bis zu 1.000 Arbeitsplätze schaffen.

Tierschutzorganisationen kritisieren, dass Hühnermast in diesem Größenmaßstab ethisch nicht zu verantworten sei. In Wietze gründete sich eine Bürgerinitiative gegen die Ansiedlung von Massentierhaltung. Der Verwaltungsausschuss der Gemeinde hat ein Bürgerbegehren gegen den Schlachthof aus formalen Gründen abgelehnt. Die Bürgerinitiative hat dagegen bereits geklagt.

Verkehr

Wietze liegt an der B 214 von Celle über Schwarmstedt nach Nienburg, die sich etwa 10 km westlich von Wietze mit der BAB 7 kreuzt.

Die von Celle über Wietze und Schwarmstedt über Walsrode in Richtung Bremen führende Bahnlinie (Allertalbahn) wurde in den 1970er Jahren aufgegeben und Mitte der 1980er Jahre rückgebaut.

Öffentliche Einrichtungen

Die Gemeinde Wietze unterhält drei Kindertageseinrichtungen sowie Grund-, Haupt- und Realschule. Es gibt eine Polizeistation. Den vier Ortsfeuerwehren gehören rund 150 ehrenamtliche Helfer an. Die Feuerwehren verfügen über 13 Fahrzeuge.

In allen Ortsteilen gibt es eine Jugendfeuerwehr mit insgesamt fast 100 Mitgliedern.

Sehenswürdigkeiten

Stechinelli-Kapelle von 1692 in Wieckenberg zu Wietze

Eine Sehenswürdigkeit ist die 1692 erbaute Stechinelli-Kapelle im Ortsteil Wieckenberg. Sie hat die äußere Gestalt eines Bauernhauses, ist innen jedoch mit einer gut erhaltenen Barockausstattung versehen. Sie wurde 1699 geweiht. Erbauer war Francesco Maria Capellini, genannt Stechinelli (1640–1694), der Hofbankier des Celler Welfenherzogs Georg Wilhelm. Stechinelli hatte als Landdrost 1677 das adelige Gut in Wieckenberg erworben. 1678 wurde er zum General-Erbpostmeister der drei welfischen Herzogtümer (Lüneburg, Calenberg und Wolfenbüttel) ernannt.[8]

Nördlich von Wietze liegt das Naturschutzgebiet „Hornbosteler Hutweide“, ein 176 ha großes Gebiet, das 2004 unter Schutz gestellt wurde. Man findet hier zum Teil noch gut erhaltene Reste der ehemals typischen Hutelandschaft.[9] Heckrinder, und seit 2009 auch Przewalski-Pferde übernehmen die Beweidung dieses Teils der Allerniederung.

In Jeversen befindet sich das Contidrom, ein Testgelände der Continental AG zum Testen von Fahrzeugreifen.

Veranstaltungen

Im Laufe des Jahres finden verschiedene Veranstaltungen statt. Nennenswert sind das jährliche Schützenfest, das Hoffest der Feuerwehr, der Kartoffelmarkt, die Gewerbeschau, das altertümliche Treiben an der historischen Waldschmiede in Wieckenberg und mehrere Konzerte.

Vereinsleben

Damit das Freibad der Gemeinde nicht geschlossen werden muss, wurde ein Förderverein gegründet. Hier finden in unregelmäßigen Abständen Veranstaltungen wie Konzerte oder das 24-Stunden-Schwimmen statt.

Literatur

  • Bohrungen im Gebiet von Wietze, in: Zeitschrift Petroleum 1, Wien 1905/06, S. 63, 121 f.
  • Friedrich Behme: „Das Erdölgebiet von Wietze bei Celle“. Aus: Pumpen- und Brunnenbau, Bohrtechnik 13, Berlin 1917, S. 126
  • Matthias Blazek: „Steinförde während der Franzosenzeit“, in: Das Kurfürstentum Hannover und die Jahre der Fremdherrschaft 1803-1813. ibidem-Verlag: Stuttgart 2007, S. 87 ff. ISBN 978-3-89821-777-4
  • Paul Borstelmann: Beiträge zur Geschichte der Gemeinde Wietze mit Steinförde, Hornbostel, Jeversen, Wieckenberg. Wietze 1978
  • C. Engelke: Theergruben und Bohrungen nach Petroleum bei Wietze und Steinförde im Lüneburgischen. Jahreshefte des Naturwissenschaftlichen Vereins für das Fürstentum Lüneburg 7, Lüneburg 1874, S. 50 ff.
  • Otto Lang: Über Erdöl und Salz zu Wietze-Steinförde. Glückauf: Essen 1897, S. 627
  • Erich Seidl: Beschreibung der Salzlagerstätten Steinförde und Ovelgönne. — Erl. z. Blatt Winsen (Aller), M. Bl. 1744 (alt), Berlin 1911, S. 34
  • Jakob Stoller: Das Ölvorkommen von Wietze-Steinförde. In Harbort, E.; Seidl, E.; Stoller, J.: Erläuterungen zu Blatt Winsen ad Aller. Lieferung 187 der geologischen Karte von Preußen, Berlin 1916, S. 44

Weblinks

 Commons: Wietze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen – Bevölkerungsfortschreibung (Hilfe dazu)
  2. „Steinförde“ auf der Internetseite von Wietze.
  3. Geschichte der Ölförderung und Ölbahn.
  4. Geographischer Anzeiger – Blätter für den geographischen Unterricht, Bd. 35, hrsg. von Hermann Haack, Justus Perthes: Gotha 1934, S. 351.
  5. Vorläufiges Endergebnis der Kommunalwahl am 11. September 2011
  6. Celler Land Frischgeflügel.
  7. Geflügelschlachthof auf www.wietze-info.de.
  8. Vgl. Rüggeberg, Helmut, Vor 300 Jahren starb Stechinelli – Der arme Italiener wurde zum reichsten Mann des Fürstentums, Sachsenspiegel 48, Cellesche Zeitung vom 26. November 1994.
  9. NLWKN: NSG Hornbosteler Hutweide.

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