Andreas Maislinger

Andreas Maislinger
Beate Klarsfeld, Andreas Maislinger und Altösterreicher Jean Serog in Paris (2008)

Andreas Maislinger (* 26. Februar 1955 in St. Georgen bei Salzburg) ist ein österreichischer Historiker und Politikwissenschaftler. Er initiierte den österreichischen Gedenkdienst und ist wissenschaftlicher Leiter der Braunauer Zeitgeschichte-Tage.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Studium

Andreas Maislinger wuchs in einem Landgasthaus in St. Georgen bei Salzburg auf. Sehr geprägt wurde er von seinem Vater Andreas Maislinger sen.[1] sowie seinem Nachbarn Georg Rendl. Nach der Hauptschule Ostermiething besuchte er das Musisch-pädagogischen Bundesrealgymnasium Salzburg. Er maturierte über die Todesfuge von Paul Celan.

Andreas Maislinger studierte Rechts- und Politikwissenschaft in Salzburg, sowie Politikwissenschaft und Geschichte in Wien mit Studienaufenthalten unter anderem in Frankfurt am Main, an der FU Berlin, der Universität Innsbruck und dem Salzburg Seminar.

Engagement

Maislinger als ASF-Freiwilliger in Polen (1981)

Während seines Studiums in Salzburg war er Mitglied der Österreichischen Studentenunion und versuchte eine österreichische Beteiligung an der Internationalen Jugendbegegnungstätte Auschwitz zu erreichen. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hatte dies jedoch mit der Begründung "ein Österreicher hat in Auschwitz nichts zu sühnen" abgelehnt. Später anerkannte Kirchschläger "das positive Ergebnis" des von Maislinger "durchgesetzten Gedenkdienstes"[2]. Den Sommer 1978 verbrachte er im Kibbuz Kfar HaHoresh in der Nähe von Nazareth.[3] 1980 promovierte er bei Anton Pelinka zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Probleme der österreichischen Verteidigungspolitik. Im Folgenden war er Freiwilliger im Polenreferat der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste tätig. Im Museum Auschwitz-Birkenau betreute er deutsche Jugendgruppen. Der Auschwitz-Überlebende Jerzy Adam Brandhuber war während dieser Zeit sein Vertrauter. Hermann Langbein klärte ihn über den Antisemitismus von ZBoWiD in Polen auf.[4] Auf Anregung von Jan Parcer rief er in Österreich zur Unterstützung des Baus der Maximilian Kolbe Kirche in Oswiecim auf.[5]

Anschließend leistete Maislinger seinen Zivildienst beim Internationalen Versöhnungsbund in Wien und arbeitete mit dem Service Civil International (SCI) zusammen. In der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Friedensinitiativen Österreichs war er vor allem für den Dialog mit Friedensgruppen in der DDR Polen engagiert und setzte sich für die Freilassung von Roland Jahn ein.

Von 1982 bis 1991 war Maislinger am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, an der University of New Orleans, an der Humboldt-Universität zu Berlin, an der Johannes Kepler Universität Linz und an der Hebräischen Universität Jerusalem tätig. 1986 war er Gründungsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Tirol und 1988 im Auftrag der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte in der DDR. Dieser und frühere DDR-Aufenthalte Maislingers wurden von der Stasi beobachtet. Mit Bischof Kurt Scharf setzte er sich für die Freilassung politischer Häftlinge in der DDR ein.[6] Die von Maislinger erstmals 1984 organisierte Fahrt zum Museum Auschwitz-Birkenau wird von der Gesellschaft für politische Aufklärung bis heute angeboten.[7] Gemeinsam mit Yaacov Lozowick realisierte er 1992 das erste deutschsprachige Seminar in Yad Vashem.[8] Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Maislinger vor allem durch seine Auftritte im Club 2 bekannt.

Andreas Maislinger, Gerhard Skiba und Gedenkdiener erinnern in Braunau an Gerechte unter den Völkern. (2002)

Seit 1992 ist Maislinger der wissenschaftliche Leiter der Braunauer Zeitgeschichte-Tage in Braunau am Inn. Bürgermeister Gerhard Skiba hatte diese von Maislinger bereits 1987[9] vorgeschlagene Tagung ermöglicht. Unter anderem haben an der Tagung der Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann und der Fälscher Adolf Burger teilgenommen. Im Rahmen der 11. Braunauer Zeitgeschichte-Tage "Wenige Gerechte?" fand 2002 eine Würdigung der österreichischen Gerechten neben dem Geburtshaus von Adolf Hitler statt.

Gedenkdienst

Hauptartikel: Gedenkdienst

Maislinger ist der Initiator des österreichischen Gedenkdienstes. Er setzte sich mehr als ein Jahrzehnt[10] für die gesetzliche Verankerung dieser Art des Militärersatzdienstes ein, der die Aufklärung über den Holocaust zum Ziel hat[11]. Unterstützt wurde er dabei vor allem von Simon Wiesenthal, Teddy Kollek[12], Ari Rath, Herbert Rosenkranz, Gerhard Röthler und Karl Pfeifer.[13] Am 10. Oktober 1980 hatte Maislinger auf Einladung von Anton Pelinka die Möglichkeit in der von Dolores Bauer geleiteten ORF-Sendung "Kreuzverhör" den "Zivildienst in Auschwitz"[14] vorzustellen.

Nach der Realisierung konnte am 1. September 1992 der erste Gedenkdiener seinen Dienst im Museum Auschwitz-Birkenau antreten. Von Anfang an war das Interesse an diesem Programm sehr groß und dadurch konnten jährlich neue Kooperationen mit ausländischen Einrichtungen realistiert werden. Als Vorsitzende des Vereins Gedenkdienst wurden Maislinger und Andreas Hörtnagl allerdings 1997 abgewählt [15] und so gründeten sie, nach einer längeren Auseinandersetzung mit dem neuen Vorstand des Vereins Gedenkdienst, den Verein für Dienste im Ausland, 2005 umbenannt auf Österreichischer Auslandsdienst.[16] Damit wurde die Arbeit auf die Bereiche Sozial- und Friedensdienst erweitert. 2001 wurde Michael Prochazka in den Vereinsvorstand aufgenommen.

Weitere Projekte

Bis 1996 veröffentlichte Andreas Maislinger Kolumnen in der Jüdischen Rundschau[17] Zu dieser Zeit organisierte er auch Sommerakademien für hochbegabte Kinder. Nach der FPÖ-Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 schlug Maislinger der Stadt Braunau am Inn vor, im Geburtshaus von Adolf Hitler ein "Haus der Verantwortung"[18] einzurichten.

Maislinger leitete das von ihm begründete Georg Rendl Symposion, das sich mit Leben und Werk des Malers und Schriftstellers Georg Rendl befasst, dessen Bekanntschaft Maislinger schon als Kind in St. Georgen gemacht hatte.[19] Bereits in den 80er-Jahren beschäftige er sich mit dem ehemaligen „Arbeitserziehungslager“ und „Zigeunersammellager“ Weyer in der Nachbargemeinde Sankt Pantaleon. Ludwig Laher griff den Stoff auf und veröffentlichte 2001 den Roman „Herzfleischentartung“.

Ab 2006 leitete Maislinger das in Bürmoos stattfindende Ignaz-Glaser-Symposion. Im August 2006 verlegte Gunter Demnig auf Einladung Maislingers im Bezirk Braunau am Inn 13 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus. Bereits 1997 wurden zwei Stolpersteine für die hingerichteten Zeugen Jehovas Johann Nobis und Matthias Nobis in Maislingers Heimatgemeinde verlegt. [20]

Der von Maislinger geleitete Verein Österreichischer Auslandsdienst begann 2006 den Austrian Holocaust Memorial Award. Auch der seit 2007 in Braunau am Inn vergebene Egon Ranshofen-Wertheimer Preis wurde mit Maislinger begonnen.

Veröffentlichungen

Herausgeberschaft

  • Costa Rica. Politik, Gesellschaft und Kultur eines Staates mit ständiger aktiver und unbewaffneter Neutralität. Inn-Verlag, Innsbruck 1986 ISBN 3-85123-091-4
  • Der Putsch von Lamprechtshausen. Zeugen des Juli 1934 berichten.[22] Eigenverlag, Innsbruck 1992 ISBN 3-901201-00-9
  • Handbuch zur neueren Geschichte Tirols. Band 2 Zeitgeschichte. (gemeinsam mit Anton Pelinka) Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1993

Dokumentarfilm

Andreas Maislinger und Branko Lustig in Los Angeles (2009)
  • Keine gebrochenen Frauen.[24] (Österreich 1986; 50 min), Buch und Regie: Andreas Riedler, Idee und Redaktion: Andreas Maislinger

Auszeichnungen

  • 2010: Großes Verdienstzeichen des Landes Salzburg[27] und Silbernes Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich. Im November 2010 erhielt er den John-Rabe-Friedenpreis 2010.[28]

Literatur

  • Joana Radzyner: Einsam unter Friedensengeln: Wehrdienstverweigerer Andreas Maislinger lebt alternativen Friedensdienst vor. in Profil 12. Juli 1982 [30]
  • Thomas Trescher: Der unbedankte Narziss. in Datum 7-8/08 [31]

Trivia

Als Tierschützer engagiert er sich mit Johann Maier für ein Schweizerkracher-Verkaufsverbot.[32]

Weblinks

Quellen

  1. Andreas Maislinger über seinen Vater Andreas Maislinger sen. (2007)
  2. Brief von Dr. Rudolf Kirchschläger an Dr. Andreas Maislinger, Wien 3. Februar 1995
  3. Andreas Maislinger: "Kreiskys Interview und Israel", Salzburger Nachrichten, 24. Oktober 1978
  4. Brief von Hermann Langbein an Andreas Maislinger, Wien 20. Dezember 1980
  5. Kirchenbauer für Auschwitz gesucht. Salzburger Nachrichten 31. Juli 1981
  6. Brief von Andreas Maislinger an Bischof Kurt Scharf vom 21. Januar 1981.
  7. http://www.uibk.ac.at/gfpa/ablage/dokumente/studienfahrt2010_1.pdf
  8. Herbert Rosenkranz: Ein österreichischer Historiker, der gegen den Strom schwimmt., Israel Nachrichten, 10. April 1992
  9. Alfred Jungraithmayr: "Chance für Braunau", Braunauer Rundschau 11. Mai 1989.
  10. Pressearchiv und Briefarchiv dokumentieren Engagement für den Gedenkdienst seit 1977.
  11. "Zivildienst in Holocaust Gedenkstätten": Dr. Peter Huemer und Dr. Andreas Maislinger, ORF Moment - Leben Heute, 9. März 1988
  12. Teddy Kollek zum Projekt Gedenkdienst (Tiroler Tageszeitng, 12. Jänner 1993)
  13. Interview mit Dr. Andreas Maislinger, Die GEMEINDE, 22. Dezember 1982
  14. Andreas Maislinger: "ZIVILDIENST" in Auschwitz, Stattblatt – Linzer Programm- und Belangzeitschrift 22/1980
  15. Gerhard Marschall: "Keine Spielwiese", Oberösterreichische Nachrichten vom 18. Juni 1997
  16. "Einem Obmann zum Gedenken", KURIER, Tirol, 5. Dezember 1997
  17. Kolumnen von Andreas Maislinger in der Jüdischen Rundschau
  18. Haus der Verantwortung (HRB)
  19. Dr. Andreas Maislinger: “An Pfarrer, der schön singt”, 5. April 2004 (dorfzeitung.com)
  20. „Stolpersteine“ zur mahnenden Erinnerung (19. Juli 1997)
  21. "Den Nationalsozialisten in die Hände getrieben" - Zur Geschichtspolitik der SPÖ von 1970 bis 2000, Europäische Rundschau, Heft 3/2001
  22. "Zeugen des Juli 1934 berichten" auf Maislinger.net
  23. Bauern gegen Hitler. Eine Dokumentation von Andreas Maislinger. Informations- und Pressedienst der Österreichischen Widerstandsbewegung Nr. 1/199
  24. Dokumentarfilm "Keine gebrochenen Frauen" (Österreich 1986)
  25. Maislinger: Auszeichnung für Lebenswerk
  26. Auszeichnung durch den Weltmenschverein
  27. Verleihung Großes Verdienstzeichen des Landes Salzburg am 19. Oktober 2010 (salzburg.gv.at)
  28. John-Rabe-Preis für Andreas Maislinger, 2. November 2010 (salzburg.orf.at)
  29. Urkunde: 10 Bäume in den Bergen Jerusalems, IKG-Innsbruck an Andreas Maislinger, Januar 2011
  30. http://www.auslandsdienst.at/press/archive/profil_12.7.1982.html
  31. http://www.datum.at/artikel/der-unbekannte-narziss/
  32. Mail an die Abgeordneten zum Österreichischen Nationalrat vom 24. Dezember 2007.

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