- Eduard Norden
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Eduard Norden (* 21. September 1868 in Emden; † 13. Juli 1941 in Zürich) war ein deutscher klassischer Philologe und Religionshistoriker.
Inhaltsverzeichnis
Ausbildung und frühe Karriere
Eduard Norden stammte aus einer assimilierten jüdischen Familie. Sein Vater Carl Joseph Norden (1836–1903) war ein angesehener Mediziner.
Kurz vor dem Abitur konvertierte er zum Protestantismus und studierte anschließend von 1886 bis 1890 Klassische Philologie. Zwei Semester verbrachte er in Berlin, wo er bei Hermann Diels, Theodor Mommsen, Carl Robert und Eduard Zeller hörte. Anschließend wechselte er an die Universität Bonn. Hier prägten ihn seine Lehrer Hermann Usener und ganz besonders der Latinist Franz Bücheler. Er promovierte 1891 bei Bücheler und wurde danach sofort Assistent Georg Kaibels in Straßburg. Schon ein Jahr nach der Promotion erfolgte dort die Habilitation zum Thema „Beiträge zur Geschichte der griechischen Philosophie“.[1]
Seine Karriere schritt außergewöhnlich schnell voran, und schon 1893 wurde er zum außerordentlichen Professor in Greifswald berufen, 1895 schließlich von Wilhelm II. zum ordentlichen Professor ebenda erhoben.
In seinem 1898 veröffentlichten Buch „Antike Kunstprosa“ zeigte Norden ein besonderes Interesse an Rhetorik, an rhetorischen Stilmitteln und an der Verwendung rhetorischer Elemente in der Prosa griechischer und lateinischer Autoren. 1899 wurde er nach Breslau als Kollege von Franz Skutsch berufen. Dort begann er sich intensiv mit der „Aeneis“ Vergils zu beschäftigen. 1903 mündet das in einen viel beachteten Kommentar zu diesem Werk, das in besonderer Weise Nordens Interesse an der Religionswissenschaft demonstriert.
Berliner Jahre
1906 erreichte Norden bei seinem einzigen Griechenlandaufenthalt – anders als ein Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff war Norden der Auffassung, die persönliche Kenntnis der Topografie Griechenlands sei nicht vonnöten – schließlich die Berufung als Nachfolger Adolf Kirchhoffs nach Berlin, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1935 lehrte. Neben dem Altphilologischen Lehrstuhl (einer von dreien der Universität) wurde Norden auch sogleich Leiter des Instituts für Altertumskunde. Nordens Berufung war nicht unumstritten und begleitet durch teilweise persönliche Animositäten aus Kreisen der Fachkollegenschaft. Wilamowitz-Moellendorff beispielsweise, favorisierte zunächst Friedrich Leo. Nachdem dieser abgesagt hatte, setzte der Ministerialdirektor Friedrich Althoff, der für die Berufung von Professoren zuständig war, Norden gegen den außerdem ins Gespräch gebrachten Georg Wissowa durch. Trotz Wilamowitz-Moellendorffs ursprünglicher Ablehnung begann ein fruchtbarer Dialog mit diesem und anderen bedeutenden Berliner Fachkollegen wie Hermann Diels und Eduard Meyer.
1912 nahm die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften Norden auf Vorschlag Wilamowitz-Moellendorffs in Nachfolge des verstorbenen Johannes Vahlen als ordentliches Mitglied in ihre Reihen auf. In der Akademie wurde er zuständig für den Thesaurus Linguae Latinae. In Nachfolge von Wilamowitz-Moellendorff rückte Norden auch ins Direktorium des Deutschen Archäologischen Instituts auf. 1913 verband Norden seine beiden großen Interessen – Rhetorik und Religionswissenschaft – im Buch „Agnostos Theos“. Hier beschränkte er sich nicht nur auf eine griechische und lateinische Formengeschichte religiöser Reden, sondern bezog auch die jüdische, frühchristliche, altägyptische und altorientalische Welt mit ein. Zu Beginn der 1920er Jahre versuchte er, sich an der Neuordnung der Berliner Altphilologie zu beteiligen und wollte 1921 wohl die Berufung Werner Jaegers als Wilamowitz-Moellendorff-Nachfolger verhindern. Da es kaum geeignete junge Gräzisten gab – und um seine eigene Fachrichtung Latinistik zu stärken –, favorisierte er als Nachfolger des Gräzisten Diels einen Latinisten. 1928 konnte Norden seinen 60. Geburtstag im Amte des Rektors der Berliner Universität feiern.
Leben in der Zeit des Nationalsozialismus
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschlechterte sich die Stellung Nordens zusehends. Dabei war Norden selbst ein Anhänger Hitlers („Den Steuermann Hitler liebe ich, trotz allem, wie Sie.“[2]). Schon im Mai wurden seine Assistenten Friedrich Solmsen und Richard Walzer durch Nichtjuden ersetzt. Noch am 27. August 1934 leistete Norden den Treueeid. Trotzdem wurde er aufgrund der nationalsozialistischen Rassegesetzgebungen nach und nach aus allen Gremien, denen er angehörte, entfernt. Unter anderem wurde er 1934 aus dem Direktorium des Deutschen Archäologischen Instituts ausgeschlossen. Daraufhin ließ er sich zum 1. April 1935 resignierend emeritieren. Schon im Februar wurde ihm die Lehrtätigkeit untersagt. Sein Nachfolger auf dem Berliner Lehrstuhl wurde Johannes Stroux. Mitte Oktober 1938 musste er auch die Preußische Akademie der Wissenschaften verlassen. Nach der „Reichspogromnacht“ sah Norden keine Zukunft mehr für sich in Deutschland. Zur Erfüllung der „Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehöriger“, nach welcher Juden 20% ihres Vermögens zu leisten hatten, musste er einen Teil seiner Bibliothek verkaufen. Am 30. November 1938 stellte er einen Ausreiseantrag für die Schweiz und verkaufte im Januar 1939 sein Berliner Haus. Nur wenige Wochen vor dem Beginn des 2. Weltkrieges, am 5. Juli, konnte er mit seiner Frau in die Schweiz emigrieren. Von dort veröffentlichte er sein letztes Werk, die „Priesterbücher“, die in Lund erschienen. 1941 verstarb Norden in Zürich.
Sein Bruder Walter Carl Norden war ein bedeutender Mediävist und Byzantinist. Verheiratet war Eduard Norden mit Marie Schultze, der Tochter des früheren Greifswalder Bürgermeisters Richard Schultze. Sie hatten fünf Kinder (Irmgard 1898–1969, Erwin 1900–1981, Werner *1901, Ulrich *1903, Gerda *1909). Ihr 1902 geborener Sohn verstarb jedoch schon nach 2 Monaten.
Würdigungen
Neben den schon genannten Gremien gehörte Norden der Kirchenväter-Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften an und den Akademien Göteborg, Göttingen, Leningrad, Lund, Neapel und Wien. Weiterhin war er seit 1920 korrespondierendes Mitglied der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in Heidelberg, seit 1932 auch korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1909 wurde er mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse ausgezeichnet. Die Universität Cambridge würdigte ihn mit der Verleihung des Ehrendoktorats (D.Litt. h.c.) am 4. Juni 1929. Anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde nannte ihn 1936 der Präsident der Harvard University, Conant, „der berühmteste Latinist der Welt“[3].
Eduard Norden, der einer der einflussreichsten Altertumsforscher seiner Zeit war, schuf die Grundlagen der modernen Rhetorikforschung des 20. Jahrhunderts und führte die religionswissenschaftliche Analyse in die Klassische Philologie ein. Über ihn wird allerdings auch gesagt, dass er nicht leicht im Umgang war.
Referenzen
- ↑ In: [Fleickeisens] Jahrbücher für classische Philologie 19 (1893). Digitalisat bei archive.org.
- ↑ Wilt Aden Schröder, Artikel Norden, Eduard, In: Martin Tielke (Hrsg.), Biographisches Lexikon für Ostfriesland II (Aurich 1997), Seite 264.
- ↑ the most famous Latinist of the world [1].
Schriften (Auswahl)
- Die antike Kunstprosa vom VI. Jahrhundert v. Chr. bis in die Zeit der Renaissance, Bände, zwei Bände, Teubner, Leipzig 1898.
- Einleitung in die Altertumswissenschaft (herausgegeben mit Alfred Gercke), Teubner, Berlin – Leipzig, drei Bände in mehreren Teilbänden, 1912–1927
- Agnostos theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede, Teubner, Leipzig – Berlin 1913
- Ennius und Vergilius. Kriegsbilder aus Roms grosser Zeit, Teubner, Leipzig – Berlin 1915
- P. Vergilius Maro, Aeneis Buch VI, erklärt von Eduard Norden, Teubner, 2. Auflage Leipzig – Berlin 1916.
- Die germanische Urgeschichte in Tacitus' Germania, 1920
- Römische Literatur, Teubner, Leipzig – Berlin 1923 (1. Aufl. 1910)
- "Die Geburt des Kindes". Geschichte einer religiösen Idee, 1924 (mehrere Auflagen)
- Logos und Rhythmus, Decker, Berlin 1928
- Aus altrömischen Priesterbüchern, Gleerup, Lund, 1939 (unveränd. Neudr. mit einem Nachw. von John Scheid: Teubner, Stuttgart 1995).
- Kleine Schriften zum klassischen Altertum (herausgegeben von Bernhard Kytzler), de Gruyter, Berlin 1966
Literatur
- Johannes Götte: Eduard Norden (1868–1941). In: Eikasmós. Band 4 (1993), S. 277–283
- Bernhard Kytzler: Norden, Eduard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 341.
- Hartmut Leppin: Eduard Nordens Berufung nach Greifswald: Handlungsspielräume im ‚System Althoff‘. In: Philologus. Band 142 (1998), S. 162–172
- Jörg Rüpke: Römische Religion bei Eduard Norden. Die „Altrömischen Priesterbücher“ im wissenschaftlichen Kontext der dreissiger Jahre. Diagonal, Marburg 1993, ISBN 3-927165-25-5 (Palingenesia, Band 49)
- Wilt Aden Schröder: Der Altertumswissenschaftler Eduard Norden (1868–1941). Das Schicksal eines deutschen Gelehrten jüdischer Abkunft. Olms, Hildesheim/Zürich/New York 1999, ISBN 3-487-11013-X (Spudasmata, Band 73)
Weblinks
Commons: Eduard Norden – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Eduard Norden – Quellen und Volltexte- Literatur von und über Eduard Norden im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Klaus-Gunther Wesseling: Eduard Norden. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 18, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 1080–1092.
- Biografie bei Altertumswissenschaften: Eine biographische Online-Enzyklopädie
- Biografie im Biographischen Lexikon für Ostfriesland
Inhaber der Lehrstühle für Klassische Philologie an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität BreslauErster Lehrstuhl: Johann Gottlob Theaenus Schneider (1811–1815) | Franz Passow (1815–1833) | Friedrich Wilhelm Ritschl (1833–1839) | Friedrich Haase (1840–1867) | August Reifferscheid (1868–1885) | Wilhelm Studemund (1885–1889) | Richard Foerster (1890–1898) | Eduard Norden (1898–1906) | Paul Wendland (1906–1909) | Alfred Gercke (1909–1922) | Ludolf Malten (1922–1945)
Zweiter Lehrstuhl: Ludwig Friedrich Heindorf (1811–1816) | Karl Ernst Christoph Schneider (1816–1856) | Johannes Vahlen (1856–1858)
Dritter Lehrstuhl: Joseph Julius Athanasius Ambrosch (1834–1856) | August Rossbach (1856–1898) | Richard Foerster (1898–1920) | Konrat Ziegler (1920–1923)
Vierter Lehrstuhl (bis 1862 Extraordinariat): Wilhelm Wagner (1845–1857) | Rudolf Westphal (1857–1862) | Martin Hertz (1862–1893) | Friedrich Marx (1893–1896) | Franz Skutsch (1896–1912) | Wilhelm Kroll (1913–1935) | Hans Drexler (1935–1940) | Wilhelm Süß (1940–1945)
Etatmäßiges Extraordinariat: Richard Foerster (1873–1875) | Arthur Ludwich (1876–1878) | Georg Kaibel (1879–1881) | Konrad Zacher (1881–1907) | Konrat Ziegler (1909–1920)
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