Johannes Steinhoff

Johannes Steinhoff
Johannes Steinhoff (1966).

Johannes Steinhoff (* 15. September 1913 in Bottendorf; † 21. Februar 1994 in Wachtberg-Pech bei Bonn) war ein Jagdflieger der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg und später General der Bundeswehr.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Sohn eines Mühlenbesitzers und Getreidekaufmanns absolvierte Steinhoff sein Abitur an der Klosterschule Roßleben und studierte anschließend an der Universität Jena Philologie. In Jena wurde er Mitglied der akademischen Landsmannschaft Suevia (heute akademische Landsmannschaft Saxo-Suevia Erlangen).[1] Nachdem er aus finanziellen Gründen das Studium aufgeben musste, trat er in die Kriegsmarine ein und wurde ein Jahr lang als Seeflieger ausgebildet. 1936 wechselte er zur neu gegründeten Luftwaffe und wurde nach seiner Ausbildung als Jagdflieger dem Jagdgeschwader 26 zugeteilt.

Steinhoff, seit Mai 1939 Staffelkapitän im Jagdgeschwader 52, nahm am Zweiten Weltkrieg von Beginn an teil. Als Staffelkapitän der 10./JG 26 flog er am 18. Dezember 1939 in der Luftschlacht über der Deutschen Bucht. Er erlebte sowohl den Westfeldzug 1940 als auch die Luftschlacht um England sowie den Russlandfeldzug. Danach war er – als Kommodore des Jagdgeschwaders 77 „Herz As“ – in Süditalien bei der Operation Husky sowie gegen Ende des Krieges in der „Reichsverteidigung“ gegen die alliierten Bombenangriffe eingesetzt. Ab Oktober 1944 auf den Strahljäger Messerschmitt Me 262 umgeschult, rüstete er das Jagdgeschwader 7 in Brandenburg auf dieses Flugzeug um.

Zuletzt war er im Rang eines Oberst einfacher Jagdflieger und „Einsatzstabsoffizier“ (so eine vergleichsweise aktuelle Bezeichnung seiner damaligen Tätigkeit) im Jagdverband 44, einem unter der Führung von Generalleutnant Adolf Galland zusammengestellten improvisierten Geschwader mit zahlreichen hochdekorierten Flugzeugführern. Im Krieg flog er über 900 Einsätze und war bei über 200 davon in Luftkämpfe verwickelt. Dabei gelangen ihm 176 Abschüsse, womit er an 22. Stelle unter den Jagdfliegern aller am Zweiten Weltkrieg beteiligten Nationen rangiert; er selbst wurde rund ein Dutzend mal abgeschossen. Bei einem Start am 18. April 1945 in München-Riem verunglückte er mit seiner Me 262 und wurde schwer verwundet; schwere Verbrennungsnarben im Gesicht zeichneten ihn für den Rest seines Lebens. Steinhoff war Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern.

Kriegsende

Er beteiligte sich an der „Meuterei der Jagdflieger“, bei der einige Jagdflieger den Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring absetzen wollten. Zusammen mit Adolf Galland und anderen Fliegerassen wie Günther Lützow und Johannes Trautloft wollte er die Ablösung Görings durch Robert Ritter von Greim erreichen, was aber an mangelnder Entschlossenheit und dem fehlenden Rückhalt in der Luftwaffe scheiterte. In Folge dessen wurde Steinhoff, neben Günther Lützow, seines Postens enthoben und wenig später dem Jagdverband 44 als Fluglehrer zugeteilt.[2]

Über die Rolle Steinhoffs bei dieser „Verschwörung“ gibt es unterschiedliche Wertungen. Wolfgang Falck, damals Erster Generalstabsoffizier (Ia) in der Reichsverteidigung, vertritt die Ansicht, dass Steinhoffs Rolle unbedeutender war als dieser selbst in seinem Buch „Verschwörung der Jagdflieger“ behauptet. Kurt Braatz skizziert diese Situation in der Biographie über Günther Lützow, dass allein Lützow und noch Trautloft wagten, sich gegen Göring zu stellen. Selbst Galland habe den Widerstand aufgegeben, weil er bei Göring keinen Rückhalt mehr besaß. Das Scheitern dieser „Revolte“ muss vor dem Hintergrund des vollkommenen Vertrauensverlustes in die zu Kriegsbeginn mit allen Privilegien ausgestatteten Jagdflieger gesehen werden. Sie hatten – aufgrund der quantitativen und qualitativen Überlegenheit der alliierten Luftwaffen – nichts gegen die alliierten Bombenangriffe tun können und deswegen jeglichen Kredit bei der Führung des „Dritten Reiches“ verloren. Gleichzeitig verloren die Jagdflieger den luftwaffeninternen Machtkampf um den Einsatz der Me 262 als Jagdflugzeug oder Blitzbomber. Erst spät konnten die Jagdflieger andere für den Einsatz der Me 262 als Jäger gewinnen.

Nachkriegszeit

Nach der Entlassung aus den Lazaretten – er war zwischen 1945 und 1947 in ständiger Behandlung – erlernte er in einem Majolikabetrieb die Keramikmalerei. 1950 trat er in München in die Werbeagentur Gabler ein, die er im Juni 1952 wieder verließ, um als Gutachter für Fragen der Luftkriegführung im Amt Blank tätig zu werden. Zudem nahm er als Berater an den Verhandlungen zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Paris teil.

Bundeswehr und Luftwaffe

Am 1. November 1955 trat Steinhoff als „Eignungsübender“ in die Bundeswehr ein. Er nahm anschließend bis zum März 1956 an einer Umschulung auf amerikanische Kampfflugzeuge in den USA teil, bevor er am 1. März 1956 zum Berufssoldaten ernannt wurde. Er war bereits ab 1954 einer der Hauptverantwortlichen für den Aufbau der Luftwaffe der Bundeswehr. Nun, nach seiner Rückkehr aus den USA, übernahm er als Brigadegeneral die Unterabteilung Planung in der Abteilung VI im Bundesministerium der Verteidigung in Bonn, aus der 1957 der Führungsstab der Luftwaffe (Fü L) entstand. Im Zuge dieser Umgliederung wurde er als Stabsabteilungsleiter III im Fü L auch stellvertretender Chef des Stabes der Luftwaffe. Nach einer Vorbereitungszeit leistete er ab dem 1. September 1960 Dienst als Deutscher Militärischer Vertreter (DMV) beim NATO-Militärausschuss in Washington D.C. (ab 1962 als Generalmajor). In dieser Zeit erlebte er die Anfänge des Strategiewechsels der NATO von der MC 14/2 „Massiven Vergeltung“ hin zur MC 14/3 „Flexible Response“.

Ab dem 1. Oktober 1963 führte er als Kommandeur die 4. Luftwaffendivision in Aurich, die er zum 14. April 1965 an seinen Nachfolger, Brigadegeneral Dietrich Hrabak übergab. Es schloss sich 1965 die Verwendung als Chef des Stabes und Stellvertreter des Oberbefehlshabers der Alliierten Luftstreitkräfte Europa Mitte (engl. Allied Air Forces Central Europe = AAFCE, im Umgangssprachlichen AIRCENT) im Range eines Generalleutnants an. Am 2. September 1966 übernahm er auf dem Höhepunkt der „Starfighter-Krise“ als Inspekteur der Luftwaffe die Luftstreitkräfte der Bundeswehr.

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er in einer harten Auseinandersetzung mit der zivilen Seite des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) diejenigen Kompetenzen errungen, die er für die Behebung der Krise für notwendig erachtete. Der Konflikt zwischen der militärischen Führung und politischen Leitung im BMVg verschärfte sich vor dem Hintergrund der Ministerkrise. Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel fehlte aufgrund der Starfighter-Probleme der politische Rückhalt in seiner Partei und das machte ihn zum Opfer scharfer Angriffe der Opposition im Bundestag. Dies erleichterte es Steinhoff, diejenigen Vollmachten zu verlangen, die für den Betrieb des Waffensystems F-104G Starfighter notwendig waren. Als sich im BMVg Widerstand gegen seine Forderungen regte, drohte er dem Minister von Hassel mit Rücktritt, woraufhin dieser Steinhoffs Forderungen nachgab.

An der Spitze der NATO

Im September 1970 wurde er zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses gewählt – ein Amt, das er am 1. April 1971 übernahm. Er wurde zum Viersternegeneral befördert und fungierte in den folgenden drei Jahren als Vorsitzender des Militärausschusses, dem höchsten militärischen und militärpolitischen Beschlussgremium der NATO-Streitkräfte. 1974 schied er aus dem aktiven Dienst aus.

Nach dem Militärdienst trat Steinhoff am 28. Juni 1974 in den Aufsichtsrat von Dornier ein. Am 16. Dezember 1977 wurde er dessen Vorsitzender und behielt diese Position bis zum 1. Juli 1983.

Vorsitzender der „Steinhoff-Kommission“

Am 16. Januar 1989 legte die Expertenkommission unter der Führung von Johannes Steinhoff ihren Bericht zum Flugtagunglück von Ramstein vor.[3] Steinhoffs persönlich gehaltene Ausführungen zur zukünftigen Unterbindung von „Akrobatik und etwas Macho“ bei Flugvorführungen wurden am selben Tag in der Tagesschau ausgestrahlt.

Die Kommissionsmitglieder empfahlen, die Vorschriften zur Planung und Durchführung von Flugveranstaltungen zu verschärfen. Die Kommission forderte die Einrichtung einer zentralen Stelle, die alle zivilen und militärischen – auch alliierte – Flugveranstaltungen genehmigen und kontrollieren sollte.

Ehrungen und Auszeichnungen

Für seine Arbeit sowohl beim Aufbau der Luftwaffe als auch bei der Integration der Bundeswehr in die NATO wurde Steinhoff vielfach geehrt.

Das Jagdgeschwader 73 erhielt am 18. September 1997 ihm zu Ehren den Beinamen Steinhoff. Außerdem erhielt die von der Bundeswehr übernommene Kaserne des Flugplatzes Gatow, die ehemalige Luftkriegschule II der Wehrmacht, am 6. Oktober 1994 den Namen General-Steinhoff-Kaserne.

Siehe auch

Literatur

  • Wohin treibt die NATO? Probleme der Verteidigung Westeuropas. Hoffmann und Campe, Hamburg 1976, ISBN 3-455-08986-0
  • In letzter Stunde. Verschwörung der Jagdflieger Vom Widerstand der Jagdflieger gegen Reichsmarschall Göring. Flechsig, Mai 2005, ISBN 3-88189-592-2
  • Die Straße von Messina. Tagebuch des Kommodore. Flechsig, Mai 2005, ISBN 3-88189-593-0
  • Deutsche im Zweiten Weltkrieg. Zeitzeugen sprechen. (mit Peter Pechel, Dennis Showalter, Geleitwort von Helmut Schmidt) Schneekluth, München, 4. Auflage 1989, ISBN 3-7951-1092-0
  • Heiner Möllers, General Steinhoff und die Luftwaffe. In: Militärgeschichte. Zeitschrift für die Historische Bildung, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Potsdam, Heft 4/2006, S. 14–17. (PDF-Datei; 3,59 MB)

Weblinks

 Commons: Johannes Steinhoff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jörn Petrick: Gedenkbuch der Landsmannschaft im Coburger Convent Saxo-Suevia zu Erlangen. Zur Erinnerung an unsere verstorbenen Bundesbrüder (1878-2010)., Erlangen, 2010, S. 151.
  2. www.Luftwaffe.de
  3. Hamburger Abendblatt: Flugtage ohne Akrobatik und Macho, 17. Januar 1989, abgerufen am 16. Januar 2008
  4. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939–1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S. 721

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