Heinrich Harrer

Heinrich Harrer

Heinrich Harrer (* 6. Juli 1912 in Obergossen, Marktgemeinde Hüttenberg; † 7. Januar 2006 in Friesach) war ein österreichischer Bergsteiger, Forschungsreisender, Geograph und Autor. Bekannt wurde er als einer der Erstbesteiger der Eiger-Nordwand sowie durch sein Buch Sieben Jahre in Tibet. Im Jahr 1962 gelang ihm die Erstbesteigung der Carstensz-Pyramide im Westen Neu-Guineas, einer der Seven Summits. Seit 1983 befindet sich in Hüttenberg das Heinrich-Harrer-Museum.

Heinrich Harrer siginiert auf der Frankfurter Buchmesse 1997 sein Buch Wiedersehen mit Tibet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft, Jugend und Studium

Sein Vater Josef war Postbeamter, seine Mutter Johanna Hausfrau. Nach einer Versetzung seines Vaters besuchte er die Volks- sowie die Realschule Bruck an der Mur. Nach einer weiteren Versetzung des Vaters wechselte Heinrich an die Realschule in Graz. Im Alter von 17 Jahren wurde Heinrich Harrer Mitglied in der Studentenverbindung Akademischer Turnverein Graz. In dieser Zeit entdeckte er seine große Leidenschaft: Den Sport (Alpiner und nordischer Skilauf, Bergsteigen, Leichtathletik, Golf, Tennis, Handball).

Im Wintersemester 1933/34 wurde Harrer beim ATV Graz aktiv, wurde Akademischer Abfahrtsweltmeister, Österreichischer Golfmeister und war u. a. als Hüttenwart auf der Tauplitz für die vereinseigene Schutzhütte Grazerhaus zuständig. 1933–38 absolvierte er ein Lehramtsstudium in den Fächern Geographie und Sport an der Grazer Karl-Franzens-Universität. Im Oktober 1933 trat Harrer – nach eigenen Angaben (vgl. Lehner 2006) – der SA im Untergrund bei, somit fast fünf Jahre vor dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Er nannte dies viel später einen „dummen Fehler“ und „ideologischen Irrtum“.[1]

1936 hätte Harrer an den Olympischen Winterspielen in der Abfahrt und im Slalom teilnehmen sollen. Dazu kam es aber nicht, da die Alpin-Skiteams Österreichs und der Schweiz den Wettbewerb aufgrund von Streitigkeiten um den Profi-Status von Skilehrern boykottierten. Ein Jahr später wurde er Nationaltrainer der österreichischen Damenski-Nationalmannschaft.

Durchsteigung der Eiger-Nordwand (1938)

Das Bergsteigen faszinierte Harrer weiterhin sehr. Am 9. Juli 1938, unmittelbar nachdem er sein letztes Staatsexamen abgelegt hatte, fuhr er nach Grindelwald, um bei der Erstdurchsteigung der Eigernordwand dabei zu sein. Zuvor waren schon viele erfahrene Alpinisten dort gescheitert. Vom 21. bis 24. Juli 1938, zusammen mit Anderl Heckmair, Fritz Kasparek und Ludwig Vörg, gelang diesmal das Wagnis. Die vier erfolgreichen Kletterer wurden danach von Adolf Hitler empfangen und erhielten von ihm je ein Foto mit persönlicher Widmung.

Bereits vor der Eiger-Expedition war Harrer der SS (ab 1. April 1938) und der NSDAP (ab 1. Mai 1938) beigetreten. Er wurde Sportinstruktor der SS im Rang eines Oberscharführers (das entsprach dem Wehrmachtdienstgrad Feldwebel), eine Tätigkeit, die er jedoch nach eigenem Bekunden nie ausübte.

Im gleichen Jahr heiratete er Lotte Wegener, die Tochter des 1930 im Grönlandeis verstorbenen deutschen Polarforschers Alfred Wegener.

Im Dezember 1939 wurde Harrers Sohn Peter geboren. Harrer war zu diesem Zeitpunkt in Indien interniert. Die Ehe mit Lotte wurde noch während seines Asienaufenthalts geschieden; eine zweite Ehe mit Etta Truxa, ab 1952, dauerte nur ein Jahr und wurde nach Harrers Amazonas-Expedition geschieden. Bis zu Harrers Ableben bestand jedoch seine dritte Ehe mit Carina, die er 1957 in einem Golfclub kennengelernt hatte.

Indien und Tibet (1939–51)

Im Sommer 1939 hatte eine von der Deutschen Himalaya-Stiftung organisierte Erkundungsexpedition zum Nanga Parbat stattgefunden, an der unter der Leitung von Peter Aufschnaiter neben Lutz Chicken und Hans Lobenhoffer auch Harrer teilgenommen hatte. Als die Deutschen Ende August in Karatschi auf das überfällige Frachtschiff für die Heimreise warteten, wurden sie wegen des sich ausweitenden Zweiten Weltkriegs festgehalten: Zunächst in Übergangslagern, dann, nachdem am 3. September England in den Krieg eingetreten war, im britischen Internierungslager in Ahmadnagar nahe Bombay; zuletzt wurden sie nach Dehra Dun am Fuß des Himalaya verlegt.

Etliche der Internierten wollten ausbrechen und sich zu japanischen Linien durchschlagen: Harrer gelang der Ausbruch beim fünften[2] Versuch am 29. April 1944, in einer Gruppe von sieben Personen, darunter Aufschnaiter.[3] Unmittelbar nach der Flucht hatte sich die Gruppe getrennt, später fanden sich die fünf Richtung Tibet marschierenden eher zufällig wieder zusammen; Sattler kehrte nach einem Anfall von Bergkrankheit bald darauf freiwillig ins Internierungslager zurück. Die übrigen marschierten zeitweise zu viert, zeitweise in Zweierteams (Harrer dann mit Kopp), zunächst bloß nachts. Am 17. Mai 1944 überschritten sie die Grenze über den 5300 Meter hohen Tsangtschokla-Pass. Von da an wagten sie sich vorläufig auch tagsüber auf den Weg.

In Tibet stellte sich jedoch heraus, dass es Tibetern bei Strafe verboten war, Fremden ohne Passierschein Lebensmittel zu verkaufen. Zwar konnte man solche gelegentlich zu Schwarzmarktpreisen erwerben, wofür aber die Mittel nicht lange ausgereicht hätten. Man verwies die Flüchtlinge an den Abt des nächstgelegenen Klosters Thuling, der die Kompetenz hatte, Passierscheine auszustellen, dies jedoch bloß unter der Zusicherung tat, die Fremden würden unverzüglich nach Schangtse (an der Grenze zu Indien) weiterziehen.

Nachdem Treipel sich ebenfalls nach Indien abgesetzt hatte, blieb das Trio Harrer, Aufschnaiter und Kopp bis nach Kriegsende (wodurch das Erreichen japanischer Linien obsolet wurde) zusammen. Im Grenzdorf Tradün (zu Nepal) bis zu dem sie letztlich einen vorläufigen Passierschein bekommen hatten, wollte man sie nötigen, nach Nepal zu emigrieren, was aber bloß Kopp tat. Er wurde prompt wenige Tage danach nach Indien abgeschoben, wo die britischen Internierungslager erst Anfang 1948 aufgelöst wurden, wie sich später herausstellte. Harrer und Aufschnaiter planten von jetzt an, Lhasa zu erreichen, und flüchteten aus dem Grenzdorf.

Im Verlauf der gesamten Reise überwanden die beiden mindestens 50 Pässe – keiner unter 5.000 Meter – und legten rund 2.100 Kilometer zu Fuß zurück. Am 15. Januar 1946 erreichten sie die damals „verbotene Stadt“ Lhasa.

Aufschnaiter wurde dort Berater der tibetischen Regierung in landwirtschaftlichen und städtebaulichen Fragen, Harrer zunächst Übersetzer und Fotograf für die tibetische Regierung, später Lehrer (für Englisch, Geografie und Mathematik) und zuletzt Freund des jungen 14. Dalai Lama. Ein herzliches Verhältnis verband beide bis zu Harrers Tod.

Wegen des tibetisch-chinesischen Konflikts von 1950/51 floh Harrer 1951 nach Indien, zunächst den Dalai Lama bis an die Landesgrenze begleitend. Von dort kehrte Harrer im nächsten Jahr nach Europa zurück. Über seine Erlebnisse begann er bereits in Indien das Buch „Sieben Jahre in Tibet“ zu schreiben, das ein Bestseller wurde.

Zurück in Europa (1952–2006)

1952 kehrte Harrer nach Europa zurück, wonach er eine Reihe ethnografischer und bergsteigerischer Expeditionen unternahm. Viele von Harrers Reiseerzählungen wurden in der Fernsehreihe Heinrich Harrer berichtet gezeigt, die zwischen 1965 und 1983 in der ARD ausgestrahlt wurde.

Als Autor schrieb er über 20 Bücher. Sein bekanntestes Werk ist der Bestseller Sieben Jahre in Tibet, in dem Harrer seine Zeit mit Peter Aufschnaiter in Tibet und seine Bekanntschaft mit dem 14. Dalai Lama beschreibt. Dieses wurde zu einem Welterfolg (übersetzt in 53 Sprachen, weltweite Auflage bisher über 4 Mio.) und machte ihn berühmt. 1997 verfilmte Jean-Jacques Annaud das Buch mit Brad Pitt in der Rolle des Heinrich Harrer.

Als sich 1997 herausstellte, dass Harrer 1938 SS- und NSDAP-Mitglied geworden war, wurde er kritisiert, weil er diese Fakten niemals öffentlich thematisiert habe. Nach seinen Angaben im handschriftlichen Antrag auf Heiratserlaubnis an das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA, 1938) in Berlin hätte er sogar seit 1933 der SA angehört, was er 1997 in einem Interview allerdings für eine aus den damaligen Umständen erklärbare Angeberei erklärte. Insbesondere wurde Harrer der Vorwurf gemacht, er habe sich und seine bergsteigerischen Leistungen seinerzeit im Rahmen seiner Aktivitäten in der Deutschen Himalaya-Stiftung für die NS-Propaganda einspannen lassen und als Bestseller-Autor nie den Versuch einer umfassenden Aufarbeitung gemacht. Speziell ist in seiner 80 Seiten umfassenden Akte der SS-Zentralverwaltung dokumentiert, dass sich Reichsführer Heinrich Himmler die Hochzeit Harrers mit Lotte Wegener persönlich gewünscht habe.

Heinrich Harrer starb am 7. Januar 2006 im Alter von 93 Jahren im Krankenhaus in Friesach in Kärnten.

Expeditionen

Auszeichnungen (Auszug)

Werke

  • Das alte Lhasa. Bilder aus Tibet. Ullstein, Berlin 1997, ISBN 3-550-08435-8.
  • Borneo. Mensch und Kultur seit ihrer Steinzeit. Pinguin-Verlag, Innsbruck 1988, ISBN 3-7016-2294-9.
  • Denk ich an Bhutan. Herbig, München 2005, ISBN 3-7766-2439-6.
  • Erinnerungen an Tibet. Ullstein, Frankfurt/M. 1993, ISBN 3-550-06813-1.
  • Geheimnis Afrika. Pinguin-Verlag, Innsbruck 1979, ISBN 3-524-76027-9.
  • Geister und Dämonen. Magische Erlebnisse in fremden Ländern. Ullstein Frankfurt/M. 1993, ISBN 3-548-35336-3.
  • Haka-Haka. Bei den Xingu-Indianern im Amazonasgebiet. Ullstein, Frankfurt/M. 1979, ISBN 3-548-32013-9.
  • Der Himalaya blüht. Blumen und Menschen in den Ländern des Himalaya. Pinguin-Verlag, Innsbruck 1980, ISBN 3-524-76031-7.
  • Ich komme aus der Steinzeit. Ewiges Eis im Dschungel der Südsee. Fischer, Frankfurt/M. 1978, ISBN 3-596-23506-5.
  • Ladakh. Götter und Menschen hinter dem Himalaya. Ullstein, Frankfurt/M. 1988, ISBN 3-548-32016-3.
  • Die letzten Fünfhundert. Expedition zu den Zwergvölkern auf den Andamanen. Ullstein, Berlin 1977, ISBN 3-550-06574-4.
  • Mein Leben. Ullstein, München 2002, ISBN 3-550-07524-3.
  • Meine Forschungsreisen. Pinguin-Verlag, Innsbruck 1986, ISBN 3-7016-2242-6.
  • Rinpotsche von Ladakh. Pinguin-Verlag, Pinguin 1981, Innsbruck 1981, ISBN 3-7016-2102-0.
  • Sieben Jahre in Tibet. Mein Leben am Hofe des Dalai Lama. Ullstein, Wien 1952. (Ullstein 2006, ISBN 3-548-35753-9.)
  • Unter Papuas. Mensch und Kultur seit ihrer Steinzeit. fischer, Frankfurt/M. 1980, ISBN 3-596-23508-1.
  • Unterwegs. Handbuch für Reisende. Brockhaus, Wiesbaden 1988, ISBN 3-7653-0318-6.
  • Die Weiße Spinne. Das große Buch vom Eiger. Ullstein, München 2001, ISBN 3-548-36229-X.
  • Wiedersehen mit Tibet. Ullstein, Frankfurt/M. 1997, ISBN 3-548-35666-4.
  • Gaisbergbahn. Verlag Josef Otto Slezak, Wien 1984, ISBN 3-85416-096-8.

Medienecho

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wiliam Cole, AP: Heinrich Harrer ist tot Der Spiegel 7. Januar 2006 Online verfügbar
  2. Der erfolgreiche vierte Ausbruchsversuch, den Harrer zusammen mit einem italienischer General namens Marchese (der das Unternehmen finanzierte) etwa ein Jahr zuvor unternommen hatte, endete erst nach erst einem Monat, als der erschöpfte Marchese sich weigerte bis zum nächsten Wald weiter zu marschieren (die beiden marschierten in Indien bloß nachts und versteckten sich tagsüber). Die Häftlinge wurden mit Höflichkeit und einiger Achtung vor ihrer sportlichen Leistung zurückgebracht, doch beschloss Harrer, nach dem nächsten Ausbruch seine Wege allein zu gehen. Nach den für das Vergehen üblichen 28 Tagen Einzelhaft begann er diesen zu planen und wurde dafür finanziell vom älteren Marchese unterstützt, der jedoch nicht nochmals teilnehmen wollte.
  3. Zu dieser Gruppe gehörten auch Rolf Magener und Heins von Have, die sich in etwa sechs Wochen über Kalkutta zu den Japanern in Burma durchschlugen, während Harrer und die übrigen Ausbrecher die japanischen Linien im Osten über das als neutral anzusehende Tibet erreichen wollten. Harrer nennt den deutschen Boxer Hans Kopp und einen Mann namens Sattler (beide aus Berlin) sowie den Salzburger Bruno Treipel.

Weblinks

 Commons: Heinrich Harrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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