Die Liebenden (1958)

Die Liebenden (1958)
Filmdaten
Deutscher Titel Die Liebenden
Originaltitel Les Amants
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 1958
Länge 90 Minuten
Altersfreigabe FSK 16
Stab
Regie Louis Malle
Drehbuch Louis Malle,
Louise Lévêque de Vilmorin
Produktion Louis Malle
Musik Johannes Brahms
Kamera Henri Decaë
Schnitt Léonide Azar
Besetzung

Die Liebenden (Originaltitel: Les amants) ist ein Spielfilm des französischen Regisseurs Louis Malle mit Jeanne Moreau aus dem Jahre 1958. Er basiert (ungenannt) auf der Novelle Nur eine Nacht (Originaltitel: Point de lendemain) von Vivant Denon.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Der Film spielt im Frankreich der 50er Jahre. Jeanne Tournier ist mit einem wohlhabenden und gutsituierten Verleger, Henri Tournier, verheiratet, der ganz in seinem Beruf aufgeht und seine wunderschöne Frau kaum beachtet. Im Einverständnis mit ihrem Mann besucht Jeanne etwa einmal im Monat ihre Freundin Peggy in der Großstadt Paris, um sich zu „amüsieren“. Dort lernt sie über Peggy den erfolgreichen, gutaussehenden und charmanten Polospieler Raoul Flores kennen, der sie heftig umwirbt, und für den Jeanne etwas fühlt, das ihr als Liebe vorkommt. Hin und her gerissen zwischen der ländlichen Tristesse ihrer Ehe und dem ungleich verheißungsvolleren Leben bei Peggy und Raoul, fährt Jeanne immer öfter nach Paris. Ihr Mann beginnt eifersüchtig zu werden und setzt durch, dass Peggy und Raoul (von dem Jeanne ihm immerzu vorschwärmt) zu Besuch kommen. Jeanne fährt daraufhin nach Paris, um die beiden einzuladen, auch wenn sie selbst vor dem Zusammentreffen der beiden Männer Angst hat.

Die beiden sagen zu, und Jeanne fährt einige Stunden vor ihnen los, um die Gäste dann am Abend bei sich zu empfangen. Auf dem Weg hat sie jedoch eine Autopanne und muss einen zunächst etwas mürrischen und flegelhaften Autofahrer, den Archäologiestudenten Bernard, bitten, sie mitzunehmen. Endlich zuhause angekommen, sind Peggy und Raoul bereits da und unterhalten sich im Garten mit Jeannes Ehemann Henri. Dieser drängt den hilfsbereiten Bernard dazu, die Nacht über zu bleiben und am gemeinsamen Abendessen teilzunehmen, obwohl Bernard als einfacher Student augenscheinlich nicht in die High-Society-Villa des Verlegers passt und von allen eher abschätzig behandelt wird. Das gemeinsame Abendessen wird dann schließlich – wie befürchtet – zu einem Debakel für Jeanne: Henri mimt einen verliebten Ehemann, um seinen Nebenbuhler zu demütigen; Raoul, ohne um Jeanne zu kämpfen, offenbart sich als oberflächlicher, geistloser Schwätzer, und Peggy sich als dumme, der Mode hinterlaufende, ebenso geistlose Frau.

So brechen für Jeanne sowohl ihr altes, ohnehin nicht mehr lebbares Eheleben wie auch ihr zweites, scheinbar glamouröses, aber im Grunde ebenfalls leeres und auf einem schönen Schein aufgebaute Leben gleichermaßen zusammen. Als sie in der Nacht dann laute Musik aus der Bibliothek hört – in der sich Bernard auf Einladung Henris frei aufhalten darf –, läuft sie nach unten, sieht aber niemanden. Nachdem sie die Musik leiser gedreht hat und annimmt, der Gast sei schon schlafen gegangen, läuft sie in den Garten, um der drückenden Schwere des Hauses zu entfliehen.

Im Garten begegnet sie Bernard, den sie zunächst harsch zurückweist, der sich jedoch beharrlich für sie interessiert und mit ihr in ein ernstes Gespräch kommen möchte. Er verzichtet auf Floskeln und Oberflächlichkeiten, kritisiert vielmehr Jeanne offen für ihre falschen Lebensentwürfe, genauso wie er die übrigen Personen aus Jeannes Umgebung für ihre affektierte und „aufgeblasene“ Art verabscheut. Die beiden verlieben sich „durch einen einzigen Blick“, wie es die immer wieder auftauchende auktoriale weibliche Stimme aus dem Off nennt, und erleben eine lange und intensive Liebesnacht, in der es ihnen scheint, als hätten sie sich schon immer gekannt und als würden nun alle Träume und unerfüllten Begierden ihres Lebens in Erfüllung gehen.

Am nächsten Morgen reisen sie beide, ohne sich den Anderen zu erklären, gemeinsam ab und fahren in Bernards Ente ins Ungewisse einer verheißungsvollen, aber unsicheren und vor allem unbekannten Zukunft. Während jedoch Bernard das gegenwärtige Glück ganz ungebrochen zu genießen scheint, erlebt Jeanne die Loslösung von ihrem alten Leben und ihrem falschen, maskenhaften Selbst als schmerzvollen Prozess. Aber beide sind sicher, das Richtige zu tun.

Würdigung und Rezeption

Im Zentrum des Films steht die ausführliche und durch ekstatische Violinmusik von Johannes Brahms untermalte Inszenierung der Liebesszene zwischen Jeanne und Bernard, die sich immer wieder beteuern: „Ich liebe dich!“ – „Ich liebe dich wirklich!“ Im Kontrast zu dieser „absoluten“, bedingungslosen Liebe steht die Leere und Maskenhaftigkeit der bourgeoisen High Society, die Malle sowohl in ihrer zynisch-konservativen (der Ehemann Henri) wie auch in ihrer hedonistisch-prunksüchtigen Form (Peggy, Raoul) als oberflächlich und innerlich erstarrt darstellt.[1]

Durch seine Verherrlichung des Ehebruchs und die Betonung des Konventionen sprengenden Charakters der Liebe wurde der Film bei seinem Erscheinen in den 50er Jahren als Skandalfilm empfunden:

„Bei der internationalen Premiere 1958 löste Les Amants einen beträchtlichen Skandal aus, weil dargestellt wird, wie eine Ehefrau und Mutter wegen eines jungen Mannes ihre Familie verlässt. Das oberste Gericht der USA hatte eine Klage wegen Obszönität zu behandeln […], obschon der Film nach heutigen Standards sexuell keineswegs explizit ist.“[2]

Um nicht zu zeigen, dass Jeanne nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihre kleine Tochter zurücklässt, eliminierte die deutsche Verleihfirma alle Szenen, in denen das Kind auftaucht, aus dem Film.[3] Auch eine Sequenz, die das Paar gemeinsam in der Badewanne zeigt, wurde entfernt. Das deutsche Fernsehen stellte später die vollständige Fassung wieder her.

Obgleich Die Liebenden in Deutschland nicht allzu bekannt wurde, war der Film international eines von Malles bekanntesten Werken und festigte seinen Ruf als bedeutender Regisseur der Nouvelle Vague. Bei den Filmfestspielen von Venedig wurde Die Liebenden 1958 mit dem „Spezialpreis der Jury“ ausgezeichnet sowie für den Goldenen Löwen nominiert. Ein Jahr später wurde Alain Cuny als bester Darsteller mit dem französischen Filmpreis Étoile de Cristal geehrt.

Der film-dienst schreibt über den Film:

„Malle inszenierte seinen zweiten Spielfilm mit ironisch unterspülter Präzision und poesievoll-romantischer Delikatesse. Seine beachtlichen künstlerischen Qualitäten überzeugen im Gegensatz zu seiner Wertung als ‚erotischer Skandalfilm‘ zur Uraufführungszeit auch heute noch.“

Lexikon des internationalen Films

Urteil des Supreme Court

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten urteilte 1963 in seiner Entscheidung zu Jacobellis v. Ohio (378 U.S. 184), dass der Film nicht „obszön“ (engl: obscene), und daher durch den 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt ist.[4] Zuvor war Nico Jacobellis, der den Film in seinem Kino zeigte, von einem Gericht in Ohio für schuldig befunden worden. Der Oberste Gerichtshof von Ohio bestätigte das Urteil, bis es in letzter Instanz verworfen wurde.

Das Statement „I know it when I see it“ von Richter Potter Stewart in der Begründung seines Sondervotums wurde zu einem der bekanntesten Zitate des Obersten Gerichts.[5] Stewart erklärte, dass Hard-Core-Pornographie nicht durch die Verfassung geschützt sei, und obwohl er keine Definition für diese Art von Inhalt angeben kann, Die Liebenden nicht darunter falle.

„I shall not today attempt further to define the kinds of material I understand to be embraced within that shorthand description ["hard-core pornography"]; and perhaps I could never succeed in intelligibly doing so. But I know it when I see it, and the motion picture involved in this case is not that.“

„Ich werde heute nicht weiter versuchen die Art von Inhalten zu definieren, die ich durch diese Beschreibung ["Hard-Core-Pornographie"] umfasst sehe; und vielleicht könnte ich dies niemals in einer klaren Art und Weise tun. Aber ich weiß es, wenn ich es vor mir sehe, und der Film in diesem Fall gehört nicht zu dieser Art von Inhalten.“

Potter Stewart

Sonstiges

Als Filmmusik ist das Streich-Sextett Opus 18 in B-Dur (2. Satz) von Johannes Brahms zu hören.

Literatur

  • Vivant Denon: Nur eine Nacht (Originaltitel: Point de lendemain). Deutsch von Otfried Schulze. Mit Illustrationen von Frank Bornemann, Fischer, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-596-13841-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Sense of Cinema: Rezension.
  2. Tom Dawson, BBC Film Reviews, zit. n. [1].
  3. Vgl. Besprechung bei Xenix.
  4. Urteil im Volltext auf Wikisource
  5. Paul Gewirtz, "On 'I Know It When I See It'", Yale Law Journal, Vol. 105, S. 1023-1047 (1996)

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