Jantarny

Jantarny
Siedlung städtischen Typs
Jantarny/Palmnicken
Янтарный
Wappen
Wappen
Vorlage:Infobox Ort in Russland/Wartung/AltFöderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Stadtkreis Jantarny
Oberhaupt Alexander Blinow
Gegründet 1389
Frühere Namen Palmnicken (bis 1946)
Siedlung städtischen Typs seit 1947
Fläche 26 km²
Höhe des Zentrums 30 m
Bevölkerung 5329 Einw. (Stand: 2010)
Bevölkerungsdichte 205 Ew./km²
Zeitzone UTC+3
Telefonvorwahl (+7) 40153
Postleitzahl 238580–238581
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 420 562
Website www.yantarny.com
Geographische Lage
Koordinaten 54° 52′ N, 19° 56′ O54.86666666666719.93333333333330Koordinaten: 54° 52′ 0″ N, 19° 56′ 0″ O
Jantarny (Russland)
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Jantarny (Oblast Kaliningrad)
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Oblast Kaliningrad
 

Jantarny (russisch Янтарный ( anhören?/i), Transkription auch als Yantarni; prußisch Palweniken (1398) und Palmenicken (1491), deutsch Palmnicken, polnisch Palmniki, litauisch Palmininkai und Palvininkai) ist eine Siedlung städtischen Typs in der russischen Exklave Oblast Kaliningrad. Sie hat 5329 Einwohner (Berechnung 2010).

Zum Stadtkreis Jantarny gehören außerdem noch die beiden Siedlungen Pokrowskoje (Sorgenau) und Sinjawino (Groß Hubnicken).

Inhaltsverzeichnis

Geografische Lage

Der Ort liegt im Westen des Kaliningrader Gebiets an der Ostseeküste, der so genannten Bernsteinküste. Kaliningrad ist etwa 40 Kilometer entfernt. Nachbarorte sind Donskoje (Groß Dirschkeim) im Norden und Primorsk (Fischhausen) im Süden.

Geschichte

Palmnickener Bergwerkskapelle 1904

Der Ort Palmnicken, über Jahrhunderte ein abseits gelegener Gutshof, lag im Samland, einem alten prussischen Gau, welches seit 1234 vom Deutschen Orden beherrscht wurde. 1389 hieß er Palwenicken (prußisch palwe: Urland, Heideland, mit moosigem Gras und oft noch mit niedrigem Gestrüpp, meist Kaddig bestanden, nur als dürftige Viehweide benutzbar/ -nicken: Ort). Ab 1525 war Palmnicken preußisch. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Palmnicken für sechs Jahre von Schweden besetzt. Russische Truppen besetzen den Ort im Siebenjährigen Krieg von 1758 bis 1762. Im Zuge der preußischen Verwaltungsneuordnung kam Palmnicken 1818 in den Kreis Fischhausen. Ab 1827 begann die industrielle Förderung von Bernstein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Palmnicken zu einem Badeort. 1939 hatte Palmnicken 3079 Einwohner. Anfang April 1945 wurde die Stadt von der Roten Armee erobert.

Massaker von Palmnicken

Gebäudereste der früheren Grube Anna
Gedenkstein für die Opfer des Massakers von Palmnicken, seit 2011 durch ein repräsentatives, zwei ausgestreckte Hände zeigendes Mahnmal des Bildhauers Frank Meisler ersetzt.[1]

Angesichts des Anrückens der sowjetischen Truppen wurden im Januar 1945 die ostpreußischen Außenlager des KZ Stutthof aufgelöst und die Insassen über Königsberg nach Palmnicken getrieben. Den Todesmarsch überlebten von ursprünglich über 7000 überwiegend aus Polen und Ungarn stammenden jüdischen Häftlingen nur noch etwa 3000, die am 27. Januar in Palmnicken eintrafen. Am nächsten Morgen lagen in den Straßen Dutzende erschossene und erschlagene Frauen in Häftlingskleidung, vielfach furchtbar entstellt. Nicht alle der entsetzten Palmnicker schwiegen. Der ursprüngliche Plan der SS-Wachmannschaften, die Häftlinge in einem Stollen des Bernsteinbergwerkes Anna einzumauern, scheiterte am Widerstand des Werksdirektors Landmann sowie des Güterdirektors und Volkssturmkommandanten Feyerabend, der an die in der Werksschlosserei eingepferchten Frauen Kartoffeln und Essen verteilen ließ. Auch andere Einwohner versuchten, den Häftlingen zu helfen. Viele hatten Angst vor der Rache der Roten Armee, denn die Front verlief keine zehn Kilometer mehr vom Ort entfernt. Weil der Plan der Vernichtung durch Einmauern misslang, trieb die SS die Gefangenen in der Nacht zum 31. Januar an den Strand von Palmnicken und jagte sie dort unter Maschinengewehrfeuer in die Ostsee. Zehn Wochen später nahmen sowjetische Truppen den Ort ein und entdeckten die Leichen am Strand. Der Kommandeur, selbst russischer Jude, zwang die in Palmnicken verbliebene Zivilbevölkerung, die Toten aus dem Strand zu graben und in Massengräbern zu bestatten. Höchstens 15 der 7000 Gefangenen haben dieses letzte große Massaker an Juden im Zweiten Weltkrieg überlebt.[2] An einem Massengrab für 263 Opfer an der Grube Anna wurde 1999 ein Gedenkstein errichtet.

Geschichte ab 1945

Palmnicken wurde, angelehnt an das russische Wort für Bernstein, jantar, in Jantarny umbenannt, nachdem es nach dem 2. Weltkrieg Teil der Sowjetunion geworden war. Die ehemals ostpreußische Bevölkerung floh oder wurde vertrieben, und weitgehend durch russische, aber auch durch weißrussische, ukrainische und tatarische Zuwanderer ersetzt. Die letzten Deutschen wurden 1947 ausgewiesen.

Von Juli 1947 bis April 1953 bestand im Ort ein Internierungslager für bis zu 2700 Personen, die bei der Bernsteinaufbereitung eingesetzt wurden.[3]

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohner
1933 2361
1939 3079
1959 4307
1970 4973
1979 4714
1989 4948
2002 5455
2010 5329

Anmerkung: 1933–2002 Volkszählungsdaten

Wirtschaft und Infrastruktur

Bernsteinabbau

Bernsteinabbau bei Jantarny

An der samländischen Küste wurde schon zu Zeiten des Deutschen Ordens Bernstein gesammelt. Der Orden hatte das Bernsteinmonopol, das später an den preußischen Staat überging. Im 17. Jahrhundert wurde der an der Bernsteinküste gesammelte Bernstein nach Palmnicken gebracht, wo er sortiert und zur Weiterverarbeitung nach Königsberg versandt wurde. Ab 1811 wurde die Bernsteinförderung verpachtet, 1870 richtete die 1858 gegründete Firma Stantien & Becker den weltweit einzigen Bernsteintagebau ein[4], förderte dann aber ganz überwiegend Bernstein im "Tiefbau" (durchschnittlich mehrere Hundert Tonnen jährlich in den Gruben "Anna" und "Henriette"). 1899 endete die Pacht. Das Werk gehörte in der Folgezeit zur Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft, die den "Tiefbau" fortsetzte und 1912 am gleichen Ort den Tagebau einführte[5], der schließlich 1923 den "Tiefbau" vollständig verdrängte. Von anfangs jährlich 50 Tonnen wurden 1937 650 Tonnen Rohbernstein von etwa 700 Beschäftigten gefördert.

Die Sowjetunion führte das Werk unter dem Namen Russkij Jantar (russischer Bernstein) und förderte jährlich etwa 600 Tonnen Bernstein. Auf Anordnung der russischen Aufsichtsbehörde für Technologie und Umweltschutz wurde die Bernsteinförderung 2002 eingestellt, einige Zeit später aber wieder aufgenommen. Im Jahre 2008 wurden in unmittelbarer Nähe der Küste in der Grube „Primorskoje“ etwa 500 Tonnen Bernstein gefördert.[6] Abgebaut wird so genannte Blaue Erde, aus der unter Wasserdruck der Bernstein herausgespült wird; im Jahre 2010 waren es rund 340 Tonnen[7]. Der Bernsteingehalt erreicht im mittleren Abschnitt dieser Formation im Durchschnitt mehr als 2 kg/m³, kann stellenweise aber auch ein Mehrfaches davon betragen[8].

Verkehr

Die Samlandbahn verband Palmnicken mit dem Seehafen Pillau. Heute wird die Strecke nicht mehr regulär genutzt.

Sehenswürdigkeiten

  • Die 1892 erbaute evangelische Pfarrkirche wird heute von der russisch-orthodoxen Kirche genutzt.
  • Wasserturm
  • Im benachbarten Russkoje (Germau) findet sich ein deutscher Soldatenfriedhof.
  • Heimatmuseum

Persönlichkeiten

  • Der Pfarrer Johannes Jänicke (1900–1979) und seine Frau Eva Jänicke (1901–1965) wirkten von 1935 bis 1947 in der Palmnickener Kirchengemeinde. Johannes Jänicke gehörte der Bekennenden Kirche an und wurde später Bischof in der Kirchenprovinz Sachsen. Eva Jänicke hat die Ereignisse der Jahre 1945 bis 1947 in einem Tagebuch dokumentiert. [9]

Film

  • Julia Bourgett (Regie): Bernsteinland. Ein Todesmarsch in Ostpreußen. Der Dokumentarfilm erzählt das Schicksal der Opfer des Todesmarsches an die ostpreußische Bernsteinküste im Januar 1945. Der Dokumentarfilm über den Gedenktag 31. Januar, Jantarnyj, den Schacht Anna, die Schlosserei der Bernsteinfabrik, Interview mit der Überlebenden Maria Blitz, die heutigen Bewohner und ihre Heimat

Siehe auch

Literatur

  • Martin Bergau: Todesmarsch zur Bernsteinküste. Das Massaker an Juden im ostpreußischen Palmnicken im Januar 1945. Zeitzeugen erinnern sich. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006. ISBN 3-8253-5201-3
  • Gunter Nitsch: Weeds like us, AuthorHouse 2006. ISBN 978-1-4259-6755-0
  • Klaus Schulz-Sandhof, Bausteine zu einer Regionalgeschichte des Samlandes, Teil II, Radau in Raudau, S. 152–170: "Das Desaster von Palmnicken ", Drethem/Elbe, 2007.
  • Arno Surminski: Winter Fünfundvierzig oder Die Frauen von Palmnicken (Roman), Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2010. ISBN 978-3-8319-0421-1.

Weblinks

 Commons: Jantarny – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Königsberger Bürgerbrief Nr. 77, Duisburg 2011, S. 87
  2. Zahlen nach M. Bergau a.a.O. S. 220
  3. ITL des Kombinats Nr. 9 (PalmnikenLag) im Internetportal GULAG des MEMORIAL Deutschland e. V.
  4. A. Brekenfeld: Die Unternehmerpersönlichkeiten Friedrich Wilhelm Stantien und Moritz Becker. In: Bernstein - Tränen der Götter. Bochum 1996.
  5. K. Andrée: Der Bernstein und seine Bedeutung in Natur- und Geisteswissenschaften, Kunst und Kunstgewerbe, Technik, Industrie und Handel. Königsberg 1937
  6. J.R. Kasinski & R. Kramarska: Sedimentary environment of amber-bearing association along the polish-russian baltic coastline. In Exkurs. f. und Veröfftl. DGG, 236: S. 46-57; Hannover 2008. ISBN 978-3936617-86-3.
  7. Königsberger Express, Nr. 5 aus 2011
  8. B. Kosmowska-Ceranowicz: Bernstein - die Lagerstätte und ihre Entstehung. In Bernstein - Tränen der Götter. S. 161–168, Bochum 1996. ISBN 3-921533-57-0.
  9. Die Aufzeichnungen der Pfarrfrau Eva Jänicke in: Martin Bergau a.a.O. S. 157–205

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