- Chaostreff
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Chaos Computer Club
(CCC)
Der ChaosknotenZweck: Der Club fördert und unterstützt Vorhaben der Bildung und Volksbildung in Hinsicht neuer technischer Entwicklungen, sowie Kunst und Kultur im Sinne der Präambel oder führt diese durch. Vorsitz: Peter Franck Gründungsdatum: 16. Februar 1986 Sitz: Hamburg Website: http://www.ccc.de/ Der Chaos Computer Club (CCC) ist ein deutscher Verein, in dem sich Hacker zusammengeschlossen haben. Die Informationsgesellschaft – so der CCC – erfordere „ein neues Menschenrecht auf weltweite, ungehinderte Kommunikation“, weshalb der Club sich „grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt und mit den Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft sowie das einzelne Lebewesen beschäftigt“. [1]
Die Mitgliedschaft steht jedem offen, der sich mit diesen Zielen identifizieren kann. Obwohl die Hacker sich gerne als „galaktische Gemeinschaft“ sehen, die nicht auf Verwaltungsakte angewiesen sein will, gibt es einen eingetragenen Verein nach deutschem Recht mit etwa 2.300 Mitgliedern, mit dem hauptsächlichen Grund, nicht als terroristische Vereinigung zu gelten.[2] Der CCC wurde gegründet, um Hackern eine Plattform zu geben, so dass sie über Aktivitäten berichten konnten, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Die Mitarbeit im CCC ist nicht an eine Mitgliedschaft gebunden.
Struktur und Veranstaltungen
Der CCC e. V. ist dezentral in regionalen Gruppen organisiert. Kleinere Gruppen heißen Chaostreffs, während aktivere und größere sich Erfa-Kreise (Erfahrungsaustauschkreise) nennen.
Mitglieder und Interessierte treffen sich seit 1984 einmal jährlich zum Chaos Communication Congress. Außerdem fand im Sommer 1999 und 2003 das Chaos Communication Camp auf dem Paulshof nahe der Kleinstadt Altlandsberg auf dem Land statt, sowie 2007 auf dem Gelände des Luftfahrtmuseums Finowfurt. Der internationale Charakter des Camps hat sich inzwischen auf den Kongress übertragen, so dass dieser seinem Untertitel „Die europäische Hacker-Party“ nachkommt und Englisch als Konferenzsprache dominiert. Neben den vielen Vorträgen über technische und gesellschaftspolitische Themen gibt es auch Workshops, zum Beispiel über das Lockpicking. Zu Ostern findet regelmäßig in kleinerem Rahmen der workshoporientierte Easterhegg statt. Darüber hinaus gibt es über das Jahr verteilt seit Anfang des Jahrzehnts viele kleine Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen, die von regionalen Gruppen organisiert werden und teils ein offenes Zusammenkommen der Gemeinschaft sind, teils Vorträge zu einem bestimmten Thema bieten.
Der traditionelle CCCeBIT-Award wurde bis 2007 jedes Jahr zur Computermesse CeBIT in Hannover verliehen.
Die überwachungskritischen Demonstrationen Freiheit statt Angst werden vom Chaos Computer Club unterstützt und teilweise mit eigenen Mobilen begleitet.
Publikationen, Radio, Podcasts
Der CCC gibt die Zeitschrift Die Datenschleuder, das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende, heraus. Zusätzlich ist in den 80er Jahren in zwei Ausgaben die Hackerbibel erschienen, ein umfangreiches Kompendium und Sammelsurium mit zahlreichen Dokumenten der Hackerszene. Von 1989 bis 1992 gab der Verein mit der Chalisti eines der ersten deutschsprachigen elektronischen Magazine heraus. Die Hackerbibeln und alle Ausgaben der Datenschleuder bis zum Jahr 2000 sind digitalisiert und auf der Chaos-CD erhältlich. Außerdem wird seit dem 21. Chaos Communication Congress ein Tagungsband verfasst und veröffentlicht.
Des Weiteren wird auf dem Radiosender Fritz aus Potsdam an jedem letzten Mittwoch im Monat die Sendung Chaosradio ausgestrahlt. Weitere Radiosendungen des CCC sind C-RaDaR aus Darmstadt, /dev/radio aus Ulm, Radio Chaotica aus Karlsruhe, Fnordfunk aus Mainz, Pentaradio aus Dresden, Nerds on Air aus Wien und Hackerfunk aus Zürich. Im Chaosradio Podcast Network werden zahlreiche Podcasts des CCC angeboten.
Organisationsform
Der Chaos Computer Club hat 1999 zur Durchführung des Chaos Communication Camps die Chaos Computer Club Veranstaltungs GmbH gegründet. Diese richtet seitdem die Großveranstaltungen des CCC aus.
2003 kam die Wau Holland Stiftung als gemeinnützige Organisation hinzu, die seitdem Veranstaltungen und Projekte des CCC trägt.
Als eine Art „regionale Niederlassungen“ gibt es so genannte Erfa-Kreise (Erfahrungsaustausch-Kreis) und Chaostreffs. Die Erfa-Kreise sind fest in der Satzung verankert und bilden in der Regel lokale Vereine mit Clubräumen, während die Chaostreffs lose Zusammenkünfte von Mitgliedern und Interessierten sind. Erfa-Kreise existieren in 17 Städten: Berlin, Bremen, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Köln, Mainz, München, Trier, Ulm, Wien und Zürich.
Häufig arbeitet der CCC auch mit anderen Organisationen zusammen, die sich gegen Zensur, für Informationsfreiheit oder den Datenschutz einsetzen, wie dem FITUG und dem FoeBuD. Außerdem ist er Mitunterzeichner der gemeinsamen Erklärung des AK Vorrat zum Gesetzesentwurf über die Vorratsdatenspeicherung.
Geschichte
Gründung
Gegründet wurde der CCC am 12. September 1981 in Berlin am Tisch der Kommune I in den Redaktionsräumen der taz. Jedoch entwickelte sich der Club in den folgenden Jahren hauptsächlich in Hamburg, da sich die Gründungsmitglieder Wau Holland und Tom Twiddlebit dort aufhielten.
Anfang 1984 wurde die erste Ausgabe der Datenschleuder veröffentlicht.
In die Anfangszeit fällt auch die Veröffentlichung des Bausatzes zum Datenklo, einem selbst gebauten, postalisch nicht zugelassenen Modem. Schließlich wollte die weltweite Kommunikation gefördert werden, auch wenn dabei gegen Regeln der Bundespost verstoßen wurde.
Klage der Firma Vorwerk
Schon 1985 wurde der Club in eine Angelegenheit verwickelt, in der es um Informationsfreiheit ging – einem der späteren Schwerpunktthemen des CCC. Unter Berufung auf die Informationsfreiheit sammelten sich auf den BTX-Seiten des Clubs diverse Texte zu kontroversen Themen an.
So ließ sich auch ein Auszug aus der Dissertation „Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern“[3] von Michael Alschibaja Theimuras aus dem Jahr 1978 aufrufen. Da insbesondere Staubsauger des Typs Kobold der Firma Vorwerk zu Verletzungen führten, fürchtete der Traditionsbetrieb negative Schlagzeilen und sah sich daher durch den CCC geschädigt. Er verklagte den Club auf 500.000 DM Schadensersatz wegen Rufschädigung und verlangte von der Bundespost als Betreiberin des BTX-Systems eine Sperrung der Seite. Erst nachdem der Doktorvater der Dissertation und ein Betroffener nachgewiesen werden konnten, zog die Firma die Klage zurück.
Eingetragener Verein
Im Zuge der Novelle des zweiten Wirtschaftskriminalitätsgesetzes wurde die Computerkriminalität in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Ohne ein eingetragener Verein zu sein, hätte der CCC sehr schnell als kriminelle Vereinigung gegolten. Daher wurde 1986 der CCC e. V. gegründet und in das Vereinsregister Hamburg eingetragen. Eine Gemeinnützigkeit wurde jedoch vom Finanzamt Hamburg nicht anerkannt.
Der Verein soll seinen Mitgliedern behilflich sein bei Problemen, ausgelöst beispielsweise durch Netzwerkanalysen. Er ist das finanzielle Rückgrat der Datenschleuder und für Projekte zur Erforschung von neuen Technologien. Außerdem sind seine Sprecher als Sprachrohr der Hacker-Szene aktiv.
Ein Artikel in der Datenschleuder 60 bringt die Motivation zur Vereinsgründung auf den Punkt: „Die damals in Aussicht stehenden Ermittlungsverfahren (wegen NASA/Span-Hack etc.) sollten klar kanalisiert werden, um eine weitergehende Kriminalisierung der Hackerszene (§ 129a) zu verhindern und vor allem die Ermittlungsverfahren an (anwaltlich) gerüstete Stellen (Vorstand) zu lenken. Das hat auch soweit ganz gut funktioniert.“[4]
BTX-Hack
Öffentliche Bekanntheit erlangte der CCC am 19. November 1984 mit einer Aktion, die „BTX-Hack“ oder „Haspa-Hack“ genannt wurde.[5] Durch einen Datenüberlauf im BTX-System, das von der Bundespost als sicher bezeichnet worden war, wurden in einer Nacht knapp 135.000 DM der Hamburger Sparkasse (Haspa) auf das Konto des Vereins übertragen. Konkret wurde eine gebührenpflichtige Seite des BTX-Angebotes des CCC entsprechend oft aufgerufen und somit eine Fernmelderechnung zu Lasten der HaSpa aufgebaut.
Voraus ging eine Demonstration der Sicherheitslücke durch Wau Holland bei der 8. DAFTA, doch wurde das Problem bei der Post nicht behoben. Nach dem Hack erklärte Haspa-Vorstand Benno Schölermann, die Versicherung der Post, dass BTX sicher sei, sei falsch gewesen, und dass man vor der Tüchtigkeit der Leute vom CCC hohe Achtung habe.
Der CCC wurde in den kommenden Jahren bei der Schaffung des Datenschutzgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder konsultiert. Auch wurden Gutachten auf höchster politischer Ebene ausgestellt.
Nach dem BTX-Hack wurde der Ruf nach einer Veranstaltung immer lauter, auf der man sich den bekannten und noch kommenden Hacks widmen könne. So wurde kurzerhand Ende Dezember 1984 im Eidelstedter Bürgerhaus in Hamburg-Eidelstedt der erste Chaos Communication Congress veranstaltet.
NASA-Hack
An das von der NASA und ESA betriebene SPANet (Space Physics Analysis Network) waren weltweit etliche Großrechner insbesondere der Firma Digital angeschlossen. Auf Grund einer Sicherheitslücke im Betriebssystem VMS, die 1986 in den USA behoben wurde, aber erst Mitte 1987 in Europa, gelang es norddeutschen Hackern, Zugriff auf die Systeme und etliche Rechner in diesem Netzwerk zu erhalten. Hierzu zählten Maschinen der NASA, der ESA, Rechner der französischen Atomenergiekommission (Commissariat à l'Énergie Atomique), Universitäten und Forschungseinrichtungen. Nachweislich konnte jedoch nur Schaden auf Rechnern des als „Hacker-Fahrschule“ getauften CERN entdeckt werden, von wo aus weitere Netze erreicht werden konnten.
Die norddeutschen Hacker wandten sich, als ihnen die Situation zu „heiß” wurde, an den CCC. Dieser wiederum kontaktierte im August 1987 das Bundesamt für Verfassungsschutz, das sich nicht zuständig fühlte und von daher der Bitte, Hinweise an die US-amerikanischen Kollegen beim CIA weiterzugeben, nicht nachkam. Als Folge gab es im September 1987 aufgrund von Strafanzeigen vom CERN in der Schweiz und von Philips Frankreich etliche Hausdurchsuchungen durch das BKA in Zusammenarbeit mit der französischen Staatsanwaltschaft. Es wurde der Vorwurf erhoben, dass die Rechner der Rüstungsfirma Thomson in Grenoble geknackt, die Datenbestände der Zementfabrik Lafarge gelöscht und bei Philips möglicherweise Konstruktionspläne für einen Chip ausspioniert wurden.
Als glücklich mag sich erwiesen haben, dass CCC-Pressesprecher Steffen Wernéry während der Hausdurchsuchung ein in der Nähe befindliches TV-Team des Senders Sat.1 traf. Damit wurde die Hausdurchsuchung Teil der Live-Berichterstattung in den Abendnachrichten des Senders.
Am 14. März 1988 reiste Wernéry zur SECURICOM 88, dem 6. Internationalen Kongress über Datenschutz und Datensicherheit, nach Paris. Bei der Ankunft am Flughafen wurde er auf Grund einer Strafanzeige von Philips Frankreich verhaftet und zum Verhör festgehalten. Am 20. Mai 1988 wurde er aus der Haft entlassen und konnte nach Deutschland zurückkehren.
KGB-Hack
Aus dem NASA-Hack entstand der KGB-Hack, oder vielmehr haben beide parallel stattgefunden und es waren auch die gleichen Personen beteiligt. Zusammengefasst wurden erspähte Daten aus westlichen Computern in den Osten verkauft. Der Hauptbeteiligte Karl Koch wurde nach mehreren Therapien zur Erholung von seiner Drogensucht und nach Aussagen gegenüber dem Verfassungsschutz im Juni 1989 verbrannt aufgefunden.
Der KGB-Hack wurde in Literatur und Filmen verarbeitet. Clifford Stoll berichtet in seinem Artikel „Stalking the Wily Hacker“, seinem Buch Kuckucksei und in der Fernsehdokumentation Der KGB, der Computer und Ich, wie er den Hackern bei ihren Rechnereinbrüchen in den USA auf die Spur kam und wie er sie zurückverfolgte. Der deutsche, 1998 entstandene Film 23 – Nichts ist so wie es scheint schildert das Geschehen aus der Sicht der Gejagten.
Infolge des KGB-Hacks und der Ermittlungsarbeiten durch den Verfassungsschutz wurde besonders im Hamburger Club das Misstrauen unter den eigenen Mitgliedern immer größer. Die nächsten Jahre waren davon geprägt, dass kaum noch große Aktionen angegangen wurden. Dessen ungeachtet wurde weiterhin regelmäßig der jährliche Chaos Communication Congress ausgerichtet, auch die Datenschleuder erschien meist vier Mal im Jahr, und auf der CeBIT traf man sich jährlich am Chaosdienstag zur „Belagerung” der Post, später dann der Telekom.
Wiedervereinigung unter Hackern
Die politische Wende in Deutschland nach dem Mauerfall nutzte der CCC, um Verbindungen in die damalige DDR zu knüpfen. Zwar hatte der Osten in den späten 80er Jahren stark in der Computertechnik aufgeholt (was hauptsächlich auf Nachbauten von Westcomputern zurückzuführen war), jedoch waren der Zugang und die Beschaffung von West-Technik durch die CoCom-Liste untersagt geblieben oder unerschwinglich teuer.
Schon im Februar 1990 wurde eine „Hacker-Wiedervereinigung“ unter dem Namen KoKon („Kommunikationskongress”; die Anlehnung an CoCom war durchaus beabsichtigt) im Haus der jungen Talente im Berliner Osten ausgerichtet. Die zweitägige Veranstaltung wurde vom Computer Club im HdjT zusammen mit dem Chaos Computer Club organisiert. In Folge dessen wurde ein neuer CCC Berlin gegründet, der sich in den Wirren der Wiedervereinigung einen Clubraum in Berlin-Mitte, zwischen Friedrichstraße und Reichstag gelegen, ergattern konnte. Außerdem wurde beim Aufbau eines ersten Datenkommunikationsnetzes in der DDR mitgewirkt.
Dezentralisierung des Clubs
Aufgrund diverser Meinungsverschiedenheiten, insbesondere mit dem Stammclub in Hamburg, entwickelten sich Anfang der 90er Jahre immer mehr regionale Gruppen des CCC, die jedoch oft nicht zur Zusammenarbeit mit Hamburg zu bringen waren. Neben der schon angesprochenen Neugründung in Berlin gab es einen CCC in Oldenburg, in Lübeck (der zeitweilig die Herausgabe der Datenschleuder koordinierte), eine Gruppe in Ulm und eine in Bielefeld. Hier entstand sogar auf Initiative der Künstler Rena Tangens und padeluun der Verein FoeBuD, der heute die BigBrotherAwards ausrichtet und in Bereichen des Datenschutzes und der Überwachung mit dem CCC zusammenarbeitet.
Dazu kommt eine ganze Reihe an kleinen Clubs, die an Orten entstanden, in die es ehemalige Mitglieder der großen Clubs verschlug. Dazu zählen die Gruppen in Köln oder Heidelberg.
Als problematisch wurde die Dezentralisierung nie empfunden, da in der Hackerethik die Förderung der Dezentralität als wichtiges Ziel betont wird. Selbst die 1986 verabschiedete Satzung des CCC e. V. sah die Gründung von eigenständigen Erfahrungsaustausch-Kreisen (Erfa-Kreisen) vor. Lediglich heute noch vorkommende „Rivalitätskämpfe“, wie zwischen Hamburg und Berlin, beeinflussten die Produktivität und führten dazu, dass manche Mitstreiter dem CCC vollends den Rücken kehrten.
Trittbrettfahrer
Zur Zeit des beginnenden Internetbooms war das Geschäft mit technisch schlecht beratenen Personen besonders gut. Auf diesen Zug sprangen Personen wie Sönke Ungerbühler auf.[6] Als vorgebliches Mitglied des CCC behauptete er gegenüber Vorstandsmitgliedern von Banken und Wirtschaftsunternehmen, dass er durch Hacking auf brisante Informationen gestoßen sei, die für die Presse ein gefundenes Fressen seien. Gegen Zahlung von mehreren Tausend DM würde er jedoch schweigen und das aufgedeckte Material übergeben. Die Treffen wurden meistens in London, Cambridge oder Brüssel vereinbart, wo Ungerbühler dann einen Satz leere Disketten überreichte. Aus Angst vor Rufschädigung wurden diese Betrugsfälle eher nicht zur Anzeige gebracht. So trieb Ungerbühler lange Zeit im Namen des CCC sein Unwesen, ohne dass der Verein davon wusste. Aus der ersten Haft, die durch einen vorsichtigen Journalisten eingeleitet wurde, konnte Ungerbühler nach London fliehen. Dort kam es zu weiteren Treffen, jedoch konnte ihn ein Sportartikelhersteller zur Übergabe in Deutschland überreden, wo er von der Polizei überwältigt werden konnte. Nach seiner Festnahme berichtete Ungerbühler, dass ihm das Schweigegeld von den verunsicherten Führungskräften teilweise geradezu aufgedrängt worden sei. Außerdem habe Ungerbühler laut eigener Aussage keine Ahnung von Computern.
Häufig im CCC-Umfeld anzutreffen war in dieser Zeit Kim Schmitz alias Kimble, der sich als Sicherheitsberater ausgab. Er beteiligte sich an der Newsgroup de.org.ccc im Usenet und wurde somit oft mit dem CCC in Verbindung gebracht. Nach seiner Verurteilung wegen Betrugsdelikten erhielt er ein bis heute andauerndes Hausverbot zu CCC-Veranstaltungen.
GSM-Hack
Ende 1997 wurde der Algorithmus COMP128 bekannt, der für die Verschlüsselung des so genannten Identifikations-Code auf GSM-Karten – in Deutschland nur von Mannesmann Mobilfunk – verwendet wurde. Dadurch wurde es technisch möglich, eine GSM-Karte zu klonen, was der CCC im Frühjahr 1998 bewies.
Mit geklonten Karten lassen sich nicht nur Gespräche auf Kosten des ursprünglichen Teilnehmers absetzen, es wird auch mit seiner Identität telefoniert. Eine einmal eingegebene PIN muss kein weiteres Mal eingegeben werden. Insbesondere Händler von GSM-Karten standen somit in Verdacht, die entdeckte Lücke ausnutzen zu können; denn sie hatten ungestörten Zugang zu Karten und den dazugehörigen PINs, da die damals verwendeten Briefe leicht zerstörungsfrei geöffnet und später wieder geschlossen werden konnten.
Das Problem konnte nur durch Umstellung des Verschlüsselungsverfahrens und Austausch der Karte behoben werden. Jedoch sollen laut dem Weltmarktführer bei SIM-Karten, Schlumberger, selbst 2002 noch etwa 30 % der im Umlauf befindlichen Karten mit dem anfälligen COMP128-Algorithmus ausgestattet gewesen sein.
1998 wurde Tron, ein Hacker aus dem Umfeld des Berliner CCC, erhängt aufgefunden. Der Fall ist offiziell als Selbstmord abgeschlossen. Seine Eltern und ein Teil der Mitglieder des CCC sind jedoch der Ansicht, dass es kein selbstbestimmter Tod war.
Camp und Regionalveranstaltungen
1999 fand in Altlandsberg das erste Chaos Communication Camp mit etwa 1.500 Personen und dem bislang weltweit größten zivilen Freiluft-LAN statt.
Ostern 2001 kehrte der CCC mit dem ersten Easterhegg in das Eidelstedter Bürgerhaus zurück. 2002 kamen die jährlich stattfindende Gulaschprogrammiernacht (GPN) des Karlsruher Erfa-Kreises und die Intergalaktische Club-Mate Party (ICMP) des Erlanger Erfa-Kreises hinzu, ein kleines Hacker-Camp, das alle zwei Jahre in Münchsteinach in der Nähe von Erlangen stattfindet. Seit 2004 veranstaltet der Erfa-Kreis Dresden jährlich die zweitägige Informationsveranstaltung Datenspuren.
Blinkenlights
Im Jahr 2001 feierte der Club sein 20-jähriges Bestehen mit der interaktiven Lichtinstallation Blinkenlights am „Haus des Lehrers” auf dem Alexanderplatz in Berlin. Im Oktober 2002 entstand mit dem Fortsetzungsprojekt Blinkenlights Arcade an der Fassade der neuen Bibliothèque nationale de France in Paris mit 3.370 m² das größte Display aller Zeiten. 2008 wurde eine weitere Fortsetzung in Toronto umgesetzt: Blinkenlights Stereoscope.
Internetzensur in Nordrhein-Westfalen
Im Herbst 2001 zeigte die Bezirksregierung Düsseldorf mit ihrem Regierungspräsident Jürgen Büssow an der Spitze Bestrebungen, unter Berufung auf den Mediendienstestaatsvertrag „ungewünschte“ Inhalte (zumindest in Nordrhein-Westfalen) im Internet zu filtern. Eine der Aktionen des CCC war im April 2002 die erste von ihm organisierte Straßendemonstration in seiner Geschichte. Etwa 400 Teilnehmer zogen durch die Düsseldorfer Altstadt mit Kundgebung vor dem Schlossturm und Abschlusskundgebung bei einem direkten Gespräch mit Jürgen Büssow vor dem Gebäude der Bezirksregierung. Hierbei wurde ihm eine rote Netzwerkkarte und ein Ausdruck der von der Initiative ODEM erstellten Unterschriftenliste gegen die Netzzensur überreicht. Einfluss auf die Sperrungsverfügung hatte diese Aktion nicht, denn die zu sperrenden Webseiten sind weiterhin nicht aus Nordrhein-Westfalen zu erreichen.
T-Com-Hack
Am 26. Juli 2004 veröffentlichte der freie IT-Unternehmer Dirk Heringhaus in der Datenschleuder einen Bericht über Sicherheitslöcher im Auftragsabwicklungssystem OBSOC der Deutschen Telekom. Heringhaus bezeichnete diese Aktion als T-Hack. Es handelte sich aber nicht um einen Hack im eigentlichen Sinn, sondern um den Zugriff auf abgeänderte URLs, was den Zugang zu geschützten Daten in der OBSOC-Datenbank ermöglichte. Das Problem konnte nur durch massiven Aufwand der Deutschen Telekom behoben werden.
Nedap-Hack
Mitglieder des CCC und die niederländische Stiftung “Wij vertrouwen stemcomputers niet” („Wir vertrauen Wahlcomputern nicht“) demonstrierten im Dezember 2006, wie leicht sich ein Wahlcomputer der Firma Nedap manipulieren lässt.[7][8] Auswirkungen des Hacks waren erhöhte Sicherheitsmaßnahmen bei mehreren Wahlen in Deutschland, ein Verzicht der Stadt Cottbus und weiterer kleiner Gemeinden, Wahlcomputer zu kaufen[9], und der Entzug der Zulassung für Wahlcomputer der Firma SDU sowie der Firma Nedap in den Niederlanden.[10] Aufgrund des Hacks ist seit Anfang 2007 in Deutschland eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Dazu führte der CCC in Zusammenarbeit mit der Stiftung “Wij vertrouwen stemcoputers niet” eine Untersuchung durch, die im Mai 2007 veröffentlicht wurde[11]. Die Untersuchung fasst die bereits aufgedeckten Mängel zusammen, beschreibt neue Angriffsszenarien und rät von der Verwendung von Nedap-Wahlcomputern ab. Die öffentliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Wahlprüfungsbeschwerde ist für den 28. Oktober 2008 angesetzt. Mit dem Urteil vom 3.3.2009 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Einsatz der Wahlcomputer bei der Bundestagswahl 2005 für verfassungswidrig[12].
23. Januar 2008: Der Staatsgerichtshof Hessen weist den Antrag des CCC auf einstweilige Anordnung zurück und lässt die Wahlcomputer für die hessischen Landtagswahlen zu.
„Wie der Staatsgerichtshof in Hessen heute nachmittag bekannt gab, dürfen bei der hessischen Landtagswahl am kommenden Sonntag die NEDAP-Wahlcomputer nun doch eingesetzt werden. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit formalen Gründen, da eine Überprüfung prinzipiell erst nach der Wahl in einem Wahlprüfungsverfahren zulässig sei. Zur Verfassungsmäßigkeit der Verwendung von Wahlcomputern hat das Gericht daher keine Stellung genommen. Der Chaos Computer Club (CCC) bedauert dies, da dem Land Hessen angesichts der prognostizierten engen Ergebnisse nun Nachwahlen drohen, sollte nach der Wahl ein Prüfungsverfahren angestrengt werden.“ (Quelle: Webseite des CCC)
Nach der Landtagswahl in Hessen am 27. Januar 2008 legte der CCC beim Staatsgerichtshof Hessen einen Einspruch gegen die Wahl ein. Bisher ist dazu noch nicht entschieden worden. Für die neuerliche Landtagswahl im 18. Januar 2009 wurde vom hessischen Innenministerium keine Genehmigung zum Einsatz der Wahlcomputer mehr erteilt.
Fingerabdruckveröffentlichung
Ende März 2008 veröffentlichte der CCC in seiner Mitgliederzeitschrift einen angeblichen Fingerabdruck von Innenminister Wolfgang Schäuble[13]. Dies geschah aus Protest gegen die geplante Ausweitung der Verwendung von biometrischen Daten, z. B. im sogenannten E-Pass. Der CCC wollte damit deutlich machen, wie leicht der eigene Fingerabdruck „gestohlen“ werden könne. Im vorliegenden Fall seien die Fingerabdrücke von einem Wasserglas abgenommen worden, aus dem Wolfgang Schäuble bei einer Podiumsdiskussion getrunken haben soll.[14] Schäuble kommentierte den Bericht: „Mein Fingerabdruck ist kein Geheimnis, den kann jeder haben“[15].
Ehrenmitglieder
Bekanntere Ehrenmitglieder des Chaos Computer Clubs sind:
- Wau Holland
- Andy Müller-Maguhn
- padeluun
- Rena Tangens
- Konrad Zuse (laut Beschluss der Mitgliederversammlung 1995, ist ihm zu Lebzeiten nicht mehr mitgeteilt worden)
- Horst Völz
- Günther Leue
- Steffen Wernéry
- John Young
- Ralf Prehn
- Peter Glaser
- Hartmut Schröder
Logos
Im CCC und Umfeld sind drei Logos anzutreffen:
- Der „Chaosknoten“ oder „Datenknoten“ als offizielles Logo des CCC e. V., entworfen von Wau Holland; er ist ein spiegelbildlich dargestelltes Logo des Bundespost-Kabel-TV mit verlängertem und verknotetem Kabelausgang.
- Das „Pesthörnchen“ oder der „Datenpirat” als Logo der Community; ursprünglich von Reinhard Schrutzki 1990 für den FoeBuD entworfen [16], stellt es ein zum Totenkopf mutiertes altes Bundespost-Logo (noch mit Telekommunikationsblitzen) dar.
- Die Rakete „Fairydust“ als Logo von CCC-Veranstaltungen; schon zum 1. Chaos Communication Camp 1999 wurde die kleine, bauchige und dreifüßige Rakete als Logo verwendet, erhielt jedoch erst zum 2. Camp 2003 ihren Namen und wird inzwischen, als sieben Meter großer und begehbarer Nachbau, beim Chaos Communication Congress und anderen Veranstaltungen angetroffen.
Quellen
- ↑ Präambel der Satzung des CCC.
- ↑ FAQ, Fragen zum Club auf der offiziellen Webseite
- ↑ http://devnull-de.org/DOKTORARBEIT_Penisverletzungen_bei_Masturbation_mit_Staubsaugern.pdf
- ↑ Datenschleuder. Nr. 60, September 1997, S. 26 Sp. 1 (http://chaosradio.ccc.de/media/ds/ds060.pdf ; Stand: 10. März 2008).
- ↑ Der CCC im „Heute Journal“ des ZDF zum BTX Hack, 1984
- ↑ Usenet-Posting von Wau Holland, [1], 6. Januar 1997, <6ONvrucoeMB@wau6458.other.thur.de>
- ↑ Der Nedap Hack
- ↑ Demonstration der Manipulierbarkeit von Nedap Wahlcomputern
- ↑ Cottbus verabschiedet sich von Wahlcomputern heise.de, 29. Januar 2007
- ↑ SDU-Wahlcomputer von niederländischen Parlamentswahlen ausgeschlossen heise.de, 30. Oktober 2006
- ↑ Beschreibung und Auswertung der Untersuchungen an NEDAP-Wahlcomputern vom 30. Mai 2007
- ↑ Einsatz von Wahlcomputern verfassungswidrig Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
- ↑ Das biometrische Sammelalbum. Deutsche Edition 2008, in: Die Datenschleuder. Das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende, Nr. 92, März/April 2008, Seite 57 ISSN 0930-1054
- ↑ heise online: CCC publiziert die Fingerabdrücke von Wolfgang Schäuble vom 29. März 2008
- ↑ Zeit Online: „Schäubles Zeigefinger gehackt“ vom 30. März 2008
- ↑ Pesthörnchen: Die Pesthörnchen-Entstehung auf den Webseiten von Reinhard Schrutzki
Literatur
- Daniel Kulla: Der Phrasenprüfer. Szenen aus dem Leben von Wau Holland, Mitbegründer des Chaos Computer Clubs. Löhrbach 2003, ISBN 3-922708-25-0.
- Wau Holland – Der Tod eines Hackers (Online-Artikel)
- Jürgen Wieckmann, Chaos Computer Club: Das Chaos Computer Buch. Hacking made in Germany Wunderlich (Rowohlt), Reinbek 1988, ISBN 3805204744.
- Thomas Ammann u. a.: Hacker für Moskau. Deutsche Computer-Spione im Dienst des KGB Wunderlich (Rowohlt), Reinbek 1989, ISBN 3805204906.
Weblinks
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