- Fürstbistum Lüttich
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Territorium im Heiligen Römischen Reich
Fürstbistum Lüttich Wappen Karte Bistum Lüttich 1477 Alternativnamen Französisch: Principauté de Liège; Wallonisch: Principåté d’ Lidje, Deutsch: Fürstbistum/Hochstift Lüttich Entstanden aus im 14. Jahrhundert herausgebildet Herrschaftsform Wahlfürstentum/Ständestaat Herrscher/Regierung Fürstbischof, Administrator oder in Vakanz: Domkapitel Heutige Region/en BE-WLG/BE-VLI/BE-WNA, kleinere Teile auch: BE-WHT, Limburg (Niederlande) Reichstag Reichsfürstenrat: 1 Virilstimme auf der geistlichen Bank Reichsmatrikel 60 Reiter, 90 Fußsoldaten, 400 Gulden (1522) Reichskreis niederrheinisch-westfälisch Hauptstädte/Residenzen Lüttich Konfession/Religionen römisch-katholisch, jüdische Minderheit Sprache/n Französisch, Latein, Deutsch, Niederländisch Fläche 3.200 km² (Ende 18. Jh.) Aufgegangen in 1794: Frankreich: Departments Meuse-Inférieure, Ourthe, Sambre-et-Meuse, Jemappes
1815: Vereinigte NiederlandeDas Fürstbistum Lüttich (französisch Principauté de Liège, wallonisch Principåté d’ Lidje), synonym mit Hochstift oder – zeitgenössisch üblich – Stift Lüttich, war ein Ständestaat und geistliches Territorium des Heiligen Römischen Reiches im heutigen Belgien, bestehend vom Spätmittelalter (14. Jahrhundert) bis 1794/95. Es war der weltliche Herrschaftsbereich der Fürstbischöfe von Lüttich im Gegensatz zum größeren Bereich der Diözese, des geistlichen Seelsorgebereichs des Bistums Lüttich. Seit dem 16. Jahrhundert war das Stift Teil des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises. Das Fürstbistum Lüttich war zeitweise das mächtigste geistliche Fürstentum im Westen des Heiligen Römischen Reiches.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Das Bistum Lüttich wurde im 4. Jahrhundert in der Stadt Tongeren von Maternus gestiftet und im 6. Jahrhundert nach Maastricht verlegt. Erst Bischof Hubertus nahm 720 seinen Sitz in Lüttich. Bereits Karl Martell verlieh dem Bistum Grafschaftsrechte. Otto II. entzog die Besitzungen des Bistums der weltlichen Gerichtsbarkeit.
Mit der Verleihung der Grafschaften Huy und Brunigerode an Bischof Notger (972–1008) wurde die Grundlage zum Aufstieg der Bischöfe zu Reichsfürsten gelegt. Diese Entwicklung vollzog sich während der nächsten 400 Jahre oftmals in Konkurrenz zum Herzogtum Brabant. Weitere Erwerbungen waren der Pagus Hasbania, 1095 zunächst als Pfand das Herzogtum Bouillon und 1366 die Grafschaft Loon. Hinzu kamen auch die Markgrafschaften Franchimont und Condroz. Das Hochstift verlor allerdings 1274 die Grafschaften Montfort und Kessel an das Herzogtum Geldern. Im Jahr 1365 kaufte es den Stammsitz der Herzöge von Bouillon.
Geschichte
Geschichte der Benelux-Staaten Fränkisches Reich
≈800–843Mittelreich (Lotharii Regnum)
843–855Lotharingien
855–977verschiedene adlige Besitztümer
977–1384
Bistum Lüttich
985–1795
Burgundische Niederlande (Haus Burgund)
1384–1477
Burgundische Niederlande (Haus Habsburg)
1477–1556
Spanische Niederlande
1556–1581
Republik der Sieben Vereinigten Niederlande
1579/1581–1795südliche Spanische Niederlande
1581–1713Österreichische Niederlande
1713–1795
Batavische Republik
1795–1806
Frankreich (Erste Republik)
1795–1805Königreich Holland
1806–1810
Frankreich (Erstes Kaiserreich)
1805–1815
Vereinigtes Königreich der Niederlande
1815–1830
Königreich der Niederlande
Königreich Belgien
Großherzogtum LuxemburgInnere Strukturen
Im Heiligen Römischen Reich war das Bistum ein Suffraganbistum des Erzbistums Köln.
Gegenüber dem Bischof entwickelte sich das sehr wohlhabende Domkapitel bereits seit dem 11. Jahrhunderts zu einem eigenen Stand. Die Stadt Lüttich erlebte durch Handel und Gewerbe einen starken Aufschwung. Das Maasgebiet, zu dem auch das Hochstift Lüttich gehörten, wurde seit dem 14. Jahrhundert zu einem Schwerpunkt der Kupfererzeugung und -verarbeitung. Es entwickelte sich ein bedeutendes Exportgewerbe, während Rohstoffe importiert wurden. Insbesondere in der Herstellung von Geschützen war Lüttich europaweit führend.[1]
Bereits 1196/1198 gewährte Albrecht II. von Cuyk der Stadt Lüttich bedeutende bürgerliche Privilegien. In den Städten Lüttich, Dinant und Huy erlangten die Zünfte seit dem Ende des 13. Jahrhunderts innere Autonomie und eine Beteiligung an der Regierung der Städte.[2] Die Hauptstadt entwickelte sich zur Spitze eines städtischen Landstandes.
Neben Domkapitel und Städten bildete der Adel einen der Landstände. Mit dem Anspruch der Stände auf Mitsprache ging eine Schwächung des Bischofs einher. Bereits seit etwa 1270 kann man im Hochstift Lüttich von einer ständestaatlichen Verfassung sprechen. Seither waren die Landstände regelmäßig an zentralen politischen Entscheidungen, wie zum Beispiel der Erhebung von Steuern, beteiligt.[3] Durch die Beteiligung der Stände wurde das Land selbst jedoch gestärkt. Schon 1213 schlugen Milizen des Landes eine Ritterarmee aus Brabant.
Konflikt mit Burgund
Im 14. Jahrhundert wurde das Hochstift Fürstentum mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag. Es war zeitweise das mächtigste geistliche Fürstentum im Westen des Reiches.[4]
In den Jahren 1313 bis 1364 stammten die Bischöfe aus dem mit Burgund verflochtenen Haus der Grafen de la Marck. In dieser Zeit verstärkte sich ein Trend zur Romanisierung des Hochstifts. Im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts entwickelt sich ein Gegensatz zum stark expandierenden burgundischen Staat. Dieser hatte 1408 noch den Lütticher Bischof in dessen Konflikt mit der Stadt Lüttich unterstützt. Insbesondere in der Zeit von Karl dem Kühnen wurde Burgund ein Konkurrent des Hochstifts. Im Jahr 1468 wurden das Land von burgundischen Truppen verheert und die Stadt Lüttich verwüstet. Zwischen 1468 und 1477 gehörte das Fürstbistum vorübergehend zu Burgund. Das Herzogtum Bouillon ging an die Grafen de la Marck verloren.
Konfessionelles Zeitalter
Nach dem Tod Karls des Kühnen konnte das Hochstift wieder seine volle Souveränität erlangen. Kaiser Karl V. gab dem Stift das verlorenen gegangene Herzogtum Bouillon zurück. Das Fürstbistum Lüttich gehörte ab 1500 zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis.
1559 wurde das Bistum Lüttich aufgrund einer Reorganisation der Diözesen in den damaligen „habsburgischen Niederlanden“ (die heutigen Niederlande, Belgien ohne das Fürstbistum, Luxemburg und kleinere Teile Nordfrankreichs) auf Betreiben von Spaniens König Philipp II. dem neu gegründeten Erzbistum Mecheln unterstellt. Gleichzeitig wurde sein Kirchsprengel zugunsten des neu gegründeten Bistums Namur verkleinert, das Hochstift aber nicht in den umliegenden Burgundischen Reichskreis überführt.
Das Hochstift nach 1648
Der spätere Fürstbischof von Lüttich und Kölner Erzbischof Maximilian Heinrich von Bayern schlug 1649 noch als Koadjutor seines Onkels Ferdinand von Bayern Unruhen in der Stadt Lüttich mit Gewalt nieder. Die bürgerlichen Freiheiten wurden beseitigt und als Herrschaftssymbol eine Zitadelle erbaut. Während des holländischen Krieges wurde das Hochstift wieder Kriegsschauplatz. In den Jahren 1675/76 war Lüttich französisch besetzt. Obwohl mit Frankreich zu dieser Zeit eng verbunden, musste 1678 auf Druck Frankreichs das Herzogtum Bouillon wieder abgetreten werden. Nach dem Abzug der Franzosen war insbesondere die Stadt Lüttich in ständiger Unruhe, und mehrfach kam es zu Aufständen gegen Maximilian Heinrich. Nach vergeblichen Vermittlungsbemühungen auch des Kaisers brach Wilhelm Egon von Fürstenberg 1684 den Widerstand mit Gewalt. Es konnte eine neue den Bischof begünstigende staatliche Ordnung durchgesetzt werden.
Teilweise in Verbindung mit der französischen Revolution kam es aus Protest gegen das absolutistische Herrschaftssystem des Fürstbischofs Cäsar Konstantin Franz von Hoensbroech 1789 zur Lütticher Revolution, die jedoch Anfang 1791 von Truppen im Auftrag des Heiligen Römischen Reiches niedergeschlagen wurde.
1794 wurde das Bistum von Frankreich besetzt und im Frieden von Lunéville förmlich an Frankreich abgetreten und den Departments Meuse-Inférieure, Ourthe, Sambre-et-Meuse und Jemappes zugeschlagen. Im Jahr 1815 wurde es als souveränes Fürstentum Teil der Niederlande und kam 1830/31 an Belgien.
Siehe auch
Literatur
- Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. Auflage. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-549861, S. 399 (online).
- Alfred Bruns: Bistum Lüttich. In: Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. 2. Auflage. Kröner, Stuttgart 1982, ISBN 3-520-80002-0, S. 774–775.
- Adolf Wohlwill: Die Anfänge der landständischen Verfassung im Bisthum Lüttich. Leipzig, 1867 Digitalisat
Weblinks
Commons: Fürstbistum Lüttich – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Lüttich – Quellen und VolltexteEinzelnachweise
- ↑ Ulf Dirlmeier, Gerhard Fouquet, Bernd Fuhrmann: Europa im Spätmittelalter. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-49721-9, S. 34, 40.
- ↑ Dirlmeier, Fouquet, Fuhrmann: Europa im Spätmittelalter, S. 355.
- ↑ Ernst Pitz: Leistungen und Aufgaben der vergleichenden Verfassungsgeschichte. In: Michael Borgolte (Hrsg.): Mittelalterforschung nach der Wende 1989. Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-64420-3, S. 168.
- ↑ Köbler, Hochstift Lüttich, S.360
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