Géza Anda

Géza Anda
Géza Anda um 1965

Géza Anda ['geːzɒ 'ɒndɒ] (* 19. November 1921 in Budapest, Ungarn; † 13. Juni 1976 in Zürich, Schweiz) war ein Schweizer Pianist ungarischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn eines Schuldirektors wurde mit 13 Jahren in die Franz-Liszt-Musikakademie seiner Heimatstadt aufgenommen und zunächst von Imre Stefaniai und Imre Keeri-Szanto unterrichtet, bevor er der Klavierklasse von Ernst von Dohnányi zugeteilt wurde; große Bedeutung besaßen für Anda die Theoriekurse von Leo Weiner. Als 18-jähriger gewann Anda den Franz-Liszt-Preis der Stadt Budapest, in den beiden darauffolgenden Jahren den Preis der Franz-Liszt-Gesellschaft; 1941 erhielt er sein Konzertdiplom. Der drohenden Einziehung als Soldat nach der Mobilmachung Ungarns im Zweiten Weltkrieg konnte sich Anda durch ein Stipendium entziehen, das ihn an das Collegium Hungaricum in Berlin führte. 1942 spielte er erstmals öffentlich das 2. Klavierkonzert von Brahms, begleitet von Willem Mengelberg, in Budapest. 1943 gelang Anda von Berlin aus die Ausreise in die Schweiz, wo er zunächst in Genf lebte, um sich nach dem Krieg dauerhaft in Zürich niederzulassen. Wichtige Prägungen empfing er 1947/48 in Paris, wo er den Musikphilosophen und Berater Igor Strawinskys, Pierre Souvtchinsky, kennenlernte und mit Pierre Boulez Freundschaft schloss. Nach seiner Heirat mit Helene Winterstein-Bosshard (1953) erwarb Anda zwei Jahre später das Schweizer Bürgerrecht. 1960 übernahm er die Meisterkurse seines Mentors Edwin Fischer in Luzern, die er später im Muraltengut Zürich fortsetzte. Sein Assistent war hier der dänische Pianist und Komponist Egil Harder (1917-1997), den Anda bereits in seiner Berliner Zeit kennengelernt hatte. Zu Andas bekanntesten Meisterschülern zählen Sontraud Speidel, Michael Studer und Dinorah Varsi. Anda war außerdem als Juror im Concours Clara Haskil und dem Internationalen Klavierwettbewerb Leeds tätig.
Im Jahr 1964 heiratete Anda in zweiter Ehe die Unternehmerin Hortense Bührle; 1969 wurde der Sohn Gratian Anda geboren. 1975 wurde bei Anda Speiseröhrenkrebs diagnostiziert, an dessen Folgen er im Juni 1976 verstarb. Andas letzter öffentlicher Auftritt fand am 1. Juni 1976 in Innsbruck mit dem Forellenquintett von Franz Schubert statt.

Auszeichnungen

Der französische Kultusminister verlieh Géza Anda 1965 den Titel eines Chevalier de l'ordre des arts et des lettres, 1969 wurde er zum Ehrenmitglied ("Honorary Member") der Londoner Royal Academy of Music gewählt und 1973 vom österreichischen Unterrichtsministerium zum Honorarprofessor ernannt.

Künstlerische Auffassung, Repertoire, Karriere

Von Wilhelm Furtwängler, unter dem er im Januar 1943 in der Alten Berliner Philharmonie mit den "Symphonischen Variationen" von César Franck debütierte, als „Troubadour des Klaviers“ bezeichnet, zielte Anda einerseits auf eine sachliche, den Notentext in den Mittelpunkt stellende Art der Interpretation, andererseits auf eine poetische Durchdringung und Intensivierung, für die er das Spiel von Alfred Cortot als maßstabsetzend empfand. Die Probleme der musikalischen Interpretation, die auch im Mittelpunkt seines Unterrichts standen, fasste Anda später in bislang unveröffentlichten Aufzeichnungen zusammen (faksimilierte Auszüge bei Schmidt 1991, s. Literatur). Berühmt wurde Anda durch den Einsatz für die Kompositionen seines Landsmannes Béla Bartók. Dem Klavierkonzert Nr. 2 (1930/31) verhalf er durch eine Aufführung auf dem Weltmusiktag Salzburg 1952 der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik zum Durchbruch; die Einspielung aller drei Klavierkonzerte und der Rhapsodie op. 1 mit seinem langjährigen Partner Ferenc Fricsay und dem RSO Berlin von 1959/60 besitzt bis heute Referenzcharakter. Intensiv widmete sich Anda der Erarbeitung von Solowerken und Konzerten des klassisch-romantischen Repertoires von Beethoven, Chopin, Liszt, Schumann, Brahms, Tschaikowsky und Rachmaninow, die er von 1953-58 für das Label Columbia unter dem Produzenten Walter Legge aufnahm. Zu Andas frühem Repertoire gehörten auch Werke von J.S.Bach und Scarlatti; für westdeutsche Rundfunkanstalten spielte er Werke von Haydn, Debussy, Ravel sowie - als einziges zeitgenössisches Werk - die Klaviersonate seines Freundes Rolf Liebermann ein. (Vielen Komponisten des 20. Jahrhunderts warf Anda vor, sie würden nicht idiomatisch für das Klavier komponieren, das er liebevoll „Drahtkommode“ nannte.) Von Beginn seiner Karriere an arbeitete Anda mit zahlreichen führenden Dirigenten zusammen, so mit Ernest Ansermet, Karl Böhm, Ernest Bour, Eugen Jochum, Herbert von Karajan, Joseph Keilberth, Otto Klemperer, Rafael Kubelik, Ferdinand Leitner, Erich Leinsdorf, Hans Rosbaud, Carl Schuricht und Georg Solti. Von 1952-1974 war Anda jährlich auf den Salzburger Festspielen zu hören, ab 1955 folgten insgesamt 17 Tourneen in die USA und Kanada sowie weitere nach Japan und Südafrika. Anda konzertierte darüber hinaus regelmäßig in Frankreich, Italien, Großbritannien und anderen europäischen Ländern. 1973 trat er erstmals wieder in Ungarn auf.

Der Mozart-Interpret

Bereits ab Mitte der 1950er Jahre setzte Anda zunehmend die Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart auf seine Konzertprogramme, ermutigt durch Bernhard Paumgartner und vor allem Clara Haskil, deren Duo-Partner er in Mozarts Konzert für zwei Klaviere und Orchester Es-Dur KV 365 war. Seit 1959 als Exklusiv-Künstler bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag, war Anda der erste Pianist, der alle 25 Solokonzerte Mozarts inklusive der frühen Pasticci mit der Camerata Academica des Mozarteums Salzburg für die Schallplatte einspielte. Dem Vorbild Fischers folgend, dirigierte er vom Flügel aus, ohne sich jedoch einer streng historischen Aufführungspraxis anzuschliessen. Für 16 Konzerte schrieb und veröffentlichte Anda eigene Kadenzen. Die zwischen 1961-70 entstandenen Aufnahmen wurden mehrfach mit dem Grand Prix du Disque sowie mit der Wiener Flötenuhr ausgezeichnet; weltweite Popularität erlangte Andas Interpretation des langsamen Satzes aus dem Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467 als Filmmusik in dem schwedischen Film Elvira Madigan (1967). Andas letzte Aufnahmeprojekte, die er für das Label Eurodisc realisierte, galten ebenfalls Mozart (Klavierkonzerte Nr. 20 und 21 im Mai 1973 mit den Wiener Symphonikern) sowie den Walzern Chopins (Aufnahme Dezember 1975 in der Siemens-Villa in Berlin-Lankwitz).

Nachwirkung

1979 rief Hortense Anda-Bührle den alle drei Jahre stattfindenden Concours Géza Anda ins Leben, der zu den anspruchsvollsten und angesehensten Klavierwettbewerben der Gegenwart gehört. Seit 2009 wird der Wettbewerb durch die an wechselnden Orten stattfindenden "Géza Anda-Klaviertage" flankiert, die als Verbindung von Meisterkursen und Konzerten mit ersten Preisträgern des Concours das pädagogische und künstlerische Ethos Andas an die junge Pianisten-Generation weitergeben sollen (2009: Münster, 2010: Berlin, in Zusammenarbeit mit der Universität der Künste). Die meisten von Andas Schallplatteneinspielungen, eine Reihe seiner Konzertauftritte bei den Salzburger Festspielen sowie zahlreiche Rundfunkaufnahmen sind inzwischen auf CD als Erst- bzw. Wiederveröffentlichung erschienen und in der Online-Diskographie (siehe Weblinks) nachgewiesen.

Publikationen

  • Kadenzen zu Klavierkonzerten von W. A. Mozart [zu KV 37, 39, 41, 175, 238, 246, 271, 413, 456, 466, 467, 482, 491, 503, 537 und 595]. Berlin: Bote & Bock, 1973

Literatur

  • Joachim Kaiser: Große Pianisten der Gegenwart. München: Rütten und Loening, 1965 (vierte, erweiterte Auflage München: Piper, 1978)
  • Robert Christian Bachmann: Grosse Interpreten im Gespräch. Bern: Hallwag, 1976 (Reprint München: dtv, 1978)
  • Géza Anda. Ein Erinnerungsbild [mit Beiträgen von K. Schumann, M. Haindl-König, E. Harder u.a.], Zürich: Artemis, 1977
  • Hans Christian Schmidt: Géza Anda. "... Sechzehntel sind auch Musik." Dokumente seines Lebens. Zürich: Artemis, 1991

Filme

  • Géza Anda - Pianist, Dirigent, Pädagoge. Ein Arbeitsbericht. Richard Leacock und Rolf Liebermann (Schweiz 1966)
  • Géza Anda - Künstler und Mensch. Peter Reichenbach (Schweiz 1979)
  • Der Concours Géza Anda - Erbe eines Pianisten. Jörg Lohner / nmz media (Deutschland 2011)

Weblinks


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