Breschnjew

Breschnjew
Leonid Iljitsch Breschnew (1974 in Wladiwostok)

Leonid Iljitsch Breschnew (russisch Леонид Ильич Брежнев  anhören?/i, wiss. Transliteration Leonid Il'ič Brežnev; ukrainisch Леонід Ілліч Брежнєв/Leonid Illitsch Breschnjew; * 19. Dezember 1906jul./ 1. Januar 1907greg. in Kamenskoje (heute Dniprodserschynsk/Ukraine); † 10. November 1982 in Moskau) war von 1964 bis 1982 Parteichef der KPdSU. Er war vierfacher Held der Sowjetunion.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Jugend und Ausbildung

Breschnew wurde in der Stadt Kamenskoje, dem heutigen Dniprodserschynsk als Sohn eines Metallarbeiters geboren. Er absolvierte eine technische Ausbildung. 1923 trat er der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol bei. Ab 1923 leistete Breschnew seinen Militärdienst in der Roten Armee. Dort wurde er nach einer Ausbildung zum Panzersoldaten Politkommissar.

Danach studierte er bis 1935 am Metallurgischen Institut in Dniprodserschynsk. Nach 1936 wurde er kurzzeitig Leiter dieses Instituts.

Erste Parteikarriere

1931 wurde er Mitglied der KPdSU. 1939 wurde er in Dnipropetrowsk (ukrainisch Дніпропетровськ) Parteisekretär im Gebietskomitee (d.h. Obkomsekretär im Oblast) von Dnipropetrowsk und zuständig unter anderem für Propaganda und für die lokale Verteidigungsindustrie.

Während und nach der Zeit der Stalinschen Säuberungen (auch Großen Säuberung) von 1936 bis 1939 machte Breschnew rasch Karriere. Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler stiegen in der Partei nunmehr vorrangig auf. Er gehörte zur ersten Generation von sowjetischen Kommunisten, die noch zu jung waren, um sich als Erwachsene an die Zeit vor dem Kommunismus zurückbesinnen zu können. In der Zeit, als Breschnew der Partei beitrat, war Josef Stalin unangefochtener Führer und für viele Jungkommunisten ein Idol.

Zweiter Weltkrieg

Am 22. Juni 1941 begann der Krieg gegen die Sowjetunion. Wie die meisten Politoffiziere wurde Breschnew unverzüglich in die Armee berufen. Sein Auftrag war die Evakuierung der örtlichen Verteidigungsindustrie von Dnipropetrowsk in den Osten. Die Stadt fiel am 26. August 1941 in deutsche Hände. Breschnew wurde erneut Politkommissar und im Oktober 1941 schließlich Brigadekommissar und stellvertretender Leiter der politischen Verwaltung der südlichen Front.

1942 wurde die Ukraine vollständig von den Deutschen besetzt. Breschnew wurde an die Front in den Kaukasus versetzt. Mit der Abschaffung der Kommissare und der Einführung der Einzelleitung wurde sein Dienstgrad Brigadekommissar in den Dienstgrad eines Obersten umgewandelt.

Im April 1943 wurde er mit der Leitung der politischen Abteilung der 18. Armee beauftragt. Dort lernte er auch Nikita Sergejewitsch Chruschtschow kennen, der zu einem wichtigen Schirmherrn Breschnews wurde. Als sich der Krieg zu Gunsten der Sowjetunion wendete, stieß die 18. Armee als Teil der 1. Ukrainischen Front über die Ukraine weiter nach Westen vor. Gegen Ende des Kriegs war Breschnew 1. Mitglied des Kriegsrates der 4. Ukrainischen Front. Mit dieser nahm er am 9. Mai 1945 an der Einnahme von Prag teil.

Im August 1946 wurde Breschnew mit dem Rang eines Generalmajors aus dem Militärdienst entlassen.

Aufstieg in der Nachkriegszeit

Nach zahlreichen Wiederaufbauprojekten in der Ukraine war Breschnew von 1946 bis 1947 Erster Obkomsekretär der Partei von Saporoschje und von 1947 bis 1950 von Dnipropetrowsk.

Von 1950 bis 1952 war Breschnew Erster Sekretär der Partei der Moldauischen Sowjetrepublik (heute Moldawien) und zugleich stellvertretender Deputierter des Obersten Sowjet, als Legislative formell das höchste Staatsorgan der Sowjetunion.

Breschnew gehörte seit 1952 dem Zentralkomitee der KPdSU an.

Von 1953 bis 1954 war er Erster Stellvertretender Leiter der politischen Hauptverwaltung der Armee.

Der Kalte Krieg

Leonid Iljitsch Breschnew
Breschnew und US-Präsident Carter bei der Unterzeichnung des SALT-II-Vertrags 1979
Parteiführer der KPdSU

Vom 16. Oktober 1952 bis zum 5. März 1953 und vom 27. Februar 1956 bis zum 16. Juli 1960 war Breschnew Sekretär des Zentralkomitees (ZK).

Von 1952 bis 1953 und von 1956 bis 1957 war er auch Kandidat des Politbüros der KPdSU.

1954 bis 1956 war Breschnew in Kasachstan Erster Sekretär der Partei. 1956 wurde er zum zweiten Mal ZK-Sekretär.

1957 versuchten Georgi Malenkow, Wjatscheslaw Molotow, Lasar Kaganowitsch und weitere erfolglos, Nikita Chruschtschow als Ersten Sekretär der Partei abzusetzen. Breschnew erreichte mit Chruschtschows Hilfe das höchste politische Gremium der Sowjetunion, er wurde am 29. Juni 1957 Vollmitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und blieb es bis zu seinem Tod am 10. November 1982.

1960 vertrat er im Zuge der U-2-Affäre - wie sein Förderer Chruschtschow - gemäßigte Positionen. Doch infolge dieser Krise setzten sich Politiker durch, die der seit 1959 betriebenen Politik der Annäherung an die USA, Chruschtschow war im September 1959 zu seinem ersten Treffen mit Eisenhower dorthin gereist, skeptisch gegenüber standen. Dazu gehörte Frol Romanowitsch Koslow, der Breschnew als „Kronprinz“ Chruschtschows verdrängte. Daher musste Breschnew im Mai 1960 seinen Platz als ZK-Sekretär erneut räumen. An Stelle von Kliment Woroschilow war er in der Zeit zwischen 1960 und 1964 Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets, also als Parlamentsoberhaupt auch Staatsoberhaupt der Sowjetunion. Sein unmittelbarer Nachfolger in diesem Amt wurde im Juni 1964 Anastas Iwanowitsch Mikojan, der dieses Amt aber bereits im Dezember 1965 an Nikolai Podgorny abgab. Politisch wurde der Wechsel in das Amt des nur formellen Staatsoberhaupts als ein Abstieg von der Macht bewertet.

Der Weg zum Parteichef

Es gelang ihm jedoch zunehmend, seine Position im Politbüro zu verbessern. Noch war Frol Koslow der zweite Mann nach Chruschtschow. Um 1960 und 1961 verloren mehrere Chruschtschow-Anhänger (Kiritschenko, Furzewa, Ignatow, Beljajew) ihre Politbüromandate. Koslow erlitt am 10. April 1963 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholen sollte und in dessen Folge er 1965 starb. Seit diesem Zeitpunkt war Breschnew de facto zweitmächtigster Mann hinter Chruschtschow. Dies wurde am 22. Juni 1963 auch formal deutlich. Zu diesem Zeitpunkt wurde Breschnew erneut - und zunächst unter Beibehaltung seines Postens als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR - zum dritten Mal Sekretär des ZKs. Spätestens im Juni 1964, als er das Amt des Staatsoberhauptes an Mikojan abgab, um sich auf seine Aufgaben als ZK-Sekretär „zu konzentrieren“, war Breschnew der potentielle Nachfolger Chruschtschows, der „Zweite Parteisekretär“. Er nutzte seine Chance. Mit der Mehrheit von Politbüro und Zentralkomitee wurde Chruschtschow nur vier Monate später, am 14. Oktober 1964, als Parteichef abgesetzt. Dabei warf man Chruschtschow unter anderem den Bruch mit der VR China, die Misserfolge in der Landwirtschaft und seinen Mangel an kollektivem Handeln vor. Es waren Michail Suslow, Dmitri Poljanski, Nikolai Podgorny und Alexei Kossygin, die Breschnew dazu verhalfen, neuer Erster Sekretär der KPdSU zu werden.

„Generalsekretär der Stagnation“

Am 8. April 1966 nahm er den Titel Generalsekretär der KPdSU an, eine Bezeichnung, die zuvor Josef Stalin von 1922 bis 1952 geführt hatte. Nachdem er sich machtpolitisch gegen seine Rivalen Alexei Kossygin und Nikolai Podgorny durchgesetzt hatte, war seine Position unantastbar geworden. Den Beginn dieses Wandels vernahm die sowjetische Bevölkerung als positiv, so versprach Breschnew durch seine Berechenbarkeit eine gewisse Stabilität nach dem reformfreudigen Chruschtschow.

Breschnew und Honecker unternehmen 1971 einen Jagdausflug

Im August 1968 ließ Breschnew den Prager Frühling gewaltsam durch eine Invasion von Truppen des Warschauer Pakts beenden und etablierte die so genannte Breschnew-Doktrin. Mit dieser Doktrin wurde von der Vormacht Sowjetunion die begrenzte Souveränität ihrer Satellitenstaaten in Osteuropa festgeschrieben. Andererseits blieb nach 1970 die sowjetische Unterstützung für die sozialistisch-demokratische Unidad-Popular-Regierung in Chile weitgehend rhetorisch, obwohl Salvador Allende gegen den drohenden Militär-Putsch um Wirtschafts- und Militärhilfe bat.

Am 19. Juni 1973 besuchte Breschnew die USA und führte Gespräche mit US-Präsident Richard Nixon.

Mit der Teilnahme am KSZE-Prozess, der seinen Abschluss 1975 in der Schlussakte von Helsinki fand, wollte Breschnew die Entspannungspolitik fördern.

Am 5. Mai 1976 wurde Breschnew zum Marschall der Sowjetunion ernannt.

1977 wurde Breschnew als Nachfolger von Podgorny erneut Vorsitzender des Präsidium des Obersten Sowjet und somit sowjetisches Staatsoberhaupt. Er vereinigte erstmals die Ämter des machtvollen Generalsekretärs der KPdSU und die des formellen Staatsoberhauptes in einer Person.

Leonid Breschnew galt als Apparatschik ohne hervorstechende Eigenschaften und personifizierte zum einen die Verkrustung und Erstarrung, der das Sowjetsystem zu seiner Zeit anheimgefallen war. Zum anderen waren die Jahre unter Breschnew auch der einzige Zeitabschnitt, in dem die Sowjetunion innerlich etwas zur Ruhe kam. Zwischen Revolution, Stalinismus, Entstalinisierung und später Perestroika waren die Jahre unter Breschnew die einzigen der gesamten Geschichte der Sowjetunion, in denen diese keine internen Verwerfungen erfuhr. Unter ihm sollte das Durchschnittsalter der Mitglieder des Politbüros über 70 Lebensjahre erreichen. Michail Gorbatschow bezeichnete die Breschnew-Ära später als „Zeit der Stagnation“, vom russischen Historiker Wiktor Kozlow später leicht spöttisch zum „Goldenen Zeitalter der Stagnation“ umgewandelt.

In der Innenpolitik leitete Breschnew eine "Restalinisierung" in Partei und Staat ein, deshalb spricht man auch vom so genannten Neostalinismus. So wurde unter anderem die Meinungsfreiheit wieder massiv eingeschränkt, die Strafen bei politischen Gesetzesbrüchen deutlich verschärft und der Versuch unternommen, Stalin wieder zu rehabilitieren und positiv erscheinen zu lassen, indem man seine großen "Verdienste" während des Zweiten Weltkrieges hervorhob[1].

Außenpolitisch profitierte Breschnew ab Anfang der 1970er Jahre von einer durch den verlorenen Vietnamkrieg hervorgerufenen temporären Schwäche der USA, die der Sowjetunion eine kurze Atempause im Rüstungswettlauf verschaffte. Dieser kurzen Phase der Entspannung – sie dauerte nur von ca. 1972 bis 1979 – setzte Breschnew mit der Invasion Afghanistans im Dezember 1979 selbst ein Ende. Dieses Unternehmen entwickelte sich zu einem Debakel. In der Folge scheiterte die Ratifizierung des SALT II-Vertrages vor dem US-Senat und es kam zum Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau durch die USA und 64 weitere Nationen, darunter auch der Bundesrepublik Deutschland.

Ende 1974 stellten die Ärzte bei Breschnew eine beginnende Hirngefäßverkalkung fest. In seinen letzten Lebensjahren erlitt Breschnew mehrere Schlaganfälle und Herzinfarkte, die seine intellektuelle Aufnahmefähigkeit stark herabsetzten. Er wurde als Generalsekretär aber immer wiedergewählt, unter anderem, weil seine Parteigänger ihre Posten behalten wollten und jede Veränderung fürchteten.

Breschnew war mit Viktoria Petrowna Breschnewa verheiratet. Die Tochter Galina Breschnewa war mit dem Generalleutnant Juri Tschurbanow – 1982 Erster Stellvertretender Innenminister – verheiratet, um den sich in dieser Zeit Korruptionsgerüchte rankten.

2006 kam ein Untersuchungsausschuss des italienischen Parlaments zu dem Ergebnis, dass das Attentat Ali Ağcas auf Papst Johannes Paul II. auf Weisung Breschnews vom sowjetischen Armeegeheimdienst GRU in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Geheimdienst und dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit in Auftrag gegeben wurde. Regierungsvertreter von Russland und Bulgarien widersprachen unverzüglich; die Birthler-Behörde erklärte, in ihren Akten gäbe es keine Hinweise auf eine Beteiligung des Ministeriums für Staatssicherheit und des sowjetischen Geheimdienstes an dem Attentat. [2]

Literatur

Primärliteratur

  • L. I. Breshnew: Auf dem Wege Lenins. Reden und Aufsätze. (9 Bände) Dietz-Verlag, Berlin 1971-1984
  • Leonid Breschnew: Über die Politik der Sowjetunion und die internationale Lage: Reden und Schriften. Pahl-Rugenstein, Köln 1973 ISBN 3-7609-0092-5
  • Leonid Breshnew: Für Frieden, Entspannung, Abrüstung. Aus Reden und Interviews 1971 - Februar 1980. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1980 ISBN 3-88012-606-2
  • L. I. Breshnew: Fragen der Agrarpolitik der KPdSU und die Erschließung der Neulandgebiete Kasachstans. Ausgewählte Reden. Dietz-Verlag, Berlin 1975

Sekundärliteratur

  • Leonid Breschnew. Umriß seines Lebens. Mit einem Vorwort von Leonid Breschnew. Verfasst unter der Schirmherrschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Bertelsmann, München 1978, ISBN 3-570-00408-2
  • Dmitri Wolkogonow: Die sieben Führer. Societätsverlag, Frankfurt 2001, ISBN 3797307748
  • Michel Tatu: Macht und Ohnmacht im Kreml. Von Chruschtschow zur kollektiven Führung. Ullstein, Frankfurt 1967
  • Merle Fainsod: Wie Russland regiert wird, Kiepenheuer & Witsch, Köln/Berlin 1965
  • Reinhard und Kathrin Meier: Sowjetrealität in der Ära Breschnew. Seewald, Stuttgart 1980, ISBN 3-512-00612-4
  • Göttinger Arbeitskreis: Die Sowjetunion im Übergang von Breschnew zu Andropow. Duncker und Humblot, Berlin 1984, ISBN 3-428-05529-2
  • Michael Voslensky: Sterbliche Götter. Die Lehrmeister der Nomenklatura. Ullstein, Frankfurt/Berlin 1991, ISBN 3-548-34807-6
  • Lothar Kölm (Hrsg.): Kremelchefs - Politisch-biographische Skizzen von Lenin bis Gorbatschow. Dietz, Berlin 1991, ISBN 3320016970.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aus: Wolfgang Leonhard: Die Dreispaltung des Marxismus. Ursprung und Entwicklung des Sowjetmarxismus, Maoismus & Reformkommunismus, Düsseldorf/Wien 1979, S. 251-256.
  2. Agca spricht von Verschwörern im VatikanArtikel in der Süddeutschen Zeitung vom 31. März 2005

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